Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat der Angestellten des L*****, vertreten durch Mag. Michael Kadlicz, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die Stadtgemeinde W*****, vertreten durch Mag. Thomas Rosecker, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert 7.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Jänner 2011, GZ 9 Ra 137/10y-24, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 31. Mai 2010, GZ 6 Cga 191/08d-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte betrieb bis zum 31. 12. 2007 das Krankenhaus W***** im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung. Mit 1. 1. 2008 wurde das Krankenhaus vom Land Niederösterreich übernommen. Auf die Dienstverhältnisse der Anästhesieschwestern und -pfleger fand die Nebengebührenordnung der Beklagten (NGO) Anwendung. Diese regelt im II. Abschnitt unter Punkt 4 verschiedene Nebengebühren für das Pflegepersonal. So ist unter anderem auch eine Strahlengefahrenzulage (2700 - 2720) für das Pflegepersonal auf Radium- und Röntgenstationen und der Abteilung für Radioonkologie-Strahlentherapie vorgesehen, um die latente Gefährdung durch Strahlen, gestaffelt nach der Zeitdauer der Exposition, finanziell zu kompensieren. Im Lauf der letzten zehn Jahre erhöhte sich im Krankenhaus W***** die Zahl der Operationen von 10.000 - 12.000 auf ca 15.000. Besonders bei Operationen im Bereich der Unfallchirurgie und Orthopädie stieg durch die begleitende Kontrolle die Strahlenbelastung an. Davon waren auch die Anästhesieschwestern und -pfleger betroffen, die der gleichen Strahlenbelastung wie alle anderen bei Operationen eingesetzten Mitarbeiter der Beklagten ausgesetzt waren. In Einzelfällen konnte zwar das Pflegepersonal über Nachfrage den Operationssaal verlassen; eine generelle Möglichkeit dazu bestand jedoch nicht. Die in Punkt 4 NGO vorgesehenen Zulagen wurden von der Beklagten auch kumulativ gewährt. So erhielt die überwiegende Zahl der Krankenschwestern und -pfleger im Bereich der Chirurgie-OP, Unfall-OP, Urologie-OP, Orthopädie-OP und Neurochirurgie-OP neben einer Operations-/Anästhesiezulage 3010 auch die Gefahrenzulage 2690 und die Strahlengefahrenzulage 2720. Gesprächsweise Vorstöße in den Jahren 2005 - 2006, auch für das Anästhesiepflegepersonal die Strahlengefahrenzulage zu erlangen, wurden von Beklagtenseite mit dem Argument abgelehnt, dass dieses Personal keiner entsprechenden Strahlenbelastung ausgesetzt sei. Tatsächlich konnten jedoch bei Ganzkörper-Dosimeterauswertungen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Mitarbeitern, die die Zulagen 2690, 2720 und 3010 bezogen, und den Anästhesieschwestern und -pflegern festgestellt werden.
Der klagende Betriebsrat begehrt mit der vorliegenden Klage gegenüber der Beklagten die Feststellung, dass den Anästhesieschwestern und -pflegern im Krankenhaus W***** bis 31. 12. 2007 eine „Strahlenzulage“ zugestanden sei. Der Kläger begründet dies damit, dass allen anderen Schwestern und Pflegern, die Tätigkeiten im Operationssaal verrichteten, von der Beklagten eine Strahlenzulage gewährt worden sei, nicht jedoch - trotz praktisch gleicher Strahlenbelastung - den Anästhesieschwestern und -pflegern. Ein sachlicher Grund für diese Differenzierung habe nicht bestanden.
