TE OGH 2011/6/16 6Ob72/11y

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Veröffentlicht am 16.06.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Linz zu FN ***** eingetragenen Ing. H***** S***** Privatstiftung mit dem Sitz in der politischen Gemeinde G***** und der Geschäftsanschrift *****, über den Revisionsrekurs der Privatstiftung, vertreten durch Dr. Rudolf Schachner, öffentlicher Notar in Ottensheim gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 14. März 2011, GZ 6 R 34/11d-9, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 11. Februar 2011, GZ 32 Fr 8050/10i-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Im Firmenbuch des Landesgerichts Linz ist zu FN ***** die Ing. H***** S***** Privatstiftung eingetragen.

Die entscheidungsrelevanten Bestimmungen der Stiftungsurkunde vom 9. Juli 1997 lauten:

Zwölftens: Änderungen der Stiftungserklärung und Widerruf der Stiftung

(1) Die beiden Stifter behalten sich den Widerruf der Stiftung, auch nach Eintragung der Stiftung in das Firmenbuch, ausdrücklich vor. Die Stiftung kann zu Lebzeiten von Herrn Ing. H***** S***** nur durch diesen allein widerrufen werden. Falls Herr Ing. H***** S***** verstirbt, kann die Stiftung nur durch den Zweitstifter, die Ing. H***** S***** KEG, allein widerrufen werden.

(2) Die Stifter behalten sich weiters die Änderung der Stiftungserklärung (nämlich der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde) auch nach Eintragung der Stiftung in das Firmenbuch ausdrücklich vor.

Dreizehntens: Dauer, Auflösung, Letztbegünstigte

(1) Die Stiftung wird auf unbestimmte Zeit errichtet.

Die entscheidungsrelevanten Bestimmungen des über die Änderung der Stiftungsurkunde vom 13. November 2003 errichteten Notariatsakt lauten:

Zweitens:

Der Stifter ändert nun die Stiftungsurkunde wie folgt ab:

(…)

5. Im Punkt Zwölftens (Änderung der Stiftungserklärung und Widerruf der Stiftung) wird der (1) ersatzlos gestrichen.

6. Im Punkt Dreizehntens wird der (1) neu gefasst:

(1) Die Stiftung wird befristet bis 31. 12. 2017 (einunddreißigsten Dezember zweitausendsiebzehn) errichtet.

Pkt. Zwölftens (Änderung der Stiftungserklärung und Widerruf der Stiftung) erhielt die Bezeichnung „Punkt Elftens“.

Die Vorstandsmitglieder meldeten die Änderung der Stiftungserklärung vom 3. Dezember 2010 zur Eintragung in das Firmenbuch an (§ 33 Abs 3 PSG).

Pkt. Zweitens des Notariatsakts vom 3. Dezember 2010 lautet:

Der Stifter ändert nun die Stiftungsurkunde wie folgt ab:

Im Punkt Elftens (Änderung der Stiftungserklärung und Widerruf der Stiftung) wird ein neuer Absatz (3) hinzugefügt:

(3) Der Stifter Ing. H***** S***** behält sich den Widerruf der Stiftung ausdrücklich vor.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Eintragung der Änderung der Stiftungsurkunde im Punkt Elftens (3) im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass nach herrschender Auffassung die nachträgliche Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts in die Stiftungsurkunde nicht zulässig sei. Da die Stifter den in die Stiftungsurkunde aufgenommenen Widerrufsvorbehalt durch die Änderung der Stiftungsurkunde vom 13. November 2003 ersatzlos gestrichen hätten, hätten sie sich endgültig dieses Gestaltungsrechts begeben.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass ein in der Stiftungserklärung nicht enthaltener Widerrufsvorbehalt auch nachträglich durch eine Änderung der Stiftungserklärung in diese aufgenommen werden kann, hätte er dies in § 34 PSG zum Ausdruck gebracht.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob sich der Stifter durch Ausübung seines Änderungsrechts nachträglich ein Widerrufsrecht verschaffen könne, noch nicht Stellung genommen habe.

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 15 FPG).

2. Nach § 33 Abs 1 PSG kann die Stiftungserklärung vor dem Entstehen der Privatstiftung vom Stifter widerrufen oder abgeändert werden. Nach dem Entstehen einer Privatstiftung kann die Stiftungserklärung vom Stifter nur geändert werden, wenn er sich Änderungen vorbehalten hat (§ 33 Abs 2 PSG). Nach § 34 PSG kann eine Privatstiftung vom Stifter nur dann widerrufen werden, wenn er sich den Widerruf in der Stiftungserklärung vorbehalten hat.

