Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Dipl.-Ing. Dr. A***** D*****, vertreten durch Dr. Dieter Böhmdorfer Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die Antragsgegner 1. A***** Privatstiftung, *****, 2. Dr. F***** M*****, beide vertreten durch Dr. Hubertus Schumacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Abberufung des Zweitantragsgegners als Mitglied des Stiftungsvorstands der Erstantragsgegnerin, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 13. Jänner 2011, GZ 3 R 170/10i-210, mit dem der Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 14. Oktober 2010, GZ 47 Fr 4066/09m-182, zurückgewiesen wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Erstantragsgegnerin ist eine im Firmenbuch des Landesgerichts Feldkirch zu FN ***** eingetragene Privatstiftung; deren Stifter sind der Antragsteller und sein Sohn Ing. M***** D*****. Die Stiftung, deren Vertretung durch zumindest zwei Mitglieder des aus drei Personen bestehenden Stiftungsvorstands erfolgt, hält 80 % der Aktien der D***** AG. Ihr Stiftungszweck besteht in der Ausstattung und Unterstützung des Lebensunterhalts im Allgemeinen sowie in der wirtschaftlichen Förderung im weitesten Sinn von Personen, die der Stiftungsvorstand bestimmt, weiters in der Erhaltung sowie der Anlage von Vermögenswerten aller Art und in deren Verwaltung, insbesondere auch von Immobilien und Beteiligungen.
Die Stiftung verfügt über einen Beirat, der sich aus den beiden Stiftern zusammensetzt.
Der Zweitantragsgegner ist Vorsitzender des Stiftungsvorstands.
Der Antragsteller strebt die Abberufung des Zweitantragsgegners gemäß § 27 PSG aufgrund mehrerer behaupteter Pflichtverletzungen an.
Das Erstgericht wies diesen Antrag mangels Antragslegitimation zurück, wertete dessen Ausführungen aber als Anregung zur Abberufung des Zweitantragsgegners und verneinte das Vorliegen der behaupteten Pflichtverletzungen.
Das Rekursgericht wies den Rekurs des Antragstellers zurück und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob ein (aktuell) Begünstigter einer Privatstiftung allein aufgrund dieser Funktion berechtigt ist, einen Antrag auf Abberufung eines Vorstandsmitglieds der Privatstiftung zu stellen.
In der Sache selbst verneinte das Rekursgericht diese Frage vor allem im Hinblick auf den Wortlaut des § 27 PSG. Der Antragsteller könne seine Antragslegitimation aber auch nicht aus seiner Stellung als Mitstifter oder als Beiratsmitglied ableiten, weil die Stiftungsurkunde einvernehmliches Vorgehen der Stifter und Beiratsmitglieder anordne; ein derartiges Einvernehmen liege aber nicht vor. Im Übrigen sei es fraglich, ob dem Beirat überhaupt die Möglichkeit eingeräumt worden sei, ein Vorstandsmitglied abzuberufen oder einen darauf abzielenden Antrag zu stellen; die Stiftungsurkunde sehe nämlich ein Mitwirkungsrecht nur hinsichtlich der Nominierung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.
1. Auf die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage ist nicht näher einzugehen, weil sich der Antragsteller im Revisionsrekurs nicht mehr auf seine bisher von ihm behauptete Antragslegitimation als Begünstigter der Erstantragsgegnerin stützt.
2. Der Antragsteller stützt sich auch nicht mehr auf seine (angebliche) Antragslegitimation als Mitstifter der Erstantragsgegnerin.
3. Der Verneinung seiner Antragslegitimation als Beiratsmitglied durch die Vorinstanzen hält der Antragsteller im Revisionsrekurs die ebenfalls zur Erstantragsgegnerin ergangene Entscheidung 6 Ob 305/01y entgegen; daraus lasse sich ableiten, dass dieses Einstimmigkeitsprinzip nur für die Abberufung von Vorstandsmitgliedern gelte, nicht jedoch für eine Antragstellung nach § 27 Abs 2 PSG.
