TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/22 2000/20/0229

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Veröffentlicht am 22.02.2001
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des J in Wien, geboren am 12. September 1960, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen den am 2. Mai 2000 verkündeten und am 16. Mai 2000 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 215.494/10-II/04/00, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 7 AsylG und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund den Aufwand von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger Indiens, reiste am 30. Juni 1999 über Ungarn in das Bundesgebiet ein und stellte am 2. Juli 1999 einen Asylantrag, zu dem er bei seiner Befragung durch das Bundesasylamt am 17. November 1999 Folgendes angab:

"In meinem Heimatort Karnal ca. 20 km vom Stadtzentrum entfernt betrieb ich seit Jahren nebenbei eine Landwirtschaft. Im Dezember 1998 kamen ca. 7 Männer, die mir unbekannt waren, und verlangten Verpflegung und Unterkunft. Diese Männer sagten mir, dass sie Terroristen seien und waren diese auch bewaffnet. Über ihre Organisation und Motivation haben die Männer nichts erzählt.

Ich selbst war nie politisch tätig oder Mitglied einer politischen Organisation. Ich wurde von den Männern bedroht, dass ich umgebracht werde, sollte ich der Polizei vom Besuch der Männer erzählen.

Die Männer haben am nächsten Morgen meine Landwirtschaft verlassen. Zwei Tage danach kamen mehrere Polizisten zu meiner Landwirtschaft und nahmen mich fest. Ich wurde zur Polizeistation Indri gebracht. Dort hielten mir die Polizisten vor, dass Terroristen bei mir waren. Ich bestätigte dies. Daraufhin wollten sie wissen um wen es sich bei den Männern gehandelt hatte und wo die Männer sich nun aufhielten. Da ich dies nicht wusste, wurde ich mit einem Stock auf die Beine und Arme geschlagen. Am Abend des selben Tages wurde ich wieder freigelassen.

Strafrechtliche Vorwürfe wurden keine gegen mich erhoben und wurde auch keine Anzeige gegen mich erstattet.

Im Februar 1999 kamen wieder fünf der Männer die beim ersten Mal bei mir waren zu meiner Landwirtschaft und hielten mir vor, ich hätte der Polizei einen Hinweis auf sie gegeben und sei einer von ihnen von der Polizei erschossen worden. Ich fürchtete um mein Leben, aber nachdem ich ihnen Essen gegeben hatte verließen sie mein Haus.

Am nächsten Tag kam die Polizei wieder zu meiner Landwirtschaft und nahm mich fest. Ich wurde auf die Polizeistation Indri gebracht. Mir (wurde) wiederum vorgehalten, die Männer zu kennen. Ich war zwei Tage lang in Haft. Durch Intervention des Bürgermeisters, meines Vater und einiger Dorfbewohner wurde ich aus der Haft entlassen. Strafrechtliche Vorwürfe gegen mich wurden keine erhoben und wurde ich auch nicht angezeigt.

Am 16. Mai 1999 war ich auf dem Feld als plötzlich auf mich geschossen wurde. Ich war alleine. Die Schützen befanden sich ca. 50 m entfernt, auf der anderen Seite des Baches. Ich kann mich erinnern, dass zwei Männer mit Gewehren auf mich geschossen haben. Bei den Männern handelte es sich um zwei der Terroristen, die bei mir gewesen waren. Ich wurde aber nicht getroffen und konnte davonlaufen. Ich begab mich dann in Begleitung einiger Dorfbewohner zur Polizei und erstattete eine Anzeige. Die Anzeige wurde entgegengenommen. Ich hatte aber Angst vor einem weiteren Anschlag und hielt mich im Anschluss danach bis zu meiner Ausreise versteckt."

Der Beschwerdeführer brachte vor, er befürchte im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland von den Terroristen erschossen zu werden. Der Frage, warum er nicht einfach in eine andere Stadt gezogen sei, hielt der Beschwerdeführer entgegen, dass ihn die Terroristen durch Zufall vielleicht auch in einer anderen Stadt gefunden hätten.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. Februar 2000 wurde der Asylantrag unter Zugrundelegung der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers mit der Begründung abgewiesen, bei den behaupteten Fluchtgründen handle es sich um eine Bedrohung durch Private. Es sei davon auszugehen, dass die staatlichen Behörden Indiens in der Lage und gewillt seien, dem Beschwerdeführer Schutz zu gewähren. Weil der Beschwerdeführer auch nicht vorgebracht habe, dass der Staat diese Maßnahmen billige, könne auch von einer Bedrohungssituation im Sinne des § 57 FrG nicht ausgegangen werden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er seine vor dem Bundesasylamt deponierten Angaben wiederholte, die allgemein nicht zufrieden stellende menschenrechtliche Lage in Indien hervorhob und eine nicht näher erläuterte "Ergänzung des Ermittlungsverfahrens" beantragte.

Nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 4. April und am 2. Mai 2000 wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung gemäß §§ 7 und 8 AsylG mit der Begründung ab, dass das unter Beiziehung eines "Sachverständigen für die aktuelle politische Lage in Indien" durchgeführte Ermittlungsverfahren keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen irgendeiner der geltend gemachten Gefahren erbracht habe. Personen, für die nur ein lockerer Kontakt zu militanten Gruppierungen angenommen werde - z.B. Menschen, die Terroristen Unterkunft gewährt hätten, wie eben der Beschwerdeführer - würden von staatlichen Behörden überhaupt nicht mehr verfolgt. In einer Fallkonstellation wie der gegenständlichen hätten sich keine Belege dafür finden lassen, dass Khalistan-Aktivisten jemanden wie den Beschwerdeführer in anderen Teilen Indiens außerhalb seiner Heimatgegend, der Operationsbasis dieser Aktivisten, versuchen würden zu finden. Damit sei aber die geltend gemachte Verfolgung durch staatliche Behörden in keinem Teil Indiens, jene durch Khalistan-Aktivisten aber jedenfalls nicht hinsichtlich sämtlicher Teile Indiens genügend glaubhaft im Sinne des § 7 AsylG. Dies decke sich im Ergebnis sogar mit der ursprünglichen Einschätzung des Beschwerdeführers, der vor dem Bundesasylamt angegeben hatte, dass ihn im Falle eines Umzuges in eine andere Stadt "die Terroristen vielleicht auch ... (dort) durch Zufall" gefunden hätten. Anhaltspunkte dafür, dass eine Verlegung des Aufenthalts des Beschwerdeführers aus seinem Heimatstaat in einen anderen Teil Indiens für diesen eine existentielle Notlage zur Folge haben würde, seien im Verfahren nicht hervorgekommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt der Beschwerdeführer, dass "die in der Berufungsschrift festgehaltenen Verfahrensrügen" unbeachtet geblieben seien und vorgebrachte Beweisanträge mit der Begründung als unerheblich bezeichnet worden seien, "dass sie durch das eingeholte Gutachten ohnedies bereits widerlegt wären". Gerade die Frage nach dem Ausmaß der staatlichen Schutzgewährung gegenüber den Terroristen sei vom Sachverständigen nicht beantwortet worden.

Dazu ist zunächst auf die Feststellungen des angefochtenen Bescheides zu verweisen, wonach in einer Fallkonstellation wie der des Beschwerdeführers Khalistan-Aktivisten nicht versuchen würden, "jemanden wie den Berufungswerber in anderen Teilen Indiens als seiner Heimatgegend (der Operationsbasis dieser Aktivisten)" zu finden. Eine Verfolgung durch Khalistan-Aktivisten sei jedenfalls nicht hinsichtlich sämtlicher Teile Indiens genügend glaubhaft. Diese Feststellungen stützen sich auf die vom Beschwerdeführer geschilderten Umstände seiner Bedrohung durch Terroristen sowie auf das Sachverständigengutachten, wonach zwar prinzipiell denkbar sei, dass Khalistan-Aktivisten gesuchte Zivilisten auch in anderen Teilen Indiens finden könnten, dass jedoch Entführungsfälle nur im Zusammenhang mit Lösegeldforderungen an reiche Geschäftsleute bekannt geworden seien. Die vom Beschwerdeführer vermissten Erhebungen darüber, inwieweit die staatlichen Behörden ihm in anderen Teilen Indiens vor Terroristen Schutz gewähren könnten, sind daher nicht relevant.

Die darüber hinaus vorgebrachten "Verfahrensrügen" betreffend "in der Berufungsschrift aufgeworfener Probleme" und angeblich offen gebliebener Beweisanträge werden nicht erläutert und sind daher der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof entzogen.

