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60 ArbeitsrechtNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Abweisung einer Beschwerde gegen einen Bescheid der Schlichtungsstelle beim Arbeits- und Sozialgericht betreffend Erlassung eines Sozialplans und Zahlung zusätzlicher Abfertigungen für die Arbeitnehmer einer in Liquidation befindlichen Druckerei; keine Beschwerdelegitimation der Betriebsnachfolgerin; Tribunalqualität der Schlichtungsstellen iSd der Menschenrechtskonvention; ausreichende gesetzliche Bestimmtheit des Vorgehens der Schlichtungsstellen; Verhältnismäßigkeit des Eigentumseingriffs auch aufgrund des öffentlichen Interesses an der sozialen Abfederung von wirtschaftlich für sinnvoll erachteten Betriebsänderungen; kein ErmessensexzeßSpruch
1. Die Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden Partei wird als unzulässig zurückgewiesen.
Ihr Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird abgewiesen.
2. Die erstbeschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Ihre Beschwerde wird abgewiesen.
Ihr Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wird abgewiesen.
3. Die beschwerdeführenden Parteien sind schuldig, der mitbeteiligten Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit
S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten je zur Hälfte binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Aufgrund eines Antrags des Arbeiterbetriebsrates der (erstbeschwerdeführenden) S-Druckerei GmbH auf Errichtung einer Schlichtungsstelle zur Entscheidung einer Streitigkeit gemäß §109 Abs3 ArbVG mit der als Antragsgegnerin benannten S-Druckerei GmbH, die in ihrer Druckerei Zeitungen der zweitbeschwerdeführenden F ZeitungsGmbH produzierte, wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 8. September 1992 eine Schlichtungsstelle eingerichtet. Dieser Bescheid blieb unbekämpft und erwuchs in Rechtskraft.
b) Vor der Schlichtungsstelle wurde sodann ein Schlichtungsverfahren zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin durchgeführt, in dessen letzter Phase die zweitbeschwerdeführende Gesellschaft eine Eingabe erstattete und sodann an den beiden letzten Verhandlungen (am 6.7. und am 19.9.1994) teilnahm. Während des Verfahrens trat die erstbeschwerdeführende Partei gesellschaftsrechtlich in Liquidation; die zweitbeschwerdeführende F ZeitungsGmbH führte die Arbeitsstätte, die vom Obersten Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 13. Februar 1994, 9 Ob A 311 bis 338/93, als einheitlicher Betrieb mit den Arbeitsstätten der F ZeitungsGmbH qualifiziert wurde, weiter.
In der Verhandlung vom 19. September 1994, an der der antragstellende Betriebsrat und der Vertreter der Antragsgegnerin, der im Verfahren in den beiden letzten Verhandlungen für die F eingeschritten war und mit 9. September 1994 auch die Vertretung der Antragsgegnerin übernommen hatte, teilnahmen, verkündete der Vorsitzende der Schlichtungsstelle einen - am Schluß der Verhandlungsschrift protokollierten - Bescheid, mit dem ein während des Verfahrens von der Antragsgegnerin (der Erstbeschwerdeführerin dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens) eingebrachter Antrag auf Einstellung des Verfahrens abgewiesen und ein Sozialplan erlassen wurde; mit diesem wurde bestimmt, daß ehemalige Arbeitnehmer der S-Druckerei GmbH, die im Zusammenhang mit einer Betriebseinschränkung im September 1991 gekündigt worden waren, "zusätzliche freiwillige Abfertigungen" in bestimmter (nach Alter der Dienstnehmer gestaffelter) Höhe zu erhalten haben.
Der Vertreter der Antragsgegnerin hatte sich während der Verhandlung, und zwar noch vor Verkündung des Bescheides für den Rest der Verhandlung entschuldigt; die schriftliche Ausfertigung des Bescheides wurde ihm - wie auch dem Vertreter des antragstellenden Betriebsrates - am 5. Oktober 1994 zugestellt.
