TE OGH 2011/7/6 3Ob107/11y

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Veröffentlicht am 06.07.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (15.250 EUR) und Urteilsveröffentlichung (2.750 EUR), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. März 2011, GZ 2 R 200/10m-12, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 24. Juni 2010, GZ 11 Cg 17/10b-8, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.119,24 EUR (darin 186,54 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der klagende Verein ist gemäß § 29 Abs 1 KSchG legitimiert, Unterlassungsansprüche nach § 28 KSchG geltend zu machen. Die beklagte Aktiengesellschaft betreibt das Bankgeschäft und ist bundesweit tätig. Sie tritt in ihrer geschäftlichen Tätigkeit laufend mit Verbrauchern in rechtsgeschäftlichen Kontakt und schließt mit diesen Verträge. Die Tätigkeit der Beklagten, insbesondere auch die Dienstleistungen, auf die sie die im Folgenden angeführte Vertragsklausel anwendet, unterliegt dem Zahlungsdienstegesetz (BGBl I 2009/66, ZaDiG).

Im August 2009 hat die beklagte Partei auf Kontoauszügen ihre Kunden (Verbraucher im Sinne des § 1 KSchG) davon verständigt, dass die Entgelte für Girokonten per 1. Oktober 2009 im Ausmaß der Erhöhung des Verbraucherpreisindex (VPI) im Jahr 2008 um 3,2 % erhöht werden. Die beklagte Partei berief sich dabei auf die in Z 45 Abs 2 ihrer AGB (Fassung 2009) enthaltene Indexklausel, die wie folgt lautet:

„Bei Rechtsgeschäften mit Verbrauchern wird das Kreditinstitut Entgelte für Dauerleistungen (ausgenommen Zinsen) einmal jährlich am 1. Juli, erstmals an jenem 1. Juli, der dem Abschluss des Vertrages folgt, in dem prozentuellen Ausmaß senken oder erhöhen, das der Veränderung des von der Statistik Austria veröffentlichten Verbraucherpreisindex 2000 (VPI) oder des an seine Stelle tretenden Index entspricht. Diese Veränderung wird gemessen am Durchschnitt der Indexzahlen für das vorletzte Kalenderjahr gegenüber dem Durchschnitt der Indexzahlen für das letzte Kalenderjahr. Sofern noch nie eine Anpassung erfolgt ist, ist als Ausgangsbasis der Durchschnitt der Indexzahlen für das vorletzte Kalenderjahr vor dem Vertragsabschluss maßgeblich. Das sich auf Grund der Senkung oder Erhöhung errechnete Jahresentgelt wird kaufmännisch gerundet auf zehn Cent.

Ist das Kreditinstitut zur Entgeltserhöhung berechtigt, führt diese aber nicht durch, geht dadurch das Recht zur Anpassung des Entgelts für die Zukunft nicht verloren. Unterlassene Entgeltserhöhungen können daher bei der Anpassung in den Folgejahren berücksichtigt werden. Das Kreditinstitut ist in diesem Fall berechtigt, bei der nächsten Anpassung des Entgeltes als Ausgangsbasis für die Anpassung des Entgeltes den Index-Durchschnittswert heranzuziehen, der bei der letzten tatsächlich erfolgten Anpassung mit der damaligen Ausgangsbasis verglichen worden ist; bei der erstmaligen Anpassung ist der Durchschnittswert für das vorletzte Kalenderjahr vor dem Vertragsabschluss als Ausgangsbasis maßgeblich.“

Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, stellte die klagende Partei - neben einem Urteilsveröffentlichungsbegehren - das Begehren, die beklagte Partei zu verpflichten, die Verwendung der genannten Klausel und sinngleicher Klauseln zu unterlassen und es weiters zu unterlassen, sich auf die genannte Klausel oder eine sinngleiche Klausel zu berufen, soweit diese unzulässigerweise vereinbart worden sind.

Die Klausel unter Z 45 Abs 2 der AGB verstoße gegen § 29 Abs 2 Satz 1 ZaDiG, wonach nur Änderungen der Wechselkurse und der Zinssätze aufgrund einer im Rahmenvertrag enthaltenen und den Vorgaben des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG entsprechenden Entgeltsänderungsklausel einseitig vorgenommen werden könnten. In allen übrigen Fällen einer Entgeltänderung müsse nach § 29 Abs 1 ZaDiG die ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des Zahlungsdienstnutzers eingeholt werden.

