Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Johannes Hochleitner und Mag. Christian Kieberger, Rechtsanwälte in Perg, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Haberl und Dr. Gotthard Huber, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen 31.522,35 EUR sA (Revisionsinteresse: 26.922,35 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 3. März 2011, GZ 4 R 24/11v-59, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 29. November 2010, GZ 26 Cg 103/07m-55, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.540,44 EUR (darin 256,74 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Das Berufungsgericht hat über Antrag der Klägerin nach § 508 Abs 1 ZPO nachträglich ausgesprochen, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde. Die Klägerin zeige in ihrer Revision mögliche schwerwiegende Fehler des Berufungsgerichts bei der Interessenabwägung im Zusammenhang mit dem Leistungsverweigerungsrecht des Werkbestellers einerseits und dem Schikaneverbot andererseits sowie bei der Auslegung des Vorliegens eines ernstlichen Verbesserungsbegehrens auf, weshalb die Zulassung der Revision geboten erscheine.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin erhobene Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, was gemäß § 510 Abs 3 ZPO kurz zu begründen ist:
1.1. Die Klägerin (= Werkunternehmerin) macht geltend, dass im Zusammenhang mit der Zurückbehaltung des Werklohns neben der Behebbarkeit des Mangels ein „ernstliches“ Verbesserungsbegehren des Bestellers verlangt werde. Letzteres sei hier (betreffend ein zerbrochenes Glaselement) zu verneinen, weil sich die Beklagte (= Werkbesteller) dazu insoweit widersprüchlich geäußert habe, als sie einerseits behauptet habe, ein Angebot über die durchzuführende Ersatzvornahme eingeholt zu haben, andererseits von der Klägerin Verbesserung begehrt und überdies vom Sachverständigen das Ausmaß einer aus dem Mangel resultierenden Preisminderung erfragt habe. Außerdem seien bei der Frage der Ernstlichkeit des Verbesserungsbegehrens, wozu bisher Präzisierungen durch das Höchstgericht fehlten, die „Zahlungspflichtentzugsversuche“ der Beklagten zu berücksichtigen, was in einer Gesamtschau dazu führen müsse, dieser das Leistungsverweigerungsrecht nicht zuzubilligen.
1.2. Die einzelfallbezogene Auslegung von Prozesserklärungen bildet keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042828 [T16 und T19]). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist oder gegen die Denkgesetze verstößt (RIS-Justiz RS0042828 [T7 und T11]). Eine derartige Fehlbeurteilung liegt aber hier nicht vor:
1.3. Die Beklagte hat bereits in ihrer Klagebeantwortung (ON 3) mangelnde Fälligkeit wegen bestehender Mängel eingewandt, diesen Einwand im vorbereitenden Schriftsatz (ON 6) aufrecht erhalten und auch von der Klägerin angebotene Mängelbehebungsarbeiten zugelassen (vgl ON 10). Die Einholung eines Angebots über eine Ersatzvornahme war erklärtermaßen eine Reaktion der Beklagten auf die mangelnde Bereitschaft der Klägerin, sich an der Klärung des Schadensfalls zu beteiligen (vgl AS 36 und AS 45). Die Frage des Beklagtenvertreters an den Sachverständigen nach einer „Preisminderung“ für das gebrochene Glaselement ist zunächst nicht Bestandteil des Prozessvorbringen der Beklagten und diente offenbar der Ermittlung des Mängelbehebungsaufwands, der (auch) für die Frage des (Umfangs) des Leistungsverweigerungsrechts maßgeblich ist. Die der Rechtsansicht des Berufungsgerichts zugrundeliegende Annahme, dass die Beklagte von dem schon in ihrer Klagebeantwortung relevierten Leistungsverweigerungsrecht nie abgestanden sei, ist somit kein unvertretbares Verständnis ihrer Verfahrensgestion.
2.1. Die Klägerin behauptet, der Austausch des Fensterelements sei nicht kompliziert und der Kostenaufwand gering. Die Interessenabwägung zwischen Leistungsverweigerungsrecht und Anspruch auf Bezahlung des (restlichen) Werklohns müsse daher zugunsten der Klägerin ausschlagen.
2.2. Das Berufungsgericht hat jene Umstände angesprochen, die ihm vorliegend für das Interesse der Beklagten an der Mängelbehebung zu sprechen scheinen. Demnach gehe es hier nicht etwa nur um den Austausch einer Glasscheibe, sondern um das Auswechseln eines Glaselements als Teil einer Glaswand, was spezielle Fachkenntnisse voraussetze und bei der Errichtung von Glaswänden spiele auch die optische Qualität eine Rolle. Dass diese Argumente unzutreffend oder nicht tragfähig wären, wird in der Revision nicht einmal behauptet.
2.3. Die von der Klägerin zum Beleg für ihren Standpunkt angesprochene Entscheidung 5 Ob 57/06b (= JBl 2006, 795) betraf insofern eine andere Problematik, als dort vorrangig die Frage zu klären war, ob die unterbliebene Erfüllung einer vertraglichen Nebenleistungspflicht in Form der Stellung einer Bankgarantie das Leistungsverweigerungsrecht begründet. Im Übrigen sind die dort vorgelegenen Sachmängel nach ihrer Qualität nicht näher beschrieben, sodass auch insoweit eine Vergleichbarkeit mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht besteht.
3.1. Letztlich sieht die Klägerin in dem vom Berufungsgericht der Beklagten zugebilligten Zurückbehalten eines - restlichen - Werklohns von 26.922,35 EUR im Verhältnis zum Mängelbehebungsaufwand von 1.600 EUR eine Verkennung des Schikaneverbots.
3.2. Nach höchstgerichtlicher Judikatur besteht das volle Leistungsverweigerungsrecht nicht, wenn von einem Missverhältnis zwischen den vom Gewährleistungsberechtigten verfolgten Interessen an der Leistungsverweigerung und dem Interesse des Werkunternehmers an der Bezahlung des Werklohns für den mängelfreien Teil des Werkes auszugehen ist (7 Ob 67/07i; 6 Ob 80/05s; RIS-Justiz RS0022044 [T14]). Dabei ist nicht allein die Höhe der Behebungskosten entscheidend, sondern die Wichtigkeit der Behebung des Mangels, die nach den Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Interessenabwägung zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0022044). Die Klägerin räumt selbst ein, dass die höchstgerichtliche Rechtsprechung keine fixe Prozentsatzgrenze (im Verhältnis zurückbehaltener [restlicher] Werklohn zu Mängelbehebungskosten) kennt, ab deren Unterschreitung Rechtsmissbrauch anzunehmen wäre (5 Ob 200/02a; 6 Ob 80/05s; 7 Ob 67/07i uva).
3.3. Das Berufungsgericht hat für den Standpunkt der Beklagten sprechende Umstände - in der Revision unwidersprochen - hervorgehoben (s 2.2.), die Beklagte hat auf die von der Klägerin geltend gemachte Schlussrechnung in der Höhe von 154.128,61 EUR auch bereits 119.869,79 EUR bezahlt und die Verneinung des Rechtsmissbrauchs beim hier vorliegenden Verhältnis zwischen restlichem Werklohn und Mängelbehebungskosten liegt (noch) im Rahmen höchstgerichtlicher Rechtsprechung (vgl 7 Ob 67/07i; 3 Ob 150/04m; 10 Ob 384/98p; 4 Ob 522/87).
4. Die Revision ist somit mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig und deshalb zurückzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979).
Textnummer
E97965European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0050OB00108.11K.0707.000Im RIS seit
19.08.2011Zuletzt aktualisiert am
27.12.2011