2. a) Gegen diese Entscheidung der Schlichtungsstelle erhob die Antragsgegnerin im Schlichtungsverfahren als Erstbeschwerdeführerin und - "aus Gründen der Vorsicht ..., da nicht mit absoluter Sicherheit auszuschließen ist, daß der Bescheid auch ihr gegenüber erlassen wurde und die mitbeteiligte Partei (d.i. die Antragstellerin im Schlichtungsverfahren) oder ein 'vormaliger Arbeitnehmer' der erstbeschwerdeführenden Partei auf die Idee verfallen könnten, - ungerechtfertigte - Ansprüche gegen die zweitbeschwerdeführende Partei zu stellen" - eine auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. In ihr wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor einem Tribunal (Art6 EMRK), auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie eine Rechtsverletzung wegen Anwendung von aus verschiedenen Gründen für verfassungswidrig erachteter Gesetzesbestimmungen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, begehrt.
Begründend wird vorgebracht, daß die Schlichtungsstelle kein unabhängiges Tribunal iSd Art6 EMRK sei und - sub titulo des Grundrechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter - gerügt, daß die bescheiderlassende Kollegialbehörde fehlerhaft zusammengesetzt gewesen sei; der Vorsitzende sei zum Zeitpunkt der Erlassung des die Errichtung der Schiedsstelle betreffenden Bescheides des Bundesministers für Jusitz zwar als Richter am Arbeits- und Sozialgericht Wien ernannt, aber dem Bundesministerium für Justiz zur Dienstleistung zugeteilt gewesen.
Dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums widerspreche der Bescheid deshalb, weil er auf Grundlage von für verfassungswidrig erachteter Gesetzesbestimmungen ergangen sei.
Die Verfassungswidrigkeit der angewendeten Rechtsvorschriften sieht die Beschwerde zum einen darin, daß die Schlichtungsstelle öber zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden habe, aber nicht den Anforderungen des Art6 EMRK entspreche. Daher seien die die Organisation der Schlichtungsstellen betreffenden Bestimmungen des §144 ArbVG mit Verfassungswidrigkeit belastet. Überdies widerspreche es dem Art94 B-VG, daß der Präsident des Gerichtshofes 1. Instanz zur Bestellung des Vorsitzenden der Schlichtungsstelle berufen sei; gemäß Art65 B-VG müßten der Vorsitzende und die Beisitzer als "sonstige Bundesfunktionäre" von Verfassungs wegen durch den Bundespräsident bestellt werden.
Unter dem Gesichtspunkt des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsschutzes meinen die beschwerdeführenden Parteien, es sei "nicht ersichtlich, welche im Allgemeininteresse liegenden Zwecke der Gesetzgeber des ArbVG mit der Erzwingbarkeit eines Sozialplanes - aus der Sicht des ehemaligen Dienstgebers:
mit der Enteignung - verfolgt". Vielmehr diene "die Vorschreibung horrender Zahlungen ausschließlich ... Interessen vormaliger Arbeitnehmer". Infolgedessen widersprächen jene Bestimmungen des ArbVG der Verfassung, die die Schlichtungsstelle berufen, unter bestimmten Voraussetzungen mit Bescheid einen bindenden Sozialplan zu erlassen. Schließlich genügten nach Auffassung der beschwerdeführenden Parteien die inhaltlichen Determinanten der Schiedsstellenentscheidung nicht den Anforderungen des Art18 Abs1 B-VG.
b) Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Beschwerdebehauptungen entgegentritt.
c) Darauf replizierten die beschwerdeführenden Parteien und brachten vor, daß die konkrete Verfügung der Zuerkennung von "freiwilligen Abfertigungen und Zulagen" im bekämpften Bescheid rechtswidrig wäre, da derartige Verfügungen nach §97 Abs1 ArbVG nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung und demgemäß auch nicht Gegenstand einer Verfügung durch eine Schlichtungsstelle sein könnten.
d) Auch der im verfassungsgerichtlichen Verfahren beteiligte Antragsteller des Schlichtungsverfahrens, der Arbeiterbetriebsrat der S-Druckerei GmbH, erstattete eine Äußerung, in der er den in der Beschwerde vertretenen Auffassungen entgegentritt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit erwogen:
Der Gerichtshof folgt der insoweit herrschenden Lehre (vgl. etwa Tomandl, Die Schlichtung von Regelungsstreitigkeiten gemäß §97 Abs2 ArbVG, ZAS 1979, 203, insb. 207 f.) und Rechtsprechung (vgl. etwa VfSlg. 14634/1996 und VfGH 11.12.1997, G13/97 ua.; VwGH 27.6.1978, Z769,770/78, und 27.5.1993, Z92/01/0927), daß die Schlichtungsstellen als Verwaltungsbehörden und ihre Entscheidungen als Bescheide zu qualifizieren sind. Diese Entscheidungen sind daher nach Art144 Abs1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfbar.
