Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. D*****-AG, *****, und 2. H***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Ö*****-Gesellschaft m.b.H. & Co KG ***** und 2. Ö*****-Gesellschaft m.b.H., beide *****, vertreten durch Dr. Markus Skarics, Rechtsanwalt in Imst, sowie die Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Parteien 1. I***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, *****, und 2. I***** Gesellschaft m.b.H., *****, beide vertreten durch Dr. Holzmann Rechtsanwalts GmbH in Innsbruck, wegen a) (erstklagende Partei) 1.013.176,05 EUR sA und Feststellung (Streitinteresse: 20.100 EUR) b) (zweitklagende Partei) Feststellung (Streitinteresse: 20.100 EUR), über die außerordentliche Revision der erstklagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. April 2010, GZ 4 R 76/10y-35, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 12. Mai 2010, GZ 4 R 76/10y-37, womit infolge Berufungen der beklagten Parteien und der Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Parteien das Teilzwischenurteil des Landesgerichts Innsbruck vom 14. Jänner 2010, GZ 11 Cg 146/08f-28, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
I. Der Antrag der Nebenintervenientinnen auf Seiten der beklagten Parteien, ihnen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Revisionsbeantwortung zu bewilligen, wird abgewiesen.
Die Revisionsbeantwortung der Nebenintervenientinnen wird zurückgewiesen.
II. Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Teilurteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung als Teil- und Teilzwischenurteil insgesamt zu lauten hat:
„Das Leistungsbegehren der erstklagenden Partei besteht im Umfang eines Teilbegehrens von 914.363,30 EUR (Regressansprüche) samt 4 % Zinsen seit 3. 9. 2008 dem Grunde nach zu vier Fünftel zu Recht.
Das Mehrbegehren auf Zahlung von 202.635,21 EUR samt 4 % Zinsen seit 3. 9. 2008 wird abgewiesen.“
Insoweit bleibt die Entscheidung über die Verfahrenskosten aller drei Instanzen der Endentscheidung vorbehalten.
Hingegen werden die Urteile der Vorinstanzen im Umfang ihrer Entscheidung über ein weiteres Teilbegehren der erstklagenden Partei von 79.050,20 EUR (Regulierungskosten) samt 4 % Zinsen aus 853.284,62 EUR vom 12. 4. 2007 bis 27. 12. 2007, aus 909.769,27 EUR vom 28. 12. 2007 bis 2. 9. 2008 und aus 79.050,20 EUR seit 3. 9. 2008 aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind insoweit weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Hintergrund des Rechtsstreits ist das Seilbahnunglück in Sölden vom 5. 9. 2005, das bereits Gegenstand mehrerer Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof war (2 Ob 215/07t; 2 Ob 41/08f; 2 Ob 19/09x; 2 Ob 60/09a; 2 Ob 61/09y; 2 Ob 119/09b; 2 Ob 189/09x). Zu dem Unfall kam es, weil bei einem über die Seilbahntrasse geführten Hubschraubertransportflug infolge einer Fehlfunktion der Auslösevorrichtung eine transportierte Außenlast samt Lastengehänge aus großer Höhe auf den Förderstrang der Liftanlage fiel. Eine Gondel stürzte samt Insassen aus ca 10 m Höhe zu Boden. Dabei wurden neun Personen getötet, mehrere weitere Personen wurden verletzt.
Die erstklagende Partei, ein Versicherungsunternehmen mit dem Sitz in Deutschland, war zum Unfallszeitpunkt Haftpflichtversicherer des von der zweitklagenden Partei, einem österreichischen Luftfahrtunternehmen, gehaltenen Hubschraubers. Die erstbeklagte Partei, deren Komplementärin die zweitbeklagte Partei ist, ist die Eigentümerin und Betreiberin der Seilbahn „Schwarze Schneid“, einer Einseilumlaufbahn mit geschlossenen Kabinen. Diese führt in zwei Sektionen von der Talstation zur ersten Mittelstation und dann weiter in einem stumpfen Winkel Richtung Süden zur Bergstation am Rettenbachferner.
Am 14. 11. 2004 war ein für den Seilbahnbetrieb notwendiges Telekommunikationskabel der Steuerung der Seilbahnüberwachungscomputer zwischen der Berg- und Mittelstation schadhaft geworden. Nach Einholung der erforderlichen behördlichen Genehmigungen betraute die erstbeklagte Partei drei verschiedene Unternehmen mit dem Bauvorhaben. Geplant war die Errichtung je einer Abspannvorrichtung im Bereich der Mittel- und der Bergstation in der Form, dass auf ein ca 3 m langes, 5 m breites und 2 m tiefes Betonfundament im Erdreich eine Stahlkonstruktion mit einer ca 8 m hohen senkrechten Stütze und einem oben angebrachten schrägen Stahlträger gesetzt werden sollte. Mit den Beton- und Stahlbetonarbeiten betraute die erstbeklagte Partei die erste Nebenintervenientin, deren Komplementärin die zweite Nebenintervenientin ist. Da die Baustellen der beiden Abspannfundamente nur mit dem Hubschrauber erreichbar waren, beauftragte die erste Nebenintervenientin die zweitklagende Partei mit der Durchführung von Transportflügen für Beton und diverses Material.
Das Amt der Tiroler Landesregierung hatte mit Bescheid vom 8. 11. 2004 der zweitbeklagten Partei die luftfahrtbehördliche Bewilligung zur Durchführung von Außenlandungen und -abflügen im Bundesland Tirol mit den von ihr gehaltenen Hubschraubern laut dem vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie als oberster Zivilluftfahrtbehörde genehmigten Annex des Air Operators Certificate (AOC) erteilt. Laut Bescheid hatte die Verwendung der Piloten entsprechend Luftpersonalausweis und dem vom zuständigen Bundesminister genehmigten Flugbetriebshandbuch (FOM) zu erfolgen. Dessen Punkt C.1.12.14 in Seite 1.20 lautet:
„Verbautes Gebiet, öffentliche Verkehrswege werden nach Möglichkeit nicht in geringer Höhe überflogen. Das Fliegen entlang von Hochspannungsleitungen, Seilbahnen und Aufstiegshilfen ist verboten."