         Die beklagte Partei wandte ein, die in Z 45 Abs 2 der AGB vorgesehene Möglichkeit der Anpassung der Entgelte an den VPI stelle keine Änderung des Rahmenvertrags dar. Vielmehr werde nur das Entgelt entsprechend der bereits im Rahmenvertrag getroffenen Entgeltvereinbarung automatisch an den Verbraucherpreisindex angepasst, weshalb das in § 29 ZaDiG vorgeschriebene Procedere nicht einzuhalten sei. Im Übrigen bestehe auch im Anwendungsbereich des ZaDiG die Möglichkeit, Entgelte für Dauerleistungen nach § 6 Abs 1 Z 5 KSchG anzupassen, normiere doch § 29 Abs 3 Satz 2 ZaDiG selbst ausdrücklich, dass die zitierte Bestimmung unberührt bleibe. Dass § 29 Abs 2 ZaDiG Zinssätze und Wechselkurse ausnehme, lasse nicht den (Umkehr-)Schluss zu, dass die Änderung der sonstigen Entgelte in Entsprechung zu § 6 Abs 1 Z 5 KSchG unzulässig sei.

         Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Eine an den VPI anknüpfende Entgelterhöhung werde vom ZaDiG nicht untersagt, weshalb die Klausel Z 45 Abs 2 der AGB der Beklagten nicht gegen das ZaDiG verstoße.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es dem Unterlassungsbegehren (in dem im Revisionsverfahren noch relevanten Umfang) stattgab und die klagende Partei zur Urteilsveröffentlichung ermächtigte.

In der hier strittigen Frage, ob vom Ausnahmetatbestand des § 29 Abs 2 ZaDiG ausschließlich die Anpassung von Zinssätzen und Wechselkursen, oder ganz allgemein an den VPI geknüpfte Entgelterhöhungen erfasst seien, sei der schlüssigen und überzeugenden Argumentation Haghofers (Kundenschutz im neuen Zahlungsdienstegesetz, ecolex 2009, 747) zu folgen, wonach § 29 Abs 2 Satz 1 ZaDiG nur mehr einseitige Änderungen der Wechselkurse und der Zinssätze aufgrund einer im Rahmenvertrag enthaltenen und den Vorgaben des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG entsprechenden Entgeltänderungsklausel zulasse; in allen anderen Fällen einer Änderung der Entgelte müsse die in § 29 Abs 1 ZaDiG vorgesehene Vorgangsweise eingehalten werden, also insbesondere die (ausdrückliche oder stillschweigende) Zustimmung des Zahlungsdienstnutzers eingeholt werden. Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (RV 207 BlgNR 24. GP 36) würden zwar - ohne nähere Begründung - davon ausgehen, dass die gelebte Praxis einer vertraglichen Bindung von im Zusammenhang mit der Girokontoführung stehenden Entgelten an den Verbraucherpreisindex und deren jährliche automatische Erhöhung weiterhin zulässig bleibe, sofern die Vorgaben des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG eingehalten würden. Diese subjektive Absicht des Gesetzgebers finde allerdings im Wortlaut des Gesetzes keinen Niederschlag und stehe vor allem auch im Widerspruch zu den Vorgaben des Art 44 der Zahlungsdienste-Richtlinie. Aus dem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang des Gesetzes und der Richtlinie ergebe sich jeweils eindeutig, dass die in § 29 Abs 2 Satz 1 ZaDiG und in Art 44 Abs 2 Satz 1 der Richtlinie aufgezählten Fälle (Änderungen der Zinssätze und der Wechselkurse) Ausnahmen von dem in § 29 Abs 1 ZaDiG und Art 44 Abs 1 der Richtlinie geregelten Grundsatz seien. Demnach sei für alle im jeweiligen Abs 2 nicht angeführten Fälle der jeweilige Abs 1 maßgeblich. Für eine planwidrige Lücke des Art 44 Abs 2 der Richtlinie biete die Entstehungsgeschichte keine Anhaltspunkte.

         Da somit in Z 45 Abs 2 der AGB der beklagten Partei ein von § 29 Abs 1 ZaDiG abweichender Änderungsmodus für die Entgelte vereinbart werden solle, sei die Klausel nach § 26 Abs 6 ZaDiG unwirksam, weshalb das entsprechende Unterlassungsbegehren berechtigt sei. Im Hinblick auf ein schutzwürdiges Interesse der klagenden Partei an der Aufklärung des Publikums sei die begehrte Urteilsveröffentlichung angemessen.

