TE OGH 2011/6/16 6Ob87/11d

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Veröffentlicht am 16.06.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der Erleger 1. Dr. G***** D*****, 2. Dr. W***** D*****, beide vertreten durch Mag. Boris Knirsch und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die Erlagsgegnerin F***** KG, *****, wegen Erlags von 1.567,25 EUR, über den Revisionsrekurs der Erleger gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Februar 2011, GZ 44 R 18/11i-8, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 1. Dezember 2010, GZ 84 Nc 32/10v-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Erleger sind Mit- und Wohnungseigentümer eines Hauses in Wien. Mit Antrag vom 9. 11. 2010 begehrten sie, den Betrag von insgesamt 1.567,25 EUR gemäß § 1425 ABGB als Erlag anzunehmen. Die Erlagsgegnerin, die die Hausverwaltung führe, habe mit Schreiben vom 23. 6. 2010 die monatlichen Beiträge zur Reparaturrücklage um 400 % erhöht. Die Erleger hätten diese als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung bezeichnete Erhöhung bemängelt und eingewendet, dass die Erhöhung in diesem Ausmaß zumindest eines Mehrheitsbeschlusses der Miteigentümer bedürfe, welcher nicht eingeholt worden sei. Die Erlagsgegnerin sei auf diese Einwendungen nicht eingegangen und habe die von den Erlegern nicht übernommenen Erhöhungsbeträge von 75 % der ursprünglichen Erhöhung eingemahnt und deren gerichtliche Eintreibung angekündigt. Da sich die Erlagsgegnerin mit der Zahlung von 25 % der von ihr ursprünglich eingeforderten Erhöhung nicht zufrieden gebe, werde beantragt, den Differenzbetrag von insgesamt 1.567,25 EUR bei Gericht zum Erlag anzunehmen.

Das Erstgericht wies den Erlagsantrag zurück. Eine Hinterlegung sei nur dann möglich, wenn ein Schuldverhältnis bestehe und Unmöglichkeit der Leistung vorliege. Letztere Voraussetzung sei nicht erfüllt.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass es den Erlagsantrag abwies. Die unterschiedliche Rechtsauffassung zwischen den Parteien stelle keinen Erlagsgrund dar, wenn wie im vorliegenden Fall nur ein Forderungsprätendent vorhanden sei, der die Leistung auch annehmen würde. Die Hinterlegung sei in diesem Fall kein taugliches Instrument und bringe keine Klarheit in der Zweierbeziehung.

Unzufriedenheit des Gläubigers liege vor, wenn er die ordnungsgemäß angebotene Leistung zurückweise oder sie nur als Teilleistung gelten lassen wolle. In diesem Fall sei der Schuldner zur Hinterlegung des Betrags, der nur als Teilzahlung akzeptiert werden würde, berechtigt. Diese Fallkonstellation sei jedoch hier nicht gegeben. Vielmehr sei ein Teil der geforderten Reparaturrücklage geleistet und von der Erlagsgegnerin angenommen worden. Hinsichtlich des noch offenen Differenzbetrags sei ein Hinterlegungsantrag gestellt worden, weil die Erlagsgegnerin gerichtliche Schritte angekündigt hatte.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichts zumindest teilweise in Widerspruch zur Entscheidung 5 Ob 26/01y (richtig: 5 Ob 260/01y) stehe.

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Ein Schuldner kann mit schuldbefreiender Wirkung aus den im § 1425 ABGB genannten Gründen und unter den aus dieser Gesetzesstelle ableitbaren Voraussetzungen seine Schuld gerichtlich hinterlegen. Der Erleger hat den Hinterlegungsgrund zu nennen und den Erlagsgegner namentlich zu bezeichnen. Das Hinterlegungsgericht hat zu prüfen, ob im Erlagsantrag der Erleger und der Gläubiger, für den erlegt wird, sowie der Erlagsgegenstand und der Erlagszweck bezeichnet sind (RIS-Justiz RS0112198 [T13]). Was den Erlagsgrund anlangt, hat das Erlagsgericht nur zu prüfen, ob ein Grund wie der angegebene zur Hinterlegung iSd § 1425 ABGB an sich taugt. Nicht hingegen ist zu prüfen, ob der angeführte Hinterlegungsgrund tatsächlich gegeben ist (RIS-Justiz RS0112198).

