Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch und Dr. Schramm sowie die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Ragossnig & Partner Rechtsanwalts GmbH in Graz, wider die beklagten Parteien 1. G*****, vertreten durch Peissl & Partner Rechtsanwälte OG in Köflach, 2. H*****, vertreten durch Dr. Gerolf Haßlinger, Dr. Brigitte Haßlinger, Mag. Christian Planinc & Partner, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wegen 14.634,05 EUR sA und Feststellung (Feststellungsinteresse 500 EUR), über die Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse 15.134,05 EUR) und der erstbeklagten Partei (Revisionsinteresse 8.964,97 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 16. März 2011, GZ 4 R 164/10k-37, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 18. Jänner 2010, GZ 27 Cg 214/09w-30 teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Beide Revisionen werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 978,84 EUR (darin enthalten 163,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
II. Die Revisionsbeantwortung der erstbeklagten Partei wird als unzulässig zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Kläger war als Polizeibeamter am 22. Februar 2009 um 3:15 Uhr morgens im Zuge eines Sektorstreifendienstes mit seinem Streifenwagen unterwegs. Er wollte den vom Erstbeklagten gelenkten PKW infolge dessen auffälligen Fahrverhaltens mittels Anhaltestab, Blaulicht, Lichthupe und Folgetonhorn anhalten. Als ein Beamter zum Zwecke der Vornahme der Lenker- und Fahrzeugkontrolle die Fahrertüre des vom Erstbeklagten gelenkten PKWs öffnen wollte, lenkte der Erstbeklagte zwecks Verhinderung der Amtshandlung seinen PKW beschleunigend nach links, sodass sich der Beamte nur durch einen Sprung zur Seite in Sicherheit bringen konnte. Wie sich später herausstellte, hatte der Erstbeklagte einen Blutalkoholgehalt von über 1 Promille und wollte sich der Verkehrskontrolle aus Angst vor dem Verlust des Führerscheins unbedingt entziehen. Nach einer Verfolgungsjagd, im Zuge derer es zu mehrfachen Überholvorgängen sowie einem Wendemanöver des Erstbeklagten kam, fuhr dieser letztlich in das Betriebsgelände des Gärtnereibetriebs des Zweitbeklagten ein. Dort brachte er sein Fahrzeug auf einer Auffahrtsrampe zu einer Lagerhalle wenige Meter vor dem geschlossenen Hallentor zum Stillstand. Etwa 2 m hinter dem PKW des Erstbeklagten hielt das Streifenfahrzeug, in dem sich der Kläger befand, hinter diesem ein weiterer - mittlerweile zur Verstärkung angeforderter - Streifenwagen. An allen Fahrzeugen waren die Scheinwerfer eingeschaltet, ansonsten war auf dem Betriebsgelände in diesem Bereich keine Beleuchtung vorhanden. Der Erstbeklagte verließ seinen PKW und rannte „auf Biegen und Brechen“ in Richtung der Stützmauer (der Auffahrtsrampe bzw der Lagerhalle). Der Kläger lief ihm nach. An der Stützmauer waren im Bereich des Hallentors mehrere Müllcontainer so aufgestellt, dass zwischen der Kante (Ecke) der Halle und den Müllcontainern gerade noch ein etwa ein Meter breiter Zwischenraum verblieb, durch den der Erstbeklagte hindurchlief. Er und auch der ihn verfolgende Kläger gerieten dabei in die Dunkelheit, weil zwar der Bereich vor dem Hallentor durch die Fahrzeugscheinwerfer ausgeleuchtet war, ansonsten aber Dunkelheit herrschte. Der Kläger konnte den Erstbeklagten noch sehen, nahm jedoch infolge des schlagartigen Wechsels von Hell zu Dunkel nicht wahr, dass sie auf die ungesicherte Stützmauer zuliefen, die an dieser Stelle bereits 1,8 m zur anschließenden Fahrbahn abfiel und stürzte hinter dem Erstbeklagten in die Tiefe. Er zog sich bei dem Sturz eine Deckplattenimpressionsfraktur des zwölften Brustwirbels und eine Kompressionsfraktur des ersten Lendenwirbels zu. Der Erstbeklagte wurde in der Folge wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 StGB verurteilt.
Die Lagerhalle wurde 1987 baubehördlich genehmigt, die Stützmauer war damals bereits vorhanden. Die Auffahrtsrampe dient nicht zur Zufahrt für Kunden oder Lieferanten; zum Zeitpunkt der Vorfalls (im Februar) war der Gärtnereibetrieb überhaupt geschlossen.