         Die Revision sei zulässig, weil zur grundsätzlichen Frage, ob eine Indexklausel, wie sie in Z 45 Abs 2 der AGB der beklagten Partei enthalten sei, gegen § 29 Abs 1 ZaDiG verstoße, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag auf Abänderung im klagsabweisenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Angeregt wird ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof zur Auslegung des Art 44 der Zahlungsdienste-Richtlinie.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Im Vordergrund der Revisionsausführungen der beklagten Partei stehen drei Argumente:

- Die von der klagenden Partei beanstandete Klausel bewirke keine „Änderung des Rahmenvertrags“ im Sinne des § 29 Abs 1 ZaDiG. Eine solche Änderung läge nur vor, wenn der Zahlungsdienstleister dem Kunden bloß einseitig eine Änderung der Entgelte vorschlage, ohne zuvor eine Entgeltanpassungsklausel vereinbart zu haben. Wie auch § 24 VKrG zeige, seien vorweg geschlossene Anpassungsregeln vom Gesetzgeber anerkannt. Die Entgeltanpassungsklausel sei daher nur an § 6 Abs 1 Z 5 KSchG zu messen, wie sich auch aus den Gesetzesmaterialien ergebe.

- Art 44 Abs 2 der Zahlungsdienste-Richtlinie weise eine planwidrige Lücke auf; aus Z 2 lit d des Anhangs der Vertragsklausel-RL 93/13/EWG ergebe sich, dass die sachlich gerechtfertigte Anpassung von Entgelten anhand von Preisindices ohne Weiteres zulässig sei. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass Preisgleitklauseln auch nach Einführung des ZaDiG zulässig seien und habe daher bewusst von deren Normierung in § 29 Abs 2 ZaDiG Abstand genommen. Konsequenz der gegenteiligen Ansicht wäre, dass es regelmäßig zu Änderungskündigungen von unzähligen Verträgen kommen müsste, nur um das anfängliche Äquivalenzverhältnis aufrechterhalten zu können. Auch das VKrG sei ein Argument dafür, dass das ZaDiG eine planwidrige Lücke aufweise, zumal das VKrG Angaben zu Änderungen von Kontoentgelten verlange, was wiederum nur dann Sinn mache, wenn Entgelte auch tatsächlich änderbar seien.

- Schließlich wäre dem Klagebegehren nicht im vollen Umfang stattzugeben gewesen, weil sich die Klausel nicht nur auf Zahlungsdienste gemäß § 1 Abs 2 ZaDiG beziehe; das Klagebegehren sei daher zu weit gefasst.

Dazu wurde erwogen:

1. Das Zahlungsdienstgesetz (ZaDiG, BGBl I 2009/66) setzt die Zahlungsdienste-Richtlinie (ZahlungsdiensteRL 2007/64/EG vom 13. November 2007, ABl 2007 L 319/1) in innerstaatliches Recht um.

1.1. Ziel der ZahlungsdiensteRL ist es, einen europaweit einheitlichen rechtlichen Rahmen für Zahlungsdienste zu schaffen und gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Zahlungssysteme zu gewährleisten (Erwägungsgrund 4 ZahlungsdiensteRL; Koch, Wichtige Aspekte der Zahlungsdienste-Richtlinie und des Entwurfs für ein Zahlungsdienstegesetz, in Dullinger/Kaindl, Jahrbuch Bank- und Kapitalmarktrecht 2008 [2009] 250 [251]). Zu diesem Zweck weicht die ZahlungsdiensteRL vom Prinzip der Mindestharmonisierung ab. Mitgliedstaaten sollen keine von den Vorgaben der Richtlinie abweichende Anforderungen für Zahlungsdienstleister (Grundsatz der Vollharmonisierung) festlegen. Eine Abweichung ist bei der Richtlinienumsetzung nach Art 86 ZahlungsdiensteRL nur dort zulässig, wo die Richtlinie dies explizit vorsieht (Schopper/Fichtinger, Das Zahlungsdienstegesetz, JAP 2009/2010, 176; Nobbe, Neuregelungen im Zahlungsverkehrsrecht, WM 2011, 961).

1.2. Zahlungsvorgänge, die Gegenstand eines Rahmenvertrags (etwa eines Girokontenvertrags oder eines Kreditkartenvertrags; s § 3 Z 12 ZaDiG) sind, werden in der ZahlungsdiensteRL in den Artikel 40 ff geregelt. Neben diversen Informationspflichten (Art 41 - 43 der Richtlinie) ist in Art 44 ZahlungsdiensteRL unter der Überschrift „Änderungen der Vertragsbedingungen“ vorgesehen, dass der Zahlungsdienstleister Änderungen des Rahmenvertrags spätestens zwei Monate vor dem geplanten Zeitpunkt ihrer Anwendung vorschlägt (Abs 1), wobei unter bestimmten Voraussetzungen Schweigen des Zahlungsdienstnutzers als Zustimmung gilt. Nach Abs 2 können „Änderungen der Zinssätze oder der Wechselkurse … unmittelbar und ohne vorherige Benachrichtigung angewandt werden, sofern dieses Recht im Rahmenvertrag vereinbart wurde ...“.