Punkt C.1.13.7 in Seite 1.23 lautet:
„Der Flugweg ist so zu wählen, dass bei einer eventuellen Auslösung (technische Störung oder Notfall) durch die herabfallende Last weder Personen noch Sachen gefährdet werden.“
Etwa Anfang September 2005 wurde das Fundament im Bereich der Mittelstation betoniert. Dabei wurde der Beton mit einem Mischwagen bis zum Parkplatz „Pitztaler Jöchl“ transportiert und von dort mit dem Hubschrauber auf einer hinter dem Pitztaler Jöchl führenden Route zur Baustelle bei der Mittelstation geflogen. Diese Flugroute zur Baustelle war insoweit problematisch, als ein Weitwanderweg mehrfach überflogen werden musste, der von zahlreichen Wanderern, so auch von Gruppen bis zu zehn Personen, begangen wird. Am 31. 8. 2005, als die Bauarbeiten im Bereich der Aussichtsplattform bei der Bergstation durchgeführt wurden, war die Flugroute so gewählt worden, dass der Pilot die Sektion I der Seilbahn überflog und dann weiter über das Gletschergebiet flog. Dies erschien ihm als sicherste Route, weil er dabei weder die viel befahrene Zufahrtsstraße zur Talstation noch die Wanderwege queren musste.
Am Unfallstag, dem 5. 9. 2005, nahm die erstbeklagte Partei um 8:00 Uhr beide Sektionen der Seilbahn in Betrieb. Die Betriebszeit war für Schifahrer bis ca 13:00 Uhr, für Fußgänger und Wanderer bis zum Betriebsschluss um 16:00 Uhr geplant. An diesem Tag setzte die zweitklagende Partei einen Piloten ein, dem mit Bescheid vom 8. 8. 2005 die behördliche Genehmigung für Flüge mit einfachen Außenlasten auf bestimmten Hubschraubertypen erteilt worden war. Gegen Mittag wurde der seit 1990 bei der erstbeklagten Partei tätige Betriebsleiter durch den Polier der ersten Nebenintervenientin darüber informiert, dass von der unteren auf die obere Baustelle gewechselt werde. Der Betriebsleiter hatte zuvor zwei Jahre lang für ein an den Bauarbeiten beteiligtes Unternehmen Montagen durchgeführt, im Laufe derer mehrere tausend Hubschrauberflüge mit Außenlasten auch über in Betrieb befindliche Seilbahnen sowie über Straßen und Wanderwege - wie dies seit ca 20 bis 30 Jahren im Seilbahnbau gängige Praxis ist - vorgenommen worden waren. Mit einem Außenlastverlust war er dabei nie konfrontiert gewesen.
Der Pilot wählte die aus seiner Sicht günstigste Flugroute, indem er nach dem Start vom Parkplatz „Pitztaler Jöchl“ die Sektion I der Seilbahn zwischen den Stützen drei und vier überflog und nach einem weiteren Flug über das Gletschergebiet die Sektion II knapp unterhalb der Bergstation querte, um zur Baustelle zu gelangen. Die Betonkübel wurden am Beladeplatz von einem Flughelfer gefüllt und an der Baustelle von einem anderen Flughelfer entladen. Der Pilot flog ca 10 Rotationen, wobei er jeweils rund 680 bis 700 kg Beton transportierte. Als er kurz nach 13:00 Uhr mit einem vollen Betonkübel am Außenlasthaken des Hubschraubers die Sektion I der Seilbahn überflog, ereignete sich das einleitend geschilderte Unglück. Zwischen den Opfern und der erstbeklagten Partei bestanden aufrechte Beförderungsverträge.
Der Pilot wurde mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 22. 6. 2006 (ua) wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung mehrerer Personen für schuldig erkannt. Das Oberlandesgericht Innsbruck bestätigte den Schuldspruch am 13. 6. 2007. Nach dem Spruch der rechtskräftigen Entscheidung hat der Pilot „durch vorschriftswidriges Überfliegen einer in Betrieb befindlichen Seilbahn, wobei der Angeklagte durch eine Fehlfunktion der Auslösevorrichtung die Außenlast verlor“, fahrlässig den Tod der Fahrgäste herbeigeführt.
Mit der am 28. 8. 2008 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt die erstklagende Partei von den beklagten Parteien Zahlung von 1.013.176,05 EUR sA. Beide klagende Parteien begehren überdies jeweils die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien im Ausmaß von 50 % der von ihnen künftig an Geschädigte noch zu leistenden Schadenersatzzahlungen.
Sie brachten vor, sie würden (als eigene Haftungsgruppe) gemeinsam mit den beklagten Parteien (als weitere Haftungsgruppe) den Geschädigten gegenüber solidarisch haften. Die erstklagende Partei habe bisher an 18 (namentlich genannte) Geschädigte Zahlungen im Gesamtbetrag von 1.828.726,60 EUR geleistet. Hinzu kämen Regulierungskosten von 197.625,50 EUR, woraus sich „Gesamtkosten“ von 2.026.352,10 EUR ergäben. Gemäß § 67 VersVG seien sämtliche Regress- und Ausgleichsansprüche des Versicherungsnehmers auf den Versicherer im Umfang und im Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungen übergegangen; die erstklagende Partei sei demnach aktiv klagslegitimiert. Für den internen Schadensausgleich seien weder § 152 LFG noch § 11 EKHG heranzuziehen, sondern die §§ 896, 1302 ABGB. Danach sei im Zweifel von der Schadenshaftung nach Kopfteilen auszugehen. Eine Aufteilung des Schadens im Verhältnis 1 : 1 sei aufgrund der relevanten Zurechnungsmomente jedenfalls gerechtfertigt, sodass auf die beklagten Parteien 1.013.176,05 EUR entfielen. Die beklagten Parteien hätten eigenes Verschulden zu verantworten, jedenfalls aber außergewöhnliche Betriebsgefahr. Dem stehe die Betriebsgefahr des Hubschraubers, allenfalls ein äußerst geringes Verschulden des Piloten gegenüber, sofern letzteres der erstklagenden Partei überhaupt zurechenbar sei. Der als Haftungsgrundlage angenommene § 16 AOCV sei auf den Unglücksflug gar nicht anwendbar, weil es sich um einen sogenannten „Arbeitsflug“ gehandelt habe. Hinsichtlich des Regulierungs- und Prozessaufwands stütze sich der Regressanspruch insbesondere auf nützliche Geschäftsführung ohne Auftrag und auf die §§ 1041 ff ABGB.
Die beklagten Parteien wandten ein, die Schutznorm des § 16 AOCV sowie die gleichlautende Bestimmung des Flugbetriebshandbuchs seien auf jede Flugbewegung des Hubschraubers anzuwenden. Der Oberste Gerichtshof habe das Vorliegen eigenen Verschuldens der beklagten Parteien sowie deren Erfüllungsgehilfenhaftung bereits verneint. Die außergewöhnliche Betriebsgefahr sei durch das schuldhafte Verhalten des Piloten ausgelöst worden und bleibe nach der Rechtsprechung zum EKHG daher beim internen Schadensausgleich außer Betracht. Dies führe im Innenverhältnis zur alleinigen Haftung der klagenden Parteien. Des Weiteren hielten die beklagten Parteien dem Zahlungsbegehren der erstklagenden Partei Gegenforderungen in einer Gesamthöhe von 231.900,53 EUR aufrechnungsweise entgegen.
