Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25. August 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Einwagner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Viktor K***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 4. April 2011, GZ 14 Hv 16/11y-33, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im freisprechenden Teil und in der Verweisung des Privatbeteiligten Hans W***** auf den Zivilrechtsweg unberührt bleibt, im Schuldspruch, demgemäß auch im Strafausspruch, in den Privatbeteiligtenzusprüchen und im Kostenausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.
Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Viktor K***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 „Abs 2 und“ Abs 3, 148 zweiter Fall, 15 StGB (I/1 bis 11) und des Vergehens des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs 1 und Abs 2 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er
(I) von 31. Mai 2007 bis 7. Dezember 2009 in K***** und an anderen Orten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung schwerer Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in acht, im Urteil näher bezeichneten, Fällen Personen durch die wahrheitswidrige Vorgabe, zahlungsfähiger und -williger Kunde zu sein, mithin durch Täuschung über Tatsachen zu verschiedenen Handlungen - insbesondere Dienstleistungen und Verkäufen von Liegenschaften - verleitet oder zu verleiten versucht, wodurch die im Urteil genannten Personen den 50.000 Euro übersteigenden Schaden von insgesamt mehr als 2.900.000 Euro erlitten oder erleiden sollten;
(II) von August 2009 bis Juni 2010 in Klagenfurt als Geschäftsführer der Y***** GmbH, die zur Einzahlung von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung verpflichtet war, Beiträge von 14.580,30 Euro einbehalten und der Kärntner Gebietskrankenkasse als berechtigtem Versicherungsträger vorenthalten.
Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 3 und 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 9 lit a und 10) zum Nachteil des Angeklagten anhaftet, die von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) wahrzunehmen war:
Rechtliche Beurteilung
Das angefochtene Urteil enthält zum Schuldspruch I in Betreff der subjektiven Tatseite zwar die erforderlichen Feststellungen zum Vorsatz des Beschwerdeführers hinsichtlich der Täuschung über seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit sowie - im Rahmen der rechtlichen Beurteilung hinreichend deutlich erkennbar - in Bezug auf die (teils versuchte) Schädigung seiner Opfer in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag. Ein auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteter Vorsatz ist den Entscheidungsgründen aber ebenso wenig zu entnehmen wie - in Betreff der angenommenen Qualifikation des § 148 zweiter Fall StGB - eine auf wiederkehrende Begehung jeweils schwerer Betrugshandlungen gerichtete Absicht. In diesem Zusammenhang hätte es auch Konstatierungen dahingehend bedurft, dass es dem Beschwerdeführer auf die Erschließung einer Einkommensquelle für einen längeren Zeitraum ankam (vgl zu den zeitlichen Voraussetzungen: RIS-Justiz RS0092527, RS0107402; Jerabek in WK2 § 70 Rz 7).
Zu den Schuldsprüchen I/1 und I/10 fehlt es in den Entscheidungsgründen zudem an eindeutigen Festlegungen, zu welchen selbstschädigenden Handlungen der Beschwerdeführer die jeweiligen Opfer durch Täuschung verleitet hat.
Die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts und Tatbeschreibungen im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermögen die fehlenden Konstatierungen nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0114639).
Zum Schuldspruch II schließlich enthält das Urteil gar keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite.
Da die aufgezeigten Rechtsfehler mangels Feststellungen eine gänzliche Aufhebung der Schuldsprüche (§§ 285e erster Satz, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) - demzufolge auch des Strafausspruchs, der Privatbeteiligtenzusprüche und des Kostenausspruchs - unumgänglich machen, erübrigt sich eine Erörterung der Nichtigkeitsbeschwerde.
Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht - im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs - Feststellungen zu sämtlichen objektiven und subjektiven Tatbestandselementen zu treffen haben.
Weiters ist zu beachten, dass die Qualifikation des § 147 Abs 2 StGB nicht neben jener des Abs 3 anzulasten ist (Kirchbacher in WK2 § 147 Rz 61).
Der Angeklagte war mit seinen Rechtsmitteln auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E98407European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0130OS00080.11F.0825.000Im RIS seit
07.10.2011Zuletzt aktualisiert am
07.10.2011