Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Z***** P*****, vertreten durch Dr. Andreas Löw, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Österreichischer Rundfunk, Würzburggasse 30, 1130 Wien, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 23.614,06 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 25. Jänner 2011, GZ 9 Ra 159/10h-21, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 3. Mai 2010, GZ 9 Cga 97/08m-17, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.400,04 EUR (darin 233,34 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bis 31. 12. 2003 als freier Mitarbeiter (Regisseur) beim Beklagten beschäftigt. Mit Wirksamkeit zum 1. 1. 2004 wurde zwischen den Streitteilen ein Dienstvertrag gemäß § 4 Abs 1 Z 1 des Kollektivvertrags für Arbeitnehmer des Österreichischen Rundfunks vom 17. 3. 2003 auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und der Kläger in die Verwendungsgruppe 15 eingestuft.
In weiterer Folge wurde dem Kläger für das Jahr 2004 eine zwölfmal jährlich zu leistenden Mehrdienstpauschale (MDP) in Höhe von 1.403,70 EUR brutto monatlich zugesagt. In der Vereinbarung wurde festgehalten, dass nach Ablauf dieses Zeitraums weder dem Grunde noch der Höhe nach ein Rechtsanspruch auf die Gewährung einer MDP besteht und mit ihr sämtliche Ansprüche, die mittels Dienst-, Überstunden- und Zulagenblattes geltend zu machen sind, zur Gänze abgegolten sind. Wortgleiche Vereinbarungen wurden für die Jahre 2005, 2006 und 2007 abgeschlossen, wobei sich nur die Höhe der auszuzahlenden MDP änderte. Eine verbindliche Zusage des Beklagten, dass der Kläger die MDP unbefristet erhalte, wurde nicht gemacht.
Der Kläger begehrte zuletzt 23.614,06 EUR brutto sA für den Zeitraum 1. 1. 2008 bis 28. 2. 2010 und brachte vor, der Beklagte verweigere ihm seit 1. 1. 2008 die MDP. Der Erhalt der MDP sei vor allem darauf zurückzuführen gewesen, dass der Übergang vom freien Mitarbeiter zum Angestellten mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen verbunden gewesen sei und diese durch die Pauschale zum Teil ausgeglichen werden hätten sollen. Trotz der Befristungsvereinbarung könne er aufgrund der Gewährung der MDP über einen längeren Zeitraum davon ausgehen, dass diese Leistung Teil seines Entgelts sei und weiterhin gewährt werde. Andere Personen würden sehr wohl weiter die Pauschale erhalten.
Der Beklagte bestritt dies und beantragte Klagsabweisung, weil sämtliche Vereinbarungen über die Gewährung der MDP befristet gewesen seien. Bei einer Überprüfung im Jahr 2007 habe sich herausgestellt, dass beim Kläger das Verhältnis von Mehrleistungen und Mehrdienstpauschale eine „gewisse Disharmonie“ zeige, sodass ab 2008 mit ihm keine weitere MDP mehr vereinbart worden sei.