Der zweitbeschwerdeführenden Partei fehlt jedoch die Beschwerdelegitimation, weshalb die Beschwerde insoweit zurückzuweisen war:
Die Zweitbeschwerdeführerin war nicht Partei des Verwaltungsverfahrens. Die Schlichtungsstelle wurde zur Lösung einer Streitigkeit zwischen dem antragstellenden Betriebsrat und der erstbeschwerdeführenden Partei eingesetzt und hat auch nur diese beiden Streitteile als Parteien des Verwaltungsverfahrens behandelt. Der Umstand allein, daß die Zweitbeschwerdeführerin während des Verfahrens einen Schriftsatz erstattete und an den beiden letzten Verhandlungen der Schlichtungsstelle teilnahm, kann ihr Parteistellung nicht vermitteln.
Im verfassungsgerichtlichen Verfahren war - wie im Schlichtungsverfahren - umstritten, ob während des Schlichtungsverfahrens ein Betriebsübergang von der erstbeschwerdeführenden Partei auf die Zweitbeschwerdeführerin stattgefunden hat oder ob die Zweitbeschwerdeführerin die erstbeschwerdeführende Partei nur "vorschob" und von Anfang an als der wahre Betriebsinhaber anzusehen gewesen wäre. Die Beantwortung dieser Frage ist aber in diesem verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht erforderlich: Denn jedenfalls wurde die Schlichtungsstelle nur zur Schlichtung einer Streitigkeit mit der Erstbeschwerdeführerin eingerichtet (der Errichtungsbescheid blieb unbekämpft) und angesichts des bloß mit der Erstbeschwerdeführerin als Partei geführten Verfahrens richtet sich die rechtsgestaltende Wirkung des bekämpften Bescheides nur gegen sie.
Daß diese Partei zur Beschwerdeerhebung legitimiert ist, blieb im Verfahren unbestritten. Ihre Beschwerde ist daher, da sie sich gegen die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde richtet, gegen deren Entscheidungen ein Instanzenzug nicht in Betracht kommt (vgl. VfGH 11.12.1997, G13/97 ua.), und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, zulässig.
III. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:
1. Soweit sich die Beschwerde gegen die Verfassungsmäßigkeit jener Rechtsvorschriften wendet, die die Einrichtung der Schlichtungsstellen regeln, ist ihr zu erwidern, daß diese Vorschriften zwar für die Einrichtung, nicht aber für die Tätigkeit der Schlichtungsstelle selbst präjudiziell sind. Sie sind - wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluß VfSlg. 14634/1996 ausgeführt hat -
"vom Präsidenten des in §144 ArbVG näher bestimmten Gerichtshofes bei der - im Rahmen der Justizverwaltung (vgl. Mayer, ZAS, 1979, 154 f.; Tomandl, Arbeitsrecht 12, 24) bescheidmäßig (VfSlg. 13092/1992) vorzunehmenden - Errichtung der Schlichtungsstellen, nicht jedoch von diesen selbst im Verfahren zur Entscheidung über Streitigkeiten über den Abschluß, die Abänderung oder Aufhebung einer Betriebsvereinbarung anzuwenden".
Auch die Behauptung, die Schlichtungsstelle sei gesetzwidrig zusammengesetzt gewesen, wendet sich gegen den - unangefochten gebliebenen - Errichtungsbescheid, durch den die personelle Besetzung der Schlichtungsstelle mit bindender Wirkung festgelegt wurde. Eine allfällige Gesetzwidrigkeit der Zusammensetzung der Schlichtungsstelle kann daher, soweit sie auf den Errichtungsbescheid zurückzuführen ist, nicht den von der Schlichtungsstelle in der Sache erlassenen Bescheid mit Gesetzwidrigkeit belasten; der Vorwurf einer Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geht daher ins Leere.