Die beklagten Parteien erhoben ferner eine Widerklage (ON 3), die mit dem Hauptverfahren aber bisher nicht verbunden worden und für das Revisionsverfahren ohne Bedeutung ist.
Nachdem es das Verfahren auf den Grund des Anspruchs beschränkt hatte, erachtete das Erstgericht das Zahlungsbegehren der erstklagenden Partei mit Teilzwischenurteil dem Grunde nach als zu Recht bestehend und behielt in einem weiteren Spruchpunkt die Entscheidung über die Feststellungsbegehren und die Widerklage dem Endurteil vor.
Zusätzlich zum eingangs wiedergegebenen Sachverhalt traf es noch folgende Feststellungen:
Als der Polier der ersten Nebenintervenientin den Betriebsleiter der erstbeklagten Partei vom Parkplatz „Pitztaler Jöchl“ aus anrief, fragte er auch, wie der Hubschrauber fliegen solle. Der Betriebsleiter antwortete, dass Schipisten und Wanderwege gemieden werden sollten, um die Kleidung von Schifahrern und Wanderern nicht durch herabtropfendes Betonwasser und kleine Steine zu verschmutzen. Für den Polier war damit klar, dass - als einzig noch mögliche Route - über die Liftanlage zu fliegen sei. Ob der Betriebsleiter dies ausdrücklich erklärte, kann nicht festgestellt werden. Der Betriebsleiter dachte jedenfalls „nicht im Entferntesten“ daran, dass der Betrieb der Liftanlage eingestellt werden müsste, wenn mit dem Hubschrauber darüber geflogen wird.
Der Polier gab den vom Betriebsleiter geäußerten Wunsch an den Piloten weiter. Auf die Nachfrage des Piloten, ob es mit der erstbeklagten Partei abgesprochen sei, dass er über die Seilbahn fliegen dürfe, antwortete der Polier, dass „es vom Betriebsleiter aus gehe, dass über die Bahn geflogen werde“. Dem Polier war nicht bekannt, dass das Überfliegen derartiger Anlagen gefahrenträchtig sein könnte.
Weder der Betriebsleiter, noch der Polier, der Pilot oder der Ersatzpilot hatten gegen die Flugroute über die Seilbahn Bedenken, da derartige Flüge seit vielen Jahren üblich waren. Die Einstellung des Seilbahnbetriebs während der Transportflüge war für sie daher „kein Thema“.
Beim ersten Flug nach dem Gespräch mit dem Polier brachte der Pilot den Einweiser zur „Entladestation“, den er „schwebend“, dh ohne Bodenkontakt des Hubschraubers, aussteigen ließ. Die Betonkübel wurden sodann im Bereich der Beladestation als Außenlast angehängt, nach Transport zur Entladestation dort „schwebend“ entleert und dann wieder zum Beladen zurücktransportiert.
Der Pilot hatte im Frühjahr 2006 insgesamt 823 Flugstunden zu Buche stehen. Nicht festgestellt werden kann, ob er sich vor Wahl der Flugroute mit einem erfahrenen Piloten besprach.
Die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, wie er sich im gegenständlichen Fall durch die Fehlfunktion des Auslösemechanismus verwirklicht hat, liegt bei 1:444 Milliarden.
Die erstklagende Partei hat in Erfüllung ihrer solidarischen Leistungspflicht an Geschädigte Zahlungen geleistet.
In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, § 11 EKHG und § 152 LFG seien zwar nicht anwendbar; dies sei im Ergebnis aber bedeutungslos, weil auch nach den §§ 896, 1302 ABGB auf überwiegendes Verschulden bzw überwiegende Verursachung abzustellen sei. Ein Verschulden der beklagten Parteien (bzw ihrer Mitarbeiter) sei zu verneinen, diese hätten jedoch (im Innenverhältnis) für die durch ihre gefahrenerhöhend wirkende Kenntnis von den Transportflügen bei aufrechtem Liftbetrieb begründete außergewöhnliche Betriebsgefahr einzustehen. Auch die zweitklagende - damit aber auch die erstklagende - Partei treffe grundsätzlich nur die Gefährdungshaftung. Ein schuldhaft rechtswidriges Verhalten des Piloten sei dem Halter nur zuzurechnen, wenn entweder die Voraussetzungen des § 1315 ABGB vorliegen würden oder ein Auswahl- oder Organisationsverschulden zu bejahen sei. Dies treffe hier nicht zu. Beide klagende Parteien hätten somit nicht für ein Verschulden des Piloten, sondern nur für die Betriebsgefahr des Hubschraubers einzustehen. Auch diese sei „außergewöhnlich“, weil der Transport von Außenlasten gefahrenerhöhend wirke. Es sei somit von einer gleichteiligen Ausgleichspflicht auszugehen, „besondere Verhältnisse“ iSd § 896 ABGB lägen nicht vor.
Die Frage eines allfälligen Verschuldens des Piloten sei für das Verfahren ohne Relevanz. Bei anderer Ansicht läge zwar ein objektiver Verstoß des Piloten gegen § 16 AOCV und die Anweisungen des Betriebshandbuchs vor, sein Verschulden wäre aber angesichts der minimalen Schadenswahrscheinlichkeit und der fehlenden Alternativen bei der Wahl der Flugroute äußerst gering.
Das von den beklagten Parteien und den Nebenintervenientinnen angerufene Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es das Zahlungsbegehren der erstklagenden Partei mit Teilurteil zur Gänze abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Es teilte zunächst die Ansicht des Erstgerichts, dass es für den Regress nicht darauf ankomme, ob § 11 EKHG, § 152 LFG oder „nur“ § 896 ABGB zur Anwendung gelange, weil jedenfalls sämtliche Zurechnungselemente gegeneinander abgewogen werden müssten. Als solche sah es auf Seiten der beklagten Parteien die außergewöhnliche Betriebsgefahr der Seilbahn, auf Seiten der erstklagenden Partei - in Anlehnung an 2 Ob 119/09b - das in der Verletzung der Schutznorm des § 16 Abs 2 AOCV liegende Verschulden des Piloten. Bei der Abwägung dieser Zurechnungsgründe komme die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs analog zum Tragen, wonach die außergewöhnliche Betriebsgefahr außer Ansatz bleibe, wenn sie durch ein verkehrswidriges Verhalten des anderen Unfallbeteiligten ausgelöst worden sei. Im vorliegenden Fall sei die beim Betrieb der Seilbahn aufgetretene außergewöhnliche Betriebsgefahr ausschließlich durch den sich vom Hubschrauber gelösten und auf das Zugseil der Seilbahn gefallenen Betonkübel ausgelöst worden. Aus diesem Grund komme ein Regressanspruch der erstklagenden Partei gegen die beklagten Parteien nicht in Betracht.
Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die außerordentliche Revision der erstklagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Teilzwischenurteils abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagten Parteien beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Zu I.:
Dem Vertreter der Nebenintervenientinnen wurde die Gleichschrift der außerordentlichen Revision samt Mitteilung, dass den Nebenintervenientinnen die Beantwortung der Revision freistehe, am 7. 3. 2011 zugestellt. Die vierwöchige Frist zur Einbringung der Revisionsbeantwortung endete am 4. 4. 2011. Am 27. 4. 2011 beantragten die Nebenintervenientinnen beim Obersten Gerichtshof die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbeantwortungsfrist und holten gleichzeitig die versäumte Prozesshandlung nach.
Gemäß § 507a Abs 3 Z 2 ZPO ist die Revisionsbeantwortung beim Obersten Gerichtshof einzubringen, wenn dieser dem Revisionsgegner (und/oder dem auf dessen Seite beigetretenen Nebenintervenienten) deren Einbringung nach § 508a Abs 2 ZPO freistellte. Die Nebenintervenientinnen brachten daher den Wiedereinsetzungsantrag zufolge § 148 Abs 1 ZPO zutreffend beim Obersten Gerichtshof ein (RIS-Justiz RS0111775). Dem Antrag kommt jedoch keine Berechtigung zu.
Grobes Verschulden eines Parteienvertreters bei der Versäumung einer befristeten Prozesshandlung ist im Wiedereinsetzungsverfahren der Partei zuzurechnen (vgl RIS-Justiz RS0111777). Ein solches wird regelmäßig darin erblickt, wenn der unterlaufene Fehler auf einer mangelhaften Organisation beruht (Gitschthaler in Rechberger, ZPO³ § 146 Rz 23 mwN). Berufsmäßige Parteienvertreter (Rechtsanwälte) unterliegen dabei dem erhöhten Haftungsmaßstab des § 1299 ABGB (RIS-Justiz RS0036784 [T4]).
Ist, wie im Wiedereinsetzungsantrag behauptet, für den Parteienvertreter trotz nachträglicher Recherchen nicht nachvollziehbar, warum ein verfasster Rechtsmittelschriftsatz nicht an das Gericht übermittelt wurde, der Schriftsatz selbst nicht mehr auffindbar, und können ferner die zeitlichen Abläufe nicht annähernd dargestellt werden, so indiziert dies ein Organisationsverschulden des Parteienvertreters, welches einen bloß minderen Grad des Versehens (§ 146 Abs 1 letzter Satz ZPO) übersteigt.
Selbst wenn man daher den von den Wiedereinsetzungswerberinnen behaupteten Sachverhalt der Entscheidung zugrunde legt, ergibt sich, dass die beantragte Wiedereinsetzung nicht bewilligt werden kann. Der Antrag ist ohne Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens abzuweisen, was die Zurückweisung der verspäteten Revisionsbeantwortung zur Folge hat (vgl 3 Ob 22/07t).
Zu II.:
Die Revision ist zulässig, weil zur Frage, nach welchen Kriterien beim internen Schadensausgleich mehrerer Haftpflichtiger im Falle des Zusammentreffens der Haftungssysteme des LFG und des EKHG vorzugehen ist, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht. Sie ist auch teilweise berechtigt.
Die erstklagende Partei macht geltend, das Berufungsgericht hätte nicht die zum EKHG ergangene Rechtsprechung analog, sondern § 896 ABGB anwenden müssen. Bei der Abwägung der Zurechnungsgründe wäre zu berücksichtigen gewesen, dass der Transportflug zum wirtschaftlichen Vorteil der beklagten Parteien unternommen worden sei und es ohne Auftragserteilung an die erste Nebenintervenientin nicht zu einem Unfall gekommen wäre. Der Haftungsanteil der beklagten Parteien sei daher weit größer als vom Berufungsgericht angenommen, während auf Seiten der erstklagenden Partei von keinem, allenfalls einem äußerst geringen Verschulden auszugehen sei. Die Abwägung der Zurechnungsgründe ausschließlich zu Lasten der erstklagenden Partei sei jedenfalls unzutreffend. Schließlich sei unberücksichtigt geblieben, dass § 16 AOCV auf den gegenständlichen „Arbeitsflug“ gar nicht anwendbar sei.
Im Zusammenhang mit diesem Argument regt die erstklagende Partei an, dem Europäischen Gerichtshof die Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorzulegen, „ob der Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr 2407/92 des Rats vom 23. 7. 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen so auszulegen ist, dass er auch Arbeitsflüge im Sinne von Annex 6 Part III des Chicagoer Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt sowie das von der Joint Aviation Authority herausgegebenen Regelwerks JAR-OPS 3 umfasst“.
Hiezu wurde erwogen:
1. Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO).
2. Zum Anspruchsübergang:
2.1 Die erstklagende Partei stützt ihr Zahlungsbegehren auf § 67 (ö)VersVG. Diese Bestimmung normiert in Abs 1, dass ein Schadenersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen Dritten auf den Versicherer übergeht, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt. Schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung setzt die darin geregelte Legalzession nicht die Befriedigung der Forderung eines Dritten voraus, sondern die Befriedigung des Versicherungsnehmers, die in der Haftpflichtversicherung durch die Deckung des Drittschadens geschieht (2 Ob 78/06v mwN; 2 Ob 7/10h; 4 Ob 146/10i; RIS-Justiz RS0081235 [T1]). Der Ausdruck „Schadenersatzansprüche“ in § 67 VersVG erfasst nicht nur Schadenersatzansprüche im engeren Sinn; er ist vielmehr im weitesten Sinn dahin zu verstehen, dass er sich auch auf Regressansprüche, Ausgleichsansprüche, Bereicherungsan-sprüche etc bezieht. Durch den Forderungsübergang ändert sich die Rechtsnatur des Anspruchs nicht (2 Ob 78/06v; 2 Ob 7/10h; 4 Ob 146/10i; RIS-Justiz RS0080594, RS0080533). Bei Versicherung auf fremde Rechnung erfasst der Rechtsübergang auch entsprechende Ansprüche des vom Versicherungsnehmer verschiedenen Versicherten (7 Ob 27/91; 4 Ob 146/10i; RIS-Justiz RS0081312).
