Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 14. Jänner 2006 verstorbenen Dr. Elfriede B*****, über den „außerordentlichen“ Revisionsrekurs der „Dr. Elfriede B***** Stiftung *****“, *****, vertreten durch Dr. Markus Ch. Weinl, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Mai 2011, GZ 42 R 560/10d-245, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 20. April 2010, GZ 1 A 8/06m-231, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Die am 14. 1. 2006 verstorbene Erblasserin hinterließ letztwillige Verfügungen. Sowohl die „Dr. Elfriede B***** Stiftung *****“ (in der Folge: Stiftung) als auch Dr. Christine H***** gaben bedingte Erbantrittserklärungen zum gesamten Nachlass ab.
Im Verfahren über das Erbrecht wies das Erstgericht (ua) den Antrag der Stiftung, ihr alleiniges Erbrecht festzustellen, und die von der Stiftung abgegebene Erbantrittserklärung ab. Hingegen stellte es das alleinige Erbrecht der Dr. Christine H***** fest.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Dagegen erhob die Stiftung einen „außerordentlichen“ Revisionsrekurs, den das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorlegte.
Rechtliche Beurteilung
Die Aktenvorlage ist verfehlt.
1. Gemäß § 62 Abs 3 AußStrG idF des Art 16 Abs 4 BudgetbegleitG, BGBl I 2009/52, ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Bei Entscheidungen in Verlassenschaftssachen handelt es sich regelmäßig um solche rein vermögensrechtlicher Natur (RIS-Justiz RS0122922), weshalb das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen hatte, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder nicht. An diesen - nicht anfechtbaren - Ausspruch ist der Oberste Gerichtshof gebunden, es sei denn, das Rekursgericht hätte zwingende Bewertungsvorschriften verletzt oder eine offenkundige Fehlbewertung vorgenommen (RIS-Justiz RS0109332, RS0007081).
2. Nach Ansicht der Stiftung sei von einem 30.000 EUR übersteigenden Wert des Entscheidungsgegenstands auszugehen, weil eine auf den Todesfall geschenkte Liegenschaft im Inventar „zumindest mit dem Einheitswert“ zu berücksichtigen sei.
Dem ist zu entgegnen:
In dem eine Überschuldung des Nachlasses ausweisenden Inventar des Gerichtskommissärs wurde die auf den Todesfall geschenkte Liegenschaft sowohl auf der Aktiv- als auch der Passivseite entsprechend den Bewertungsregeln des § 167 Abs 2 AußStrG mit dem dreifachen steuerlichen Einheitswert angeführt (ON 121). Davon unabhängig ist die Frage zu prüfen, ob im Rechtsmittelverfahren die bei dem Ausspruch nach § 59 Abs 2 AußStrG sinngemäß anzuwendende zwingende Bewertungsvorschrift des § 60 Abs 2 JN (§ 59 Abs 3 AußStrG) maßgeblich ist. Danach ist bei unbeweglichen Sachen auf den „Steuerwert für die Gebührenbemessung“ abzustellen. Die Bewertung hat aufgrund jenes Betrags zu erfolgen, der im Normalfall für die Bemessung der Grunderwerbssteuer maßgeblich ist; das ist nach § 6 GrEStG der dreifache Einheitswert (2 Ob 64/11t mwN; RIS-Justiz RS0046526).
§ 60 Abs 2 JN ist anzuwenden, wenn eine grundsteuerpflichtige unbewegliche Sache den Streitgegenstand bildet, die Liegenschaft also selbst streitverfangen ist (RIS-Justiz RS0046509). Im Verlassenschaftsverfahren trifft dies nur auf jene Entscheidungen zu, bei denen sich das verfolgte Interesse ausschließlich nach dem Wert einer zum Nachlass gehörigen Liegenschaft bestimmt (5 Ob 203/08a; vgl RIS-Justiz RS0053191). Der Oberste Gerichtshof hat das Vorliegen dieser Voraussetzung im Falle der Anfechtung eines Einantwortungsbeschlusses bereits verneint (5 Ob 203/08a). Dasselbe gilt, wenn Gegenstand der angefochtenen Entscheidung - wie hier - die Feststellung des Erbrechts (§ 161 AußStrG) ist.
Die Verletzung einer zwingenden Bewertungsvorschrift liegt demnach nicht vor. Dass das Rekursgericht bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstands den ihm zukommenden Ermessensspielraum überschritten hätte, wird im Revisionsrekurs nicht einmal behauptet.
3. Der Beschluss des Rekursgerichts ist daher lediglich im Wege einer Zulassungsvorstellung gemäß § 63 AußStrG anfechtbar. Wird dennoch ein (ordentlicher oder außerordentlicher) Revisionsrekurs erhoben, so hat - auch wenn der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist - das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Rekursgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel in der Regel als Anträge iSd § 63 AußStrG zu werten sind; allenfalls ist vorher das Verbesserungsverfahren einzuleiten.
Der Akt ist daher dem Erstgericht zurückzustellen.
Schlagworte
ZivilverfahrensrechtTextnummer
E98225European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0020OB00127.11G.0714.000Im RIS seit
21.09.2011Zuletzt aktualisiert am
18.03.2013