3.1. Nach § 27 Abs 1 PSG hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen, soweit die nach Gesetz oder Stiftungserklärung vorgeschriebenen Mitglieder von Stiftungsorganen fehlen, diese zu bestellen. Nach § 27 Abs 2 PSG hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen ein Mitglied eines Stiftungsorgans abzuberufen, wenn dies die Stiftungserklärung vorsieht oder sonst ein wichtiger Grund vorliegt. § 27 Abs 2 PSG zählt sodann beispielhaft wichtige Gründe auf. Die Antragslegitimation ist dabei im PSG nicht gesondert geregelt (6 Ob 145/09f ZfS 2009, 192 [Lauss/Lang; Eiselsberg, 152; Oberndorfer, 164] = PSR 2009/17 [Winner; Limberg, PSR 2010/3] = GeS 2009, 336 [Mager] = ecolex 2010/20 [Reich-Rohrwig; Limberg, 254] = GesRZ 2010, 63 [Kalss; Arnold, 348] = JEV 2010/1 [Kerschbaum/Janovsky, JEV 2010/14] = RdW 2009/807 [Nowotny, 747]; N. Arnold, PSG² [2007] § 27 Rz 28). Es gelten daher die allgemeinen Grundsätze des Außerstreitverfahrens (§ 40 PSG). Demnach sind Personen antragslegitimiert, denen ein rechtliches Interesse zukommt (ErläutRV 1132 BlgNR 18. GP 30). Die Gesetzesmaterialien führen als „Beteiligte“ an der Privatstiftung, denen ein rechtliches Interesse am ordnungsgemäßen Funktionieren der Stiftung zukomme, neben dem Begünstigten in erster Linie die Stiftungsorgane und deren Mitglieder an (6 Ob 305/01y JBl 2002, 723 [Torggler]; 6 Ob 231/02t).
3.2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach (in zum Teil die Erstantragsgegnerin betreffenden Verfahren) ausgeführt, die Beteiligtenstellung hänge vom Inhalt der die Organisation der Privatstiftung festlegenden Stiftungserklärungen ab (6 Ob 305/01y JBl 2002, 723 [Torggler]; 6 Ob 231/02t); es sei auf die konkreten Bestimmungen der Stiftungserklärung abzustellen, insbesondere darauf, ob darin dem Betreffenden subjektive Rechte eingeräumt werden, die gerade durch die dann bekämpfte Beschlussfassung beeinträchtigt werden (6 Ob 85/01w GesRZ 2002, 30; 6 Ob 116/01d GesRZ 2002, 33; 6 Ob 305/01y; 6 Ob 231/02t; 6 Ob 291/02s).
Die Stiftungserklärung der Erstantragsgegnerin sieht zur Abberufung des Stiftungsvorstands oder dessen Mitgliedern Einvernehmen der Stifter vor. Aus dieser Gleichberechtigung der (beiden) Stifter hat der Oberste Gerichtshof in der vom Antragsteller erwähnten Entscheidung 6 Ob 305/01y geschlossen, dass dem einzelnen Stifter ein eigenständiges, selbstständig auszuübendes Abberufungsrecht nicht zukomme; er könne lediglich die Einleitung eines amtswegigen Abberufungsverfahrens anregen.
3.3. In der Entscheidung 6 Ob 291/02s hat der Oberste Gerichtshof unter ausdrücklichem Rückgriff auf die Vorentscheidung 6 Ob 305/01y neuerlich darauf hingewiesen, dass Stiftungsurkunde (und Stiftungszusatzurkunde) den beiden Mitstiftern der Erstantragsgegnerin „nur“ gemeinsam auszuübende Rechte und Zustimmungsbefugnisse einräumen und „keinem von ihnen eigenständige, selbstständig auszuübende Abberufungs- oder Bestellungsrechte zustehen“.