2. Zu den in der Beschwerde geäußerten Bedenken, es widerspreche Art6 EMRK, Schiedsstellen zur Entscheidung in Angelegenheiten zu berufen, die den Kernbereich der "civil rights" zugehören, ist auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1997, G13/97 ua., zu verweisen. In dieser Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof mit näherer Begründung dargetan, daß Schlichtungsstellen als unabhängige kollegiale Verwaltungsbehörden im Sinne des Art20 Abs2 B-VG zu qualifizieren sind. Angesichts dessen und im Hinblick darauf, daß die Schlichtungsstellen "Organe schiedsgerichtsähnlicher Konstruktion" (so die eben zitierte Entscheidung) sind, sind sie als Tribunale iSd Art6 EMRK zu qualifizieren:
Ihre Organwalter sind weder weisungsgebunden noch haben sie Rechenschaft zu geben, und ihre Entscheidung kann nicht durch ein Verwaltungsorgan aufgehoben werden (vgl. zu diesen Elementen der Unabhängigkeit Frowein-Peukert, EMRK-Kommentar2, 1996, 250). Auch verschlägt der Umstand, daß die Organwalter nicht für eine bestimmte (Mindest)Zeit ernannt sind, nichts: Da es sich, wie ausgeführt, bei den Schlichtungsstellen um für einen Einzelfall eingerichtete und zur Entscheidung konkreter Streitigkeiten berufene schiedsgerichtsähnliche unabhängige Einrichtungen handelt (vgl. zur Zulässigkeit schiedsgerichtlicher Verfahren im Zusammenhang mit der Entscheidung über civil rights die Entscheidung des EGMR im Fall Lithgow, Serie A Nr. 102, 73, Z201), kommt nämlich eine Ernennung der Mitglieder für eine bestimmte Zeit von vornherein gar nicht in Betracht. Der Verfassungsgerichtshof hat mit VfSlg. 14145/1995 ausgesprochen, daß unter dem Blickwinkel des Art6 EMRK verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Ernennung von Mitgliedern einer Behörde durch die Parteien bei gleichem Einfluß beider Parteien nicht bestehen; daß die Position der Beisitzer rechtlich oder faktisch ungleichgewichtig wäre, was zur Verletzung des Art6 EMRK führen würde (in diesem Sinn auch der Bericht der EKMR 12.12.1983 im Fall Bramelied und Malmström, DR 38, 18; dazu Frowein-Peukert, aaO, 254), ist nicht zu erkennen.
Auch hegt der Gerichtshof angesichts des Umstandes, daß die Schlichtungsstellen auf Grundlage entsprechender gesetzlicher Bestimmungen jeweils durch - für sich überprüfbare (vgl. VfSlg. 13092/1992) - Hoheitsakte eingerichtet werden, keine Bedenken dagegen, daß es sich bei den Schlichtungsstellen nicht um "auf Gesetz beruhende" Tribunale im Sinne des Art6 Abs1 EMRK handeln könnte (vgl. Frowein-Peukert, aaO, 249 f.).
Der Beschwerdevorwurf der Verletzung des Art6 EMRK trifft daher von seinen Prämissen her nicht zu.
3. a) Den Vorwurf, das Vorgehen der Schlichtungsstellen sei nicht ausreichend gesetzlich vorherbestimmt, sodaß eine Verfassungswidrigkeit im Hinblick auf Art18 Abs1 B-VG vorliege, begründet die Beschwerde im wesentlichen folgendermaßen:
"Die vom ArbVG den Schlichtungsstellen vorgegebene inhaltliche Determinierung erschöpft sich nun darin, daß die Schlichtungsstelle einerseits nur innerhalb der Parteianträge und andererseits im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen den Interessen des Betriebes und jenen der Belegschaft entscheiden darf (§146 Abs2). Die durch die genannte Bestimmung gebrauchte Kumulation unbestimmter Gesetzesbegriffe ist 'reichlich großzügig' ausgefallen (Hinweis auf Binder, DRdA 1979, 312); ...
