Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Helwig Aubauer und Peter Schleinbach als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Prof. Dr. H***** F*****, vertreten durch Dr. Marcus Zimmerbauer, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Stadt L*****, vertreten durch Hawel Eypeltauer Gigleitner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 35.000 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. April 2011, GZ 11 Ra 20/11g-14, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. November 2010, GZ 7 Cga 70/10i-10, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger war vom 1. 6. 2004 bis 31. 7. 2009 im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten beschäftigt. Die vereinbarte Wochenarbeitszeit betrug 25 Stunden. Das Arbeitsverhältnis wurde begründet, nachdem der Kläger einen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfearbeit gestellt hatte. Zuvor gab die zuständige Abteilungsleiterin dem Kläger die Höhe des Entgelts bekannt, wobei sie auf die oberösterreichische Sozialhilfeverordnung (oö SHVO) Bezug nahm. Über die Rechtsgrundlage des Beschäftigungsvertrags wurde nicht gesprochen. Der Vertrag wurde vorerst auf 5 Jahre befristet und in der Folge bis zum Pensionsantritt des Klägers verlängert. Seit 17. 8. 2009 bezieht der Kläger Alterspension.
Der Kläger begehrte vorerst 35.000 EUR inklusive Dienstnehmerbeiträge, jedoch exklusive Dienstgeberbeiträge. Da ihm die Beklagte über seinen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfearbeit diese soziale Hilfe gemäß § 14 Abs 1 des oberösterreichischen Sozialhilfegesetzes (oö SHG) gewährt habe, stelle diese Vorschrift auch die Rechtsgrundlage für seine Beschäftigung dar. Während des klagsgegenständlichen Zeitraums habe er auf Weisung seiner Vorgesetzten ausschließlich wissenschaftliche Arbeiten verrichtet. Die Grundlage für die Berechnung seines Anspruchs auf angemessene Entlohnung stelle die FL11 der Einreihungsverordnung der Beklagten dar. Daraus ergebe sich ein höherer Entlohnungsanspruch als jener Betrag, den er tatsächlich ausgezahlt erhalten habe.
Die Beklagte entgegnete, dass das oö SHG auf das Beschäftigungsverhältnis des Klägers nicht anzuwenden sei, weil er keinen Anspruch auf Sozialhilfe gehabt habe. Die „Sozialhilfearbeit“ sei lediglich aus sozialen Gründen gewährt worden. Mit dem Kläger sei daher ein Arbeitsverhältnis nach dem ABGB mit einem konkret vereinbarten Bruttogehalt abgeschlossen worden. Durch die vorbehaltlose Entgegennahme des Entgelts sei zudem eine konkludente Vereinbarung in Höhe der ausgezahlten Beträge zustande gekommen. Außerdem seien die geltend gemachten Ansprüche bis einschließlich Dezember 2006 verjährt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Beim Kläger habe keine soziale Notlage iSd § 7 oö SHG bestanden, weshalb die Rechtsgrundlage seines Arbeitsverhältnisses nicht im oö SHG gefunden werden könne. Vielmehr sei dem Kläger eine konkrete Sonderbeschäftigung mit ausdrücklich genannten Bedingungen angeboten worden, womit er einverstanden gewesen sei. § 14 oö SHG könne daher nicht als Rechtsgrundlage der Beschäftigung des Klägers herangezogen werden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und hob das Urteil des Erstgerichts auf. Der Kläger habe einen Antrag auf Gewährung von Sozialhilfearbeit gestellt, dem die Beklagte dadurch stattgegeben habe, dass sie mit ihm ein zunächst befristetes Arbeitsverhältnis als Sozialhilfearbeiter mit einem Beschäftigungsausmaß von 25 Wochenstunden abgeschlossen habe. Dadurch hätten die Parteien erkennbar die Anwendbarkeit des oö SHG zugrunde gelegt. Für dieses Arbeitsverhältnis bestehe in § 14 Abs 4 oö SHG eine unabdingbare Entgeltbestimmung, weshalb die Beklagte - mangels zwingender Vorschriften iSd § 14 Abs 4 oö SHG - dem Kläger das für vergleichbare Tätigkeiten gebührende Mindestentgelt zu bezahlen habe. Dazu würden jedoch die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen fehlen. Zudem habe sich das Erstgericht mit dem Einwand der Verjährung zu beschäftigen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil die Frage, zu welchen Bedingungen ein Arbeitsverhältnis nach einem Sozialhilfegesetz wirksam geschlossen werden könne, über den Einzelfall hinausgehe.
Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten, mit dem sie die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts anstrebt.
Der Kläger beantragt mit seiner Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, weil zu einem Arbeitsverhältnis iSd § 14 Abs 4 oö SHG keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht. Der Rekurs ist aber nicht berechtigt.
1. Die vom Berufungsgericht als erheblich beurteilte Rechtsfrage bezieht sich auf den zwingenden Charakter der Entgeltvorschrift in § 14 Abs 4 oö SHG. Zu dieser Frage wird der Rekurs nicht ausgeführt. Im gegebenen Zusammenhang steht die Beklagte nur auf dem Standpunkt, dass es grob unbillig wäre, wenn der Kläger aufgrund ausdrücklicher Nennung der Entgeltbedingungen anlässlich der Begründung des Arbeitsverhältnisses nunmehr ein wesentlich höheres Entgelt lukrieren könnte, zumal er die Höhe der Entlohnung auch nie thematisiert habe.
Der vom Berufungsgericht angenommene unabdingbare Charakter der Entgeltbestimmung des § 14 Abs 4 oö SHG ist auch nicht zu beanstanden. Grundsätzlich können Entgeltvereinbarungen im gesetzlichen Rahmen zwar bis hin zur Grenze der Sittenwidrigkeit wirksam getroffen werden. Allerdings bezwecken lohngestaltende Vorschriften, die sich auf ein Mindestentgelt beziehen, in der Regel die Sicherung der Existenzgrundlage (vgl RIS-Justiz RS0021340; RS0016668). Die zu beurteilende landesgesetzliche Regelung über das Mindestentgelt für vergleichbare Tätigkeiten ist als verpflichtende Rechtsfolgenanordnung formuliert. Aus diesem Grund und mit Rücksicht auf die dargelegte Zweckbestimmung kann der Entgeltvorschrift durchaus zwingender Charakter beigemessen werden.
Im gegebenen Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis iSd § 14 Abs 4 oö SHG auch als Arbeitsvertrag iSd § 1151 ABGB, der unter anderem ein wirtschaftliches Eigeninteresse des Arbeitgebers an der Beschäftigung erfordert, zu qualifizieren ist (vgl dazu 9 ObA 105/09w), im vorliegenden Fall nicht entscheidend ist, weil die landesgesetzliche Bestimmung eine gesonderte Entgeltbestimmung enthält. Danach ist dann, wenn keine zwingenden Entgeltvorschriften bestehen, das für vergleichbare Tätigkeiten gebührende Mindestentgelt zu bezahlen. Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass eine zwingende Entgeltvorschrift, etwa in Form eines Kollektivvertrags, nicht besteht. Für den Anspruch des Klägers auf das Mindestentgelt für vergleichbare Tätigkeiten ist hier daher nur von Bedeutung, ob ein Arbeitsverhältnis iSd § 14 Abs 4 oö SHG vorliegt.
2.1 In Wirklichkeit bekämpft die Beklagte auch nur die Ansicht des Berufungsgerichts, dass es sich beim Arbeitsverhältnis des Klägers um ein solches im Rahmen des oö SHG handle. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts ist jedoch nicht zu beanstanden.
Richtig ist, dass Sozialhilfearbeit (soziale Hilfe zur Arbeit) mit der Gewährung der Sozialhilfe im Zusammenhang steht. Es mag sein, dass unter normalen Voraussetzungen eine solche Arbeit nur bei Vorliegen der Voraussetzungen nach §§ 6 f oö SHG gewährt wird. Beim Kläger bestand jedoch eine besondere Situation, weil seine Beschäftigung unstrittig auf politische Unterstützung zurückzuführen war. Der Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe gegeben waren, kommt daher keine Bedeutung zu. Der im Rekurs geltend gemachte sekundäre Feststellungsmangel liegt somit nicht vor.
