Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache betreffend die Ersichtlichmachung der Erbauung eines Wohnhauses ob der Liegenschaft EZ ***** GB *****, über den Revisionsrekurs der Gemeinde F*****, vertreten durch Dr. Josef Dengg, Dr. Milan Vavrousek und Mag. Thomas Hölber, Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 11. November 2010, AZ 53 R 268/10h, womit über Rekurs der Liegenschaftseigentümerin „S*****“ ***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, der Beschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 5. August 2010, TZ 4639/10 (10 Nc 266/10d), ersatzlos aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Mit am 3. 8. 2010 eingelangtem Schriftsatz übermittelte das Gemeindeamt F***** dem Erstgericht einen Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde F***** als Baubehörde erster Instanz, mit welchem unter Berufung auf § 18 Abs 3 Sbg BauPolG 1997 (Salzburger Baupolizeigesetz 1997 LGBl 1997/40, geändert durch LGBl 2008/90) dem auf der EZ ***** GB ***** auf dem Grundstück Nr 40/24 errichteten Wohnhaus die Orientierungsnummer „U***** 291“ zugeteilt wurde. Der Bescheid enthält die Anordnung, dass die von der Gemeinde F***** (in der Folge immer: Gemeinde) einheitlich erstellte und bereits zugestellte Orientierungsnummerntafel gemäß § 18 Abs 1 Sbg BauPolG am Wohnhaus an der dem öffentlichen Verkehr zugekehrten Seite und an gut sichtbarer Stelle anzubringen ist. In der Begründung verweist der Bescheid darauf, dass gemäß § 18 Abs 1 Sbg BauPolG der Bürgermeister Bauten, die Aufenthaltsräume für Menschen enthalten, mit einer Orientierungsnummer zu versehen hat.
Das Erstgericht ordnete unter Bezugnahme auf diesen Bescheid amtswegig ob der Liegenschaft die Ersichtlichmachung der Erbauung eines Wohnhauses auf Grundstück Nr 40/24 mit der Orientierungsnummer „U***** 291“ an.
Das Rekursgericht gab dem dagegen von der Liegenschaftseigentümerin erhobenen Rekurs Folge und behob den erstgerichtlichen Beschluss ersatzlos. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteigt und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs zunächst für nicht zulässig.
Über Zulassungsvorstellung der Gemeinde änderte das Rekursgericht nachträglich seinen Zulässigkeitsausspruch dahin ab, dass der ordentliche Revisionsrekus für zulässig erklärt wurde, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu fehle, ob § 2 Abs 2 GBG eine Rechtsgrundlage für die Ersichtlichmachung der Orientierungsnummer bieten könne.
Rechtlich vertrat das Rekursgericht die Auffassung, dass weder aus dem Bescheid selbst noch aus § 18 Sbg BauPolG eine rechtliche Grundlage für die Ersichtlichmachung der Erbauung eines Wohnhauses im Grundbuch abgeleitet werden könne. Ein Vergleich mit baurechtlichen Bestimmungen in anderen Bundesländern zeige, dass eine Ersichtlichmachung der Erbauung eines Hauses lediglich in § 13 Abs 5 iVm § 130 Abs 1 lit b BauO für Wien, LGBl 1930/11, vorgesehen gewesen sei. Die derzeitig in Geltung stehende BauO für Wien sehe diese Ersichtlichmachung allerdings nicht mehr vor. In der älteren Judikatur werde die Anmerkung der Hauserbauung unter Hinweis auf die §§ 1 bis 7 des Volkszählungsgesetzes vom 29. 3. 