2.2 Die hier noch maßgebliche Rechtslage in Deutschland (§ 67 VVG aF [seit 1. 1. 2008 § 86 VVG]; zum Übergangsrecht vgl etwa Voit in Bruck/Möller, VVG9 [2009] § 86 Rz 46) ist insoweit mit der österreichischen völlig ident (vgl Voit aaO § 86 Rz 56 und Rz 66; auch Prölss/Martin, VVG28 [2010] § 86 Rz 4 und Rz 12).
Aus diesem Grund schadet es im Ergebnis nicht, dass sich weder die erstklagende Partei noch die Vorinstanzen mit dem Kollisionsrecht befassten, wonach der gesetzliche Übergang von Forderungen mit außervertraglicher Grundlage nach dem Zessionsgrundstatut zu beurteilen ist (2 Ob 249/08v mwN). Maßgeblich ist das Sachrecht jener Rechtsordnung, die die Leistungspflicht eines Drittzahlers verfügt und damit den Zessionsgrund liefert (2 Ob 170/05x mwN; RIS-Justiz RS0083638; Neumayr in KBB³ § 48 IPRG Rz 4 mwN), hier also jenes Recht, dem der Versicherungsvertrag zwischen der erstklagenden Partei und der zweitklagenden Partei unterworfen ist. Zu dieser Frage haben die Parteien weder Vorbringen erstattet, noch wurde sie von den Vorinstanzen erörtert. Sie kann aber, wie dargelegt, wegen der ohnedies identen Rechtslage in Österreich und Deutschland auf sich beruhen, zumal die beklagten Parteien weder den Forderungsübergang noch die Aktivlegitimation der erstklagenden Partei in Abrede stellen.
2.3 In der zu den Ersatzansprüchen eines durch das Unglück Geschädigten ergangenen Entscheidung 2 Ob 119/09b - sämtliche Streitteile waren neben dem Piloten als beklagte Parteien an diesem Verfahren beteiligt - hat der erkennende Senat bereits mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass sich die Versicherungsdeckung auch auf die persönliche gesetzliche Haftpflicht des Piloten erstreckt. Insoweit liegt Versicherung auf fremde Rechnung vor (vgl Kathrein in FS Dittrich, Die Neuordnung der Luftfahrthaftung [2000] 551 [564]).
Das bedeutet nach den bisherigen Ausführungen, dass im Umfang an Geschädigte geleisteter Zahlungen nicht nur allfällige Regressansprüche des zweitklagenden Halters des Luftfahrzeugs, sondern auch solche des (mit-)versicherten Piloten im Wege der Legalzession auf die erstklagende Partei übergehen. Dies gilt auch hinsichtlich jener Leistungen, die an die im gegenständlichen Verfahren genannten Geschädigten erbracht worden sind. Es unterliegt dann aber keinem Zweifel, dass sich die erstklagende Partei im Regressprozess gegen weitere Mithaftende ein Verschulden des Piloten zurechnen lassen muss.
2.4 Da die Schadenersatzansprüche der geschädigten Dritten nach österreichischem Recht zu beurteilen und zu befriedigen waren (§ 48 IPRG; vgl 2 Ob 119/09b), begründet dies eine so starke Beziehung zur österreichischen Rechtsordnung iSd § 1 Abs 1 IPRG, dass auch für die geltend gemachten Regressansprüche des deutschen Haftpflichtversicherers gegen die österreichische Seilbahnunternehmerin und deren Komplementärin österreichisches Recht maßgeblich ist (vgl SZ 55/9; 2 Ob 78/06v mwN; RIS-Justiz RS0026788; Verschraegen in Rummel, ABGB³ II/6 § 48 IPRG Rz 32; Neumayr aaO § 35 IPRG Rz 5). Die Vorinstanzen haben diese Ansprüche daher zutreffend nach österreichischem Sachrecht beurteilt, von dem auch die Streitteile ausgegangen sind.
3. Zu den Grundsätzen des internen Schadensausgleichs:
3.1 Wie die Vorinstanzen grundsätzlich richtig erkannten, kommt die unmittelbare Anwendung des § 152 LFG (idF BGBl I 1997/102; vgl 2 Ob 47/08p) oder des § 11 Abs 1 Satz 1 EKHG (als leges speciales zu § 896 ABGB; vgl Schauer in Schwimann, ABGB³ § 11 EKHG Rz 10) auf den Regressanspruch der erstklagenden Partei nicht in Betracht, setzen diese Bestimmungen doch die Verursachung eines Schadens einerseits „durch mehrere Luftfahrzeuge oder Flugmodelle“, andererseits „durch mehrere Eisenbahnen oder mehrere Kraftfahrzeuge oder durch eine oder mehrere Eisenbahnen und ein oder mehrere Kraftfahrzeuge“ voraus.
Trotzdem orientierte sich das Erstgericht - hinsichtlich des seiner Ansicht nach zu vernachlässigenden Pilotenverschuldens - an der Entscheidung 1 Ob 53/95, der ein Regress nach der Vorgängerbestimmung des § 152 LFG (§ 27 LuftVG) zu Grunde lag, während das Berufungsgericht nur zum EKHG ergangene Rechtsprechung (2 Ob 2341/96w; RIS-Justiz RS0110986) analog angewendet hat. Richtigerweise bestimmt sich aber der Solidarschuldnerregress nach den §§ 896, 1302 ABGB, wobei Besonderheiten der jeweils normierten Haftungsregeln beim internen Ausgleich in die Abwägung der Zurechnungsgründe einzubeziehen sind.
3.2 Der Regressanspruch nach § 896 ABGB ist ein selbständiger Anspruch, dessen Art und Umfang sich nach dem zwischen den Streitteilen bestehenden „besonderen Verhältnis“ der Mitschuldner richtet (2 Ob 78/06v; RIS-Justiz RS0017522). Dieses kann nach der Rechtsprechung auf rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen den Mitschuldnern beruhen, aber auch auf schadenersatzrechtlichen Verflechtungen und sonstigen Umständen, die im konkreten Fall ein Abweichen vom Rückgriff nach Kopfteilen rechtfertigen. Mangels Vereinbarung entscheidet letztlich der jeweilige Verursachungs-, Schuld- und Rechtswidrigkeitsanteil jedes einzelnen Mitschuldners am Entstehen der Gesamtschuld über die Höhe der Ersatzpflicht (2 Ob 277/06h; RIS-Justiz RS0017501, RS0026824). Nur in Ermangelung eines besonderen Verhältnisses und im Zweifel haben Solidarschuldner zu gleichen Teilen einzustehen. Die Behauptungs- und Beweislast für einen nicht kopfteiligen Ausgleich trifft denjenigen, der sich auf die besonderen Verhältnisse beruft (9 Ob 137/99h; 7 Ob 19/05b mwN; RIS-Justiz RS0026803, RS0017575).