2.1. Nach ständiger Rechtsprechung bildet auch die Unklarheit der Rechtslage einen rechtlichen Grund zum Gerichtserlag iSd § 1425 ABGB (RIS-Justiz RS0033610). Besteht die unklare Sach- und Rechtslage nur zwischen einem Schuldner und einem Gläubiger, so ist der Schuldner zur gerichtlichen Hinterlegung des Geschuldeten nicht berechtigt, weil dadurch die Streitaustragung nicht vermieden wird und keine Tilgung herbeigeführt werden kann (RIS-Justiz RS0033610 [T6]). Die Unklarheit oder Strittigkeit der Sach- und/oder Rechtslage zwischen einem Schuldner und seinem Gläubiger gibt als solche noch kein Recht zur Hinterlegung (10 Ob 95/05a).

2.2. Bestreitet daher der Schuldner einen Anspruch des Erlagsgegners und will er diesem deshalb nicht leisten, dann liegt kein Erlagsgrund vor (RIS-Justiz RS0033463). Der Schuldner kann bei Annahmebereitschaft des (einzigen) Gläubigers nicht etwa - gleichsam zur eigenen Sicherheit - deshalb hinterlegen, weil er seine Leistungspflicht bestreitet (Stabentheiner in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON § 1425 Rz 18). Dies erklärt sich daraus, dass in einem derartigen Fall - wenn keine einvernehmliche Klärung zustande kommt - eine Lösung ohnehin nur durch eine gerichtliche Auseinandersetzung zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger herbeigeführt werden kann und eine gerichtliche Hinterlegung des Leistungsobjekts das Erreichen einer solchen Lösung um keinen Schritt weiterbringt (Reischauer, JBl 2001, 553 [556 f]; Stabentheiner aaO; 2 Ob 511/91 EvBl 1991/91; 10 Ob 95/05a immolex 2006/20 uva).

3.1. Soweit die Rechtsprechung „Unzufriedenheit“ des Gläubigers als Erlagsgrund anerkennt (9 Ob 90/08p; 10 Ob 95/05a), so sind damit Fälle gemeint, in denen der Gläubiger die Leistung nicht als dasjenige annehmen will, als das sie ihm vom Schuldner angeboten wird. Dieser Hinterlegungsgrund knüpft also daran an, dass der Gläubiger die angebotene Leistung - etwa hinsichtlich ihres Ausmaßes oder ihres rechtlichen Charakters - anders qualifiziert als der Schuldner (Stabentheiner aaO § 1425 Rz 10).

3.2. In der Entscheidung 10 Ob 95/05a hat der Oberste Gerichtshof das Vorliegen einer solchen Konstellation in einem Fall verneint, in dem die Antragstellerin die zu hinterlegende Zahlung ihrem Gläubiger gar nicht angeboten habe, weil sie ja bewusst nicht an ihn leisten habe wollen. Anderes würde dann gelten, wenn der Gläubiger die Zahlung nicht „unpräjudiziell für die beiderseitigen Prozessstandpunkte“ annehmen wollte und der Beklagte mit Recht fürchten müsse, dass ihm eine Zahlung an den Kläger zum Nachteil ausgelegt werden könne. In einem derartigen Fall wäre der Gerichtserlag berechtigt (RIS-Justiz RS0033312; 2 Ob 37/53). Eine derartige Konstellation würde nämlich bedeuten, dass der Gläubiger vom Schuldner verlangt, dass dieser die Zahlung ausdrücklich als bloße Teilzahlung anerkennt (vgl 2 Ob 37/53; 1 Ob 488/33 = JBl 1934, 14).

3.3. In der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 5 Ob 260/01y ging es um einen Gerichtserlag als Sicherheitsleistung zur Abwendung eines Zurückbehaltungsrechts gemäß § 471 Abs 2 ABGB. Schon deshalb kann diese Entscheidung nicht ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Außerdem weicht diese Entscheidung nicht von der im vorigen wiedergegebenen Judikatur ab, sondern beruft sich ausdrücklich auf die Vorentscheidungen JBl 1934, 14 und SZ 26/95. Zwar erwähnt die Begründung der Entscheidung 5 Ob 260/01y den Fall der „Unzufriedenheit“ des Gläubigers als Erlagsgrund, präzisiert aber in der Folge, dass sich dies auf eine Auseinandersetzung um den Annahmeverzug des Gläubigers und seine Folgen bezieht. Eine derartige Konstellation liegt im vorliegenden Fall aber - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben - nicht vor. Im vorliegenden Fall hat die Erlagsgegnerin vielmehr den von den Antragstellern bezahlten (Teil-)Betrag angenommen. Dass die Antragsteller die darüber hinausgehende Forderung der Antragsgegnerin bestreiten, stellt im Sinne der unter 2.1. wiedergegebenen Rechtsprechung keinen Erlagsgrund dar.

4. Damit bringen die Revisionsrekurswerber aber keine Rechtsfrage der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

Textnummer

E97876

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0060OB00087.11D.0616.000

Im RIS seit

05.08.2011

Zuletzt aktualisiert am

05.08.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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