Der Kläger hätte in der Zeit seines Krankenstands vom 22. 2. 2009 bis 8. 6. 2009 einen Nebengebührenverdienst von 4.434,05 EUR brutto erzielt. Die Versicherungsanstalt der öffentlich Bediensteten gewährte ihm aufgrund des Dienstunfalls eine Versehrtenrente in der Höhe des voraussichtlichen Rentenaufwands für die Zeit vom 23. 5. 2009 bis 28. 2. 2010 von insgesamt 3.441,08 EUR.
Der Kläger begehrt vom Erst- und Zweitbeklagten 10.000 EUR an Schmerzengeld, 4.434,05 EUR an Verdienstentgang infolge Entgang von Nebengebühren und 200 EUR an Unkosten (insgesamt somit 14.634,05 EUR sA); weiters die Feststellung der Haftung beider Beklagten für zukünftige Schäden aus dem Vorfall vom 22. 2. 2009.
Das Erstgericht gab (unter Abweisung des Mehrbegehrens von 1.000 EUR an Schmerzengeld) dem gegen den Erstbeklagten gerichteten Klagebegehren im Umfang von 13.634,05 EUR sA statt und stellte fest, dass der Erstbeklagte für alle zukünftigen Schäden und Folgen aus dem Unfall hafte. Das gegen den Zweitbeklagten gerichtete Leistungs- sowie das Feststellungsbegehren wurde zur Gänze abgewiesen.
Das Berufungsgericht änderte das Urteil infolge Berufung des Erstbeklagten (teilweise) dahin ab, dass es diesen schuldig erkannte, dem Kläger 13.314,07 EUR sA zu leisten; das Leistungsmehrbegehren von 1.319,08 EUR wies es ab. Es bestätigte das Urteil des Erstgerichts betreffend die Haftung des Erstbeklagten für künftige Schäden. Der Berufung des Klägers gegen die Abweisung der gegen den Zweitbeklagten gerichteten Klagebegehren gab das Berufungsgericht nicht Folge. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, aber nicht 30.000 EUR übersteigend und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zwar die Frage des Mitverschuldens idR von den Umständen des Einzelfalls abhänge, zu „Verfolgungsschäden“ aber erst eine einzige - noch vor dem Inkrafttreten des Sicherheitspolizeigesetzes - ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bestehe. Auch liege zum Ausmaß der den Zweitbeklagten treffenden Verkehrssicherungspflichten noch keine Entscheidung zu einem vergleichbaren Sachverhalt vor.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtete sich die Revision des Erstbeklagten, insoweit dem Kläger ein den Betrag von 4.600 EUR übersteigender Betrag von 8.714,97 EUR zugesprochen wurde und dem Feststellungsbegehren im Umfang von mehr als 50 % stattgegeben wurde. Die Revision des Klägers richtete sich gegen die Abweisung des Leistungs- und Feststellungsbegehrens gegen den Zweitbeklagten.
Rechtliche Beurteilung
I. Beide Revisionen sind entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch - mangels Vorliegens einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung einer unzulässigen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zur Revision des Erstbeklagten:
„Verfolgungsschäden“ waren bereits Gegenstand der Entscheidungen 8 Ob 3/87, SZ 60/105 und 2 Ob 2264/96x, SZ 69/214. Von diesen Entscheidungen weicht das Berufungsurteil nicht ab:
1.1. Die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Erstbeklagten gründet sich darauf, dass er durch seine von der Rechtsordnung verpönte Flucht für den Kläger eine eminente Gefahrenlage verursacht hat. Schon nach dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, dass jeder, der eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen hat, um eine Schädigung anderer nach Tunlichkeit abzuwenden, wäre er verpflichtet gewesen, ein Verhalten zu setzen, durch das diese Gefahrenlage wieder beseitigt wird (8 Ob 3/87). Dieses Verhalten konnte nur in der alsbaldigen Aufgabe seines Fluchtversuchs bestehen, wozu der Erstbeklagte jederzeit in der Lage gewesen wäre. Solange er aber die durch seine Flucht geschaffene Gefahrenlage für den Kläger als seinen Verfolger aufrechterhielt, verletzte er diese auch dem Schutz des Verfolgers dienende Rechtspflicht. Es ist daher sachlich gerechtfertigt, wenn er dem Grund nach für den vom Kläger geltend gemachten Schaden zu haften hat (8 Ob 3/87). Es hat sich gerade das Risiko realisiert, das der Kläger durch seine Flucht herbeigeführt hat.
