TE OGH 2011/8/9 4Ob99/11d

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Veröffentlicht am 09.08.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei I***** GmbH, *****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des A*****, Landesorganisation *****, wegen 19.821,37 EUR sA, über den „Rekurs“ der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rechtsmittelgericht vom 8. April 2011, GZ 2 R 35/11a-13, mit dem infolge Rekurses und Berufung der beklagten Partei der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 13. Oktober 2010, GZ 21 Cg 123/10p-9, abgeändert und das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 13. Oktober 2010, GZ 21 Cg 123/10p-9, und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben wurden und die Klage zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, seine Entscheidung durch einen Ausspruch über die Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof zu ergänzen.

Für den Fall, dass das Berufungsgericht ausspricht, dass der Revisionsrekurs nach § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig ist, ist entweder über den im „Rekurs“ der klagenden Partei enthaltenen Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs zu entscheiden oder der klagenden Partei die Möglichkeit zu geben, ihr Rechtsmittel durch einen begründeten Antrag an das Berufungsgericht zu ergänzen, den Zulässigkeitsausspruch dahin abzuändern, dass der Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt wird (§ 528 Abs 2a ZPO).

Text

Begründung:

Der Kläger, Hauptverein iSd § 1 Abs 4 VereinsG 2002, begehrt von der Beklagten, Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen des für das Bundesland ***** konstituierten Zweigvereins, 19.821,37 EUR. Sämtliche Aufgaben des Zweigvereins seien nach Konkurseröffnung auf den Kläger übergegangen, er habe die Betreuungseinrichtungen „herausgekauft“. Dennoch hätten Kunden, Mitglieder und andere im Zeitraum September 2008 bis Mai 2010 irrtümlich diverse Zahlungen auf das Geschäftskonto der Beklagten überwiesen, obwohl diese keine Leistungen mehr erbracht habe. Die Herausgabeforderung des Klägers sei keine Vereinsstreitigkeit, sie wurzle nicht in Vereinsverhältnis.

Die Beklagte wendete verschiedene Gegenforderungen ein, ua aus Landesanteilen, Personalkosten für die Landesgeschäftsführer und frustrierten Aufwendungen für ein Fahrsicherheitszentrum.

In Ansehung der Gegenforderungen wendete der Kläger die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, weil zunächst das Vereinsschiedsgericht anzurufen wäre. Die Beklagte bestritt daraufhin auch die Zulässigkeit der Klageforderung selbst; bestritt deren Höhe in der Folge aber nicht mehr.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs hinsichtlich der Klageforderung mit Beschluss, gab dem Klagebegehren mit Urteil statt und wies die Gegenforderung (im Urteil) wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten, die sich ausdrücklich auch gegen die beschlussmäßige Verwerfung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs richtete, insofern Folge, als es mit Beschluss das Verfahren sowie das klagestattgebende Urteil als nichtig aufhob und die Klage zurückwies. Über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses äußerte sich das Berufungsgericht nicht. Die Beklagte habe zwar die Unzulässigkeit des Rechtswegs nicht ausdrücklich eingewendet, diese sei aber als Prozessvoraussetzung von Amts wegen wahrzunehmen. Die Schiedsklausel im Sinn der Normierung einer Schlichtungseinrichtung nach dem VereinsG 2002 könne nur als umfassende Zuständigkeit verstanden werden. Die eingeklagten Zahlungen betreffen Vereinsangelegenheiten; die Außerstreitstellung der Klageforderung führe nicht dazu, das Klagebegehren nicht mehr als Streitigkeit zu qualifizieren, zumal die Beklagte eine Zahlung im Hinblick auf ihre Gegenforderungen ablehne.

Der Kläger erhob gegen den Beschluss des Berufungsgerichts Rekurs und berief sich - der von ihm unterstellten Ansicht des Berufungsgerichts folgend - primär darauf, dass der „Vollrekurs“ nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig sei. Darüber hinaus macht der Kläger aber auch geltend, dass Rechtsprechung zu einem gleichartigen Sachverhalt fehle und die Entscheidung daher von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage nach § 528 Abs 1 ZPO abhänge. Die Zurückweisung der Klage und die Aufhebung des Verfahrens als nichtig erweise sich als grob rechtsirrig, weil keine Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof sprach bereits mehrfach aus, dass auch eine Entscheidung des Berufungsgerichts, in der ein bereits im Verfahren erster Instanz eingewendetes Prozesshindernis wahrgenommen und die Zurückweisung der Klage ausgesprochen wird, den Anfechtungsbeschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO unterliegt. Es wäre nicht sachgerecht, die Möglichkeit der Bekämpfung der Entscheidung eines Gerichts zweiter Instanz mit demselben Inhalt davon abhängig zu machen, ob die Prozesseinrede vom Erstgericht abgesondert oder erst im Urteil entschieden wurde (wobei es im zweiten Fall ausreicht, das das Erstgericht in den Entscheidungsgründen unmissverständlich zu erkennen gegeben hat, dass es die Prozesseinrede verwerfen will). Das Gericht zweiter Instanz, dass sich mit der Prozesseinrede befasst, wird hier funktionell als Rekursgericht tätig, sodass sich die Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof nach § 528 ZPO richtet (10 Ob 35/07f mwN). Der „Vollrekurs“ nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO kommt nur in Betracht, wenn sich das Berufungsgericht mit dem zur Klagezurückweisung führenden Nichtigkeitsgrund erstmals auseinandergesetzt hat. War das (behauptete) Prozesshindernis aber bereits Gegenstand des Verfahrens erster Instanz und der erstgerichtlichen Entscheidung, so unterliegt ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof den Beschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO (RIS-Justiz RS0116348, RS0102655).

Das Berufungsgericht wird daher seine Entscheidung durch einen Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses (§ 526 Abs 3, § 500 Abs 2 Z 3 ZPO) zu ergänzen haben. Für den Fall, dass das Berufungsgericht ausspricht, dass der Revisionsrekurs nach § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig ist, ist entweder über die im „Rekurs“ des Klägers bereits als enthalten anzusehende Zulassungsbeschwerde zu entscheiden oder aber dem Kläger die Möglichkeit zu geben, sein Rechtsmittel durch Ergänzung der an das Gericht zweiter Instanz zu richtenden Zulassungsbeschwerde zu verbessern (§ 528 Abs 2 ZPO; vgl 10 Ob 35/07f).

Schlagworte

Zivilverfahrensrecht

Textnummer

E98426

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0040OB00099.11D.0809.000

Im RIS seit

08.10.2011

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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