Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** R*****, vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Lins KG in Bludenz, gegen die beklagte Partei W***** S*****, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in Schruns, und der Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei M***** J*****, vertreten durch Dr. Fritz Miller, Rechtsanwalt in Schruns, wegen Feststellung und Einwilligung (Streitwert 5.800 EUR), über die Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 31. Mai 2010, GZ 1 R 186/10a-29, womit das Urteil des Bezirksgerichts Montafon vom 9. April 2010, GZ 1 C 54/09p-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, ob bei Bestehen eines obligatorischen Anspruchs auf Zustimmung zur Einverleibung des Eigentums das Begehren auf Zuschreibung dieses Liegenschaftsteils an eine andere als die im Vertrag angeführte Liegenschaft zulässig sei. Der Beklagte schloss sich dieser Begründung der Zulässigkeit der Revision an. Die Nebenintervenientin und der Kläger erstatteten zur Zulässigkeitsfrage kein besonderes Vorbringen.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Der vom Kläger geltend gemachte schadenersatzrechtliche Herausgabeanspruch nach der Doppelveräußerung einer unbeweglichen Sache kann auf der Grundlage der dazu bereits vorliegenden ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beurteilt werden. Die fallspezifischen Einwände des Beklagten und der Nebenintervenientin begründen keine erhebliche Rechtsfrage im vorstehenden Sinn. Die Zurückweisung der ordentlichen Revisionen kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Im Fall der Doppelveräußerung einer Liegenschaft führen Eintragungsprinzip und Rangprinzip zum Eigentumserwerb desjenigen, der zuerst eingetragen wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht aber demjenigen, der die Liegenschaft als Erster außerbücherlich erworben und in Besitz genommen hat, ein schadenersatzrechtlicher Herausgabeanspruch (Naturalrestitution nach § 1323 ABGB) zu, wenn der Zweiterwerber das - durch den Besitz des Ersterwerbers verstärkte - Forderungsrecht kannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen musste (6 Ob 169/07g mwN; RIS-Justiz RS0011224, RS0113118 ua). Entgegen der Auffassung des Beklagten steht der Schadenersatzanspruch des Ersterwerbers nicht bloß bei einem Wissen des Zweiterwerbers bezüglich des Forderungsrechts des Ersterwerbers zu. Der Herausgabeanspruch besteht vielmehr schon dann, wenn der Zweiterwerber leicht fahrlässig das durch den Besitz verstärkte Forderungsrecht des Ersterwerbers nicht erkannte (6 Ob 169/07g ua). Das Berufungsgericht konnte daher die vom Erstgericht angenommene, vom Beklagten jedoch bestrittene positive Kenntnis des Zweiterwerbers dahingestellt lassen. Umstände, die für einen außerbücherlichen Erwerb sprechen - wie etwa die Errichtung eines Zaunes - nehmen dem bücherlich Eingetragenen den guten Glauben (RIS-Justiz RS0011233 ua). Derartige Umstände liegen auch hier vor, nachdem der Kläger die strittige Fläche schon vor geraumer Zeit in Besitz genommen, asphaltiert und durch eine Mauer vom restlichen Grundstück abgetrennt hatte. Das Berufungsgericht ging daher vertretbar davon aus, dass der Beklagte das - durch den Besitz des Klägers verstärkte - Forderungsrecht bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen musste. Darauf gehen die Revisionswerber nicht näher ein, sondern bestreiten nur die positive Kenntnis des Beklagten, auf die es aber bei der gegenständlichen Konstellation nach der Rechtsprechung nicht ankommt.