3.4. Der (nunmehr) in der Stiftungsurkunde geregelte Beirat fand sich ursprünglich in der Stiftungszusatzurkunde der Erstantragsgegnerin (vgl dazu 6 Ob 166/05p JBl 2006, 521 [Torggler] = NZ 2006, 347 [Andrae]). In der Entscheidung 6 Ob 305/01y verneinte deshalb der Oberste Gerichtshof die Organqualität des Beirats und führte abschließend aus, „mangels Organstellung des hier eingerichteten Beirats ist aber auch der [Antragsteller] als Mitglied dieses Beirats nicht zur Antragstellung auf Abberufung des Vorstands legitimiert; … seine Antragslegitimation im Zusammenhang mit der Abberufung des Stiftungsvorstands hängt [aber] davon ab, ob dieser Beirat als weiteres Organ der Stiftung wirksam errichtet wurde“.
3.5. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen fasst (auch) der Beirat der Erstantragsgegnerin seine Beschlüsse einstimmig. Angesichts der zahlreichen (zitierten) Vorentscheidungen des Obersten Gerichtshofs konkret zur Erstantragsgegnerin erscheint die Auffassung des Rekursgerichts, den vom Obersten Gerichtshof betonten Einvernehmlichkeitsgrundsatz auch auf den Beirat anzuwenden, durchaus nicht unvertretbar.
3.6. Angesichts seiner jüngeren Rechtsprechung, die zum Zeitpunkt der zweitinstanzlichen Entscheidung zum Teil noch nicht veröffentlicht war, vermag sich der Oberste Gerichtshof der vom Rekursgericht vertretenen Auffassung aber nicht anzuschließen:
Der erkennende Senat hat nunmehr klargestellt, dass für Begehren auf Abberufung von Vorstandsmitgliedern nicht nur den Stiftungsorganen, sondern auch einzelnen Organmitgliedern Parteistellung zukommt, weil dies nicht dem Schutz von Individualinteressen, sondern dem Ausgleich eines bei der Privatstiftung bestehenden strukturellen Kontrolldefizits dient (6 Ob 195/10k JBl 2011, 321 [Karollus] = ecolex 2011/176 [Rizzi]; 6 Ob 82/11v; vgl auch 6 Ob 240/10b ZfS 2011, 28). Diese Entscheidungen betreffen zwar die Mitglieder des Stiftungsvorstands; Karollus (JBl 2011, 321 [Entscheidungsanmerkung zu 6 Ob 195/10k]) hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass diese Überlegungen auch für andere Organe der Stiftung gelten würden, also etwa für einen Beirat mit Organqualität (so auch N. Arnold, PSG² [2007] § 27 Rz 29).
Dass die Beiratsmitglieder der Erstantragsgegnerin dem Einvernehmlichkeitsprinzip unterliegen, vermag angesichts des angestrebten Zwecks eines Ausgleichs bestehender struktureller Kontrolldefizite ebenso wenig die Antragslegitimation eines einzelnen Beiratsmitglieds hindern wie der Umstand, dass der Beirat selbst zur Abberufung von Vorstandsmitgliedern nach der Satzung möglicherweise gar nicht berufen ist. Maßgeblich ist nämlich nicht die Fähigkeit zur (eigenmächtigen) Abberufung, sondern die Antragslegitimation nach § 27 PSG; die Abberufung hätte dann bei Vorliegen von Abberufungsgründen das Gericht vorzunehmen.
4. Das Gericht hat „Anträgen“ nicht antragslegitimierter Personen von Amts wegen nachzugehen und gegebenenfalls ein Verfahren nach § 27 PSG einzuleiten (N. Arnold, PSG² [2007] § 27 Rz 30). Dies hat das Erstgericht hier auch getan und keine Pflichtverletzungen des Zweitantragsgegners angenommen. Das Rekursgericht hat sich aufgrund seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht mit den im Rekurs des Antragstellers enthaltenen Ausführungen zu den behaupteten Pflichtverletzungen nicht auseinandergesetzt. Dies wird es im fortzusetzenden Rekursverfahren nunmehr nachzuholen haben.
5. Dem Revisionsrekurs des Antragstellers war daher Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG.
Schlagworte
Gruppe: Handelsrecht,Gesellschaftsrecht,WertpapierrechtTextnummer
E98146European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0060OB00098.11X.0718.000Im RIS seit
09.09.2011Zuletzt aktualisiert am
12.10.2012