Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25. August 2011 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Einwagner als Schriftführerin in der Strafvollzugssache des Marco R*****, AZ 25 BE 16/11m des Landesgerichts Innsbruck, über die von der Generalprokuratur gegen die Beschlüsse dieses Gerichts als Vollzugsgericht vom 27. April 2011 (ON 12) und des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 31. Mai 2011 (ON 17) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Vollzugsgericht vom 27. April 2011 (ON 12) wurde Marco R***** zum 30. Juni 2011 unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit aus einer Freiheitsstrafe bedingt entlassen. Unter einem erteilte das Gericht dem Verurteilten die Weisung, „binnen 14 Tagen nach der Enthaftung eine Psychotherapie (zum Thema Frauenbild und Alkohol) anzutreten und über den Antritt unverzüglich und sodann über den weiteren Verlauf in regelmäßigen Abständen von drei Monaten jeweils unaufgefordert zu berichten“.
Der dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck (ON 14) gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 31. Mai 2011 (ON 17) hinsichtlich der bezeichneten Weisung nicht Folge.
In ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde (§ 23 StPO) erachtet die Generalprokuratur das Gesetz aufgrund folgender Überlegungen verletzt:
Der zitierten Weisung fehlt es mangels inhaltlicher Ausgestaltung an der erforderlichen Klarheit und Bestimmtheit. Eine Weisung nach § 51 StGB muss das auferlegte Gebot oder Verbot hinreichend deutlich bezeichnen und das erwartete Verhalten konkretisieren, um die notwendige verhaltensbestimmende Wirkung überhaupt entfalten zu können; nur dann kann ihre Nichtbefolgung den Widerruf der bedingten (hier:) Entlassung begründen (Schroll in WK² § 51 Rz 7 mwN; RIS-Justiz RS0092363 [T3 und T4]).
Mit der vom Gericht angeordneten „Psychotherapie zum Thema Frauenbild und Alkohol“ wird es dem Entlassenen selbst überlassen, einen ihm geeignet erscheinenden Therapeuten bzw ein von ihm als adäquat befundenes psychologisches Verfahren zur Verbesserung seiner Fähigkeit zu finden, mit der allgemein gehaltenen (und solcherart schwer eingrenzbaren) Thematik eines - wie immer gearteten - „Frauenbildes“ sowie mit Alkohol umgehen zu können; dies unabhängig von individuellen, medizinischen oder therapeutischen Erfordernissen, die aber im Vorfeld der Weisungserteilung vom (Beschwerde-)Gericht hätten abgeklärt werden müssen.
Dem Entlassenen, der selbst über keine medizinischen oder psychologischen Fachkenntnisse verfügt, die Auswahl eines für ihn geeigneten Psychotherapieverfahrens abzuverlangen, verfehlt unzweifelhaft den Sinn der Weisungserteilung; wird ihm doch solcherart auch das Risiko überbürdet, dass die von ihm gewählte Therapieform dem verfolgten Zweck nicht entspricht oder ihm gar abträglich ist. Daraus folgt, dass dem Entlassenen ein weisungsgemäßes Verhalten erschwert bzw unmöglich gemacht wird, die Weisung angesichts ihrer Abfassung nicht nachvollziehbar ist und solcherart gegen § 51 Abs 1 und Abs 3 StGB verstößt.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 51 Abs 1 erster Satz StGB kommen als Weisungen Gebote und Verbote in Betracht, deren Beachtung geeignet scheint, den Rechtsbrecher von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten.
Insoweit zeigt die Generalprokuratur zutreffend auf, dass die Begriffe „Gebote“ und „Verbote“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch für bindende Verhaltensanordnungen stehen, aus welchem Grund hinreichende Konkretisierung Teil des Begriffsinhalts ist (13 Os 142/10x, EvBl 2011/70, 471), womit gemäß § 51 StGB erteilte Weisungen das vom Verurteilten geforderte Verhalten deutlich und bestimmt bezeichnen müssen (RIS-Justiz RS0092363; Schroll in WK² § 51 Rz 7 mwN).
Da der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 27. April 2011 (ON 12) die Art der Behandlung (Psychotherapie; vgl § 51 Abs 3 erster Satz StGB), deren konkrete Zielrichtung (Thema „Frauenbild und Alkohol“) und die Nachweismodalitäten (erstmals nach 14 Tagen, danach in dreimonatigen Abständen) exakt festlegt, entspricht er dem Konkretisierungserfordernis aber sehr wohl.
Eine Verpflichtung des Gerichts, im Fall einer Therapieweisung den Therapeuten zu bestimmen, folgt aus dem Konkretisierungsgebot nicht (vgl 14 Os 24/05v, EvBl 2005/137, 639); ebensowenig ist es erforderlich, den Behandlungsablauf festzulegen (vgl Schroll in WK² § 51 Rz 7; vgl auch das ausdrückliche Bekenntnis zur „freien Therapeutenwahl“ in § 35 Abs 6 erster Satz SMG [Schwaighofer in WK² SMG § 35 Rz 58 unter Berufung auf EBRV 110 BlgNR 20. GP 56; Litzka/Matzka/Zeder, SMG² § 35 Rz 47; Hinterhofer/Rosbaud, SMG § 35 Rz 48]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit zu verwerfen.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E98437European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0130OS00089.11D.0825.000Im RIS seit
09.10.2011Zuletzt aktualisiert am
09.10.2011