     Eine "besonders gravierende" Verletzung von

Verfahrensvorschriften erblickt die Beschwerde darin, dass die

belangte Behörde auf Gutachten, Bescheide und Beweisergebnisse

anderer Verfahren verwiesen habe, ohne jedoch diese Gutachten oder

Bescheide zu verlesen. Der von der belangten Behörde beigezogene

Sachverständige hätte von einem "South Asia Human Rights

Documentation Center" weitere Auskünfte einholen können. Die

belangte Behörde hätte "schlechtestenfalls ... zu dem Ergebnis

gelangen müssen, dass der Sachverständige keine Grundlagen

vorlegen konnte, an Hand deren die von mir behauptete

Verfolgungsgefahr für Gesamtindien widerlegt worden ... (sei,)

weshalb in weiterer Folge bei richtiger rechtlicher Beurteilung meinem Asylantrag auch hätte Folge gegeben werden müssen."

Dem Beschwerdeführer ist entgegenzuhalten, dass nicht jede Verfahrensverletzung zur Aufhebung eines damit belasteten Bescheides führt. Dazu kommt es nur dann, wenn die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ist die Relevanz eines solchen Verfahrensfehlers nicht offenkundig, so ist sie in der Beschwerde konkret darzulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1999, Zl. 98/20/0579). Der Beschwerdeführer rügt zwar die Verweisung auf Gutachten, Bescheide und Beweisergebnisse aus anderen, nicht verbundenen Verfahren, gibt aber nicht an, auf welche Weise die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, wenn sie die genannten Urkunden in der mündlichen Verhandlung verlesen hätte. Gemeint scheinen im Übrigen auch nicht vorrangig die Ausführungen der belangten Behörde, sondern die des Sachverständigen in der im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Verhandlungsschrift zu sein.

Die belangte Behörde hat den beigezogenen Sachverständigen mit der genaueren Prüfung der aktuellen Wahrscheinlichkeit der vom Beschwerdeführer geschilderten terroristischen Vorgehensweisen sowie damit betraut, den "Grad der Wahrscheinlichkeit" der Verfolgung von Zivilisten durch Terroristen und das Ausmaß staatlicher Schutzgewährung gegenüber den Aktivitäten von Terroristen zu ermitteln. Der Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis, dass Aktivitäten, wie sie vom Beschwerdeführer geschildert wurden, denkbar seien. Prinzipiell sei es auch denkbar, dass Khalistan-Aktivisten über die logistischen Fähigkeiten verfügten, von ihnen gesuchte Zivilisten auch in anderen Teilen Indiens zu finden. In keinem der - vom Sachverständigen im Einzelnen zitierten - vorliegenden Dokumente bzw. in keiner Information würden aber solche Fälle erwähnt. Entführungsfälle durch Khalistan-Aktivisten seien nur im Zusammenhang mit Lösegeldforderungen von reichen Geschäftsleuten erwähnt worden.

Der Beschwerdeführer ist dieser Stellungnahme des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2000 nur mit der Vermutung entgegengetreten, er glaube nach wie vor, dass ihn die Khalistan-Aktivisten wegen ihres Verdachtes, er hätte mit der Polizei zusammengearbeitet, in Indien verfolgen würden. Der Aufforderung der belangten Behörde, konkret jene Gründe bzw. Bescheinigungsmittel anzugeben, die seine subjektive Meinung glaubhafter erscheinen lassen könnten als die Darlegung des Sachverständigen, vermochte der Beschwerdeführer nicht zu entsprechen. Er verwies lediglich darauf, sich nach wie vor bedroht zu fühlen.

Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie das genannte Sachverständigengutachten als schlüssig und nachvollziehbar ihren Feststellungen zu Grunde legte, ist doch die Beweiswürdigung nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorgangs handelt bzw. darum, ob der Sachverhalt, der in diesem Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist. Die Schlüssigkeit der beweiswürdigenden Erwägungen unterliegt der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 262 ff zu § 45 AVG, wiedergegebene hg. Judikatur). Vor diesem Hintergrund vermag der Beschwerdeführer auch mit dem Einwand, Indien gelte als das Zukunftsland der EDV-Spezialisten, sodass er durch die weltweite Verfügbarkeit des Internets auch bis in den letzten Winkel Indiens verfolgbar sei, keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde aufzuzeigen. Dies gilt auch für die gerügte (negative) Feststellung fehlender Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer in einem anderen Teil Indiens in eine existentielle Notlage geraten könnte.

Von den getroffenen Feststellungen ausgehend, erweist sich auch die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde sowohl hinsichtlich der Abweisung des Asylantrages als auch hinsichtlich der Refoulement - Prüfung als nicht rechtswidrig.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Februar 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:2000200229.X00

Im RIS seit

24.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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