2. Die Umsetzung des Art 44 der ZahlungsdiensteRL erfolgte in Österreich in § 29 ZaDiG („Änderungen des Rahmenvertrags“).

2.1. Nach § 29 Abs 1 ZaDiG hat der Zahlungsdienstleister dem Zahlungsdienstnutzer Änderungen des Rahmenvertrags spätestens zwei Monate vor dem geplanten Zeitpunkt ihrer Anwendung in einer bestimmten Weise vorzuschlagen, wobei Schweigen unter gewissen Voraussetzungen wieder als Zustimmung gilt. In § 29 Abs 2 Satz 1 ZaDiG ist vorgesehen, dass „Änderungen der Zinssätze oder der Wechselkurse ... unmittelbar und ohne vorherige Benachrichtigung angewandt werden“ können, sofern dieses Recht im Rahmenvertrag vereinbart wurde und die Änderungen auf den vereinbarten Referenzzinssätzen oder Referenzwechselkursen beruhen.

2.2. Nach den Gesetzesmaterialien (RV 207 BlgNR 24. GP 36) setzt § 29 Abs 2 ZaDiG Art 44 Abs 2 der ZahlungsdiensteRL um. „Der zweite Satz bezieht sich nur auf die Änderung des tatsächlichen Zinssatzes, nicht auf die der Wechselkurse, da sich letztere täglich ändern können und eine sofortige Information nicht tunlich wäre. Ebenso wenig bezieht sich der zweite Satz auf den Referenzzinssatz, sondern auf den tatsächlichen Zinssatz. Die Geltung und Wirksamkeit von § 6 Abs. 1 Z 5 KSchG über die Ausgestaltung von Zinsgleitklauseln bleibt von dieser Regelung unberührt. In diesem Rahmen ist auch die Anpassung der Konto- und Zahlungsverkehrsentgelte an den Verbraucherpreisindex ohne Zustimmung des Kunden weiterhin zulässig.

3. Während das Berufungsgericht die Ansicht vertritt, dass die Bezugnahme auf Änderungen der Wechselkurse und der Zinssätze in § 29 Abs 2 ZaDiG abschließend ist und daher Anpassungen an den Verbraucherpreisindex nur bei Einhaltung der in § 29 Abs 1 ZaDiG vorgesehenen Vorgangsweise zulässig seien (in diesem Sinn ausführlich Haghofer, Kundenschutz im neuen Zahlungsdienstegesetz, ecolex 2009, 747 [748 f]; ebenso Gelbmann/Jungwirth/Kolba, Konsumentenrecht und Banken [2011] 87 f), geht die beklagte Partei davon aus, dass zum einen bei einer solchen Anpassung gar keine unter § 29 Abs 1 zu subsumierende Änderung des Rahmenvertrags gegeben sei; zum anderen liege eine planwidrige Lücke vor, die entsprechend Z 2 lit d des Anhangs der Vertragsklausel-Richtlinie 93/13/EWG in der Form zu schließen sei, dass Indexklauseln weiterhin zulässig seien (in diesem Sinn Koch, Der Zahlungsverkehr nach dem Zahlungsdienstegesetz - Ein Überblick, ÖBA 2009, 869 [875]).

3.1. § 29 ZaDiG weist - ebenso wie Art 44 der ZahlungsdiensteRL - insofern eine gewisse Widersprüchlichkeit auf, als die Überschrift auf „Änderungen des Rahmenvertrags“ Bezug nimmt (in der Richtlinie „Änderungen der Vertragsbedingungen“); in Abs 2 werden dagegen - in mehr oder minder wörtlicher Übereinstimmung mit Art 44 der ZahlungsdiensteRL - zwei Fälle angeführt, die keine Änderung des Rahmenvertrags bewirken, sondern die Umsetzung einer vorweg (im Rahmenvertrag) vereinbarten Anpassung der Zinssätze oder der Wechselkurse betreffen.

3.2. Aus der Umsetzung des Art 44 der ZahlungsdiensteRL in Deutschland sind keine Argumente abzuleiten; sie erfolgte - in § 675 BGB - in ähnlicher Weise wie in Österreich, eng angelehnt an den Richtlinienwortlaut. Zu beachten ist, dass der zivilrechtliche Teil der ZahlungsdiensteRL und die Verbraucherkreditrichtlinie gemeinsam in den §§ 675c ff BGB umgesetzt wurden (Walz in Ellenberger/Findeisen/Nobbe [Hrsg], Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht [2010] § 675c BGB Rz 1).