Die vorliegende, auf Naturalrestitution gerichtete Schadenersatzklage des Klägers bezieht sich auf eine in der Klage bzw im Spruch des Ersturteils durch Bezugnahme auf eine bestimmte Grundstücksnummer und auf einen bestimmten Vermessungsplan näher spezifizierte „Teilfläche 1“. Diese soll von einem näher bezeichneten Grundstück lastenfrei abgeschrieben und einem anderen näher bezeichneten angrenzenden Grundstück zugeschrieben werden. Der Beklagte und die Nebenintervenientin beanstanden nun, dass die Teilfläche 1 laut Kaufvertrag des Klägers mit der früheren Eigentümerin vom 24. 3. 1981 einem anderen angrenzenden Grundstück des Klägers, als in der Klage begehrt, zugeschrieben werden sollte. Dabei übergehen sie aber, dass der Kläger vom Beklagten nicht etwa die Zuhaltung einer mit dem Beklagten abgeschlossenen Vereinbarung, sondern vielmehr Schadenersatz zufolge Eingriffs in sein Forderungsrecht aus dem Vertrag mit einer dritten Person begehrt. Die Naturalrestitution besteht hier - soweit es den Beklagten betrifft - in der Herausgabe der von der früheren Eigentümerin doppelt veräußerten und letztlich zugunsten des Beklagten verbücherten Teilfläche 1. Die Herausgabe dieser Teilfläche 1 wird durch deren Abschreibung vom Grundstück des Beklagten realisiert. Die anschließende Zuschreibung der solcherart abgeschriebenen Teilfläche 1 bei einem Grundstück des Klägers dient nur der grundbücherlichen Umsetzung des Erwerbs auf Seite des Klägers; der Beklagte wird davon im vorliegenden Fall nicht weiter tangiert.
Eintragungen zur Erwerbung des Eigentums einzelner Bestandteile eines Grundbuchkörpers sind gemäß § 11 Allgemeines Grundbuchsgesetz 1955 (GBG 1955), BGBl 1955/39, nur nach den Bestimmungen des Liegenschaftsteilungsgesetzes (LiegTeilG), BGBl 1930/3, zulässig. Gemäß § 74 Abs 1 GBG 1955 ist die Abschreibung des Bestandteils eines Grundbuchskörpers und seine Zuschreibung zu einem anderen Grundbuchskörper oder die Eröffnung einer neuen Einlage für diesen Bestandteil nur dann zulässig, wenn der abzuschreibende Teil genau, nötigenfalls durch Pläne, bezeichnet ist und wenn die das Begehren begründenden Urkunden den zu einer Einverleibung des Eigentumsrechts vorgeschriebenen Erfordernissen entsprechen. Gemäß § 74 Abs 2 GBG 1955 ist bei der Durchführung der Abschreibung nach den Bestimmungen des LiegTeilG vorzugehen. Dieses Gesetz hat die grundbücherliche Teilung, Abschreibung und Zuschreibung von Grundstücken zum Gegenstand und regelt deren Voraussetzungen, deren Vorliegen - mangels anderer gesetzlicher Anordnung - ausschließlich von dem zur Durchführung berufenen Grundbuchsgerichten zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0066243 ua). Das LiegTeilG sieht bezüglich der Abschreibung diverse Zustimmungsrechte Buchberechtigter vor (siehe insbesondere §§ 3, 4 LiegTeilG). Für die anschließende Zuschreibung sind in diesem Zusammenhang keine besonderen Zustimmungsrechte normiert. Der Beklagte und die Nebenintervenientin vermögen auch nicht anzugeben, inwieweit durch die vom Kläger begehrte Zuschreibung der Teilfläche 1 zu einem bestimmten Grundstück - über die Veränderung der Rechtsposition des Beklagten durch die Abschreibung hinausgehend - in die Rechtsposition des Beklagten eingegriffen wird (vgl etwa auch Mahrer in Kodek, Grundbuchsrecht § 3 LiegTeilG Rz 3 ua). Der diesbezügliche Einwand der Revisionswerber geht daher, ohne eine erhebliche Rechtsfrage zu begründen, ins Leere.
Richtig ist, dass im Kaufvertrag des Klägers vom 24. 3. 1981 davon die Rede ist, dass die Teilfläche 1 ein Ausmaß von 34 m² habe, während in der Klage von einem Ausmaß von 35 m² die Rede ist. Der Kläger erklärte diese Diskrepanz bezüglich des Ausmaßes mit der höheren technischen Genauigkeit aktueller Messungen gegenüber früheren Messungen. Diese Frage kann hier dahingestellt bleiben, denn die Abweichung hat für die Berechtigung des Klagebegehrens keine Bedeutung. Im vorliegenden Fall geht es ausschließlich um die ausreichende Bestimmtheit des Herausgabebegehrens. Dass die Teilfläche 1 trotz Angabe der Grundstücksnummer und trotz Bezugnahme auf einen bestimmten Vermessungsplan nicht hinreichend bestimmt sei, wurde von Beklagtenseite nicht eingewendet. Die Angabe des Flächenausmaßes hat im Hinblick darauf, dass die Grenzen der Teilfläche 1 durch den Vermessungsplan genau umrissen sind, nur illustrativen Charakter.
