TE OGH 2011/7/6 3Ob121/11g

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Veröffentlicht am 06.07.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr. Robert Hyrohs, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei I*****, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 11. April 2011, GZ 43 R 141/11w-28, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 18. Oktober 2010, GZ 2 C 28/09v-24, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der nunmehrige Oppositionskläger (damals Erstantragsteller) und die Oppositionsbeklagte (damals Zweitantragstellerin) haben anlässlich ihrer Scheidung gemäß § 55a EheG am 11. Juli 1996 einen schriftlichen Vergleich über die Scheidungsfolgen geschlossen, dessen Punkt I. unter der Überschrift „Ehegattenunterhalt“ folgendermaßen lautet:

„Der Erstantragsteller leistet der Zweitantragstellerin Unterhalt analog zu § 66 EheG. Im Hinblick auf das derzeitige eigene Einkommen der Zweitantragstellerin sowie die Unterhaltsverpflichtung für die vier mj. Kinder wird derzeit eine Unterhaltsverpflichtung nicht festgelegt.

Der Erstantragsteller verpflichtet sich jedoch, bei sonst vergleichbaren Einkommensverhältnissen ab dem Ausscheiden eines mj. Kindes aus der häuslichen Gemeinschaft mit der Zweitantragstellerin an diese einen monatlichen Unterhaltsbeitrag in Höhe von je S 1.000,-- zu bezahlen, sodass beim Ausscheiden eines Kindes aus der häuslichen Gemeinschaft ein Betrag von S 1.000,-- zu bezahlen ist, beim Ausscheiden jedes weiteren Kindes zusätzlich S 1.000,-- je ausscheidenden Kindes usw. Das heißt also, daß die Unterhaltsverpflichtung nicht besteht bzw. erlischt, sobald die Zweitantragstellerin einen Unterhaltsspruch kraft eigenen Rechtes gem. Abs. 1 (z. B. aufgrund geänderter Einkommensrelation) hat. Bei Lebensgemeinschaft ruht auch die Unterhaltsverpflichtung gem. Abs. 2, bei Wiederverehelichung erlischt sie.

Der Erstantragsteller verzichtet auch für den Fall verschuldeter und unverschuldeter Not, geänderter Verhältnisse oder geänderter Rechtslage auf einen Unterhaltsanspruch gegenüber der Zweitantragstellerin.“

Gestützt auf den Vergleich führte die Beklagte gegen den Kläger Forderungsexekution.

Das Erstgericht wies die auf den Ausspruch, dass der Anspruch der Beklagten auf Unterhaltsleistung im Ausmaß von monatlich 72,67 EUR je gemeinsamem Kind, das aus der häuslichen Gemeinschaft mit der Beklagten ausgeschieden sei, seit September 2008 (mit Auszug des jüngsten gemeinsamen Kindes) erloschen sei, gerichtete Oppositionsklage ab. Bei der Sachverhaltsfeststellung spielte die in zwei Gedächtnisprotokollen festgehaltene persönliche Erinnerung des Richters über die Parteienabsicht eine maßgebliche Rolle. Festgestellt wurde (zusammengefasst), dass mit dem Hinweis „analog zu § 66 EheG“ die Unterhaltsverpflichtung des Klägers dem Grunde nach festgeschrieben werden sollte. Die Unterhaltsbeiträge pro ausscheidendem Kind sollten nicht zusätzlich zu einem allfälligen gesetzlichen Unterhalt der Frau zu zahlen sein; der Mann sollte gegenüber der Frau niemals gleichzeitig beide Zahlungsverpflichtungen (eine vertragliche und eine gesetzliche) haben; eine andere vertragliche Befristung der Zahlungen (von Lebensgemeinschaft und Wiederverehelichung abgesehen) sollte es nicht geben; Änderungen der Einkommensverhältnisse und Sorgepflichten sollten nicht zu einer betragsmäßigen Anpassung der vertraglichen Verpflichtung, sondern dazu führen, dass die Frau einen eigenen Unterhalt analog zu § 66 EheG erwerben könne, worauf der vertragliche Unterhaltsanspruch erlöschen würde. Die vertragliche Verpflichtung des Mannes sollte mit dem Zeitpunkt eines rechtskräftigen titelmäßigen Zuspruchs des gesetzlichen Unterhalts für die Frau erlöschen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung. Nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung solle der Beklagten in Zukunft ein Unterhalt in Entsprechung der Kriterien des § 66 EheG zustehen. Ausgehend vom Sachverhalt solle die Unterhaltsvereinbarung, die den Exekutionstitel bilde, aber erst erlöschen, sobald eine Unterhaltsverpflichtung des Klägers gegenüber der Beklagten analog zu § 66 EheG festgelegt worden sei, was jedoch unbestritten nicht der Fall sei. Der Einwand des Klägers, die Vereinbarung eines Unterhalts gemäß § 66 EheG bei einer Scheidung nach § 55a EheG sei unzulässig, sei unberechtigt.

