Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei M*****, vertreten durch Lambert Rechtsanwälte OG in Wien, wider die verpflichtete Partei B*****, vertreten durch Denk & Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.000 EUR), über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. August 2010, GZ 47 R 293/10a-23, 47 R 294/10y-23, womit über die Rekurse der verpflichteten Partei die Beschlüsse des Bezirksgerichts Hietzing vom 1. Juni 2010, GZ 13 E 1078/10g-3, und vom 11. Juni 2010, GZ 13 E 1078/10g-10, abgeändert wurden, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und die Entscheidung des Rekursgerichts dahin abgeändert, dass die Beschlüsse des Erstgerichts wiederhergestellt werden.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihrer Rekurse selbst zu tragen.
Die Revisionsrekurskosten der betreibenden Partei werden mit 1.680,84 EUR (darin enthalten 280,14 EUR an USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit dem am 16. Oktober 2008 anlässlich der einvernehmlichen Scheidung der Parteien vor dem Bezirksgericht Liesing abgeschlossenen Vergleich hat sich die Verpflichtete nach Punkt 13. (Namensführung und Wettbewerb) verpflichtet, jede geschäftliche Tätigkeit auch für Dritte, mit denen sie direkt oder indirekt in Konkurrenz zur derzeitigen geschäftlichen Tätigkeit des Betreibenden (Gastronomie im weitesten Sinn) tritt und die Vornahme jeglicher Geschäftstätigkeit unter dem gemeinsamen Familiennamen sowie auch die Überlassung des Namens an Dritte, die den Anschein einer Nahebeziehung zur geschäftlichen Tätigkeit des Betreibenden, insbesondere wegen Branchenähnlichkeit erwecken kann, zu unterlassen. In Punkt 11. dieses Vergleichs ist festgehalten, dass das Dienstverhältnis der Verpflichteten im Einvernehmen beendet wird. Der Betreibende ist Geschäftsführer und Gesellschafter der ehemaligen Arbeitgeberin der Verpflichteten.
Das Erstgericht bewilligte mit Beschluss vom 1. Juni 2010 (ON 3) wegen behaupteter Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung gemäß Punkt 13. des Scheidungsvergleichs dem Betreibenden die Exekution gemäß § 355 EO (Punkt 1.) und verhängte über die Verpflichtete eine Geldstrafe von 4.000 EUR (Punkt 2.). Eine Einvernahme der Verpflichteten nahm das Erstgericht wegen „Gefahr im Verzug“ nicht vor. Wegen behaupteter weiterer Verstöße gegen das Unterlassungsgebot verhängte das Erstgericht aufgrund von Strafanträgen des Betreibenden vom 4. Juni 2010 (ON 7), 8. Juni 2010 (ON 8) und 9. Juni 2010 (ON 9) eine weitere Geldstrafe von 10.000 EUR. Auch hier erfolgte keine Einvernahme der Verpflichteten vor Verhängung der Geldstrafen. Einen Strafantrag vom 1. Juni 2010 (ON 5) wies es unbekämpft ab.
Das Rekursgericht gab den Rekursen der Verpflichteten Folge und wies den Antrag auf Bewilligung der Unterlassungsexekution sowie die Strafanträge ON 7, ON 8 und ON 9 ab. Es gelangte zum Ergebnis, dass der Exekutionstitel entgegen der Ansicht der Verpflichteten ausreichend bestimmt sei und dass die Fragen, ob die Gleichartigkeit des Kundenkreises auch von räumlichen Umständen abhänge, und ob sich örtlich keinesfalls überschneidende Absatzgebiete praktisch jede Möglichkeit eines Zusammenstoßes im Wettbewerb ausschließen könnten, weder anlässlich der Exekutionsbewilligung noch der Bewilligung von Strafanträgen zu prüfen seien. Auf das aufgelöste Arbeitsverhältnis der Verpflichteten zu ihrer ehemaligen Arbeitgeberin sei § 36 Abs 1 Z 2 AngG anzuwenden. Dieser normiere, dass eine Vereinbarung, durch die der Angestellte für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränkt werde (Konkurrenzklausel), nur insoweit wirksam sei, als sich die Beschränkung auf die Tätigkeit des Angestellten in dem Geschäftszweig des Dienstgebers beziehe und den Zeitraum eines Jahres nicht überschreite. Entgegen § 36 Abs 1 Z 2 AngG enthalte die Verpflichtung nach Punkt 13. des Scheidungsvergleichs keine zeitliche Begrenzung. Liege dem Exekutionstitel eine verbotene oder nicht erzwingbare Leistung zugrunde, dürfe die Exekution nicht bewilligt werden. Übersteige die Konkurrenzklausel einen drei Jahre übersteigenden Zeitraum, liege die Gefährdung auch des öffentlichen Interesses vor, weswegen die in Punkt 13. des Scheidungsvergleichs formulierte Konkurrenzklausel absolut nichtig sei. Dies führe zu einer von Amts wegen aufzugreifenden (Teil-)Nichtigkeit des Exekutionstitels, zumal die vom Betreibenden persönlich abgeschlossene Vereinbarung als Umgehungsgeschäft zu qualifizieren sei, auf das § 36 AngG anzuwenden sei.
Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil aktuelle Rechtsprechung dazu fehle, ob ein Verstoß gegen § 36 Abs 1 AngG absolute oder relative Nichtigkeit nach sich ziehe und ob bzw unter welchen Umständen eine solche anlässlich des Bewilligungsverfahrens von Amts wegen wahrzunehmen sei.
Der Revisionsrekurs des Betreibenden ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Grundlage der Entscheidung über den Exekutionsantrag ist der Inhalt des Exekutionstitels in Verbindung mit dem Vorbringen des Betreibenden im Exekutionsantrag. Dieses Vorbringen ist - von hier nicht beachtlichen Ausnahmen abgesehen - als wahr anzusehen. Die materielle Richtigkeit des Exekutionstitels ist nicht Gegenstand einer Prüfung im Bewilligungsverfahren (Jakusch in Angst2 § 3 Rz 19; Meinhard in Burgstaller/Deixler EO § 3 Rz 21, 3 Ob 280/00y; RIS-Justiz RS0000217). Im Fall der Exekution nach § 355 EO muss der Betreibende konkret und schlüssig behaupten, dass und wie der Verpflichtete dem Exekutionstitel zuwidergehandelt hat. Im Rahmen der Bewilligung zur Erwirkung von Unterlassungen ist dann nur zu prüfen, ob das im Exekutionsantrag konkret behauptete Verhalten des Verpflichteten titelwidrig ist, nicht hingegen, ob das behauptete Vorbringen auch den Tatsachen entspricht, also richtig ist (3 Ob 18/99i). Ein Strafantrag ist nur abzuweisen, wenn sich die Unrichtigkeit der Behauptungen aus den vorgelegten Bescheinigungsmitteln ergibt (RIS-Justiz RS0113988).
2. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen soll aber bei einer Verpflichtung im Exekutionstitel zu einer nach der Rechtsordnung verbotenen oder nicht erzwingbaren Leistung bestehen. Dies stehe der Bewilligung der Exekution entgegen (Jakusch aaO § 7 Rz 32; Höllwerth in Burgstaller/Deixler, § 7 Rz 52; Heller/Berger/Stix EO4 I 185). Diese Ansicht wird mangels Regelung in der EO aus § 81 Z 2 EO abgeleitet, der (nur) für ausländische Exekutionstitel festhält, dass die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Exekutionstitels zu versagen ist, wenn dadurch eine Handlung erzwungen werden soll, die nach dem Recht des Inlands entweder überhaupt unerlaubt oder nicht erzwingbar ist. Dabei handelt es sich um einen wohl überaus seltenen Unterfall des ordre public (Schütz in Angst2 § 81 Rz 3), gegen den dann verstoßen wird, wenn dem Exekutionstitel mit der inländischen Rechtsordnung vollkommen unvereinbare (ausländische) Rechtsgedanken zugrundeliegen und daher die Vollstreckbarerklärung mit der inländischen Rechtsordnung völlig unvereinbar ist. Das wird erst bei einem Verstoß gegen grundlegende inländische Wertvorstellungen (3 Ob 221/04b = SZ 2005/9), etwa bei einem Eingriff in elementare (verfassungsrechtlich geschützte) Grundrechte der unterlegenen Partei in sittenwidriger Weise angenommen (Burgstaller/Höllwerth in Burgstaller/Deixler § 81 Rz 12 mwN).
3. Die Versagung der Exekutionsbewilligung aufgrund eines inländischen Exekutionstitels im Wege der Analogie könnte daher nur bei vergleichbar schwerwiegenden Verstößen gegen die der Rechtsordnung allgemein zugrundeliegenden Werte in Betracht kommen. Gemessen an § 81 Z 2 EO begründet die zwischen den Parteien in Punkt 13. vereinbarte Konkurrenzklausel weder für sich allein betrachtet noch im Gesamtkontext des Scheidungsvergleichs einen derartigen schwerwiegenden Verstoß gegen Werte der Rechtsordnung, dass die Exekutionsbewilligung von Amts wegen zu versagen wäre. Die Frage, ob die Teilnichtigkeit einer Konkurrenzklausel hinsichtlich eines ein Jahr übersteigenden Zeitraums (§ 36 AngG; RIS-Justiz RS0029953) eine absolute Nichtigkeit ist, die von Amts wegen wahrzunehmen wäre (RS0116900; RS0016432 [T1]), ist im Titelverfahren zu klären. Ein rechtskräftiges Urteil bindet das Exekutionsgericht, das sich schon aus Rechtssicherheitsgründen an den Leistungsbefehl des Titelgerichts zu halten hat (Rechberger, Die fehlerhafte Exekution, 124). Auch für den vorliegenden rechtswirksamen gerichtlichen Vergleich gilt diese Bindung des Exekutionsgerichts an den Titel, der nur im aufgezeigten Maß überprüfbar ist, im Übrigen aber wegen ursprünglicher Unwirksamkeit aus materiellen Gründen mit Klage auf Feststellung der Nichtigkeit wegen Unerlaubtheit oder Sittenwidrigkeit der Leistung angefochten werden müsste (Klicka in Fasching2 §§ 204, 206 ZPO Rz 41 und 46). Auf die Frage, ob ein Umgehungsgeschäft vorliegt und die vereinbarte Klausel im Lichte des § 36 Abs 1 Z 2 AngG absolut oder relativ nichtig ist, kommt es daher entgegen der Auffassung des Rekursgerichts für die Exekutionsbewilligung nicht an.