1869, RGBl 67, erwähnt. Sie werde aufgrund der von der politischen Behörde mitgeteilten Benützungsbewilligung von Amts wegen zur Herstellung der Übereinstimmung des Grundbuchs mit dem Kataster verordnet. Es könne dahingestellt bleiben, ob dieses Gesetz nicht ohnedies lediglich die Grundlage für die von Bartsch (Das österreichische allgemeine Grundbuchsgesetz in seiner praktischen Anwendung, 539) erwähnte Anmerkung von Konskriptions- und Orientierungsnummern durch das Grundbuchsgericht gewesen sei (Spurny, Die Auszeichnung von Gebäuden im Grundbuch, NZ 1953, 57). Dieses Gesetz aus dem Jahre 1869 sei durch das Volkszählungsgesetz vom 26. 8. 1950, BGBl Nr 159, aufgehoben worden. § 163 Abs 1 der Grundbuchsvorschrift, die überdies durch Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 18. 7. 1991, JMZ 5.180/10-I 4/91, aufgehoben worden sei, habe im Übrigen gleichfalls keine derartige Ersichtlichmachung vorgesehen. Es sei darin lediglich bestimmt worden, dass bei Anzeige der Erbauung eines Hauses durch die Vermessungsbehörde die dadurch bedingte Änderung der Grundstücke im Grundbuch durchzuführen und die Einzeichnung in der Mappe zu veranlassen sei. Hintergrund sei die Bildung eigener Baugrundstücke mit gesonderter Bezeichnung gewesen. Zur Angabe der Hausnummern habe der zweite Satz der auf Erlassebene stehenden Grundbuchsvorschrift lediglich festgehalten, dass bei mangelnder Angabe der Hausnummer das Einvernehmen mit dem „Gemeindevorsteher“ zu pflegen und sodann die ergänzende Eintragung im Grundbuch vorzunehmen sei. Hievon sei das „Bezirksvermessungsamt“ zu verständigen.
Seit der Umstellung des Grundbuchs auf automationsunterstützte Datenverarbeitung werde die Übereinstimmung des Grundbuchs mit dem Kataster nunmehr durch die Verknüpfung des Hauptbuchs des umgestellten Grundbuchs mit dem Grundstücksverzeichnis des Grundsteuer- oder Grenzkatasters bewirkt (§ 2 Abs 1 GUG).
Nach dem zweiten Absatz dieser Gesetzesstelle seien die Benützungsarten der Grundstücke nicht als Grundbuchseintragung zu führen. Mit den Eintragungen des Hauptbuchs seien jedoch die Eintragungen des Grundsteuer- oder Grenzkatasters über die Benützungsart, das Flächenausmaß und die Anschrift der Grundstücke wiederzugeben. Die Aufnahme dieser Katasterdaten im A1-Blatt des Gutbestandsblatts obliege den Vermessungsbehörden (§§ 8 ff VermG).
Im A1-Blatt der gegenständlichen Liegenschaft schienen beim Grundstück Nr 40/24 auch zwei Grundstücksadressen auf (U***** 290 und 291). Sehe man vom Fehlen einer rechtlichen Grundlage ab, so führe die vom Grundbuchsgericht in diesem Zusammenhang jeweils angeordnete Ersichtlichmachung der Erbauung eines Hauses unter neuerlicher Angabe der Grundstücksadresse im A2-Blatt zu einer nicht wünschenswerten Unübersichtlichkeit der Grundstücksdatenbank. Damit ließen sich auch keine zusätzlichen Informationen bei der Grundbuchseinsicht gewinnen, wobei die Ersichtlichmachung geocodierter (raumbezogener) Adressen der Grundstücke und der darauf befindlichen Gebäude grundsätzlich dem Vermessungsamt obliege (§ 8 Z 3 VermG; § 9a Abs 2 Z 4 und 8 VermG, wobei die letztgenannte Ziffer auch die Angabe einer Eignung für Wohnzwecke betreffe).
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen von der Gemeinde erhobene Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig.
Er ist jedoch nicht berechtigt.
