TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/22 2000/20/0299

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Veröffentlicht am 22.02.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des P in Graz, geboren am 15. Mai 1967, vertreten durch Dr. Klaus Kocher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 36, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Juni 2000, Zl. 206.648/0-XII/37/98, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 7 AsylG und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Liberia, betrat am 25. März 1994 das Bundesgebiet und stellte am 28. März 1994 einen Asylantrag, den er damit begründete, dass Soldaten in seinen Ort gekommen seien und Häuser angezündet hätten. Im Hintergrund stünde die Auseinandersetzung zwischen der Gruppe des Charles Taylor und der Gruppe Yammi Johnson, die zuerst beide der NPFL angehört, sich aber später getrennt hätten.

Die Soldaten seien auch in sein Haus eingedrungen und hätten dieses angezündet. Bei der Flucht sei er an einen Türstock gelaufen und habe sich eine Verletzung oberhalb des rechten Auges zugezogen. Ihm sei schließlich durch einen Sprung aus dem Fenster die Flucht vor den nicht uniformierten und lediglich mit Messern bewaffneten Soldaten gelungen. Leute eines anderen Stammes (des KHRAN-Stammes) hätten die Angehörigen seines Stammes (der GEO) bekämpft. Er selbst habe sich an diesen seit 1989 andauernden Kämpfen nicht beteiligt.

Von staatlichen Organen sei der Beschwerdeführer nicht verfolgt worden.

Die Frage, ob er versucht habe, in einem anderen Teil seines Heimatlandes zu leben, verneinte der Beschwerdeführer. Er wisse nicht, wo er leben könnte.

Mit Bescheid vom 30. März 1994 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 3 Asylgesetz 1991 mit der Begründung ab, den widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers könne kein Glauben geschenkt werden. Eine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgung habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen können. Die Tatsache, dass im Heimatland des Beschwerdeführers kriegerische Handlungen vorgenommen würden, sei kein Grund, darin gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen zu erblicken.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, die Rebellensoldaten, die in sein Haus eingedrungen seien, wären nicht von einer anderen Volksgruppe bzw. einem anderen Volksstamm, sondern von einer rivalisierenden Rebellengruppe. Sie seien sehr wohl, wie er selbst, Angehörige der Volksgruppe der GEO. Es stimme jedoch, dass die Angehörigen der Volksgruppe der GEO durch Angehörige der Volksgruppe der KHRAN, welche die Regierung stelle, verfolgt würden. Sein Vater und seine Brüder hätten 1989 den Kampf der NPFL gegen die KHRAN-Regierung unterstützt. Sein Bruder James sei bei den Kämpfen ums Leben gekommen. Sein anderer Bruder Charles sei schon vier Monate vor dem Beschwerdeführer aus Liberia geflüchtet. Der Beschwerdeführer selbst habe nach dem Überfall und der Zerstörung seines Hauses einsehen müssen, dass er in Liberia nicht sicher sei. Seit der Spaltung der Rebellengruppen würden Sympathisanten der NPFL durch die INPFL verfolgt. Die sein Haus anzündenden Rebellen-Soldaten hätten vom politischen Engagement seiner Familie gewusst. Die politische Situation in Liberia sei derzeit so, dass er in keinem Teil des Landes vor Verfolgung sicher sei. Auch die ECOMOG-Schutztruppe könne Verfolgungssicherheit nicht gewähren.

Der diese Berufung abweisende Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. September 1996 trat gemäß § 44 Abs. 2 AsylG außer Kraft.

In der mündlichen Berufungsverhandlung vor der nunmehr zuständigen belangten Behörde am 22. März 2000 sagte der Beschwerdeführer:

"Ich habe Liberia auf Grund des Krieges verlassen. Die Rebellen kamen zu unserem Haus und versuchten uns zu erwischen, daher musste ich davonlaufen. Sie brannten unser Haus nieder und ich wurde auch auf der Stirne bei dieser Flucht verwundet. Das passierte als ich aus dem Fenster sprang. Es ist eine Verletzung unterhalb der rechten Augenbraue."

Der Beschwerdeführer gab ferner an, die Rebellen hätten die nationale patriotische Front of Liberia (NPFL) unterstützt. Anführer der Rebellen sei Charles Taylor. Sein Vater sei politisch aktiv gewesen und habe die Partei von Samuel Doe unterstützt, er selbst jedoch nicht. Das erste Mal seien die Rebellen Mitte 1992 im Dorf des Beschwerdeführers gewesen und hätten seinen Bruder James mitgenommen und getötet. Beim zweiten Überfall hätten die Rebellen nicht alle Häuser niedergebrannt, sondern nur die Häuser jener Personen, die sie verdächtigten, bei der regierenden Partei zu sein. Die NPFL wolle noch immer alle früheren Anhänger der Regierungspartei von Samuel Doe umbringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 7 AsylG ab.

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Berufungswerber selbst nicht politisch tätig und keiner staatlichen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei.

