Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. R*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Dr. Norbert Marschall Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. I*****, vertreten durch MMag. Dr. Susanne Freyer, Rechtsanwältin in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29. Dezember 2010, GZ 48 R 227/10b-19, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 28. Mai 2010, GZ 4 C 5/10h-13, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der nunmehrige Oppositionskläger und die Oppositionsbeklagte haben anlässlich ihrer Scheidung gemäß § 55a EheG am 22. Oktober 1997 einen schriftlichen Vergleich über die Scheidungsfolgen geschlossen, dessen Punkt V. unter der Überschrift „Ehegattenunterhalt“ folgendermaßen lautet:
„Ing. R***** verpflichtet sich, an seine Ehefrau Dr. I***** einen Ehegattenunterhalt von öS 1.300,-- netto, 12 mal jährlich auf Lebenszeit zu bezahlen.
Dieser Unterhaltsbeitrag ist auch im Falle der wesentlichen Änderung der Verhältnisse, geänderter Rechtslage und auch im Falle der Wiederverehelichung bzw. dem Eingehen einer Lebensgemeinschaft von Dr. I***** zu bezahlen.
Der vereinbarte Unterhaltsbeitrag von öS 1.300,-- wird wertgesichert nach dem Verbraucherpreisindex. Basis ist Oktober 1997.
Ing. R***** verzichtet seinerseits auf Unterhalt, auch für den Fall geänderter Verhältnisse, geänderter Rechtslage und unverschuldeter Not.“
Gestützt auf den Vergleich führte die Beklagte gegen den Kläger Forderungsexekution.
Mit seiner Oppositionsklage begehrt der Kläger den Ausspruch, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten hinsichtlich eines Unterhaltsrückstands für die Zeit vom 1. Juni 2008 bis 30. November 2008 sowie ab dem 1. Dezember 2008 erloschen sei. Die gemeinsame Parteienabsicht im Zeitpunkt des Abschlusses des Scheidungsvergleichs sei gewesen, dass durch die als Unterhaltsleistung bezeichnete monatliche Leistung jener Betrag abgegolten werde, den die Beklagte aus dem Kredit zurückzuzahlen habe. Ab Juli 2004 habe er bereits mehr an „Unterhalt“ geleistet als die offene Kreditforderung zum Zeitpunkt der Ehescheidung ausgemacht habe. Im Übrigen sei die Vereinbarung über den zu leistenden Ehegattenunterhalt wegen Wuchers nichtig.
Das Erstgericht wies die Oppositionsklage ab. Es stellte unter anderem fest, dass Motiv der Parteien für die Vereinbarung der Unterhaltsleistung zum Teil die Abgeltung für die von der Beklagten vorzunehmende Rückzahlung des Kredits war; zum Teil sollten von der Beklagten in die Ehewohnung getätigte Investitionen ausgeglichen sowie diese sozial abgesichert werden. Nach den Feststellungen hat der Kläger die Unterhaltsverpflichtung bewusst in Kauf genommen, um eine Scheidung zu erreichen, und er hat den Scheidungsvergleich nicht unter einem Druck abgeschlossen, der über dem einen jedem Scheidungsverfahren immanenten hinausgehe.
Seiner rechtlichen Beurteilung legte das Erstgericht zugrunde, dass nach dem eindeutigen Vergleichswortlaut der Unterhalt gerade nicht mit der Kreditsumme begrenzt sei. Auch auf Wucher könne sich der Kläger nicht berufen, weil es hier an der erforderlichen subjektiven Komponente mangle.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die Auslegung des Vergleichs eindeutig ergebe, dass der Kläger Unterhalt auf Lebenszeit schulde. In Willensmängeln beim Vergleichsabschluss liege kein Oppositionsgrund.
Rechtliche Beurteilung
In der vom Berufungsgericht nachträglich zugelassenen Revision erhebt der Kläger nur eine Rechtsrüge, vermag aber keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen:
1. Vorweg ist nochmals daran zu erinnern, dass die Streitparteien am 22. Oktober 1997 gemäß § 55a EheG einen vollstreckbaren Vergleich über die Scheidungsfolgen geschlossen haben, in dem sie auch den Ehegattenunterhalt geregelt haben.
2. Auch der Inhalt eines gerichtlichen Vergleichs wird in erster Linie nach der Absicht der Parteien darüber, was sie tatsächlich gewollt haben, bestimmt (RIS-Justiz RS0023319). Grundsätzlich muss derjenige, der sich auf eine vom Vergleichswortlaut abweichende Vereinbarung beruft, die entsprechenden Umstände behaupten und beweisen (vgl RIS-Justiz RS0108201 zur Vertragsauslegung allgemein). Wird eine übereinstimmende Parteienabsicht nicht festgestellt, so ist bei der Auslegung des Vergleichs von dessen Wortlaut auszugehen (vgl RIS-Justiz RS0017831 zur Vertragsauslegung).