Außer Streit steht (AS 39), dass Bezieher von Mehrdienstleistungspauschalen keinen Anspruch auf folgende Zulagen haben: UD-Zulage monatlich, Nachtdienstzulage, Wochenenddienstzulage, U-Dienst pro Stunde, Überstundengrundentgelt, 50%-iger, 75%-iger und 100%-iger Überstundenzuschlag, Mindestfreizeit Normalstunden, Feiertagsentgelt 175 %, sämtliche Zuschläge und Grundentgelt für die 9. Stunde.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf noch folgende Feststellungen:
Neben der Abgeltung der Mehrdienstleistungen ist es Ziel der MDP, Verluste, die den selbständigen bzw freien Mitarbeitern durch die Übernahme in ein Angestelltenverhältnis beim Beklagten entstanden sind, durch eine Form von Entgelt auszugleichen. Die Alternative der Einreihung der Arbeitnehmer in eine höhere Verwendungsgruppe war nämlich nicht im Sinne der Geschäftsführung. Die Vereinbarung einer MDP wird immer im Vorhinein abgeschlossen. Es wurden der Grundlohn und die Mehrdienstleistungen ausgerechnet und der Dienstnehmer dann entsprechend eingestuft. Vereinzelt wurden auch höhere Verwendungsgruppen vergeben, zB hätte der Kläger auch in Verwendungsgruppe 13 (statt Verwendungsgruppe 15) verbleiben können. Bei der Beurteilung, ob einem Dienstnehmer die MDP gewährt werden soll, ist eine Prognose zu stellen, welchen Arbeitsaufwand der Dienstnehmer voraussichtlich in der Periode, für die die MDP zustehen soll, haben wird. Die Gewährung der MDP steht somit unter dem Vorbehalt, dass die Leistungen auch tatsächlich erbracht werden. Dem Kläger wurde 2008 keine weitere MDP mehr angeboten, weil die Mehrleistungen nicht in dem der MDP entsprechenden Ausmaß notwendig waren und sich herausstellte, dass die tatsächlichen vom Kläger geleisteten Mehrdienstleistungen nicht die Höhe der MDP erreicht haben. Anstatt einer MDP für den Zeitraum 1. 1. 2008 bis 30. 6. 2008 in der Höhe von 9.003,54 EUR wurden ihm die tatsächlichen Überstunden inklusive Zulagen etc in Höhe von 4.423,31 EUR ausbezahlt. Ein weiterer Mitarbeiter des Beklagten, der in derselben Abteilung wie der Kläger und im selben Tätigkeitsbereich arbeitet, erhielt die MDP 2008 und unterfertigte auch eine Vereinbarung für 2009. Dieser hatte die gesamte Berichterstattung über den Irak-Krieg gemacht und machte auch sehr viel öfter als der Kläger die teilweise unerfreulichen Sonderdienste zu Weihnachten, Ostern und an sonstigen Feiertagen. Rechtlich stützte das Erstgericht die Klagsabweisung darauf, dass die MDP jeweils befristet worden sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Zur Ansicht des Klägers, die Befristungen seien nicht sachlich gerechtfertigt und daher nach der Kettenvertragsjudikatur sittenwidrig und nichtig, führte es aus, Kettenarbeitsverträge seien nur dann rechtmäßig, wenn die Aneinanderreihung einzelner auf bestimmte Zeit abgeschlossener Arbeitsverträge im Einzelfall durch besondere soziale oder wirtschaftliche Gründe gerechtfertigt sei. Bei einer Überstundenpauschale bestehe die Möglichkeit zu vereinbaren, dass diese vom Arbeitgeber widerrufen oder unter bestimmten Umständen auf Einzelverrechnung übergegangen werden könne. Konkret sei etwa die Zulässigkeit eines Widerrufs für den Fall einer Verschlechterung des Geschäftsgangs des Arbeitgebers bejaht worden (9 ObA 143/90). Der Vorbehalt, am Jahresende die tatsächlich geleisteten Überstunden den bereits gezahlten gegenüberzustellen, sei im Sinne der Vereinbarung eines Vorbehalts, die Pauschalabrechnung zu widerrufen, qualifiziert worden (9 ObA 91/07h). Der auf das Dienstverhältnis der Streitteile anwendbare Kollektivvertrag sehe in § 20 Abs 9 ausdrücklich die Möglichkeit für beide Arbeitsvertragsparteien vor, von der Vereinbarung einer MDP jederzeit mit Wirkung zum folgenden Monatsletzten zurückzutreten. Zwar sei dogmatisch zwischen einem Widerrufsvorbehalt und einer Befristung zu unterscheiden. Änderungsvorbehalte dürften vom Arbeitgeber nur innerhalb der Grenzen billigen Ermessens ausgeübt werden, während Teilbefristungen den Vertragsinhalt nach Fristablauf grundsätzlich automatisch änderten. Bei einem Auseinanderklaffen der realen Mehrleistungen und der Höhe der Pauschale wäre ein Widerruf jedoch nicht unbillig. Letztlich werde mit der vorliegenden Regelung der Mehrfachbefristung der MDP dasselbe Ergebnis erzielt wie mit dem - im Kollektivvertrag ohnedies vorgesehenen - Widerrufsvorbehalt bei einer unbefristeten Vereinbarung. Die in der Entscheidung 9 ObA 234/93 zur Rechtfertigung der Mehrfachbefristung einer Entgeltregelung angeführten Argumente der Verhinderung der Umgehung des Kündigungsschutzes kämen hier nicht zum Tragen. Die Vereinbarung sei daher nicht den Regeln über Kettenarbeitsverträge zu unterwerfen. Die Vereinbarung einer MDP stelle schließlich - hinsichtlich des nicht durch tatsächliche Mehrleistungen abgedeckten Teils der Pauschale - eine Vergünstigung des Klägers dar. Auf eine Mehrfachbefristung von Sondervergünstigungen („Prämie aus besonderem Anlass“) wende die Rechtsprechung jedoch explizit nicht die Regeln über Kettenverträge an (9 ObA 81/99y). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes liege nicht vor, weil der Kollege des Klägers mehr Dienste leiste. Die Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Mehrfachbefristung einer Mehrdienstpauschale fehle.