Nach Auffassung der beschwerdeführenden Parteien genügt die genannte inhaltliche Determinierung der Schiedsstellenentscheidungen nicht den Anforderungen des Art18 Abs1 B-VG (so offenbar auch Mayer, ZAS 1979, 156): Von einer Vorausbestimmung des verwaltungsbehördlichen Handelns in jenem Ausmaß, daß der Verwaltungsgerichtshof in der Lage wäre, die Übereinstimmung individueller Verwaltungsakte mit dem Gesetz zu überprüfen (VfSlg 4139, 5636 u.a.), kann bei der angeordneten schlichten Interessenabwägung keine Rede sein. Weder ist festgelegt, welche 'Interessen' primär in Betracht zu ziehen sind bzw außer Betracht zu bleiben haben, noch ist festgelegt, wie die Behörde bei der Abwägung vorzugehen hat. ... Dies gilt in besonders hohem Maße für die bescheidmäßige Erlassung von Sozialplänen iSd §97 Abs1 Z4 iVm §109 Abs3 ArbVG."
b) Die belangte Behörde verweist darauf, daß der Verwaltungsgerichtshof zwar nicht zum Sozialplan, aber in anderen, Schlichtungsverfahren betreffenden Erkenntnissen eine Überprüfbarkeit der Entscheidung der Schlichtungsstelle annahm und untermauert dies zum einen mit einem Hinweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 1993, Z92/01/927, zum anderen auf die von Tomandl in dem schon zitierten Aufsatz in der ZAS 1979 dargestellte Judikatur. Schließlich legt die belangte Behörde dar, daß der hier zu regelnde Bereich einer genauen gesetzlichen Vorherbestimmung nicht zugänglich sei und im Sinne eines differenzierten Legalitätsprinzips daher die Anforderungen an die gesetzliche Vorherbestimmung erfüllt seien. In ähnliche Richtung geht auch das Vorbringen des Antragstellers im Schlichtungsverfahren, der in seiner Äußerung im verfassungsgerichtlichen Verfahren auf die einzelnen gesetzlichen Anhaltspunkte für die behördliche Entscheidung hingewiesen hat.
c) Der Verfassungsgerichtshof nimmt mit den Parteien des verfassungsgerichtlichen Verfahrens und der überwiegenden Lehre den Standpunkt ein, daß Akte der Zwangsschlichtung, also Akte, mit denen sogenannte Regelungsstreitigkeiten entschieden werden, als gesetzesvollziehende Verwaltung zu qualifizieren sind und dem Gesetzmäßigkeitsprinzip der Verfassung unterliegen (vgl. Pernthaler, Verfassungsrechtliche Voraussetzungen und Grenzen der betrieblichen und unternehmerischen Mitbestimmung, 1984, 119 ff.). Er hegt jedoch aus folgenden Gründen keine Bedenken ob der ausreichenden gesetzlichen Vorherbestimmung der Entscheidung über die Erlassung von Sozialplänen durch die Schlichtungsstellen (und folgt daher insoweit nicht den von Pernthaler (aaO, 124 ff., 128 ff.) vorgetragenen Erwägungen):
Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung stets die Auffassung vertreten, es hänge u.a. vom Gegenstand der Regelung ab, auf welche Weise und in welchem Ausmaß der Gesetzgeber das Verhalten der Verwaltung vorherbestimmen müsse (vgl. schon VfSlg. 8212/1977, 8389/1978); insbesondere für gesetzliche Regelungen im Bereich des Wirtschaftlichen ist keine so weit gehende Vorherbestimmung des Verwaltungshandelns erforderlich, wie in jenen Bereichen, in denen der Sache nach eine gesetzliche Regelung das Behördenhandeln exakter zu determinieren vermag (VfSlg. 11938/1988). Er hat seine Ansicht in VfSlg. 13785/1994 mit Hinweisen auf die rechtswissenschaftliche Literatur folgendermaßen zusammengefaßt: "Angesichts der unterschiedlichen Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher Regelungen sein können, ist jedoch ganz allgemein davon auszugehen, daß Art18 B-VG einen dem jeweiligen Regelungsgegenstand adäquaten Determinierungsgrad verlangt" und hat dies als "differenziertes Verständnis des Legalitätsprinzips" bezeichnet (vgl. zur Rechtsprechung insgesamt die systematisierende und differenzierende Darstellung von R. Novak,
Das "differenzierte Legalitätsprinzip" in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, FS Adamovich, 1992, 494 ff.).