Die Beklagte bestritt das Klagevorbringen, beantragte dessen Abweisung und wendete ein, dass in Punkt 4 NGO die Anästhesieschwestern und -pfleger nicht genannt seien.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Zugrundelegung der vorstehend wiedergegebenen Feststellungen statt. Die Ganzkörper-Dosimeterauswertungen haben keine relevanten Unterschiede hinsichtlich der durchschnittlichen Strahlenbelastung jener Personen, die die Strahlenzulage bekommen, und dem Anästhesiepflegepersonal ergeben. Die ohne sachliche Rechtfertigung erfolgte Differenzierung widerstreite dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es den Urteilsspruch präziser fasste und nicht bloß von einer „Strahlenzulage“, sondern von einer „Strahlengefahrenzulage gemäß Punkt 4 der Nebengebührenordnung der Stadt W*****“ sprach. Die ordentliche Revision wurde gemäß § 502 Abs 1 ZPO zugelassen. Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen mit einer hier nicht relevanten Ausnahme. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, dass es sich bei der auf einem Gemeinderatsbeschluss beruhenden Nebengebührenordnung um eine Verordnung handle, auf die die Auslegungsregeln der §§ 6, 7 ABGB Anwendung finden. Es sei zwar richtig, das die Anästhesieschwestern und -pfleger in Punkt 4 NGO nicht ausdrücklich genannt seien. Durch den medizinischen Fortschritt sowie die demografische und gesundheitspolitische Entwicklung haben sich jedoch im Krankenhaus W***** sowohl die Zahl der Operationen als auch die qualitativen Faktoren bei Operationen beträchtlich erhöht. Es herrsche deshalb (zufolge Intensivierung der begleitenden Kontrolle) in nahezu allen Operationssälen der Unfallabteilung und der Orthopädie erhöhte Strahlenbelastung. Speziell dort seien alle Mitarbeiter der gleichen Strahlenbelastung ausgesetzt. Tatsächliche Änderungen, die zur Zeit der Entstehung der Norm noch nicht bedacht werden konnten, seien nach dem historischen und noch immer aktuellen Normzweck zu beurteilen. Erkennbarer Zweck der Strahlengefahrenzulage gemäß Punkt 4 NGO sei es, das spezielle Risiko der Dienstnehmer, die typischerweise einer Strahlenbelastung ausgesetzt seien, auszugleichen. Von der zwischenzeitig eingetretenen Vermehrung der Gefährdung sei gerade das Anästhesiepflegepersonal betroffen. Die Strahlengefahr beschränke sich nicht mehr auf die Radium- und Röntgenstationen. Es stehe daher auch den Anästhesieschwestern und -pflegern bis 31. 12. 2007 eine Strahlengefahrenzulage nach Punkt 4 NGO zu. Für diese Auslegung spreche auch der Umstand, dass die Beklagte selbst nicht nur den in Punkt 4 NGO ausdrücklich genannten Abteilungen eine Strahlengefahrenzulage gewähre. Die übrigen gewährten Zulagen (2690; 3010) decken nicht die Strahlengefahr, sondern andere Risiken ab.
Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagestattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Das gegenständliche Feststellungsbegehren bezieht sich auf die Zeit bis zum 31. 12. 2007, in der die Beklagte das Krankenhaus W***** betrieb. Dabei ist unstrittig, dass die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Beklagten stehenden, im Krankenhaus W***** beschäftigten Anästhesieschwestern und -pfleger dem NÖ Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz 1976 (GVBG) unterlagen. Gemäß § 7 Abs 1 NÖ GVBG gebühren den Vertragsbediensteten Monatsbezüge. Der Monatsbezug besteht gemäß § 7 Abs 2 NÖ GVBG aus dem Monatsentgelt und allfälligen Zulagen. Gemäß § 20 Abs 1 NÖ GVBG gelten für die Nebengebühren und die Personalzulage die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen für die Gemeindebeamten sinngemäß. Gemäß § 21 NÖ GVBG haben die Vertragsbediensteten an Gemeindekrankenanstalten Anspruch auf Zulagen im selben Ausmaß wie sie den Gemeindebeamten an Gemeindekrankenanstalten gebühren. Sonderzulagen zählen gemäß § 42 Abs 1 lit e NÖ Gemeindebeamtendienstordnung 1976 (GBDO) zu den Nebengebühren. Gemäß § 47 Abs 1 NÖ GBDO werden Sonderzulagen unter anderem als Schmutz-, Erschwernis- oder Gefahrenzulagen und ähnliche Zulagen zuerkannt. Nach § 47 Abs 2 NÖ GBDO werden die Sonderzulagen vom Gemeinderat nach gleichen Grundsätzen allgemein oder im Einzelfall gewährt.