Zur allgemeinen Situation in Liberia stellte die belangte Behörde fest, dass der liberianische Bürgerkrieg, der im Jahre 1989 durch einen Angriff der von Charles Taylor angeführten NPFL ausgelöst worden sei, schließlich durch das Friedensabkommen von Abuja vom 26. August 1995, ergänzt durch ein Zusatzabkommen vom 17. August 1996, beendet worden sei. Im Juli 1997 hätten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stattgefunden, aus welchen Charles Taylor und die von ihm geführte National Patriotic Party (NPP) siegreich hervorgegangen seien. Nach einem näher bezeichneten Bericht vom 16. Februar 2000 hätten die vereinten Nationen die Entscheidung der liberianischen Regierung begrüßt, die Grenzen zu Guinea wieder zu öffnen und die Repatriierung von Liberianern fortzuführen. Allgemein begrüßt worden sei auch der Aufruf des Präsidenten Taylor, wonach die Oppositionsführer wieder in das Land zurückkehren mögen. Zwischen den ehemaligen Bürgerkriegsparteien komme es weder zu Kampfhandlungen noch zu systematischen Verfolgungsmaßnahmen wegen früherer Gegnerschaft. Es könne nicht festgestellt werden, dass frühere - jetzt unbewaffnete - Bürgerkriegsgegner oder Personen, die sich im Zuge des Bürgerkrieges geweigert hätten, für die NPFL zu kämpfen, systematischer Verfolgung ausgesetzt wären.

In rechtlicher Hinsicht folgert die belangte Behörde, dass bereits im Fluchtzeitpunkt keine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vorgelegen habe und darüber hinaus eine Normalisierung der Situation eingetreten sei, sodass dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die geänderte Situation zumutbar sei, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen. Ein Asylgrund liege daher nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde bekämpft die Beweiswürdigung der belangten Behörde und beanstandet, dass diese nicht versucht habe, Ungereimtheiten seiner Aussagen durch entsprechende Fragestellungen aufzuklären, ohne allerdings anzugeben, welchen Inhalt diese Fragen hätten haben sollen. Die belangte Behörde habe ferner nur jene Informationen verwertet, die über Medien transportiert würden und an deren Verbreitung naturgemäß die Regierung Liberias ein eminentes Interesse habe. Dem gegenüber sei allgemein bekannt, dass in Liberia die Korruption weit verbreitet sei und daraus lasse sich auf den inneren Zustand dieses Landes mit größerer Verlässlichkeit schließen, als es scheinbar die demokratisch verlaufenden Wahlen erlauben würden.

Mit diesen im Wesentlichen auf bloße Behauptungen hinauslaufenden Argumenten kann der Beschwerdeführer jedoch keine Rechtswidrigkeit der Beweiswürdigung aufzeigen. Diese ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um deren Schlüssigkeit, also die Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut - oder darum handelt, ob die Beweise, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind (vgl. dazu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 262 ff zu § 45 AVG, wiedergegebene Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer rügt ferner, dass die belangte Behörde über die in ihrem Bescheid zitierten Berichte hinaus keine sonstigen erkennbaren Anstrengungen unternommen hätte, um "Hintergrundinformationen" in das Verfahren einzubringen. Um welche Informationen es sich dabei handeln soll, wird nicht angegeben.

Bekämpft eine Partei das Verfahren als mangelhaft, weil die Behörde nicht die angesichts ihres Vorbringens erforderlichen, allenfalls weiter führenden Ermittlungen gepflogen und entsprechende Feststellungen getroffen habe, so hat die Beschwerde einer solchen Partei konkrete tatsächliche Behauptungen darüber zu enthalten, zu welchen eine andere Entscheidung ermöglichenden Ergebnissen die Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschriften hätte kommen können (vgl. dazu Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 616 f). Diesem Erfordernis ist der Beschwerdeführer jedoch nicht nachgekommen.

Die Darstellung der Relevanz fehlt auch bei den ebenfalls als Verfahrenmangel geltend gemachten Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Tätigkeit des Dolmetschers im Verfahren vor dem Bundesasylamt.

Wenn die Beschwerde schließlich vorbringt, es bleibe völlig im Ungewissen, von welcher der ehemaligen Bürgerkriegsfraktionen der Flughafen Liberias kontrolliert werde, sodass der Beschwerdeführer der Gefahr unterliege, bei seiner Rückkehr nach Liberia "von den jeweiligen Bürgerkriegsparteien eine Behandlung zu erleiden, die geeignet ist, seine körperliche Integrität zu verletzen" so widerspricht dieses Vorbringen der Feststellung des angefochtenen Bescheides, wonach in Liberia jetzt ein "monolithischer Machtblock, in dem eine Partei (NPFL)" dominiere, bestehe, und unbewaffnete Bürgerkriegsgegner bzw. Personen, die sich im Zuge des Bürgerkrieges geweigert hätten, für die NPFL zu kämpfen, keiner systematischen Verfolgung ausgesetzt seien.

Die Behauptung in der Beschwerde, schon die Tatsache, dass der Beschwerdeführer seine Heimat durch Flucht verlassen habe, lasse die beschriebene Gefahr erwarten, verstößt gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG).

Von der Feststellung ausgehend, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatland jedenfalls im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei, erweist sich auch die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde als zutreffend.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Februar 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000200299.X00

Im RIS seit

24.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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