TE OGH 2011/7/14 13Os43/11i

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Veröffentlicht am 14.07.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juli 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tomecek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Angela I***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 3. Dezember 2010, GZ 39 Hv 165/09b-82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Angela I***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie in der Zeit vom 28. Juli 2006 bis zum 15. Juni 2009 in Innsbruck, Steinach am Brenner und an anderen Orten in zahlreichen Angriffen mehrere Geschäftspartner durch Vorspiegelung ihrer Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit zu Warenlieferungen im Gesamtwert von rund 149.000 Euro verleitet und dadurch die Lieferanten mit diesem Betrag am Vermögen geschädigt.

Das Erstgericht verhängte hiefür nach § 147 Abs 3 StGB eine vierjährige Freiheitsstrafe und verfügte zudem gemäß § 21 Abs 2 StGB die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.

Die dagegen aus Z 4, 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wies das Erstgericht den Antrag auf „Beiziehung eines weiteren Sachverständigen“ (ON 75 S 10) zu Recht ab (ON 75 S 10), weil dieser das Beweisthema nicht erkennen ließ (§ 55 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Der bloße „Hinweis“ auf eine Äußerung (ON 69) zum Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen Dr. T***** (ON 64) wird den Kriterien prozessordnungskonformer Antragstellung nicht gerecht, weil er kein deutlich und bestimmt vorgetragenes Begehren darstellt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 311, 313).

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass auch der angesprochene Schriftsatz (ON 69) kein taugliches Beweisbegehren enthält, indem er auf die Zuziehung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigen zielt, ohne das Vorliegen der Voraussetzungen für ein solches prozessuales Vorgehen (§ 127 Abs 3 StPO) zu behaupten.

Das den Antrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde bestehenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen.

Auch durch die Abweisung (ON 81 S 9) des Antrags, „das Gutachten der SV Dr. Karin T***** nicht zu verwerten, dies mit der Begründung, dass die Angeklagte bei der Befundaufnahme nicht über ihr Entschlagungsrecht belehrt wurde“ (ON 81 S 9), wurden die Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Der Antrag ließ nämlich nicht erkennen, weshalb es unter dem Gesichtspunkt der Freiheit von Selbstbelastungszwang (Art 6 Abs 1 MRK iVm § 281 Abs 1 Z 4 StPO) erforderlich sein soll, Beschuldigte (§ 48 Abs 2 StPO) über die - nicht in Abrede gestellte - Rechtsbelehrung des § 50 StPO hinaus bei der Befundaufnahme durch einen psychiatrischen Sachverständigen erneut darüber zu belehren, dass es ihnen freisteht, sich zum Vorwurf zu äußern oder nicht auszusagen (§ 49 Z 4 StPO).

Zudem war die „Einholung eines psychiatrischen Gutachtens“ über die Zurechnungsfähigkeit der Beschwerdeführerin von ihrem Verteidiger (schriftlich und sodann mündlich in der Hauptverhandlung: ON 55 und ON 58 S 15) selbst beantragt worden, ohne dass dieser einen Vorbehalt zur Bereitschaft der Beschwerdeführerin, sich explorieren zu lassen, geltend gemacht hätte.

Schließlich können Verwertungsaspekte eines Beweisverbots mit Nichtigkeitsbeschwerde (aus Z 5 vierter Fall) nur releviert werden, soweit der Beschwerdeführer an der (rechtzeitigen) Geltendmachung des Verbots als Verfahrensmangel gehindert war. Nach - unwidersprochener - Vorführung eines Beweismittels gestellte Anträge, das erkennende Gericht wolle das - solcherart verfahrensfehlerfrei vorgeführte - Beweismittel bei der Beweiswürdigung übergehen, dringen nicht durch, weil der Antragsteller einer rechtlichen Obliegenheit zuwidergehandelt hat, indem er sich nicht (bereits) gegen die Vorführung des - erst nachträglich - als verboten reklamierten Beweismittels zur Wehr gesetzt hat, obwohl er dazu rechtlich wie tatsächlich in der Lage gewesen wäre (eingehend: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 65 bis 76 und 82).

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider steht die - im Übrigen ohne die gebotene Bezeichnung der Fundstelle in den Akten (RIS-Justiz RS0124172) angesprochene - Aussage des Zeugen Johann (richtig:) H*****, er habe gewusst, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen sei, das von ihm gelieferte Wellness-Gerät aus Eigenmitteln zu finanzieren (ON 81 S 8 f iVm ON 39 S 9 f), der Urteilsannahme, diese habe Johann H***** ihre Zahlungsfähigkeit vorgespiegelt, nicht erörterungsbedürftig entgegen (Z 5 zweiter Fall, nominell verfehlt auch Z 5 fünfter Fall). Die Erklärung, ein Gerät im Wert von rund 30.000 Euro (US 9) fremdfinanzieren zu müssen, ist nämlich keinesfalls mit dem Eingeständnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit gleichzusetzen.