Am 26. 2. 1998 beschloss der Gemeinderat der Beklagten, gestützt auf die beiden vorstehend genannten niederösterreichischen Landesgesetze, die Nebengebührenordnung der Stadt W***** (NGO). Diese ist gemäß ihrem § 1 auf alle aktiven Gemeindebeamten und alle Bediensteten, die in einem Dienstverhältnis zur Beklagten, unabhängig nach welcher Vorschrift (abgesehen von einigen hier nicht relevanten Ausnahmen) stehen, anzuwenden. Im II. Abschnitt Punkt 4 NGO sind verschiedene Nebengebühren für das Pflegepersonal aufgelistet, unter anderem auch die hier strittige „Strahlengefahrenzulage“. Die Regelung bezüglich dieser Zulage lautet wie folgt (Beil./3): „Dem auf Radium- und Röntgenstationen, der Abteilung für Radioonkologie-Strahlentherapie, … betrauten Pflegepersonal ist eine Strahlengefahrenzulage … zu gewähren: Diese Gefahrenzulage beträgt für Bedienstete, die mehr als die Hälfte ihrer persönlichen monatlichen Normalarbeitszeit im Gefahrenbereich tätig sind, 100,41 Euro/Monat, Lohnart 2700. Diese Gefahrenzulage beträgt für Bedienstete, die mindestens ein Drittel ihrer persönlichen monatlichen Normalarbeitszeit im Gefahrenbereich tätig sind, 50,18 Euro/Monat, Lohnart 2710. Diese Gefahrenzulage beträgt für Bedienstete, die weniger als ein Drittel ihrer persönlichen monatlichen Normalarbeitszeit im Gefahrenbereich tätig sind, 33,38 Euro/Monat, Lohnart 2720.“ (Bei der Wiedergabe des Texts der Regelung wurden zwecks besserer Übersichtlichkeit jene Teile weggelassen, die die in der Bestimmung ebenfalls mitgeregelte, zwischen den Parteien aber nicht strittige Prosekturzulage für das Prosekturpersonal betreffen.)
Nach den getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass die in der NGO vorgesehene Strahlengefahrenzulage den Zweck verfolgt, das spezielle Risiko für die im Pflegedienst tätigen Mitarbeiter, die einer erhöhten Strahlenbelastung ausgesetzt sind, finanziell auszugleichen. Das durchgeführte Verfahren ergab nun, dass sich die tatsächlichen Umstände in Bezug auf die Strahlenbelastung im Krankenhaus der Beklagten in den Jahren nach der Erlassung der NGO bedeutend geändert haben. Durch die Erhöhung der Zahl der Operationen und die gestiegenen qualitativen Anforderungen an die begleitende Kontrolle der Operationen stieg die Strahlenbelastung in den Operationssälen deutlich an. Die Beklagte trug diesem Umstand von sich aus dadurch Rechnung, dass sie die Gewährung der Strahlengefahrenzulage nicht mehr auf jene Mitarbeiter beschränkte, die in der NGO ausdrücklich als Empfänger der Strahlengefahrenzulage vorgesehen waren (Pflegepersonal auf Radium- und Röntgenstationen sowie der Abteilung für Radioonkologie-Strahlentherapie). Sie gewährte nämlich die Strahlengefahrenzulage auch den Krankenschwestern und -pflegern im Bereich der Chirurgie-OP, Unfall-OP, Urologie-OP, Orthopädie-OP und Neurochirurgie-OP, und zwar kumulativ zu anderen Erschwernis- und Gefahrenzulagen. Nicht gewährt wurde die Strahlengefahrenzulage hingegen den Anästhesieschwestern und -pflegern, obwohl auch diese der gleichen Strahlenbelastung ausgesetzt waren.
Die Beklagte vollzog nun bezüglich der Begründung der Nichtgewährung dieser Zulage einen Argumentationswechsel. Während sie außergerichtlich noch darauf verwies, dass die Strahlenbelastung beim Anästhesiepflegepersonal geringer gewesen sei als bei jenen Personen, die diese Zulage erhalten haben, zog sie sich im vorliegenden Verfahren, in dem ihr Einwand bezüglich der geringeren Strahlenbelastung durch entsprechende Messungen und Auswertungen widerlegt wurde, auf den Standpunkt zurück, dass die Anästhesieschwestern und -pfleger in Punkt 4 NGO nicht als Empfänger der Strahlengefahrenzulage genannt werden. Damit stand also die Auslegung der Nebengebührenordnung der Beklagten (NGO) von Anfang an im Mittelpunkt dieses Verfahrens, womit dem ersten Einwand der Revisionswerberin, es handle sich bei der Berufungsentscheidung, deren Auslegungsergebnis sie kritisiert, um eine „absolute Überraschungsentscheidung“, die Grundlage entzogen ist.