Im vorliegenden Fall hat sich die erstklagende Partei auf die Zweifelsregel gestützt, der die beklagten Parteien entgegentreten. Ein Vertragsverhältnis besteht zwischen den Streitteilen nicht. Für das „besondere Verhältnis“ ist aber relevant, ob und inwieweit für die Haftung gegenüber den Geschädigten unterschiedlich zu gewichtende Zurechnungsgründe im Sinne der obigen Kriterien bestehen.
4. Zu den Zurechnungsgünden auf der Seite der erstklagenden Partei:
4.1 Gemäß § 131 Abs 1 LFG sind beim Betrieb von Zvilluftfahrzeugen alle jene Vorsichtsmaßnahmen zu beachten, die erforderlich sind, um Gefährdungen der Sicherheit der Luftfahrt auszuschließen. Abs 2 Satz 1 dieser Bestimmung erlegt dem zuständigen Bundesminister die Verpflichtung auf, die zur Gewährleistung eines sicheren Betriebs der Zivilluftfahrzeuge erforderlichen Betriebsvorschriften durch Verordnung zu regeln und zwar insbesondere (ua) die Flugplanung und Flugvorbereitung (Z 1). § 134 Abs 1 LFG sieht vor, dass bei der Beförderung von Personen oder Sachen mit Zivilluftfahrzeugen alle jene Vorsichtsmaßregeln zu beachten sind, die erforderlich sind, um Gefährdungen der Sicherheit der Luftfahrt auszuschließen. Auch in dieser Bestimmung verpflichtet Abs 2 den zuständigen Bundesminister, im Einvernehmen mit den in ihrem Wirkungsbereich berührten Bundesministerien unter Bedachtnahme auf die Verkehrssicherheit, die Interessen der Landesverteidigung sowie auf die Sicherheit der Person und des Eigentums die zur sicheren Beförderung von Personen und Sachen mit Luftfahrzeugen notwendigen Sicherheitsmaßnahmen, insbesondere hinsichtlich der Beförderung von (ua) Sachen, die ihrer Beschaffenheit nach geeignet sind, Gefährdungen herbeizuführen (lit d) durch Verordnung zu regeln.
In Durchführung dieser und weiterer gesetzlicher Anordnungen erließ der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie die am 10. 11. 2004 in Kraft getretene Verordnung betreffend die Voraussetzungen für die Erteilung des Luftverkehrsbetreiberzeugnisses (AOCV) 2004 BGBl II 2004/425, welche die AOCV 1998 abgelöst hat. Die Verordnung regelt die flugbetrieblichen und technischen Grundlagen für das Luftverkehrsbetreiberzeugnis (Air Operator`s Certificate - AOC) als Voraussetzung für die Erteilung einer Betriebsgenehmigung für den gewerblichen Luftverkehr im Sinne der Verordnung (EWG) 2407/92 (§ 1 Abs 1 AOCV). Die §§ 12 bis 16 AOCV regeln den Flugbetrieb.
4.2 § 16 AOCV enthält eine Sonderbestimmung für Hubschrauber. In der Entscheidung 2 Ob 119/09b wurde das Verschulden des Piloten (wie schon in dem gegen ihn geführten Strafprozess) mit eingehender Begründung auf die Verletzung des § 16 Abs 2 AOCV gestützt, der folgenden Wortlaut hat:
„Die gleichzeitige Beförderung von Personen und Sachen ist nur zulässig, wenn die beförderten Sachen mit dem Hubschrauber fest verbunden oder in geeigneter Weise gegen Lageveränderungen gesichert sind. Werden Sachen als Unterlasten (Außenlasten) befördert, dürfen nur die für die Beförderung zweckdienlichen Personen mitgeführt werden. Der Pilot hat vor dem Start die Aufhängevorrichtung zu überprüfen (Funktionsprobe). Es ist verboten, mit nicht ausklinkbaren Aufhängevorrichtungen Lasten zu befördern. Über die sichere Durchführung der Aufhängung der Lasten entscheidet der Pilot und erteilt die erforderlichen Anweisungen an das mit dem Verladen betraute Personal. Der Pilot darf erst starten, wenn vom Flughelfer Zeichen für eine sichere Startdurchführung erteilt wurden. Der Pilot hat den Flug so zu wählen, dass bei einer eventuellen Auslösung der Aufhängevorrichtung während des Fluges die herabfallende Last weder Personen noch Sachen auf der Erde gefährdet.“
Der erkennende Senat beurteilte den letzten Satz dieser Bestimmung als eine an den Piloten adressierte Schutznorm iSd § 1311 ABGB, die den Schutz der körperlichen Integrität und des Eigentums der „auf der Erde“ befindlichen Personen, somit die Hintanhaltung von Drittschäden bezweckt.
Im genannten Verfahren hatte der Pilot die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf den Unglücksflug nur mit dem - vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten - Argument in Frage gestellt, dass die Vorschrift zu unbestimmt sei, um eine Verschuldenshaftung tragen zu können.
4.3 Nunmehr versucht die erstklagende Partei an Hand internationaler und europarechtlicher Regelungen darzulegen, dass § 16 Abs 2 AOCV auf einen „Arbeitsflug“ (aerial work) oder „Rundflug“, wie er hier vorliege, gar nicht anzuwenden sei.
In der österreichischen Rechtsordnung findet sich eine Definition von „Arbeitsflügen“ in § 2 Abs 4 der Zivilluftfahrzeug- und Luftgerät-Verordnung (ZLLV), der in der hier interessierenden Fassung BGBl II 363/1999 lautet:
„Arbeitsflüge sind Flüge, bei denen mit einem Luftfahrzeug Arbeitsvorgänge ausgeführt werden, deren Zweck nicht in der Durchführung des Fluges selbst oder in einer Beförderung besteht. Dazu zählen insbesondere Streu- oder Sprühflüge, Schädlingsbekämpfungsflüge, Flüge zum Abwerfen von Sachen, Foto- und Vermessungsflüge sowie Außenlast-Schleppflüge.“
Diese Definition entspricht in ihrem Sinngehalt im Wesentlichen der in der Revision wiedergegebenen Begriffsbestimmung des Chicagoer Abkommens in Annex 6 Part III:
„An aircraft operation in which a helicopter aircraft is used for specialized services such as agriculture, construction, photography, surveying, observation and patrol, search and rescue, aerial advertisement etc“
Laut erstklagender Partei soll das entscheidende, über den im erwähnten Vorprozess festgestellten Sachverhalt hinausgehende Tatsachenmerkmal für die Annahme eines „Arbeitsflugs“ darin liegen, dass der Hubschrauber auf der Entladestelle nicht landete, sondern - wie dies der nunmehr vorliegenden Tatsachengrundlage entspricht - die transportierten Kübel „schwebend entleert“ wurden.