1. Die Legitimation der Gemeinde zur Erhebung des Revisionsrekurses ist im Hinblick darauf zu bejahen, dass die Gemeinde hier in ihrer Funktion als Baubehörde erster Instanz (RIS-Justiz RS0006691) und unter Berufung auf ein behauptetes öffentliches Interesse (RIS-Justiz RS0071589) an der Ersichtlichmachung auftritt.
2. Im Übrigen erachtet der Oberste Gerichtshof die Ausführungen des Rekursgerichts für zutreffend, auf die daher verwiesen wird (§ 62 Abs 3 Satz 2 AußStrG). Ergänzend ist lediglich anzufügen:
2.1 Das AllgGAG - das der einheitlichen Regelung der Grundbuchsanlegung dient - regelt in seinem § 7 Abs 1 den Inhalt des Gutbestandsblatts, der die Bestandteile des Grundbuchskörpers (Z 1), die mit dem Eigentumsrecht an dem Grundbuchskörper oder an einem Teil des Grundbuchskörpers verbundenen dinglichen Rechte und radizierten Gewerbe (Z 2) und alle Änderungen, die den Gutsbestand betreffen, sowie die Einleitung eines Verfahrens, durch das Änderungen im Gutsbestand eintreten können (Z 3), anzugeben hat. Die Bezeichnung der Bestandteile eines Grundbuchskörpers hat mit den Angaben des Grundkatasters und der Grundbuchsmappe übereinzustimmen (§ 8 Abs 1 AllgGAG).
2.2 Die Angabe der Bestandteile des Grundbuchskörpers im A1-Blatt stellt einen Fall der Ersichtlichmachung dar (Höller in Kodek, Grundbuchsrecht § 2 GBG Rz 15 mwN).
2.3 Wie bereits das Rekursgericht zutreffend erkannte, bewirkte die Umstellung des Grundbuchs auf automationsunterstützte Datenverarbeitung, dass das Hauptbuch nur durch Speicherung der Eintragungen in einer Datenbank zu führen und mit dem Grundstücksverzeichnis des Grundsteuer- oder Grenzkatasters zu verknüpfen ist (§ 2 Abs 1 GUG). Die Materialien zum GUG (abgedruckt bei Dittrich/Angst/Auer, Grundbuchsumstellungsgesetz [1981] 3) halten die dadurch bewirkten Vorteile wie folgt fest:
„Die dadurch ermöglichte Beseitigung der dzt bestehenden Doppelführung eines umfangreichen Datenstocks bei den Grundbuchsgerichten und den Vermessungsbehörden stellt eine sehr bedeutende Verwaltungsvereinfachung im Bereich des Bundes dar. Derzeit führen ja das Grundbuch im wesentlichen die Daten des A1-Blattes parallel zum Kataster und der Kataster im erheblichen Umfang die Daten des B-Blattes parallel zum Grundbuch. Für die Allgemeinheit bedeutet dies überdies, dass bestimmte Katastereintragungen auch beim Grundbuchsgericht eingesehen werden können und umgekehrt.“
2.4 Vorschriften über Führung und Inhalt des Grenzkatasters enthalten die §§ 8 ff VermG. Er besteht gemäß § 9 Abs 1 VermG aus dem technischen Operat (§ 9 Abs 2), dem Grundstücksverzeichnis (Abs 3) und dem Adressregister (§ 9a). § 9a Abs 3 VermG regelt, dass für jedes Gebäude, das sich an einer gemäß Abs 2 erfassten Adresse befindet, bestimmte weitere Angaben (zB Z 7 - von der Gemeinde allenfalls gemachte sonstige Angaben, soweit sie nicht unter Z 8 oder 9 fallen; Z 8 - die Eignung für Wohnzwecke) einzutragen sind. Von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen, sind die Daten des Grenzkatasters gemäß § 14 Abs 1 VermG öffentlich. Gemäß § 45 Abs 1 VermG sind Grenzkataster und Grundbuch in Übereinstimmung zu halten.