Dass es sich bei der Nebengebührenordnung der Beklagten um eine Verordnung handelt, die wie ein Gesetz dem Auslegungsregime der §§ 6, 7 ABGB unterliegt (vgl RIS-Justiz RS0008777 ua), ist hier nicht weiter strittig (vgl RIS-Justiz RS0114997 ua). § 6 ABGB bestimmt, dass einem Gesetz in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden darf, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet. Nach ständiger Rechtsprechung kommt der Wortinterpretation bei der Auslegung große Bedeutung zu; die Gesetzesauslegung darf aber nicht bei dieser stehen bleiben (RIS-Justiz RS0008788 ua). Das Problem liegt hier in tatsächlichen Änderungen im Normbereich, die zur Zeit der Entstehung der Norm vom Gemeinderat der Beklagten noch nicht bedacht werden konnten. Diese sind nach der Rechtsprechung nach dem historischen und noch immer aktuellen Normzweck zu beurteilen (RIS-Justiz RS0112422 ua). Maßgebliches Kriterium für den Anspruch auf die Strahlengefahrenzulage nach Punkt 4 NGO ist, dass ein Bediensteter im Gefahrenbereich durch Strahlen tätig ist, wie dies bei Erlassung der NGO beim Pflegepersonal auf Radium- und Röntgenstationen und der Abteilung für Radioonkologie-Strahlentherapie typischerweise der Fall war. Anhaltspunkte dafür, dass der Gemeinderat der Beklagten im Strahlengefahrenbereich arbeitende Angehörige des Pflegepersonals von der Gewährung der Strahlengefahrenzulage ausschließen wollte, bestehen nicht. Die letzte Novellierung der Strahlengefahrenzulage nach Punkt 4 NGO liegt schon einige Zeit zurück und stammt aus dem Jahr 1998. Die zwischenzeitigen Änderungen im Tatsächlichen, die zu einer erhöhten Strahlenbelastung auch der Angehörigen des Anästhesiepflegepersonals geführt haben, haben sich nach den Feststellungen durch allmähliche quantitative und qualitative Änderungen der im Krankenhaus durchgeführten Operationen im Lauf der letzten zehn Jahre (vor dem 31. 12. 2007) ergeben. Erste Gespräche der betroffenen Dienstnehmer mit der Pflegedirektion, in denen auf die erhöhte Strahlenbelastung des Anästhesiepflegepersonals hingewiesen wurde, fanden erst 2005 - 2006 statt. Danach wurden Messungen durchgeführt und Auswertungen vorgenommen. Auf der Grundlage dieses Sachverhalts kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass dem Gemeinderat der Beklagten die systemwidrige Nichtberücksichtigung eines Teils des Personals seit langem bekannt gewesen und von Anfang an eine „geplante“ Unvollständigkeit der Regelung vorgelegen sei.
