Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin F***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Rupert Rausch, Rechtsanwalt in Wien, wegen Löschung einer Ersichtlichmachung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. April 2011, AZ 47 R 577/10s, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 126 Abs 3 GBG).
Text
Begründung:
Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Liegenschaften EZ ***** und EZ *****, beide GB 01004 Innere Stadt Wien. Auf diesen Liegenschaften ist jeweils im Gutsbestandsblatt zur TZ 7354/1951 die Errichtung eines Bauwerks iSd § 435 ABGB aufgrund einer Anzeige der Vermessungsbehörde vom 29. 9. 1950 ersichtlich gemacht. Im Zug der Umstellung des Grundbuchs auf automationsunterstützte Datenverarbeitung wurden diese Ersichtlichmachungen sprachlich mit der Bezeichnung „Superädifikat auf Grundstück 1833/2“ und „Superädifikat auf Grundstück 1053/4“ dargestellt.
Die Antragstellerin steht auf dem Rechtsstandpunkt, dass die vermeintliche Rechtsgrundlage für die damalige Ersichtlichmachung aufgrund eines Anmeldungsbogens gemäß § 18 Abs 1 der Verordnung des Bundesministeriums für Justiz vom 18. 11. 1927 BGBl 1927/326 über die gerichtliche Hinterlegung von Urkunden zum Erwerbe dinglicher Rechte an nichtverbücherten Liegenschaften und an Bauwerken tatsächlich nicht bestanden habe. Zufolge § 19 Abs 2 dieser Verordnung sei deren Anwendung auf Liegenschaften ausgeschlossen, die in den durch den Brand des Wiener Justizpalastes vernichteten öffentlichen Büchern eingetragen gewesen seien. Aus der Präambel der weiteren Verordnung des Bundeskanzleramtes vom 26. 7. 1927 BGBl 1927/225 über die gerichtliche Hinterlegung von Urkunden und die Einreihung von Geschäftsstücken bei Liegenschaften, die in den durch den Brand des Justizpalastes in Wien vernichteten öffentlichen Büchern eingetragen waren, gehe hervor, dass die Grundbücher für den 1. Gemeindebezirk von Wien durch den Brand des Wiener Justizpalastes vernichtet wurden.
Die Antragstellerin regte daher eine amtswegige Löschung dieser schon seinerzeit unzulässigen Eintragungen gemäß § 130 GBG an; in eventu begehrte sie die Löschung der Ersichtlichmachung der Superädifikate gemäß § 136 GBG.
Die erstzitierte Verordnung gehöre nicht mehr dem Rechtsbestand an, sie sei per 1. 6. 1974 durch § 36 UHG außer Kraft gesetzt worden. Damit stellten sich die gegenständlichen Ersichtlichmachungen als gesetzlos dar.
Ein rechtliches Interesse begründete die Antragstellerin damit, dass rechtsunkundige Dritte durch die bestehenden Ersichtlichmachungen in die Irre geführt werden könnten. Damit seien sie für die Antragstellerin nachteilig.
Im Weiteren habe seinerzeit durch den Vermessungsbeamten die angebliche Superädifikatseigenschaft gar nicht einwandfrei festgestellt werden können. Es sei in den Erhebungen (auf der Rückseite des Anmeldungsbogens vom 29. 9. 1950) nur vermerkt worden, dass der derzeitige Bauwerkseigentümer „nicht einwandfrei festgestellt“ werden könne. Diese Vermutung des Vermessungsbeamten sei schon damals unrichtig gewesen. Die Antragstellerin sei nicht in der Lage, die Unrichtigkeit dieser Vermutung mittels Urkunden darzutun.
Beide Vorinstanzen sahen keinen Grund zu einem Vorgehen nach § 130 GBG und wiesen den Antrag, soweit er auf § 136 Abs 1 GBG gestützt war, ab.
Während das Erstgericht die Rechtsansicht vertrat, die Ersichtlichmachung sei im Zeitpunkt der Eintragung mittels Anmeldungsbogens durch § 18 BGBl 1927/326 gesetzlich vorgeschrieben gewesen und § 19 Abs 2 dieser Verordnung komme deshalb nicht zum Tragen, weil die Ersichtlichmachung des Bauwerks nach § 435 ABGB erfolgt sei und nicht zur Wiederherstellung des Grundbuchs nach dem Brand des Justizpalastes, vertrat das Rekursgericht die Ansicht, § 136 GBG finde selbst dann keine Anwendung, wenn sich nach Rechtskraft des die Eintragung bewilligenden Beschlusses herausstelle, dass der Beschluss auf fehlerhafter Grundlage beruhte. Eine Durchbrechung der Rechtskraft sei vom Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 136 GBG nicht beabsichtigt, sondern vielmehr gehe es um die Möglichkeit der Berücksichtigung nachträglicher, nicht von den zeitlichen Grenzen der Rechtskraft erfasster Änderungen. Eine solche nachträgliche Änderung liege hier nicht vor, wenn die Antragstellerin eine schon ursprünglich unrichtige Eintragung behaupte. Diesfalls hätte der Liegenschaftseigentümer schon seinerzeit ein Rechtsmittel gegen den Eintragungsbeschluss erheben müssen.
Es sei auch nicht dargetan, dass bei einer Löschung der Ersichtlichmachung nicht in das Eigentumsrecht eines Bauwerkseigentümers unzulässigerweise eingegriffen werde.