4. Bei der Unterlassungsexekution ist vom Grundsatz auszugehen, dass die Exekution schon wegen § 7 Abs 1 EO nur aufgrund eines Exekutionstitels bewilligt werden darf, dem neben der Person des Berechtigten und des Verpflichteten auch Gegenstand, Art, Umfang und Zeit der Unterlassung eindeutig und bestimmt zu entnehmen sind, weil grundsätzlich im Titelverfahren geklärt werden soll, was dem Verpflichteten verboten wird (3 Ob 246/01z; 3 Ob 136/07g mwN). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Rekursgericht die Bestimmtheit des Exekutionstitels zutreffend angenommen. Wenn der Titel aus Parteierklärungen in einem Vergleich besteht, kommt es auf den objektiven Sinn an, der sich aus der Verpflichtungserklärung im Zusammenhang mit dem sonstigen Inhalt des Titels ergibt (RIS-Justiz RS0000207). Unter diesem Gesichtspunkt besteht kein Zweifel, wozu sich die Verpflichtete in Punkt 13. des Scheidungsvergleichs zu unterlassen verpflichtete. Die Frage, ob örtlich sich keinesfalls überschneidende Absatzgebiete praktisch jede Möglichkeit eines Zusammenstoßes im Wettbewerb ausschließen können (RIS-Justiz RS0077670 [T2]), ist im Verfahren über die Bewilligung der Exekution nicht zu prüfen.
5. Nach § 3 Abs 2 EO ist über den Antrag auf Bewilligung der Exekution grundsätzlich ohne vorherige mündliche Verhandlung und ohne Einvernehmung des Gegners zu entscheiden. Für die Unterlassungsexekution sieht § 358 Abs 2 EO jedoch vor, dass dem Verpflichteten - so nicht Gefahr im Verzug ist - vor der Verhängung der Geldstrafe Gelegenheit zur Äußerung zu den Strafzumessungsgründen zu geben ist, wenn nicht bereits eine Äußerung zu einem im Wesentlichen gleichen Antrag notorisch ist.
Die Verpflichtete hat in ihrem Rekurs gegen den Beschluss vom 1. Juni 2010 bemängelt, dass sie vor der Verhängung der Geldstrafe entgegen der Bestimmung des § 358 Abs 2 EO keine Gelegenheit zur Äußerung erhielt, räumt aber ein, dass die Eröffnung des Hotel- und Restaurantbetriebs, wie vom Betreibenden behauptet, für den 3. Juni 2010 beabsichtigt war. Die Entscheidung des Erstgerichts, wegen „Gefahr in Verzug“ von der Einholung einer Äußerung der Verpflichteten Abstand zu nehmen, ist damit nicht zu beanstanden. Bereits im zitierten Rekurs hat sich die Verpflichtete zu den Strafzumessungsgründen geäußert. In Bezug auf die Entscheidung über die Strafanträge ON 7, ON 8 und ON 9 war damit bereits eine Äußerung zu einem im Wesentlichen gleichen Strafantrag notorisch (§ 358 Abs 2 EO). Damit ist die Verpflichtete hinsichtlich der Höhe der über sie verhängten Strafen insgesamt auf die von ihr erhobenen Widersprüche zu verweisen.
Dem Revisionsrekurs des Betreibenden war damit Folge zu geben und der Beschluss des Erstgerichts zur Gänze wiederherzustellen.
Da die Verpflichtete mit ihren Rekursen erfolglos geblieben ist, hat sie die darauf entfallenen Kosten selbst zu tragen (§ 78 EO iVm §§ 40 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekurses beruht auf § 78 EO, §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.
Das Rechtsmittelverfahren in Exekutionssachen ist - abgesehen von hier nicht gegebenen Ausnahmen - auch vor dem Obersten Gerichtshof einseitig (RIS-Justiz RS0118786). Die Verpflichtete hat die Kosten für ihre Revisionsrekursbeantwortung schon aus diesem Grund selbst zu tragen (3 Ob 168/10t).
Schlagworte
ExekutionsrechtTextnummer
E97763European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00198.10D.0609.000Im RIS seit
21.07.2011Zuletzt aktualisiert am
03.02.2012