TE OGH 2011/6/16 7Ob22/11b

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Veröffentlicht am 16.06.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Stefan Hämmerle, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, wegen 6.500 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 9. November 2010, GZ 1 R 322/10a-14, womit das Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 16. Juli 2010, GZ 4 C 2294/09a-9, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zu Art 6.7.2. ARB 1988 (und der gleichlautenden Bestimmung der ARB 1994) oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Der dem vorliegenden Fall zugrunde liegende Art 6.7.2. ARB 1988, der textgleich mit Art 6.7.2. ARB 1994 ist, lautet (Überschrift zu 6.7.: Die Leistung des Versicherers ist beschränkt wie folgt):

„6.7.2.: Bei mehreren Versicherungsfällen, die einen ursächlich zusammenhängenden, einheitlichen Vorgang darstellen, steht die Versicherungssumme nur einmal zur Verfügung. Ihre Höhe bestimmt sich nach dem Zeitpunkt des ersten Versicherungsfalles.“

Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach zur Auslegung des korrespondierenden Art 2.3. ARB 1988 und 1994 ausgeführt wie folgt:

Ist kein einheitliches Verstoßverhalten des Schädigers erkennbar, handelt es sich bei einzelnen schädigenden Verhalten jeweils um einen rechtlich selbständigen neuen Verstoß. War nach der Sachlage schon beim ersten Verstoß mit weiteren gleichartigen Verstößen zu rechnen, liegen in der Regel nicht mehrere selbständige Verstöße, sondern ein einheitlicher Verstoß im Rechtssinn vor. Dies kann sowohl bei vorsätzlichen Verstößen der Fall sein, bei denen der Wille des Handelnden von vornherein den Gesamterfolg umfasst und auf dessen „stoßweise Verwirklichung“ durch mehrere gleichartige Einzelhandlungen gerichtet ist, wie auch bei Fällen gleichartiger fahrlässiger Verstöße, die unter wiederholter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen werden (RIS-Justiz RS0111811).

Die Revision erkennt selbst, dass der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 7 Ob 122/10g auch bereits zu Art 6.7.2. ARB (dort: ARB 1994), und zwar ebenfalls im Zusammenhang mit mehreren arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber, in Übereinstimmung mit der herrschenden deutschen Lehre (bei vergleichbarer Bedingungslage) Stellung genommen hat. Entscheidend ist danach nicht, ob ein zeitlicher und ursächlicher Zusammenhang zwischen den verschiedenen Prozessen besteht, sondern ob dieser zwischen den einzelnen Versicherungsfällen vorliegt. Die Zusammenfassung mehrerer zeitlich und ursächlich zusammenhängender Versicherungsfälle zu einem einheitlichen „Leistungsfall“, der die Leistungspflicht des Rechtsschutzversicherers bis zur Haftungshöchstsumme nur einmal auslöst, ist dann gerechtfertigt, wenn mehrere Versicherungsfälle einem Geschehnisablauf entspringen, der nach der Verkehrsauffassung als ein einheitlicher Lebensvorgang aufzufassen ist.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass zwischen einer Klage auf Bezahlung von Entgelt bei aufrechtem Arbeitsverhältnis und einer solchen auf Bezahlung von Entgelt infolge Entlassung nicht besteht, hält sich im Rahmen der schon zu 7 Ob 122/10g dargelegten Rechtsgrundsätze. Es wurde ausgesprochen, dass zwischen einer Klage auf Zahlung eines Entgelts für Schulungstätigkeiten und einer solchen auf Durchsetzung von Bonuszahlungen für Führungsagenten, von Provisionsansprüchen und anderen Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis, die aber aus anderen Rechtsgründen als die Schulungsentgelte entsprungen sind, kein ursächlicher Zusammenhang der Schadenereignisse im Sinn einer Voraussetzung für eine Haftungsbeschränkung nach Art 6.7.2. ARB (1994) besteht. Ein derartiger Anspruch würde sich auch nicht ergeben, wenn man mit Prölls/Armbrüster in Prölls/Martin VVG27 § 2 ARB 75 Rn 34 entgegen der herrschenden Meinung nicht darauf abstellen wollte, ob die Versicherungsfälle alle einem nach der Verkehrsanschauung einheitlichen Lebensvorgang entspringen, sondern darauf, ob infolge des Eintritts des ersten Versicherungsfalls oder eines davor liegenden Umstands die Gefahr der eingetretenen Versicherungsfälle erhöht wurde und daher das Zusammentreffen der Versicherungsfälle die Realisierung der mit einem Umstand verbundenen besonderen Gefahr darstellt.

Auch wenn es im täglichen Leben vorkommen mag, dass einer Klage eines Arbeitnehmers auf Bezahlung von Entgelt zu einem späteren Zeitpunkt ein Rechtsstreit über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses folgt, so liegt damit weder ein einheitlicher Lebensvorgang noch eine Realisierung einer geschaffenen besonderen Gefahr vor. Es werden keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die Revisionsbeantwortung weist auf die Unzulässigkeit der Revision hin.

Schlagworte

Vertragsversicherungsrecht

Textnummer

E97658

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0070OB00022.11B.0616.000

Im RIS seit

11.07.2011

Zuletzt aktualisiert am

21.07.2014
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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