Die Revision ist aus diesem Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof teilt die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, sodass zunächst darauf verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Zu Mehrfachbefristungen von Arbeitsverträgen ist es ständige Rechtsprechung, dass sie nur dann rechtmäßig sind, wenn die Aneinanderreihung einzelner auf bestimmte Zeit abgeschlossener Arbeitsverträge im Einzelfall durch besondere soziale oder wirtschaftliche Gründe gerechtfertigt ist, weil sonst die Gefahr der Umgehung zwingender, den Dienstnehmer schützender Rechtsnormen durch den Dienstgeber und einer darin zum Ausdruck kommenden rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Dienstverträgen besteht (vgl RIS-Justiz RS0028327).
Auch die Mehrfachbefristung einzelner Vertragsbestandteile kann für den Arbeitnehmer mit schwerwiegenden Nachteilen verbunden sein, weil der Arbeitgeber durch eine Befristung die ansonsten zum Erreichen seiner Absichten notwendige Änderungskündigung vermeiden und auf diese Weise den Änderungskündigungsschutz umgehen kann (vgl Kuderna, Die Befristung einzelner Elemente des Arbeitsvertrags, RdA 1999, 329). Daher wurde bereits in der Entscheidung 9 ObA 234/93, der eine jeweils auf ein Jahr befristete Provisionsregelung zugrunde lag und die vom Arbeitgeber dazu eingesetzt wurde, den Arbeitnehmer durch erhöhte Umsatzvorgaben erfolgsorientiert anzuspannen, ausgesprochen, dass dieses Provisionsregulierungssystem der Beklagten ähnlich verpönte Umgehungstendenzen wie das System der Kettenverträge enthält, sodass wie dort bereits die zweite Befristung auf ihre sachliche Rechtfertigung zu prüfen ist.
Im Schrifttum wurde dem teilweise zugestimmt (Kuderna aaO, 329; Pacic, Befristung von Einzelvereinbarungen in Arbeitsverträgen, ASoK 2007, 252; Felten, Arbeitsvertragliche Flexibilisierungsklauseln im Entgeltbereich, RdW 2008, 278; Reissner in Tomandl/Schrammel, Grenzen der Gestaltungsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien, 70).
Zum Teil wurde vorgeschlagen, die Zulässigkeit der Befristung von Einzelarbeitsbedingungen nach den gleichen Regeln zu beurteilen wie die Ausübung von Änderungs- und Widerrufsvorbehalten durch den Arbeitgeber, die nach der Rechtsprechung (zB 9 ObA 113/08w) insofern einer Ausübungskontrolle unterliegt, als der Arbeitgeber dieses Gestaltungsrecht nur im Rahmen billigen Ermessens ausüben darf (Risak, Einseitige Entgeltgestaltung im Arbeitsrecht [2008] 218; s auch Mayr-Maly, DRdA 1994, 389 in Anm zu 9 ObA 234/93).
Kietaibl, Flexibilisierungsmöglichkeiten im Arbeitsrecht, ASoK 2008, 370, sieht darin allerdings keinen Widerspruch, weil die sachliche Rechtfertigung im Ergebnis auf eine Inhaltskontrolle iSd § 879 ABGB hinauslaufe und bei deren Fehlen wiederholte Befristungen schon von vornherein wegen Umgehung des Änderungskündigungsschutzes unwirksam seien, während die Billigkeitskontrolle die Wirksamkeit der Klausel voraussetze und erst an der durch Zeitablauf bewirkten Vertragsänderung ansetze.