§ 130 GBG biete keine Handhabe dafür, eine nach dem Gesetz zulässige Eintragung von Amts wegen zu löschen.
Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht gegen seine Entscheidung nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Antragstellerin macht in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG geltend.
Einer durch die bezeichnete Urkundenhinterlegungsverordnung (BGBl 1927/326) vorgeschriebenen Ersichtlichmachung der vom Vermessungsamt mittels Anmeldungsbogens angezeigten Errichtung eines Bauwerks im Grundbuch kam für dessen rechtliche Beurteilung keinerlei Bedeutung zu, die Ersichtlichmachung diente vielmehr nur Übersichtszwecken (vgl RIS-Justiz RS0038237; Klang in Klang² II 371 Anm 5 zu § 435 ABGB mwN). Dasselbe trifft auch auf Ersichtlichmachungen nach § 19 Abs 1 UHG bzw nach § 10 Abs 1a UHG idF der GB-Nov 2008 BGBl I 2008/100 zu.
Der erkennende Senat hat auch schon ausgesprochen, dass für die Frage der Löschung der Ersichtlichmachung eines Bauwerks, auch wenn dieses nach § 18 der zitierten Verordnung erfolgte, nicht mehr die Bestimmung des § 18 Abs 2 leg cit anzuwenden ist, sondern § 19 Abs 3 UHG idF vor der GB-Nov 2008 (5 Ob 229/07y = NZ 2008, 123 AGS 705 [zust Hoyer]). Durch die GB-Nov 2008 wurde § 19 UHG aufgehoben und in § 10 Abs 1a letzter Satz angeordnet: „Die Ersichtlichmachung der Urkundenhinterlegung ist zu löschen, wenn eine Urkunde eingereiht wird, die das Nichtbestehen der Bauwerke, für die Urkunden hinterlegt wurden, auf den betroffenem Grundstück feststellt.“
Warum vorliegendenfalls § 136 GBG nicht zur Anwendung kommt, hat das Rekursgericht in Übereinstimmung mit der zitierten Rechtsprechung dargestellt (§ 71 Abs 3 Satz 2 AußStrG). Im vorliegenden Fall steht gerade nicht fest, dass das Grundbuch die wirkliche Rechtslage nicht richtig wiedergibt und diese Unrichtigkeit offenkundig oder durch öffentliche Urkunden nachgewiesen worden wäre.
Die III. TN RGBl 1916/69 hat in ihren Vorschriften über die Einrichtung der Urkundensammlung das Hinterlegungsverfahren dem Verordnungswege überlassen. Diese Vorschriften ergingen mit Verordnung vom 26. 3. 1916, RGBl 87, welche in der Folge durch die bereits mehrfach erwähnte Verordnung vom 18. 11. 1927, BGBl 1927/326 ersetzt wurde (vgl Klang in Klang² II 368).
Demnach ist die Unrichtigkeit der seinerzeitigen Eintragung keinesfalls offenkundig, weil zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls eine entsprechende Urkundenhinterlegung hinsichtlich von Bauwerken zulässig war. Dass die Verordnung BGBl 1927/326 zufolge ihres § 19 Abs 2 unrichtig angewendet worden wäre, macht die Eintragung nicht offenkundig unrichtig. Eine Nachprüfung der seinerzeitigen Beschlussfassung, der der damalige Liegenschaftseigentümer mit Rekurs hätte widersprechen können, ist mit § 136 GBG nicht zu bewirken.
Zwar sind gemäß § 130 GBG unzulässige Eintragungen trotz der formellen Rechtskraft des sie anordnenden Beschlusses mit unheilbarer Nichtigkeit behaftet (vgl 5 Ob 260/04b = NZ 2006, 304; RIS-Justiz RS0060300) und daher von Amts wegen zu löschen, doch ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass es sich nicht um eine solche Eintragung handelt, die ein Recht zum Gegenstand hätte, das der geltenden Rechtsordnung überhaupt unbekannt ist oder dessen Eintragung weder im Grundbuchsgesetz noch in anderen Gesetzen zugelassen ist, und die einen physisch oder rechtlich unmöglichen Grundbuchstand, dem die materielle Rechtslage nicht entsprechen kann, schaffte (3 Ob 13/72 = EvBl 1972/245 = NZ 1973, 124 = SZ 45/26 ua). Die Unzulässigkeit einer solchen Eintragung müsste sich aus ihrem Inhalt ergeben. Deshalb bietet § 130 GBG keine Handhabe dafür, eine nach dem Gesetz abstrakt zulässige Eintragung (vgl dazu § 434 ABGB idF der III. TN § 18) zu löschen.
Die Antragstellerin ist daher auf die Möglichkeit des § 10 Abs 1a UHG sowie die allfällige Möglichkeit einer Löschungsklage, die nach wie vor besteht (RIS-Justiz RS0037897, zuletzt 5 Ob 156/10t), beschränkt. Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG liegt somit nicht vor.
Das hatte zur Zurückweisung des außerordentlichen Rechtsmittels zu führen.
Schlagworte
7 Grundbuchsachen,Textnummer
E98220European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00120.11Z.0707.000Im RIS seit
19.09.2011Zuletzt aktualisiert am
12.02.2013