Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gillinger und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI Dr. M***** R*****, vertreten durch Thiery & Ortenburger Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 112.886,60 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. März 2011, GZ 9 Ra 115/10p-17, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist geklärt, dass für die Abwicklung des Geschäftsführer-Dienstvertrags des nicht mehr amtierenden GmbH-Geschäftsführers ein verbliebener oder ein neu bestellter Geschäftsführer zuständig ist (8 ObA 44/01f mwN). Daraus folgt, dass die Beendigung des Anstellungsvertrags eines GmbH-Geschäftsführers der Generalversammlung als zuständigem Organ obliegt, solange die Organstellung nicht beendet wurde (vgl 9 ObA 71/09w = RIS-Justiz RS0059817; s dazu auch Mosler, Arbeitsrechtliche Aspekte der Beendigung des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers einer GmbH, wbl 2002, 49). Ebenso entspricht es der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung, dass bei Auflösung nur des organschaftlichen Rechtsverhältnisses durch die Generalversammlung ohne „contrarius actus“ für das Anstellungsverhältnis nunmehr für den Geschäftsführer-Dienstvertrag die sachliche Grundlage fehlt (vgl auch Straube/Ratka in Straube, GmbHG § 16 Rz 72; Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht Rz 4/176). Soll das Anstellungsverhältnis als gewöhnlicher Dienstvertrag aufrecht bleiben, so muss eine zumindest konkludente Vereinbarung über ein gewöhnliches Anstellungsverhältnis vorliegen.
Im vorliegenden Fall erfolgte die Kündigung des Klägers vor der Abberufung aus seiner Organfunktion. Die Zuständigkeit zur Kündigung war daher bei der Generalversammlung gelegen.
2. Der Ausspruch der Kündigung des Klägers erfolgte nicht mittels Gesellschafterbeschlusses, sondern durch eine Erklärung zweier mit Gesellschafterbeschluss bevollmächtigter natürlicher Personen.
Die förmliche, aber auch die formlose Willensäußerung der Gesellschafter kommt durch Stimmrechtsausübung zustande. Dem Kläger ist daher darin zuzustimmen, dass die in Rede stehende Bevollmächtigung in eine solche zur Ausübung des Stimmrechts umzudeuten ist.
3. Besondere Förmlichkeiten bei der Beschlussfassung der GmbH werden von der Rechtsprechung jedenfalls dann nicht gefordert, wenn alle Gesellschafter zustimmen (RIS-Justiz RS0059949). Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass für eine wirksame Auflösung des Anstellungsverhältnisses des Klägers eine (gemeint förmliche) Beschlussfassung der Generalversammlung nicht zwingend erforderlich sei, ist daher nicht korrekturbedürftig.
Die Frage nach den Anforderungen an eine Stimmrechtsvollmacht im Sinn des § 39 Abs 3 GmbHG kann der Kläger in der außerordentlichen Revision aber nicht mehr aufgreifen. Die erforderliche Qualität einer Vollmacht zur Stimmrechtsausübung und daran anknüpfend die Wirksamkeit der Vollmacht vom 19. 1. 2009 wurde in der Berufung des Klägers nicht thematisiert. Hatte der Revisionswerber schon in der Berufung Gelegenheit zur Darlegung eines selbständigen rechtlichen Arguments und hat er darauf nicht zurückgegriffen, so kann er dieses Argument nicht mehr zur Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage im Rahmen einer außerordentlichen Revision heranziehen.
Dem Kläger ist durchaus darin zuzustimmen, dass die Abberufung des Geschäftsführers aus der Organstellung von der herrschenden Meinung als zwingende Kompetenz der Gesellschafter angesehen wird, weshalb eine Delegation an ein anderes Organ als nicht zulässig beurteilt wird (Straube/Ratka aaO § 16 Rz 5; Nowotny aaO Rz 4/282). Die Frage, ob diese Beurteilung auf die Auflösung eines Anstellungsvertrags zu übertragen ist, stellt sich nicht. Eine Delegation im Sinn einer generellen Zuständigkeitsverlagerung von der Generalversammlung auf ein anderes Organ (vgl Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht 403) darf nicht mit einer Bevollmächtigung verwechselt werden.
Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, mit seiner außerordentlichen Revision eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Das Rechtsmittel war daher zurückzuweisen.
Schlagworte
11 Arbeitsrechtssachen,Gruppe: Handelsrecht,Gesellschaftsrecht,WertpapierrechtTextnummer
E98261European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:008OBA00049.11F.0715.000Im RIS seit
21.09.2011Zuletzt aktualisiert am
30.04.2013