Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25. August 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bilinska als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dietmar Z***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 9. März 2011, GZ 11 Hv 4/11v-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch ein gemäß § 20 Abs 1 Z 1 StGB idF BGBl 1996/762 und I 2002/134 gefälltes Abschöpfungserkenntnis enthält, wurde Dietmar Z***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er von 1. Jänner 2004 bis 15. September 2009 in M***** und F***** als Gerichtsvollzieher, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, in Exekutionsverfahren verpflichtete Parteien an ihren Vermögensrechten und die Republik Österreich an ihrem Recht auf ordnungsgemäße Durchführung von Fahrnisexekutionen, „insbesondere ihrem Recht auf inhaltliche Richtigkeit der in der Verfahrensautomation Justiz vorgenommenen Eintragungen und ihrem Recht auf Auszahlung der Vergütungen und Fahrtkosten an den Gerichtsvollzieher (nur) im gesetzlichen Umfang“ zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte wahrzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er im Rahmen von Fahrnisexekutionen
(1) in 1130 Fällen entgegen § 4 Vollzugsgebührengesetz bei Barzahlungen durch die verpflichteten Parteien aus Amtsgeldern zu zahlende Fahrtkosten von insgesamt 2.175,90 Euro vorschrieb und kassierte;
(2) in elf Fällen entgegen § 4 Vollzugsgebührengesetz bei Zahlungsnachweisen durch die verpflichteten Parteien aus Amtsgeldern zu zahlende Vergütungen und Fahrtkosten von insgesamt 493,75 Euro vorschrieb und kassierte;
(3) in 542 Fällen entgegen § 6 Vollzugsgebührengesetz bei Einmal- und Mehrfachzahlungen durch die verpflichteten Parteien die im Gesetz geforderten Einrechnungen vorangegangener Vollzüge nicht vornahm und dadurch nicht zustehende Vergütungen von insgesamt 1.404,95 Euro vorschrieb und kassierte;
(4) in 54 Fällen durch „die Vornahme falscher Eintragungen und die Manipulationen der Verfahrensautomation Justiz bei der Vornahme mehrerer Vollzugshandlungen“, die eine Neuzuteilung des Aktes zur Folge hatten, mangels Berücksichtigung bei vorangegangenen Vollzugshandlungen bereits lukrierter Vergütungen nicht zustehende Vergütungen und Fahrtkosten von insgesamt 380,70 Euro aus Amtsgeldern kassierte.
Die dagegen aus Z 5, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ist der vom Erstgericht gezogene Schluss von den - aus der Aussage des Zeugen Sch***** sowie aus den Beschwerdeführer betreffenden Schulungen und Beanstandungen sowie dessen rechtskonformer Vorgehensweise in anderen Fällen abgeleiteten - spezifischen Fachkenntnissen des Angeklagten auf dessen wissentliche Tatbegehung unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Soweit der Beschwerdeführer darin nur ein Indiz für fahrlässiges Handeln zu erblicken vermag, bekämpft er unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Gleiches gilt für die Tatsachenrüge (Z 5a), die mit eigenen Beweiswerterwägungen aus dem Verzeichnis sämtlicher zu Unrecht inkassierten Beträge in einem Quittungsblock sowie in, dem Oberlandesgericht Linz übermittelten, handschriftlichen Listen für den Beschwerdestandpunkt günstigere Schlussfolgerungen zieht (RIS-Justiz RS0099674).
Die gegen das Abschöpfungserkenntnis gerichtete Sanktionsrüge (Z 11) beruht auf der verfehlten Prämisse, dass die bis 31. Dezember 2010 geltenden Regelungen über die Abschöpfung der Bereicherung (§§ 20, 20a StGB idF BGBl 1996/762 und I 2002/134) durch das strafrechtliche Kompetenzpaket (BGBl I 2010/108) ersatzlos aus dem Rechtsbestand ausgeschieden worden seien, und zeigt davon ausgehend auch keinen Rechtsfehler des Erstgerichts auf. An die Stelle der genannten Bestimmungen traten mit 1. Jänner 2011 die Vorschriften über den Verfall (§§ 20, 20a StGB idF BGBl I 2010/108), die dann anzuwenden sind, wenn sie für die Betroffenen nicht ungünstiger sind als das alte Recht. Der somit anzustellende Günstigkeitsvergleich, bei dem streng fallbezogen in einer konkreten Gesamtschau der Unrechtsfolgen zu prüfen ist, welches Gesetz in seinen Gesamtauswirkungen für den Täter vorteilhafter wäre (vgl zum Ganzen RIS-Justiz RS0119545), führt zur Anwendung früheren Rechts (ausführlich dazu 11 Os 83/11g). Soweit der Beschwerdeführer in seiner weiteren Rüge die Anwendung der „Härteklausel“ des § 20a Abs 2 Z 3 StGB idF BGBl 1996/762 und I 2002/134 für sich reklamiert, zeigt er keine rechtsfehlerhafte Ermessensübung auf, sondern erstattet lediglich ein Berufungsvorbringen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E98200European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0110OS00093.11B.0825.000Im RIS seit
13.09.2011Zuletzt aktualisiert am
13.09.2011