2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stellt die Auslegung eines Vergleichs keine Rechtsfrage dar, deren Entscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Die Auslegung eines Vergleichs im Einzelfall wäre nur revisibel, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RIS-Justiz RS0113785 [T4]).
2.2. Im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des schriftlichen Vergleichs (Unterhaltspflicht auf Lebenszeit, auch bei geänderten Verhältnissen) und die Feststellung des Erstgerichts, dass Motiv für die Unterhaltspflicht auch die soziale Absicherung der Beklagten war, ist die Auslegung der Vorinstanzen, der Kläger habe sich damit ohne Beschränkung durch die Höhe der Kreditrückzahlung zur Unterhaltsleistung verpflichtet, jedenfalls vertretbar.
2.3. Wenn der Kläger nunmehr die unterlassene Feststellung, dass lediglich die Rückzahlung des Kredits Motiv für die getroffene Unterhaltsvereinbarung gewesen sei, als sekundären Feststellungsmangel rügt, weicht er in Wirklichkeit von dem zu den Motiven festgestellten Sachverhalt ab, sodass die Rechtsrüge diesbezüglich nicht gesetzmäßig ausgeführt ist.
3.1. Die die Laufzeit der Unterhaltsverpflichtung betreffende Vergleichsklausel könnte inter partes unbeachtlich sein, wenn darin ein Scheingeschäft liegt. Dann, wenn die Exekutionsbewilligung mit der Absicht der Parteien beim Abschluss des den Exekutionstitel bildenden Vergleichs nicht übereinstimmt und der Schuldner die der Parteienabsicht entsprechende Leistung nach Entstehen des Exekutionstitels erbracht hat, steht dem Verpflichteten - neben der Impugnationsklage nach § 36 Abs 1 Z 3 - die Einwendung gemäß § 35 Abs 1 EO offen, dass der Ausspruch, zu dessen Gunsten die Exekution bewilligt wurde, durch Erfüllung erloschen ist (3 Ob 53/92, 3 Ob 54/92, EFSlg 69.957). In diesem Sinn hat der Verpflichtete im Fall eines nur zum Schein abgeschlossenen Vergleichs die Möglichkeit, das Erlöschen des Anspruchs des betreibenden Gläubigers mit Einwendung nach § 35 Abs 1 EO geltend zu machen, wenn er den Anspruch, der dem betreibenden Gläubiger aufgrund des durch das Scheingeschäft verdeckten Geschäfts zusteht, nach Entstehen des Exekutionstitels erfüllt hat (3 Ob 50/92 = RIS-Justiz RS0000728, 3 Ob 350/60 = RS0001229). Diese Grundsätze gelten auch für ein bloß partielles Scheingeschäft (3 Ob 50/92).
3.2. Angesichts des festgestellten Motivs der Unterhaltsvereinbarung, nämlich auch der Absicherung der Beklagten, liegen aber keine ausreichenden Hinweise für die Absicht des Abschlusses eines (teilweisen) Scheingeschäfts vor. Vielmehr ist (höchstens) von einem im Oppositionsverfahren unbeachtlichen Willensmangel auf Seiten des Klägers bei Abschluss des Vergleichs auszugehen.
4. Insoweit die Revisionswerberin Hilfstatsachen für ihren Standpunkt ins Treffen führt und dazu auf vorgelegte Urkunden (Beil C, G und 4) verweist, die als öffentliche Urkunden erhöhte Beweiskraft iSd § 292 Abs 1 ZPO hätten, ficht sie in Wahrheit die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbare Beweiswürdigung (hier nur des Erstgerichts) an. Ein Verfahrensmangel des Berufungsverfahrens aus dem Grund, dass sich das Berufungsgericht nicht mit der Beweisrüge auseinander gesetzt hat, wird in der Revision nicht geltend gemacht. In einem solchen Fall, sind der Entscheidung die Feststellungen des Erstgerichts zu Grunde zu legen (RIS-Justiz RS0043371). Im Übrigen sind die bezogenen Urkunden Beil G und 4 keine öffentlichen, bei letzterer (richtig Beil H) handelt es sich um ein Schreiben der Beklagten vom 26. Juli 2004 an das Erstgericht im Pflegschaftsverfahren. Die Urkunde Beil C ist zwar eine Protokollabschrift mit einer Aussage der Beklagten, die aber wiederum nur im Rahmen der Beweiswürdigung von Relevanz sein könnte.
Mangels erheblicher Rechtsfragen gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Schlagworte
5 Exekutionssachen,Textnummer
E98259European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00134.11V.0824.000Im RIS seit
21.09.2011Zuletzt aktualisiert am
16.04.2013