Welche über die Feststellung, die Beschwerdeführerin habe Johann H***** „durch Täuschung über ihre Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit zur Überlassung dieses Wellness-Gerätes“ verleitet (US 9), hinausgehenden Konstatierungen zur rechtsrichtigen Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal der „Täuschung über Tatsachen“ erforderlich sein sollen (der Sache nach Z 9 lit a), wird nicht klar.

Die Urteilsaussage, das Auftreten der Beschwerdeführerin als zahlungsfähige und zahlungswillige Kundin folge aus den Angaben der in der Hauptverhandlung vernommenen Vertreter der geschädigten Unternehmen (US 17), ist keineswegs undeutlich (Z 5 erster Fall), weil die Tatrichter dadurch eindeutig zu erkennen geben, aus welchen Beweismitteln sie welche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen ableiten (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419).

Die Deposition des Zeugen Mag. N*****, die Beschwerdeführerin habe auf ihn „den Eindruck erweckt, dass es ihr mit der Gründung dieser Firma in Innsbruck sehr ernst ist“ (ON 81 S 6), hat das Erstgericht zu Recht nicht erörtert, weil der Zeugenbeweis nur Wahrnehmungen von Tatsachen, nicht jedoch Schlussfolgerungen oder Wertungen zum Gegenstand hat (RIS-Justiz RS0097540; Kirchbacher, WK-StPO § 154 Rz 8).

Die Urteilsannahmen, wonach nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Beschwerdeführerin von ihrem Ehemann ermuntert worden sei, ein Kosmetikstudio zu eröffnen (US 7), dieser sichtlich bemüht gewesen sei, ihr zu schaden (US 16), und sie an einer „seelischen Abartigkeit höheren Grades in Form einer kombinierten Persönlichkeitsstörung F 61“ leide (US 17), widersprechen der Feststellung, die Beschwerdeführerin sei in den Tatzeitpunkten diskretions- und dispositionsfähig gewesen (US 17), nicht (Z 5 dritter Fall).

Die Täuschungshandlung (auch) hinsichtlich des Betrugs zum Nachteil der Ha***** GmbH bestand nach den tatrichterlichen Feststellungen darin, dass die Beschwerdeführerin den dieses Unternehmen vertretenden Geschäftspartnern ihre Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit vorspiegelte (US 10). Ob sie zudem ein „florierendes Geschäft“ (US 9) vortäuschte, ist nicht entscheidend, aus welchem Grund der darauf bezogene Teil der Mängelrüge auf sich zu beruhen hat.

Nach ständiger Judikatur bekundet der Käufer durch den Bezug von Waren auf Kredit nach den Regeln und Gewohnheiten des redlichen Geschäftsverkehrs stillschweigend, dass er den Willen und die Möglichkeit hat, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen (RIS-Justiz RS0094198, RS0094223, RS0094280). Da die als Zeugen vernommenen Geschäftspartner der Beschwerdeführerin nach dem ungerügten Protokoll über die Hauptverhandlung (ON 75 und 81 iVm ON 39 und 58) allesamt genau einen solchen (gewöhnlichen) Geschäftsablauf beschrieben haben, ist die Sicht des Erstgerichts, die Vorspiegelung der Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit folge aus den Aussagen dieser Zeugen (US 17), keineswegs aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall).

Der Einwand der Sanktionsrüge (Z 11), die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher sei gemäß § 21 Abs 3 StGB (gemeint: Abs 2 dritter Satz idF BGBl I 2010/111) bei mit Strafe bedrohten Handlungen gegen fremdes Vermögen, die nicht unter Anwendung von Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) begangen worden sind, unzulässig, schlägt fehl, weil - insoweit unter dem Aspekt des § 61 zweiter Satz StGB bedeutsam (Höpfel/U. Kathrein in WK² § 61 Rz 6) - das Urteil am 3. Dezember 2010 verkündet worden (ON 81 S 1), die angesprochene Novellierung des § 21 StGB aber erst mit 1. Jänner 2011 in Kraft getreten ist (Art 41 BGBl I 2010/111).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die - in der (überflüssigen - s ON 81 S 14) schriftlichen Rechtsmittelanmeldung verfehlt teils als „Beschwerde“ bezeichnete (ON 83 S 3) - Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E98109

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0130OS00043.11I.0714.000

Im RIS seit

08.09.2011

Zuletzt aktualisiert am

17.03.2014
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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