Zuletzt weisen der Beklagte und die Nebenintervenientin zutreffend darauf hin, dass gemäß § 39 Abs 1 Vorarlberger Raumplanungsgesetz (Vlbg RPG), LGBl 1996/39, Grundstücke nur mit Bewilligung des Gemeindevorstands geteilt werden dürfen. Gemäß § 40 Abs 4 Vlbg RPG tritt die Bewilligung außer Kraft, wenn die Teilung des Grundstücks nicht innerhalb von drei Jahren nach Rechtskraft des Bescheids grundbücherlich durchgeführt wird. Die Revisionswerber wollen nun aus dem Umstand, dass die gemeindebehördliche Bewilligung der gegenständlichen Teilung mangels rechtzeitiger Verbücherung durch den Kläger wieder außer Kraft getreten sei, ableiten, dass der Kaufvertrag des Klägers nichtig sei. Dieser Überlegung kann jedoch nicht beigetreten werden; sie vermag auch keine erhebliche Rechtsfrage zu begründen. Der Oberste Gerichtshof hat nämlich bereits mehrfach zu vergleichbaren landesgesetzlichen Vorschriften klargestellt, dass es bei der behördlichen Genehmigungspflicht bestimmter Grundteilungen um kein gesetzliches Teilungsverbot geht (vgl 5 Ob 205/73, JBl 1975, 206; 5 Ob 107/07g mwN ua). Nicht die Rechtsgeschäfte an sich sind genehmigungspflichtig, sondern nur bestimmte, aufgrund solcher Rechtsgeschäfte vorzunehmende Veränderungen im Gutsbestand eines Grundbuchskörpers (vgl RIS-Justiz RS0033368 ua). Auch das Vlbg RPG verbietet die Teilung von Grundstücken nicht schlechthin, sondern bestimmt in § 39 Abs 3 vielmehr, dass die Bewilligung zu erteilen ist, sofern nicht ein in § 39 Abs 2 RPG genannter Versagungsgrund vorliegt (zB wenn die Teilung dem Flächenwidmungsplan widerspricht oder ein Grundstück ohne triftigen Grund zerstückelt wird). Wird die Grundteilung behördlich versagt, dann begründet dies keine ursprüngliche Unmöglichkeit, sondern die Erbringung der Leistung wird nachträglich unerlaubt und rechtlich unmöglich (vgl 5 Ob 205/73, JBl 1975, 206; 5 Ob 107/07g mwN ua). Im vorliegenden Fall behaupten die Revisionswerber aber weder ein gesetzliches Teilungsverbot noch einen die konkrete Teilungsmaßnahme versagenden Verwaltungsbescheid. Sie stellen auch gar nicht in Abrede, dass die Teilung ohnehin schon einmal behördlich bewilligt wurde. Sie machen lediglich geltend, dass die Bewilligung zufolge unterlassener Verbücherung wieder außer Kraft getreten sei. In einem derartigen Fall wird es daher am Kläger liegen, gemäß §§ 39, 40 Vlbg RPG eine neue Genehmigung zu erwirken und diese mit dem Grundbuchsantrag vorzulegen (vgl Mahrer in Kodek, Grundbuchsrecht §§ 1, 2 LiegTeilG Rz 8, 20; Rassi, Grundbuchsrecht Rz 507 ua). Ein Grund, der dem Herausgabebegehren des Klägers die Berechtigung nehmen würde, liegt insoweit nicht vor.
Die Rüge in der Revision des Beklagten, das Berufungsverfahren sei mangelhaft (§ 503 Z 2 ZPO), wurde geprüft, erwies sich aber als nicht berechtigt. Diese Beurteilung bedarf keiner Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Es genügt der Hinweis, dass es auf die in der Berufung gegen das Ersturteil gerügten Feststellungen aus rechtlichen Gründen nicht ankommt. Im Übrigen ist die Überprüfung der Beweiswürdigung dem Obersten Gerichtshof entzogen (Kodek in Rechberger, ZPO³ § 503 Rz 1 ua).
Da die Revisionswerber keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen, sind ihre Revisionen zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Revisionsgegner hat nicht auf die Unzulässigkeit der Revisionen hingewiesen; er hat daher die Kosten seiner Revisionsbeantwortungen selbst zu tragen (RIS-Justiz RS0035979 ua).
Textnummer
E98124European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0090OB00057.10P.0727.000Im RIS seit
06.09.2011Zuletzt aktualisiert am
08.10.2012