2.5 § 2 Abs 2 GUG hält fest, dass die Benützungsarten der Grundstücke nicht als Grundbuchseintragung zu führen sind. Mit den Eintragungen des Hauptbuchs sind jedoch die Eintragungen des Grundsteuer- oder Grenzkatasters über die Benützungsarten, das Flächenausmaß und die Anschrift der Grundstücke wiederzugeben. Durch Verordnung des Bundesministers für Justiz kann gemäß § 2 Abs 3 GUG angeordnet werden, dass weitere Eintragungen des Grundsteuer- oder Grenzkatasters mit den Eintragungen des Hauptbuchs wiedergegeben werden, soweit ein berechtigtes Interesse an einer solchen zusätzlichen Information bei der Grundbuchseinsicht besteht und die Führung der Grundstücksdatenbank dadurch nicht unangemessen erschwert wird.
2.6 Eine Gesamtschau der dargestellten Vorschriften führt dazu, dass über die in § 2 Abs 2 GUG aufgezählten Umstände hinaus eine weitere Ersichtlichmachung der Erbauung eines Wohnhauses auf einem Grundstück der Liegenschaft mit der von der Gemeinde im Bescheid vergebenen Orientierungsnummer nicht erforderlich ist: Die Orientierungsnummer als solche (Grundstücksadresse „U***** 291“) ist ohnedies der Vorschrift des § 2 Abs 2 GUG entsprechend im A1-Blatt ersichtlich gemacht. Die Tatsache der Erbauung eines Wohnhauses mag - was hier nicht näher zu prüfen ist - gemäß § 9a Abs 3 VermG in den Grenzkataster einzutragen sein; eine entsprechende Ersichtlichmachung auch im A2-Blatt (über die bereits im A1-Blatt aufscheinende Grundstücksadresse hinaus) ist jedoch weder durch eine konkrete Rechtsvorschrift geboten noch ist das von der Revisionsrekurswerberin behauptete öffentliche Interesse an einer entsprechenden Ersichtlichmachung zu erkennen: Da die Katastralmappe für ganz Österreich als digitale Katastralmappe (DKM) in der Grundstücksdatenbank erfasst ist und die Daten des Grenzkatasters öffentlich sind, also jeder Interessierte weitere Angaben für Gebäude, die im Adressregister erfasst sind, einsehen kann, besteht im Anlassfall kein Bedürfnis, dass neben den in § 2 Abs 2 GUG genannten Daten auch noch der Umstand der Erbauung eines Wohnhauses im A2-Blatt ersichtlich gemacht wird.
2.7 An dieser Beurteilung ändert sich auch durch den Hinweis im Revisionsrekurs auf die Vergabe einer Schlüsselzahl für die Eintragungsart „262 Erbauung eines Hauses“ im A2-Blatt durch den Erlass vom 26. 1. 1981, JMZ 5.306/85-I 4/81 über die Führung des auf automationsunterstützte Datenverarbeitung umgestellten Grundbuchs nichts, weil sich daraus nicht die Notwendigkeit einer entsprechenden Ersichtlichmachung im Hauptbuch ergibt: Bereits das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass etwa ursprünglich die BauO für Wien die Ersichtlichmachung der Erbauung eines Hauses vorsah. Eine Übertragung einer entsprechenden, bereits eingetragenen Ersichtlichmachung in das Verzeichnis der gelöschten Eintragungen, die ebenfalls im Weg der automationsunterstützten Datenverarbeitung erfolgt (§ 2a Abs 2 GUG), hätte etwa unter Verwendung dieser im Revisionsrekurs hervorgehobenen „Schlüsselzahl 262“ zu erfolgen. Der zitierte Erlass bietet jedoch keine Rechtsgrundlage dafür, nun eine entsprechende Ersichtlichmachung im A2-Blatt anzuordnen.
Schlagworte
GrundbuchsrechtTextnummer
E98194European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00074.11K.0707.000Im RIS seit
13.09.2011Zuletzt aktualisiert am
12.02.2013