4. Zu beachten ist, dass Art 30 Abs 3 Satz 1 ZahlungsdiensteRL „einzelstaatliche Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 87/102/EWG unberührt“ lässt. Der Verweis bezieht sich auf die Verbraucherkredit-Richtlinie 1987 und geht nun im Hinblick auf deren Aufhebung mit Wirkung vom 12. Mai 2010 gemäß Art 29 der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/EG ins Leere. Allerdings ist nach wie vor von einem umfassenden Vorrang des Verbraucherkreditrechts gegenüber der ZahlungsdiensteRL auszugehen (Freitag in Staudinger [Neubearbeitung 2011] § 488 Rz 208).

Die Verbraucherkredit-Richtlinie 2008/48/EG verlangt in ihrem Art 10 Abs 2 lit k, dass gegebenenfalls die Entgelte für die Kontoführung und die Bedingungen, unter denen diese Entgelte geändert werden können, im Kreditvertrag anzuführen sind. In Österreich wurde diese Vorgabe in § 9 Abs 2 Z 11 VKrG umgesetzt. Daraus ist zu erschließen, dass zumindest nach dem Verbraucherkreditrecht die Möglichkeit einer Änderung der Kontoentgelte im Rahmenvertrag vorgesehen werden kann (Koch, Schnitt- und Reibungsflächen von ZaDiG und VKrG, ÖBA 2011, 228 [231]).

Allerdings ist damit keineswegs eine zwingende Aussage darüber getroffen, dass eine Anpassung der Entgelte für die Kontoführung nicht der in § 29 Abs 1 ZaDiG vorgesehenen Vorgangsweise bedürfte.

5. Der bereits unter 3.1. angeführte Umstand, dass in § 29 Abs 2 Satz 1 ZaDiG ausdrücklich zwei Fälle angeführt sind, in denen eine Änderung von im Rahmenvertrag grundgelegten Bedingungen ohne Einhaltung des in Abs 1 vorgesehenen Verfahrens möglich ist, spricht vielmehr dafür, dass die Überschrift „Änderungen des Rahmenvertrags“ im Vergleich zum Wortlaut der Bestimmung selbst zu eng gefasst wurde, werden doch auch Vorweg-Änderungsermächtigungen grundsätzlich unter diese „Änderungen“ subsumiert, aber in zwei Fällen ohne das Verfahren nach Abs 1 zugelassen. Hinweise darauf, dass es sich nur um eine demonstrative Aufzählung handelt, gibt es im Gesetzeswortlaut selbst nicht, ebenso wenig solche auf eine planwidrige Unvollständigkeit, geht doch auch die Richtlinie genau von denselben Prämissen aus. Daraus ist zu schließen, dass - neben unmittelbaren Änderungen des Rahmenvertrags - auch vorweg vereinbarte Ermächtigungen zu einseitigen Anpassungen oder Änderungen der vertraglichen Bedingungen dem Regime des § 29 Abs 1 ZaDiG unterliegen, sofern nicht einer der beiden ausdrücklich angeführten Ausnahmefälle vorliegt.

Damit ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts zu bestätigen, dass in allen nicht in § 29 Abs 2 Satz 1 ZaDiG angeführten Fällen (Anpassung von Zinssätzen und Wechselkursen) einer Änderung der Entgelte nach dem Abschluss des Rahmenvertrags die in § 29 Abs 1 ZaDiG vorgesehene (und zweifellos umständliche) Vorgangsweise eingehalten, also insbesondere die (ausdrückliche oder stillschweigende) Zustimmung des Zahlungsdienstnutzers eingeholt werden muss. Die oben zitierten Darlegungen in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (RV 207 BlgNR 24. GP 36) haben im Wortlaut des Gesetzes keinen Niederschlag gefunden.

6. Angesichts des Umstandes, dass der österreichische Gesetzgeber - im Hinblick auf die angestrebte Vollharmonisierung - den § 29 ZaDiG im hier interessierenden Zusammenhang genau so gestaltet hat wie der europäische Gesetzgeber den Art 44 der ZahlungsdiensteRL, besteht kein Zweifel daran, dass die österreichische Umsetzungsbestimmung insoweit der Richtlinienbestimmung entspricht; für das von der beklagten Partei angeregte Vorabentscheidungsersuchen besteht daher kein Anlass („acte clair“).

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

Textnummer

E97905

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00107.11Y.0706.000

Im RIS seit

12.08.2011

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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