TE OGH 2011/7/14 11Os80/11s

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Veröffentlicht am 14.07.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juli 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Einwagner als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl L***** wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 StGB, AZ 23 Hv 56/09d des Landesgerichts Ried im Innkreis, über den Antrag des Verurteilten Karl L***** auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Erneuerungsantrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 17. März 2011, AZ 23 Hv 56/09d, wurde Karl L***** des Vergehens der falschen Beweisaussage nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Der dagegen vom Angeklagten erhobenen Berufung gab das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom 5. Mai 2011, AZ 7 Bs 134/11x, nicht Folge.

Mit seiner selbst verfassten - an die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Korruption gerichteten - Eingabe vom 9. Mai 2011 begehrte der Verurteilte Karl L***** gestützt auf Art 6 MRK und Art 4 des 7. ZPMRK die Erneuerung des Strafverfahrens und die Hemmung des Strafvollzugs.

Mit Beschluss vom 30. Juni 2011 wies der Oberste Gerichtshof den Antrag des Karl L***** zu 11 Os 67/11d zurück, weil dieser die nach § 363b Abs 2 Z 1 StPO zwingend erforderliche Unterschrift eines Verteidigers nicht aufwies.

Mit dem gegenständlichen, nicht auf ein Erkenntnis des EGMR gestützten (RIS-Justiz RS0122228) Antrag vom 3. Juni 2011 begehrt Karl L***** nunmehr durch seine Verfahrenshilfeverteidigerin (§ 61 Abs 4 StPO) die Erneuerung des Strafverfahrens, wobei auf die Eingabe des „Beschuldigten“ und die dort vorgebrachten Gründe verwiesen und dessen Argumentation zum Vorbringen des Erneuerungsverfahrens erhoben sowie ausgeführt wird, das „angefochtene Urteil“ verletze laut Beschuldigtenvorbringen die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder eines ihrer Zusatzprotokolle.

Rechtliche Beurteilung

Der Erneuerungsantrag erweist sich in mehrfacher Hinsicht als unzulässig.

Bei einem nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf. Demgemäß gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß. So kann der Oberste Gerichtshof unter anderem nur bei Einhaltung einer sechsmonatigen Frist nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung und erst nach der Rechtswegausschöpfung angerufen werden.

Demnach erweist sich der gegen das (am 24. Mai 2007 in Rechtskraft erwachsene) Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 12. März 2007, GZ 10 Hv 11/07p-8, gerichtete Erneuerungsantrag des Karl L***** als verfristet.

Soweit der Betroffene eine Verletzung des Art 6 (Abs 3) lit c MRK behauptet und vorbringt, das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 17. März 2011, GZ 23 Hv 56/09d-53, wäre ebenso mit schweren Mängeln behaftet wie die von seiner Verfahrenshilfeverteidigerin ohne Erörterung des Inhalts eingebrachte Berufungsausführung, ist Folgendes zu erwidern:

Das Gericht ist grundsätzlich nicht berechtigt, die Tätigkeit eines bestellten Verteidigers dahingehend zu überwachen, ob er sein Amt richtig und zweckmäßig ausübt (Fabrizy, StPO10 § 61 Rz 17). Ein Einschreiten (Art 6 Abs 3 lit c MRK) des Staats ist nach der Rechtsprechung des EGMR nur dann geboten, wenn das Fehlen einer ordnungsgemäßen Pflichtverteidigung offensichtlich ist oder die nationalen Behörden von der Nachlässigkeit eines Pflichtverteidigers sonst Kenntnis erlangt haben (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 163; EGMR U 27. 4. 2006 Sannino gg Italien, ÖJZ-MRK 2007/9, 513; 12 Os 182/10x, EvBl 2011/56, 370 mwN). Eine vom Berufungsgericht nicht wahrgenommene habituelle Untüchtigkeit des Verteidigers im erstgerichtlichen Verfahren ist dem Vorbringen nicht zu entnehmen. Darüber hinaus hat das Gericht die Qualität der Verteidiger weder zu prüfen noch zu kontrollieren und auch nicht dagegen einzuschreiten.

Im Übrigen besteht im Berufungsverfahren im Unterschied zum Nichtigkeitsverfahren kein Neuerungsverbot. Der Berufungswerber kann daher auch noch im Gerichtstag neue Tatsachen und Beweise zur Begründung der ergriffenen Berufung geltend machen (vgl Ratz, WK-StPO § 295 Rz 2), wovon Karl L***** laut Protokoll über die Berufungsverhandlung (ON 68 des Hv-Aktes) auch Gebrauch gemacht hat.

Dem auf Art 4 des 7. ZPMRK gegründeten, aber unsubstantiiert gebliebenen Vorwurf mangelt es an einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung der die Grundrechtsverletzung bewirkenden gerichtlichen Entscheidung.

Soweit der Betroffene eine Verletzung in seinem Grundrecht auf ein faires Verfahren erblickt, weil ihm der Einzelrichter des Landesgerichts Ried im Innkreis im Verfahren AZ 23 Hv 56/09d die Übermittlung von Protokollen und anderen Aktenteilen mit der Begründung verweigert habe, dass er durch einen Verteidiger vertreten sei, steht dem Antrag die mangelnde Ausschöpfung des Instanzenzugs entgegen (RIS-Justiz RS0114487).

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E98095

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0110OS00080.11S.0714.000

Im RIS seit

04.09.2011

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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