Es bedarf daher in jedem Fall einer Überprüfung des Zwecks der mehrfach befristeten MDP. Dazu wurde festgestellt, dass es auch Ziel der MDP war, Verluste der selbstständigen bzw freien Mitarbeitern aus ihrer Übernahme in ein Angestelltenverhältnis beim Beklagten auszugleichen. Unzweifelhaft stand aber die tatsächliche Abgeltung von Überstunden im Vordergrund, weil die Streitteile in den jährlichen MDP-Vereinbarungen ausdrücklich festlegten, dass damit sämtliche Ansprüche, die mittels Dienst-, Überstunden- und Zulagenblattes geltend zu machen seien, zur Gänze abgegolten seien, bei der Beurteilung der Gewährung der MDP jeweils eine Prognose über den voraussichtlichen tatsächlichen Arbeitsaufwand eines Dienstnehmers für die jeweilige MDP-Periode erstellt wurde und die Gewährung festgestelltermaßen unter dem Vorbehalt der tatsächlichen Leistungserbringung stand. Die Parteien hatten auch außer Streit gestellt, dass Bezieher von Mehrdienstpauschalen keinen Anspruch auf die genannten Zulagen haben sollten. Die MDP ist daher primär unter diesem Aspekt zu beurteilen.
Für den Arbeitgeber bedeutet eine derartige Pauschalierung idR eine Vereinfachung der Abrechnung der Einzeldienstleistungen, die ansonsten jeweils einzeln verrechnet werden müssten. Da eine Pauschalentlohnung den Arbeitnehmer nicht daran hindern kann, darüber hinausgehende Ansprüche zu erheben, wenn und soweit sein unabdingbarer gesetzlicher Anspruch auf Vergütung der Mehrarbeitsleistung durch die vereinbarte Pauschalentlohnung nicht gedeckt ist (RIS-Justiz RS0051519), können sie für ihn unter Entgeltaspekten lediglich von Vorteil sein. Hier stellt es aber ein legitimes Interesse des Arbeitgebers dar, wenn er die Konkordanz der tatsächlich erbrachten Mehrleistungen mit dem dem Arbeitnehmer für Mehrleistungen zugesagten pauschalierten Entgelt im Auge behalten will. Es ist daher sachlich gerechtfertigt, wenn eine Mehrdienstpauschale regelmäßig deshalb nur befristet zugesagt wird, damit der Arbeitgeber diese Entsprechung durch - hier jährliche - Prognosen und Überprüfungen der tatsächlichen Leistungen auch herstellen kann.
Die Zulässigkeit solcher Befristungen wird auch durch die Erwägung gestützt, dass mit ihnen ein vergleichbares wirtschaftliches Ergebnis wie bei einem Widerrufsvorbehalt erzielt wird (die dogmatischen Unterschiede wurden bereits vom Berufungsgericht dargelegt). In Zusammenhang mit diesem wurde aber bereits mehrfach erkannt, dass bei einer wirksamen Überstundenpauschale vereinbart werden kann, dass dieses vom Arbeitgeber widerrufen oder unter bestimmten Umständen auf Einzelverrechnung übergegangen werden kann (RIS-Justiz RS0051758). Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, wäre bei einem Auseinanderklaffen der realen Mehrleistungen und der Höhe der Pauschale ein Widerruf auch nicht unbillig.
Nicht zuletzt führt die Nichtverlängerung der MDP nur dazu, dass der Kläger statt dessen seine tatsächlich geleisteten Überstunden (einschließlich Zulagen) abgegolten erhält.
Nach all dem ist die mehrfache Befristung der vorliegenden Mehrdienstpauschale als zulässig anzusehen. Da die Revision des Klägers daher nicht berechtigt ist, muss ihr ein Erfolg versagt sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Schlagworte
ArbeitsrechtTextnummer
E98170European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:009OBA00061.11B.0727.000Im RIS seit
09.09.2011Zuletzt aktualisiert am
08.10.2012