Der Verfassungsgerichtshof hält an dieser Auffassung fest und bezweifelt nicht, daß die gesetzlichen Regelungen, die dem bekämpften Bescheid zugrunde liegen, eine dem Regelungsgegenstand und der Funktion der eine Betriebsvereinbarung substituierenden Entscheidung adäquaten Determinierungsgrad aufweisen:
Der Inhalt eines von einer Schlichtungsstelle zu erlassenden Sozialplans ist einerseits hinsichtlich des Gegenstands der Regelung bestimmt: Gemäß §109 Abs1 erster Satz ArbVG dürfen nur Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung der Folgen der mit konkreten Betriebsänderungen verbundenen Konsequenzen verfügt werden. Zum anderen ergibt sich aus §146 Abs2 ArbVG, der den Schlichtungsstellen die Entscheidung "innerhalb der durch die Anträge der Parteien bestimmten Grenzen" vorschreibt, daß der Inhalt der zu treffenden Maßnahme auch insoweit bestimmt ist, als die Behörde weder über die Anträge hinausgehen noch anderes festlegen darf, wohl aber berechtigt ist, quantitativ weniger zuzusprechen. Dabei hat die Schlichtungsstelle von dem ihr durch das Gesetz eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes in Abwägung der Interessen des Antragstellers und des Antragsgegners Gebrauch zu machen (§146 Abs2 ArbVG) und, sofern mit der Betriebsänderung Kündigungen verbunden sind, "auf die Interessen von älteren Arbeitnehmern besonders Bedacht zu nehmen" (§109 Abs3 zweiter Satz ArbVG).
Es unterscheidet sich daher angesichts der zuerst genannten gesetzlichen Determinanten die hier zur Beurteilung stehende Gesetzesvorschrift von der mit VfSlg. 5175/1965 aufgehobenen Regelung, durch die Verwaltungsbehörden ermächtigt waren, den Inhalt einer Verordnung unter Bedachtnahme auf einander widerstreitende Interessen nach freiem Ermessen zu gestalten. Freilich ist auch im vorliegenden Fall das Behördenhandeln zu einem erheblichen Teil (bloß) dadurch determiniert, daß der Behörde eine abwägende Berücksichtigung divergierender Interessen vorgeschrieben ist. Unter Bedachtnahme auf den Regelungsgegenstand, die Konstruktion und die Funktion der von der Schlichtungsstelle zu treffenden Entscheidung bestehen aber auch insofern keine Bedenken ob der ausreichenden gesetzlichen Vorherbestimmung des Handelns der Schlichtungsstelle:
Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg. 7220/1973 im insoweit vergleichbaren Fall der Bestimmung eines volkswirtschaftlich gerechtfertigten Preises für Bedarfsgüter und Bedarfsleistungen durch die Preisbehörde eine ausreichende gesetzliche Determinierung als gegeben angesehen, aber betont, daß die behördliche Entscheidung zusätzlich verfahrensrechtlich, nämlich dadurch legitimiert ist, daß die Vertreter entgegenstehender Interessen in einem Beirat in die Willensbildung der Behörde eingebunden sind. Ähnliches gilt auch für den vorliegenden Fall:
Wie oben näher dargestellt, ist das Handeln der Schlichtungsstelle wie seinerzeit die preisbehördliche Entscheidung unter anderem dadurch determiniert, daß der Behörde aufgetragen ist, eine abwägende Entscheidung zwischen differenten Interessen, die im Gesetz näher genannt sind, vorzunehmen; die Legitimation der Entscheidung wird auch im vorliegenden Fall dadurch verstärkt, daß Organwalter in die Entscheidungsfindung - mitentscheidend - eingebunden sind, die unter Einschaltung der Repräsentanten der divergierenden Interessen in ihre Funktion berufen werden. Dies ist auch der spezifischen Funktion der von der Schlichtungsstelle im Regelungsstreit zu treffenden Entscheidung angemessen. Denn die Schlichtungsstellen sind - wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 11. Dezember 1997, G13/97 ua., ausgeführt hat -
"Organe schiedsgerichtsähnlicher Konstruktion, deren Aufgabe es ist, Betriebsvereinbarungen über bestimmte Angelegenheiten zu substituieren, wenn zwischen dem Betriebsrat und dem Betriebsinhaber über deren Abschluß, Änderung oder Aufhebung keine Einigung zustande kommt; damit nehmen sie eine Aufgabe wahr, die an sich von der Rechtsordnung der Gestaltung durch die Arbeitsmarktparteien überlassen und nicht der Rechtsetzung durch staatliche Organe übertragen ist."