3.1. Nach völlig einhelliger Lehre sind diese beiden Bestimmungen in ihrem Zusammenhalt dahin zu verstehen, dass der Vorbehalt bereits im Rahmen der Errichtung der Stiftungsurkunde oder spätestens bei Änderung der Stiftungsurkunde vor Entstehen der Privatstiftung aufgenommen werden muss. Andernfalls hat sich der Stifter endgültig dieses Gestaltungsrechts begeben (K. Berger in Doralt/Nowotny/Kalss, PSG § 33 Rz 24; G. Nowotny in Gassner/Göth/Gröhs/Lang, Privatstiftungen 142; Geist, Zur Änderung der Stiftungserklärung durch den Stifter nach Eintragung der Privatstiftung, GesRZ 1998, 79 [81 ff]; Pittl, Der Stifter einer Privatstiftung und die ihm zustehenden Rechte, NZ 1999, 197 (201); Arnold PSG² § 34 Rz 5; vgl auch 3 Ob 16/06h; 3 Ob 217/05s). Auch nach Diregger/Winner (in Doralt/Kalss, Aktuelle Fragen des Privatstiftungsrechts - eine Bilanz nach sieben Jahren 116) kann das Änderungsrecht nur in der ursprünglichen Stiftungserklärung vorbehalten werden. Ein späteres „Nachschieben“ über einen „gewöhnlichen“ Änderungsvorbehalt sei nicht möglich. Dies begründet G. Nowotny (in Gassner/Göth/Gröhs/Lang Privatstiftungen 142) damit, dass, wenn vom Gesetzgeber gewollt gewesen wäre, dass ein ursprünglich nicht erfolgter Widerrufsvorbehalt durch Änderung der Stiftungsurkunde nachträglich eingefügt werden könne, er eher formuliert hätte: „Wenn der Stifter eine natürliche Person ist, kann er die Privatstiftung widerrufen, sofern er sich Änderungen der Stiftungsurkunde vorbehalten hat.“

3.2. Habe sich daher ein Stifter den Widerruf der Privatstiftung nicht vor Entstehen der Privatstiftung vorbehalten, so könne er diesen Vorbehalt später nicht mehr nachholen (Arnold aaO § 33 Rz 45). Diesfalls wäre auch die Vornahme widerrufsgleicher Änderungen eine unzulässige Umgehung des § 34 PSG (Arnold aaO; vgl auch Direger/Wimmer in Doralt/Kalss Aktuelle Fragen des Privatstiftungsrechts 117 f; Pittel, NZ 1999, 197 [200]; Geist, GesRZ 1998, 79 [81]; Arnold/Ludwig in Kathrein & Co Stiftungsletter 2004, Ausgabe 5, 5 [11 f]). Aus diesem Grund sei es einem Stifter, der sich den Widerruf der Privatstiftung nicht vorbehalten hat, etwa untersagt, die Dauer, auf die die Privatstiftung errichtet ist, nachträglich dergestalt zu verkürzen, dass dies einem Widerruf gleichkäme (Arnold aaO).

3.3. Die Gegenmeinung wird - soweit ersichtlich - in Österreich lediglich von Ch. Nowotny (in Gassner/Göth/Gröhs/Lang, Privatstiftungen 134) vertreten. Die Einschränkung, dass der Widerrufsvorbehalt in der ursprünglichen Stiftungsurkunde enthalten sein müsse, finde im Gesetz keine unmittelbare Deckung. Ein Eigeninteresse der Privatstiftung, das getrennt vom Stifterwillen bestehe, solange der Stifterwille sich legitimerweise entfalten könne, sei nicht zu erkennen.

3.4. Der Oberste Gerichtshof hatte sich mit dieser Frage bisher nicht ausdrücklich zu befassen. In der Entscheidung 3 Ob 16/06h sprach der Oberste Gerichtshof allerdings unter Berufung auf die zitierten Lehrmeinungen von K. Berger, G. Nowotny, Geist und Arnold aus, dass der Stifter sich ohne entsprechenden Vorbehalt seines Widerrufsrechts endgültig begeben habe.

4. Der Oberste Gerichtshof schließt sich der in 3.1. referierten herrschenden Auffassung an. Die §§ 33, 34 PSG unterscheiden deutlich zwischen der Abänderung der Stiftungserklärung und dem Widerruf als weitergehender Maßnahme. Ein Widerrufsvorbehalt war in der Fassung der Stiftungsurkunde aufgrund des Notariatsakts vom 13. November 2003 aber nicht enthalten; vielmehr wurde der bisher vorgesehene Widerrufsvorbehalt ausdrücklich „ersatzlos“ gestrichen. Damit lag aber gerade kein - Voraussetzung für das Änderungsrecht bildender - entsprechender Vorbehalt in der Stiftungsurkunde vor.

5. Der angefochtene Beschluss erweist sich daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

Schlagworte

Gruppe: Handelsrecht,Gesellschaftsrecht,Wertpapierrecht

Textnummer

E97733

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0060OB00072.11Y.0616.000

Im RIS seit

19.07.2011

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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