Die Revision sei zulässig, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur gegenständlichen Fallkonstellation vorliege, wonach die im Rahmen eines Scheidungsfolgenvergleichs nach § 55a EheG getroffene Ehegattenunterhaltsvereinbarung nach dem Willen der Parteien - wenn auch ohne Festlegung im Vertragstext - mit der titelmäßigen Festlegung eines nur dem Grund nach analog § 66 EheG zugestandenen Unterhalts befristet worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Der Kläger macht geltend, die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zur Parteienabsicht ließen sich in keiner Weise der Textierung des Vergleichs entnehmen. Bei einer Scheidung nach § 55a EheG könne es mangels eines Verschuldensausspruchs zu keiner Überschneidung einer gesetzlichen und einer vertraglichen Unterhaltsverpflichtung kommen. Zumal im Vergleich eine Verpflichtung zur Unterhaltszahlung nur für Kindesunterhalt enthalten sei, bilde die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt an die Beklagte keinen Exekutionstitel. Die Vereinbarung nach Punkt I. Abs 2 des Vergleichstextes sei nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig, weil es nicht einseitig an der Beklagten liegen könne, ob diese weiterhin - trotz Änderung der Einkommensrelationen - Unterhalt vom Kläger beziehen könne.

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) dargestellt.

1. Bei der Bewilligung der Exekution ist der Inhalt der vollstreckbaren Leistungsverpflichtung in erster Linie dem Exekutionstitel selbst zu entnehmen; bei ihm beginnt die Auslegung (RIS-Justiz RS0000315; zuletzt 3 Ob 12/11b ). Die Verpflichtung ist somit nur aufgrund des Titels festzustellen (stRsp; RIS-Justiz RS0000207).

Im Oppositionsverfahren ist hingegen die Auslegung des den Oppositionstitel bildenden Vergleichs - wie bei der Vertragsauslegung im Allgemeinen - an der Parteienabsicht orientiert (3 Ob 5/11y). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass § 914 ABGB ausdrücklich vorsieht, dass bei der Auslegung von Verträgen „nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften“ ist, sondern in erster Linie die Absicht der Parteien zu erforschen ist. Die Parteienabsicht kann vom objektiven Inhalt des Geschriebenen abweichen (RIS-Justiz RS0017783).

2. Grundsätzlich bildet die Auslegung eines Vergleichs nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0113785) keine erhebliche Rechtsfrage, sofern die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht auf einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage oder einer krassen Fehlbeurteilung beruht. Ein solcher Ausnahmefall ist aber nicht gegeben.

2.1. In dem Vergleich vom 11. Juli 1996 ist der Kläger zwei verschiedene Unterhaltsverpflichtungen eingegangen, eine nur dem Grunde nach festgelegte „analog zu § 66 EheG“ und eine „kinderbezogene“, die sich nach dem Wortlaut auf „sonst vergleichbare Einkommensverhältnisse“ bezieht. Betrieben wird die letztgenannte Unterhaltsverpflichtung. Entscheidend ist, ob diese noch aufrecht ist oder zugunsten der erstgenannten Verpflichtung erloschen ist.

2.2. Das Begehren des Klägers ist so zu verstehen, dass die betriebene „kinderbezogene“ Unterhaltsverpflichtung für erloschen zu erklären sei, weil die Beklagte eine Unterhaltsverpflichtung kraft eigenen Rechts erworben habe und auf dieser Grundlage ihr Unterhaltsanspruch nur 50 EUR monatlich betrage.

2.3. Nach den Feststellungen über die Parteienabsicht (siehe Seite 5 des Ersturteils) sollte es aber  - von Lebensgemeinschaft und Wiederverehelichung abgesehen - keine vertragliche Befristung der „kinderbezogenen“ Unterhaltsverpflichtung geben. Auch Änderungen der Einkommensverhältnisse und Sorgepflichten sollten (entgegen dem Wortlaut) nicht zu einer betragsmäßigen Anpassung dieser vertraglichen Verpflichtung führen, sondern dazu, dass die Frau einen „eigenen Unterhalt analog zu § 66 EheG“ erwerben könne, worauf der vertragliche Unterhaltsanspruch erlöschen würde. Mit den Vorinstanzen ist diese übereinstimmende Parteienabsicht so zu verstehen, dass der Beklagten jedenfalls der „kinderbezogene“ Unterhaltsanspruch zukommen sollte.

2.4. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Frage bejaht, ob die Parteien in einem Scheidungsfolgenvergleich nach § 55a Abs 2 EheG zulässigerweise dem Grunde nach einen Unterhalt vereinbaren können, der nach den Kriterien des § 66 EheG zu bemessen ist.

3. An die (auf der Grundlage der Gedächtnisprotokolle des Richters getroffenen) Feststellungen über die Parteienabsicht ist der Oberste Gerichtshof gebunden; sie können im Revisionsverfahren nicht mehr erfolgreich bekämpft werden.

4. Richter, die nicht im gleichen Rechtsstreit in verschiedenen Instanzen, sondern in mehreren verschiedenen für die gleiche Rechtssache bedeutungsvollen Verfahren teilgenommen haben, sind nicht nach § 20 Z 5 JN ausgeschlossen (Ballon in Fasching2 § 20 JN Rz 11).

5. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Schlagworte

Exekutionsrecht

Textnummer

E97983

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00121.11G.0706.000

Im RIS seit

23.08.2011

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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