Auf Seite der Beklagten als Krankenhausträger (bis 31. 12. 2007) erkannte man offensichtlich im Lauf der Zeit die durch die Änderungen im Tatsächlichen bewirkte Lückenhaftigkeit der Regelung des Kreises der Anspruchsberechtigten der Strahlengefahrenzulage. Die Beklagte schritt daraufhin im kurzen Weg zur „Lückenschließung“, indem man die Strahlengefahrenzulage nicht nur dem Pflegepersonal auf Radium- und Röntgenstationen und der Abteilung für Radioonkologie-Strahlentherapie, sondern auch den Krankenschwestern und -pflegern im Bereich der Chirurgie-OP, Unfall-OP, Urologie-OP, Orthopädie-OP und Neurochirurgie-OP gewährte. Nach den Ergebnissen des Verfahrens sind aber auch die Anästhesieschwestern und -pfleger, die der gleichen Strahlenbelastung ausgesetzt sind, in die Lückenschließung einzubeziehen, bestimmt doch § 7 ABGB, dass auf ähnliche, in den Gesetzen bestimmt entschiedene Fälle und auf die Gründe anderer damit verwandten Gesetze Rücksicht genommen werden muss, wenn sich ein Rechtsfall weder aus den Worten, noch aus dem natürlichen Sinn eines Gesetzes entscheiden lässt. Eine planwidrige Lücke ist mit Hilfe der Gesetzesanalogie, der Rechtsanalogie oder durch Heranziehung der natürlichen Rechtsgrundsätze zu schließen. Bei der Gesetzesanalogie wird die für einen bestimmten Einzeltatbestand angeordnete Rechtsfolge auf einen dem Wortlaut nach nicht geregelten Sachverhalt erstreckt, weil nach der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertung anzunehmen ist, dass der geregelte und der ungeregelte Fall in den maßgeblichen Voraussetzungen (in den den Tatbestand motivierenden Merkmalen) übereinstimmen. Die Abweichungen werden als unerheblich gewertet (RIS-Justiz RS0008845 ua). Damit ist auch dem zweiten Einwand der Revisionswerberin die Grundlage entzogen. Es ist natürlich richtig, dass es nicht Sache der Rechtsprechung ist, unbefriedigende Gesetzesbestimmungen zu ändern (vgl RIS-Justiz RS0008880 ua). Darum geht es jedoch nicht, wenn eine Regelung wie im vorliegenden Fall, gemessen an ihrer eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig und daher ergänzungsbedürftig ist (vgl RIS-Justiz RS0008866 ua). In diesem Fall sind die Gerichte gemäß § 7 ABGB zur Lückenschließung verpflichtet, um einen massiven Wertungswiderspruch zu vermeiden (vgl P. Bydlinski in KBB³ § 7 Rz 2 mwN ua).
Aus der in der Revision geltend gemachten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 10 ObS 236/99z ist für den Standpunkt der Beklagten nichts zu gewinnen. In dieser Entscheidung wurde nämlich das Vorliegen einer Lücke im Sinn einer planwidrigen Unvollständigkeit (in Bezug auf das dort anzuwendende B-KUVG) ausdrücklich verneint. Ähnliche Erwägungen können auch für die ebenfalls in der Revision genannte Entscheidung 3 Ob 17/94 gelten. Auch daraus ergibt sich nichts für den Standpunkt der Beklagten. Der weitere Einwand, dass die Beklagte nach dem 31. 12. 2007 zufolge Übergangs des Krankenhauses auf das Land Niederösterreich „überhaupt nicht mehr in der Lage wäre, irgendwelche Anpassungen vorzunehmen“, begründet ebenfalls keine andere rechtliche Beurteilung. Es geht hier nur um Zeit bis zum 31. 12. 2007. Der weitere Einwand der Revisionswerberin, dass der Wille des Gesetzgebers im bisherigen Verfahren „überhaupt nicht berücksichtigt“ worden sei, geht ebenfalls ins Leere, zog sich doch die Beklagte in erster Instanz auf den Wortlaut der Regelung der Strahlengefahrenzulage in der NGO zurück. Der Zweck der Regelung ist nicht weiter strittig. Für einen davon abweichenden Willen des Gemeinderats der Beklagten ergaben sich keine Anhaltspunkte. „Subsidiäre Verfahrensmängel“ liegen insoweit nicht vor. Überlegungen der Revisionswerberin zur Vermeidung der Strahlenbelastung sind im Hinblick auf die bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen zur tatsächlichen Strahlenbelastung des Anästhesiepflegepersonals nicht zielführend. Zuletzt missversteht die Revisionswerberin noch die Ausführungen des Berufungsgerichts auf Seite 20, zweiter Absatz, der Berufungsentscheidung („..., dass die Beklagte selbst nicht auf den ...“). Das Berufungsgericht verneinte darin nicht die Gewährung der Zulage an das in Punkt 4 NGO genannte Personal, sondern verwies zusätzlich auf den Umstand, dass die Beklagte die Zulage auch bereits an Personal gewährte, das nicht auf den in Punkt 4 NGO genannten Abteilungen tätig war.
Zusammenfassend erweist sich die Revision der Beklagten als unbegründet, weshalb ihr ein Erfolg zu versagen ist.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 2 ZPO.
Schlagworte
11 Arbeitsrechtssachen,Textnummer
E97888European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:009OBA00053.11A.0628.000Im RIS seit
09.08.2011Zuletzt aktualisiert am
23.02.2012