Ähnlich argumentiert Janezic (Luftarbeit - Versuch einer Definition, ZLW 2010, 520), der das Fehlen einer europarechtlichen Definition des Begriffs „Arbeitsflug“ bemängelt (523 f) und sich mit der Zuordnung von „Grenzfällen“ (521) zu bestimmten Flugarten befasst. Nach Ansicht des Autors sind auch Flüge zur Durchführung von Bauarbeiten zu den „Arbeitsflügen“ zu zählen, allerdings nur insoweit, als ein Hubschrauber nicht nur zum bloßen Transport eingesetzt wird. Er nennt als Beispiel, dass Beton in Außenlast-Transportkübeln zur Baustelle gebracht und „der Beton direkt aus der Luft in die Holzverschalung eingefüllt wird“. Würden aber die Bestandteile des Betons einzeln zur Baustelle gebracht und erst dort zusammengemischt und in die Verschalung gegossen werden, so liege wohl gewerbsmäßige Beförderung von Fracht vor.
4.4 Auf der Grundlage dieser Überlegungen gelangt der Autor zu der Ansicht, der erkennende Senat habe bei seiner Entscheidung 2 Ob 119/09b verkannt, dass es sich beim gegenständlichen Flug um einen „Arbeitsflug“ gehandelt habe, der nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der AOCV 2004 falle, regle diese doch die Voraussetzungen für das Erlangen eines AOC, welches für „Arbeitsflüge“ gerade nicht erforderlich sei. Diese Kritik vermag nicht zu überzeugen:
4.4.1 Zum einen fehlte es in besagtem Vorprozess an einem entsprechenden Einwand und an einer Tatsachengrundlage, die eine Beurteilung der „Flugart“ im Sinne des Autors überhaupt ermöglicht hätte; dass der Hubschrauber über den bloßen Transport hinaus als „Arbeitsgerät“ gedient haben soll, wurde von den Parteien damals (zumindest in dritter Instanz) nicht einmal ansatzweise thematisiert.
4.4.2 Zum anderen ist aber jedenfalls am Schutznormcharakter des § 16 Abs 2 AOCV festzuhalten. Ob der Unglücksflug ein „Arbeitsflug“ war, wäre daher nur dann von Bedeutung, wenn bei solchen Flügen - anders als bei „bloßen Transportflügen“ - verursachte Schäden vom Schutzzweck der Norm nicht umfasst wären. Dies trifft jedoch nicht zu:
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ergibt sich der Schutzzweck der Norm aus ihrem Inhalt. Das Gericht hat das anzuwendende Schutzgesetz teleologisch zu interpretieren, um herauszufinden, ob die jeweilige Vorschrift, die übertreten wurde, den in einem konkreten Fall eingetretenen Schaden verhüten soll (RIS-Justiz RS0008775). Wie weit der Normzweck reicht, ist Ergebnis der Auslegung im Einzelfall (RIS-Justiz RS0082346). Entscheidend ist nur der Inhalt der Norm. Es genügt, dass die Verhinderung des Schadens bloß mitbezweckt ist; die Norm muss aber die Verhinderung eines Schadens wie des später eingetretenen zumindest intendiert haben (2 Ob 64/09i mwN; RIS-Justiz RS008775 [T2 und T4]).
Für die Frage der Gefährdung der in den Schutzbereich des § 16 Abs 2 AOCV fallenden Rechtsgüter macht es keinen Unterschied, ob die Außenlast „bloß“ befördert wird oder ob die Entladung „schwebend“ oder nach vorheriger Landung des Hubschraubers erfolgt. In beiden Fällen beruht die Gefährdung auf dem Transport einer Außenlast, auf den Zweck des Flugs (so aber Janezic) kommt es dabei nicht an. § 16 Abs 2 AOCV kann bei sinnvoller Interpretation demnach nur dahin verstanden werden, dass bei Hubschrauberflügen (welcher Art auch immer) die mit dem Transport von Außenlasten verbundenen Gefahren für die geschützten Rechtsgüter durch Einhaltung der vorgeschriebenen Maßnahmen möglichst gering zu halten sind. Nur illustrativ sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass selbst der Privatgutachter der erstklagenden Partei, auf dessen Ausführungen sie sich auch in ihrem Rechtsmittel beruft, im rechtlichen Teil seiner Ausführungen zu dem Ergebnis gelangte, dass § 16 Abs 2 AOCV - wenn auch (so der Gutachter) „vollkommen unsystematisch, an dieser Stelle deplaziert und inhaltlich schwammig“ - „die einzigen Regelungen betreffend Arbeitsflüge mit Hubschraubern“ enthält (vgl Beilage ./L Seiten 4 und 5).
4.5 Darauf, ob der in der erörterten Norm verwendete Begriff „Beförderung“ der Terminologie in § 102 Abs 1 LFG bzw der VO (EWG) Nr 2407/92 entspricht, kommt es aus den dargelegten Gründen nicht entscheidend an. Die erörterte inländische Schutznorm regelt ganz allgemein den Transport von Außenlasten mit Hubschraubern und geht von ihrer Bedeutung über den in § 1 Abs 1 AOCV 2004 definierten Geltungsbereich der Verordnung hinaus. Die Anregung der erstklagenden Partei, dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art 267 AEUV ein Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung der Rechtsfrage vorzulegen, „ob der Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr 2407/92 des Rates vom 23. 7. 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen so auszulegen ist, dass er auch Arbeitsflüge im Sinne von Annex 6 Part III des Chicagoer Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt sowie des von der Joint Aviation Authority herausgegebenen Regelwerks JAR-OPS 3 umfasst“ ist daher nicht aufzugreifen.
4.6 Davon abgesehen sind auch die im behördlich genehmigten Flugbetriebshandbuch (FOM) enthaltenen (nahezu) gleichlautenden Anordnungen an den Piloten als Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB zu qualifizieren (vgl 2 Ob 7/10h mwN; RIS-Justiz RS0027415, RS0027539). Wie sich insbesondere aus Punkt C.1.13.7 des Handbuchs unmissverständlich ergibt, musste mit der Möglichkeit einer Auslösung der Aufhängevorrichtung während des Flugs gerechnet werden, weshalb die Gefährdung der mit der Seilbahn beförderten Personen durch herabfallende Lasten nicht auszuschließen war (vgl 2 Ob 215/07t; 2 Ob 119/09b).
