TE OGH 2011/6/21 1Ob98/11k

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Veröffentlicht am 21.06.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V*****, Serbien, vertreten durch Dr. Wolfgang Walter Richter, Rechtsanwalt in Wien, wegen 7.840 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Rekursgericht vom 23. September 2010, GZ 1 R 276/09y-26, mit dem der Beschluss des Bezirkgsgerichts für Handelssachen Wien vom 16. September 2009, GZ 4 C 471/08f-22, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Revisionsrekurs ist entgegen dem nach § 526 Abs 2 Satz 2 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

2. Die Revisionsrekursgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit der Entscheidung des Rekursgerichts liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 iVm § 528a ZPO).

3. Unstrittig ist, dass die Wirksamkeit der von der klagenden Partei behaupteten Vereinbarung eines österreichischen Gerichtsstands nach Art 23 der Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO, auch EuGVO oder Brüssel I-VO) zu beurteilen ist. Die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsvereinbarung regelt deren Art 23. Der Begriff Gerichtsstandsvereinbarung, der autonom auszulegen ist, bedeutet eine übereinstimmende Willenserklärung der Parteien über die Zuständigkeitsbegründung (RIS-Justiz RS0117156). Deren Vorliegen ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, weshalb nur im Fall einer im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung eine erhebliche Rechtsfrage nach § 528 Abs 1 ZPO vorliegt (RIS-Justiz RS0117156 [T5]). Dies trifft hier nicht zu.

4. Die in Art 23 EuGVVO (sowie in der Vorgängerbestimmung des Art 17 LGVÜ) aufgestellten Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln sind eng auszulegen (2 Ob 192/07k mN aus der Judikatur des EuGH; RIS-Justiz RS0114604 [T1]). Es soll gewährleistet sein, dass Gerichtsstandsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt des Vertrags werden (vgl Rauscher/Mankowski, EuZPR/EuIPR [2011] Art 23 Brüssel I-VO Rn 14 mwN der EuGH-Rsp; 6 Ob 229/08g mwN). Ist eine Gerichtsstandsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) und nicht im eigentlichen Vertragstext enthalten, fordert die ständige Judikatur, ua auch des EuGH (Rauscher/Mankowski aaO Rn 16 FN 209; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht9 [2011] Art 23 EuGVO Rn 35 FN 108) und des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0111715; RS0109865 [T1]), einen ausdrücklichen Hinweis auf die AGB im eigentlichen Vertragstext. Die bloße Übergabe oder Beifügung von AGB reicht nicht aus (Rauscher/Mankowski aaO Rn 16; Kropholler/von Hein aaO Rn 35 je mwN). Enthält ein schriftliches Angebot eine unmissverständliche Gerichtsstandsvereinbarung, genügt eine pauschale (schriftliche) Annahme (Rauscher/Mankowski aaO Rn 15a mwN; RIS-Justiz RS0115733).

5.  Die Beurteilung des Rekursgerichts, das eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung verneinte, hält sich im Rahmen dieser Kriterien. Das eigentliche Angebot der klagenden Partei fand sich auf den ersten vier Seiten des per E-Mail übermittelten sechsseitigen Texts, enthielt Fotos der angebotenen Möbel und Angaben zum Vertrag, aber keinen Hinweis auf die Verwendung von AGB oder auf eine Gerichtsstandsvereinbarung. Auf Seite vier finden sich Zeilen für die Unterschrift des Vertragspartners (als Bestätigung des Auftrags) und das Datum. Auf den Seiten fünf bis sechs folgen die AGB mit einem im Vergleich zum überwiegenden Angebotstext kleiner gedruckten Schriftbild. Dort findet sich als Punkt 1.7 die strittige Gerichtsstandsklausel. Die Auslegung des Rekursgerichts, die AGB ungeachtet der durchlaufenden Nummerierung der übermittelten Urkunde nicht als integrierten Bestandteil des per E-Mail angenommenen Angebots zu werten, ist angesichts des Erscheinungsbilds der Urkunde vertretbar. Mit ihrem Gegenargument, die AGB einschließlich der Gerichtsstandsvereinbarung seien (ausdrücklich) angenommen worden, geht die klagende Partei nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

Schlagworte

Gruppe: Internationales Privatrecht und Zivilverfahrensrecht

Textnummer

E97857

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00098.11K.0621.000

Im RIS seit

03.08.2011

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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