2.2 Nach § 14 Abs 4 oö SHG hat Sozialhilfearbeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses stattzufinden. Auf soziale Hilfe in Form der Hilfe zur Arbeit besteht kein Rechtsanspruch. Auch diese Leistung muss jedoch vom Hilfesuchenden beantragt werden.
Die zuständige Abteilungsleiterin hat gegenüber dem Kläger unmissverständlich dargelegt, dass er grundsätzlich nicht in das Schema der über ihre Abteilung beschäftigten Personen passt. Dennoch wurde das Arbeitsverhältnis nach den gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine Beschäftigung auf der Grundlage des oö SHG gestaltet. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten aufgrund eines Antrags des Klägers auf Gewährung von Sozialhilfearbeit begründet wurde. Beim Begriff „Sozialhilfearbeit“ handelt es sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - keineswegs nur um einen wertneutralen Begriff. Vielmehr nimmt er auf das gesetzliche Instrumentarium zur Aufnahme einer Beschäftigung nach dem oö SHG Bezug. Zudem wurde das Arbeitsverhältnis - wie bei einer „echten Sozialhilfearbeit“ - zunächst auf fünf Jahre befristet. Nur über Intervention konnte der Kläger die Zusage der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses letztlich bis zu seinem Pensionsantritt erreichen. Auch das zeitliche Arbeitsausmaß der Beschäftigung wurde entsprechend der Vorgangsweise bei Gewährung der Sozialhilfearbeit mit 25 Stunden pro Woche festgelegt.
Es besteht auch kein Zweifel daran, dass der Kläger deshalb beschäftigt wurde, weil es für ihn aufgrund seines Alters und Beschäftigungsverlaufs schwer gewesen wäre, am Arbeitsmarkt eine weitere Tätigkeit zu finden. Selbst die Abteilungsleiterin sah das Beschäftigungsverhältnis des Klägers keineswegs als solches „außerhalb des oö SHG“ an, sondern ging vielmehr davon aus, seinen Entgeltanspruch individuell festlegen und das in § 14 Abs 4 oö SHG vorgesehene (Mindest-)Entgelt für eine vergleichbare Arbeit abbedingen zu können.
3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht mit dieser Beurteilung im Einklang. Seine Ansicht, dass die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Sozialhilfearbeit durch den Abschluss eines auch die formellen Voraussetzungen des § 14 Abs 3 oö SHG erfüllenden Arbeitsvertrags bewilligt habe, ist nicht zu beanstanden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde somit auf der Grundlage des oö SHG begründet.
Ist die dem Aufhebungsbeschluss zu Grunde liegende Rechtsansicht nicht zu beanstanden oder wird sie vom Rekurswerber nicht bekämpft, so kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob sich die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des Verfahrens oder der Feststellungen tatsächlich als notwendig erweist (RIS-Justiz RS0042179; Kodek in Rechberger3 § 519 ZPO Rz 26). Dem vom Berufungsgericht beurteilten Erhebungsbedarf tritt die Beklagte in ihrem Rekurs auch gar nicht entgegen.
4. Zusammenfassend ergibt sich:
Nach § 14 Abs 4 oö SHG hat Sozialhilfearbeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses stattzufinden. Wird ein Arbeitsverhältnis aufgrund eines Antrags auf Gewährung von Sozialhilfearbeit begründet und wird dieses nach den gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Sozialhilfearbeit gestaltet, so findet dieses in § 14 oö SHG seine Rechtsgrundlage.
Der angefochtene Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts ist damit insgesamt nicht zu beanstanden.
Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 50, 52 ZPO.
Schlagworte
ArbeitsrechtTextnummer
E97899European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:008OBA00041.11D.0629.000Im RIS seit
11.08.2011Zuletzt aktualisiert am
18.02.2013