4.7 Wie im erwähnten Vorprozess ist die objektive Übertretung der Schutznorm durch den Piloten als erwiesen anzusehen. Der Pilot vermochte im damaligen Rechtsstreit keine subjektiven Umstände darzulegen, die es ihm unmöglich gemacht haben könnten, die Gefahr zu erkennen und danach zu handeln. Neue Aspekte zu diesem Thema zeigt auch die erstklagende Partei im vorliegenden Regressprozess nicht auf. Auch auf der Grundlage der nunmehrigen Feststellungen trifft den Piloten der Vorwurf einer fahrlässigen Verletzung der Schutznorm des § 16 Abs 2 AOCV 2004, den sich die erstklagende Partei beim internen Schadensausgleich nach § 896 ABGB zurechnen lassen muss.
5. Zu den Zurechnungsgründen auf der Seite der beklagten Parteien:
5.1 In der ebenfalls zu den Ersatzansprüchen mehrerer durch das Unglück Geschädigter ergangenen Entscheidung 2 Ob 215/07t billigte der erkennende Senat im Rahmen der Zurückweisung außerordentlicher Revisionen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts als vertretbar, dass den (auch dort) beklagten Parteien wegen der Fortsetzung des Seilbahnbetriebs während der Hubschrauberflüge kein eigenes Verschulden vorzuwerfen sei. In diesem Zusammenhang wurden die Feststellungen hervorgehoben, wonach solche Transportflüge im Hochgebirge auch über Seilbahntrassen seit 20 bis 30 Jahren gängige Praxis gewesen seien und sich für den Betriebsleiter der erstbeklagten Partei im Zuge seiner mehrjährigen Praxis samt mehreren tausend derartigen Lastenflügen nie Lastenverluste während eines Flugs ergeben hatten. Auch die Ablehnung einer Erfüllungsgehilfenhaftung im Rahmen des Beförderungsvertrags für den Transporteur von Rohstoffen für den Seilbahnbau wurde in dieser Entscheidung als vertretbar angesehen. Dasselbe gilt für die Verneinung einer deliktsrechtlichen Haftung nach dem Ingerenzprinzip, zumal sich der Unfall nicht im Bereich der abzusichernden Baustelle ereignet habe.
Als vertretbar wurde aber auch die Bejahung der Haftung der beklagten Parteien für die außergewöhnliche Betriebsgefahr der Seilbahn beurteilt, die durch die starke Seilbahnschwingung mit Riss des Klemmapparats einer Seilbahngondel begründet worden sei (vgl auch 2 Ob 41/08f).
5.2 In Anknüpfung an diese Erwägungen teilt der erkennende Senat bei (insoweit) unveränderter Tatsachengrundlage die in diesem Verfahren wiederholte Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass den Betriebsleiter der erstbeklagten Partei kein dieser zurechenbares Verschulden traf. Ein solches käme nur im Falle fahrlässigen Fehlverhaltens in Betracht:
5.2.1 Fahrlässigkeit ist die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt (RIS-Justiz RS0026204; Karner in KBB³ § 1294 Rz 11). § 1297 ABGB legt den allgemeinen Sorgfaltsmaßstab fest, dessen Nichteinhaltung Fahrlässigkeit begründet. Da auf den gewöhnlichen Grad der Aufmerksamkeit und des Fleißes abzustellen ist, ist maßgeblich, wie sich ein maßgerechter Durchschnittsmensch in der konkreten Lage verhalten hätte (7 Ob 280/06m; Karner aaO § 1297 Rz 1; Reischauer in Rummel, ABGB³ II/2a § 1297 Rz 2). Bei der Beurteilung dieser Frage ist auch das Wissen einzubeziehen, das der Täter um die konkreten Umstände hatte. Das Wissen-Müssen richtet sich von vornherein nach dem, was ein maßgerechter Mensch in der konkreten Situation hätte wissen müssen (Reischauer aaO § 1297 Rz 2). Daher handelt auch fahrlässig, wer ein Verhalten für erlaubt hält, obwohl es erkennbar rechtswidrig ist; zB wer bei gehöriger Aufmerksamkeit den Eintritt des Schadens voraussehen hätte können (7 Ob 280/06m).
5.2.2 Nach den Feststellungen kann davon ausgegangen werden, dass der Betriebsleiter von der über die Sektion I der Seilbahn führenden Flugroute Kenntnis hatte oder zumindest haben musste. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass er (oder ein anderer Repräsentant der erstbeklagten Partei) im Gegensatz zum Piloten nicht Adressat der einschlägigen Schutznormen war. Deren Unkenntnis ist ihm auch nicht vorwerfbar, da er in dieser Hinsicht nur dem allgemeinen, nicht aber dem erhöhten Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB unterlag. Aus diesem Grund musste ihm die Rechtswidrigkeit des Überfliegens der Seilbahn auch nicht erkennbar sein. Die Voraussehbarkeit eines Schadenseintritts, war für den Betriebsleiter jedenfalls in einem noch deutlich geringeren Maße gegeben, als dies für den Piloten galt. Schadensverhindernde Vorkehrungen, wie etwa die Einstellung des Seilbahnbetriebs während der Überflüge oder deren Duldung nur außerhalb des Seilbahnbetriebs, waren daher aus der gebotenen ex ante-Sicht eines Durchschnittsmenschen nicht notwendig, weshalb ihre Unterlassung noch keine den Vorwurf der Fahrlässigkeit rechtfertigende Sorgfaltswidrigkeit bedeutet.
Die Revisionsausführungen zur „Bauherrnhaftung“ und zu einem Organisationverschulden der erstbeklagten Partei müssen unter diesen Umständen ins Leere gehen.
5.3 Da die beklagten Parteien gegenüber den Geschädigten eine außergewöhnliche Betriebsgefahr zu vertreten haben, bestand bisher kein Anlass zur Prüfung der Frage, ob den beklagten Parteien, hätten sie nur für die gewöhnliche Betriebsgefahr einzustehen, der Entlastungsbeweis nach § 9 Abs 2 EKHG gelungen wäre. Für die im Innenverhältnis der Mitschuldner vorzunehmende Abwägung der Zurechnungsgründe ist sie jedoch relevant:
5.3.1 Die Annahme eines unabwendbaren Ereignisses iSd § 9 EKHG setzt voraus, dass der Erstbeklagte „jede nach den Umständen des Falls gebotene Sorgfalt“ beachtet hat. Darunter ist die äußerste nach den Umständen des Falls mögliche und zumutbare