Angesichts all dieser Umstände bestehen auch unter dem Gesichtspunkt des Art18 B-VG keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der die Schlichtungsstellen zur Erlassung eines Sozialplans ermächtigenden und determinierenden Bestimmungen des ArbVG.
4. Keine Berechtigung haben schließlich auch die von der Beschwerde sub titulo "Unverletzlichkeit des Eigentums" vorgebrachten Bedenken gegen den angefochtenen Bescheid und die ihn tragenden Gesetzesbestimmungen.
Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985, 11650/1988) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Gegen die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung des Bescheides bestehen auch unter dem Gesichtspunkt der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsgarantie keine Bedenken. Die Ermächtigung einer schiedsgerichtsähnlichen Einrichtung zur Erlassung von Sozialplänen aus Anlaß bestimmter Betriebsänderungen im Falle des Scheiterns von Verhandlungen um eine Betriebsvereinbarung findet entgegen der Auffassung der Beschwerde ihre Rechtfertigung in den Interessen der Arbeitnehmerschaft an der sozialen Abfederung von Betriebsänderungen, die ein Unternehmen als betriebswirtschaftlich sinnvoll erachtet; derartigen Interessen kann die Qualifikation als öffentliche Interessen nicht abgesprochen werden. Auch hat der Verfassungsgerichtshof angesichts der oben näher dargestellten Beschränkung der Zuständigkeit der Schlichtungsstellen einerseits und des ihnen übertragenen Abwägungsgebots andererseits, das sie verpflichtet, auch die Interessen des betroffenen Unternehmens angemessen zu berücksichtigen, nicht finden, daß der Eigentumseingriff unverhältnismäßig wäre.
Ob die Schlichtungsstelle bei Erlassung des bekämpften Sozialplans diese Abwägung richtig vorgenommen hat, also wie sie von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht hat, entzieht sich der verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Davon, daß die belangte Behörde einen Ermessensexzeß und damit einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dies einer Gesetzlosigkeit oder geradezu denkunmöglichen Anwendung der entsprechenden Bestimmungen des ArbVG gleichzuhalten wäre, kann jedenfalls keine Rede sein.
5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und in Rechten wegen Anwendung einer verfassungswidrigen generellen Norm hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Erstbeschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre. Ohne verfassungsrechtliche Relevanz ist insbesondere auch die Frage, ob die Schlichtungsstelle die Passivlegitimation der erstbeschwerdeführenden Partei zu Recht angenommen hat, was angesichts der im Schlichtungsverfahren erörterten Frage, ob während des Schlichtungsverfahrens ein Betriebsübergang von der erstbeschwerdeführenden Partei auf die zweitbeschwerdeführende Partei stattgefunden hat bzw. ob die zweitbeschwerdeführende Partei von Anfang an materiell gesehen als Betriebsinhaber der Druckerei anzusehen gewesen wäre, zweifelhaft sein könnte.
Die Beschwerde war daher, soweit sie von der erstbeschwerdeführenden Partei erhoben wurde, abzuweisen.
6. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war abzuweisen, da die Angelegenheit angesichts der Qualifikation der belangten Behörde (vgl. VfGH 11.12.1997, G13/97 ua.) gemäß Art133 Z4 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgenommen ist (vgl. zB VfSlg. 14309/1995). Soweit der Antrag von der Zweitbeschwerdeführerin gestellt wurde, ist überdies darauf hinzuweisen, daß eine Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof nur im Fall der Abweisung einer Beschwerde oder im Falle der Ablehnung ihrer Behandlung, nicht aber für den Fall der Zurückweisung der Beschwerde vorgesehen ist.
7. Der Kostenzuspruch an die mitbeteiligte Partei, den Arbeiterbetriebsrat der S-Druckerei GmbH i.L., gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.
8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Arbeitsverfassung, VfGH / Legitimation, Determinierungsgebot, Ermessen, VfGH / Abtretung, VfGH / Kosten, VfGH / BeteiligterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:B2410.1994Dokumentnummer
JFT_10019385_94B02410_2_00