1.2. Der Revisionswerber nimmt weiterhin den Standpunkt ein, die Verfolgung sei nicht gerechtfertigt, da dem Kläger nur bekannt gewesen sei, dass der Erstbeklagte eine Verwaltungsübertretung nach § 97 Abs 5 StVO begangen habe, indem er der Aufforderung eines Polizeibeamten zum Anhalten nicht Folge leistete. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Kläger schon aufgrund des auffälligen Fahrverhaltens des Erstbeklagten vor dem ersten Versuch der Anhaltung hinreichende Gründe für die Annahme einer Alkoholisierung haben konnte; dieser Verdacht stellte sich in der Folge auch als richtig heraus. Insbesondere wegen der Wiederholungsgefahr, die bei alkoholisiertem Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben ist, liegt die Verfolgung eines alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkers, der nach einer Verfolgungsjagd mit dem Streifenwagen letztlich auch noch versucht, sich seiner Anhaltung durch Davonlaufen zu entziehen, im öffentlichen Interesse und rechtfertigt die damit verbundenen Gefahren. Nur wenn das Interesse am Unterbleiben der sich aus dem Nacheilen ergebenden Gefahren höher wäre, als das Interesse am Erreichen des Zwecks der Verfolgung, wäre eine Rechtfertigung der Verfolgung zu verneinen (Wagner, Zur Haftung aus Verfolgungsjagden, JBl 1984, 525). In dieser Richtung bringt der Revisionswerber aber nichts Substantielles vor. Die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen tragen demnach die Beurteilung, dem Erstbeklagten seien die verfolgungsbedingten Verletzungen des Klägers objektiv zuzurechnen.
1.3. Die subjektive Seite der Haftung, nämlich der Vorwurf, die Körperverletzung des Klägers schuldhaft herbeigeführt zu haben, setzt voraus, dass der Erstbeklagte damit rechnen musste, verfolgt zu werden und voraussehen konnte, dass der Kläger dabei möglicherweise zu Schaden kommen werde. Auch diese Voraussetzungen sind erfüllt, hat doch der Erstbeklagte durch sein Weglaufen nach dem Verlassen des PKWs seine Verfolgung geradezu herausgefordert. Ihm musste bewusst sein, dass er eine erhöhte Verletzungsgefahr für den Kläger schuf, indem er - um dem Scheinwerferkegel der angehaltenen Fahrzeuge zu entkommen - in einen dunklen Bereich flüchtete, ohne zu wissen, ob und welche Gefahren sich dort auftun könnten. Er hat demnach für die nicht atypischen nachteiligen Auswirkungen seines rechtswidrig schuldhaften Verhaltens einzustehen. Nicht erforderlich ist, dass er den beim Kläger tatsächlich eingetretenen Verletzungserfolg voraussehen konnte oder vorausgesehen hat (RIS-Justiz RS0022944 [T10, T11]).
1.4. Auch bei „Verfolgungsschäden“ ist eine Verschuldensteilung zwischen dem flüchtenden Rechtsbrecher und dem ihn verfolgenden Sicherheitswachebeamten denkbar (RIS-Justiz RS0027064 [T1]). Bestehen und Ausmaß des Mitverschuldens eines Geschädigten im Sinn der Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten ist aber stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, weshalb die Beurteilung dieser Frage regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufwirft (RIS-Justiz RS0087606, RS0044262). Auch der Hinweis darauf, dass ein völlig gleichgelagerter Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht entschieden wurde, begründet keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0110702, RS0102181). In diesem Zusammenhang ist auch der vom Erstbeklagten eingewendete „Verfolgungsexzess“ zu verneinen: Der Kläger wusste zwar zum Zeitpunkt seiner Nachteile noch nichts von der Widerstandshandlung (§ 269 StGB) des Erstbeklagten, doch ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts vertretbar, dass auch der dringende Alkoholisierungsverdacht (§ 5 StVO) eine Verfolgung zu Fuß jedenfalls angemessen erscheinen ließ.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, infolge der gebotenen Eile sei dem Kläger nicht als Sorgfaltswidrigkeit zurechenbar, dass er bei der Verfolgung nicht die - zuvor von seinem Kollegen benutzte und daher nicht griffbereit im Streifenwagen liegende - Stabtaschenlampe verwendet habe, bildet ebenfalls keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung; ebenso nicht die Ansicht des Berufungsgerichts, infolge der gegebenen Umstände - insbesondere infolge des schlagartigen Wechsels von Hell und Dunkel - sei dem Klägers auch sonst keine Verletzung der Sorgfaltspflicht in eigenen Belangen vorwerfbar.
2. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass dem Geschädigten der hypothetisch erzielbare Nettoverdienst gebührt, wobei allerdings die Steuer- und sonstigen Abgabenverpflichtungen erneut zu berücksichtigen sind, die durch die Schadenersatzleistung selbst entstehen. Die Schadenersatzleistung ist so zu bemessen, dass sie unter Berücksichtigung der durch die wieder entstehenden Abzüge dem Nettoschaden entspricht. Unter Umständen kann dieser Betrag auch gemäß § 273 ZPO bestimmt werden (RIS-Justiz RS0022868 [T5]). Ob § 273 ZPO anzuwenden ist, ist eine verfahrensrechtliche Entscheidung, die mit Mängelrüge zu bekämpfen ist (RIS-Justiz RS0040282). Der Revisionswerber rügt nun als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, dass das Berufungsgericht zur Bestimmung des Nettoverdienstentgangs § 273 ZPO angewendet habe, obwohl keine ausreichenden Behauptungen zur Höhe des Nettoverdienstentgangs aufgestellt worden seien. Ob aber im Hinblick auf die Prozessbehauptungen ein Vorbringen so ausreichend spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828). Hat das Berufungsgericht das Klagevorbringen zum Verdienstentgang im Hinblick auf die Beilage /.C als ausreichend erachtet, ist eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens infolge Anwendung des § 273 ZPO zur Bestimmung des Nettoverdienstentgangs zu verneinen.
3. Das Berufungsgericht hat die vom Erstbeklagten in seiner Berufung gewünschte Tatsachenfeststellung nicht getroffen, es könne nicht festgestellt werden, welchen Nebengebührenentgang der Kläger während seines Krankenstands tatsächlich erlitten hat. Es hat dies damit begründet, dass nach den Beweisergebnissen keine Pauschalierung der Nebengebühren vorgelegen sei. Die Behauptung des Berufungswerbers, auch während des Krankenstands seien dem Kläger pauschalierte Nebengebühren gewährt worden, sei deshalb lediglich als Unterstellung zu werten. Entgegen den Revisionsausführungen enthält diese Begründung lediglich eine wertende Überprüfung der Beweiswürdigung, nicht aber eine Verschiebung der Behauptungs- und Beweislast zur Höhe der Verdienstentgangsansprüche auf den Erstbeklagten. Fragen der Beweiswürdigung sind aber nicht revisibel (RIS-Justiz RS0043371).
4.1. Das Berufungsgericht hat eine zeitliche Kongruenz zwischen den Verdienstentgangsansprüchen und der Versehrtenrente nur für 17 Tage (für den Zeitraum vom 23. Mai bis 8. Juni 2009) als gegeben erachtet. Demgegenüber wünscht der Revisionswerber die Anrechnung „der gesamten gewährten Versehrtenrente auf den gesamten geltend gemachten Verdienstentgangsanspruch“, somit von 3.441,08 EUR auf den im Zeitraum des Krankenstands vom 22. 2. 2009 bis 8. 6. 2009 geltend gemachten Anspruch an entgangenen Verdienst für Nebengebühren in Höhe von 4.434,05 EUR. Dazu ist auszuführen:
4.2. Soweit eine Sozialversicherungsleistung für einen bestimmten Zeitraum gebührt, bedarf es neben der Normierung der materiellen und formellen Leistungsvoraussetzungen noch der Festlegung, ab welchem Zeitpunkt die Leistung zusteht („Leistungsanfall“ - Schrammel in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts, 8. Erg-Lfg 147). Da die Versehrtenrente - wie die übrigen Leistungen der Unfallversicherung - gegenüber jenen der Krankenversicherung nachrangig ist, fällt sie erst nach Ende eines Krankengeldbezugs an (Tarmann-Prentner in Sonntag, ASVG2, § 204 Rz 1). Nach § 102 B-KUVG fällt die Versehrtenrente mit dem Tag nach dem Wegfall der durch den Dienstunfall oder der Berufkrankheit verursachten Arbeitsunfähigkeit an, spätestens aber nach Ablauf des dritten Monats nach dem Eintritt des Versicherungsfalls. Entsprechend § 102 B-KUVG fiel die Versehrtenrente im vorliegenden Fall (erst) nach Ablauf des dritten Monats nach dem Dienstunfall an, somit am 23. 5. 2009. Für den davorliegenden Zeitraum vom 22. 2. 2009 bis 22. 5. 2009 bestand hingegen kein Anspruch auf Versehrtenrente.
4.3. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass der Schadenersatzanspruch auf Ersatz von Verdienstentgang dem gleichen Zweck dient, wie der Anspruch gegen den Sozialversicherungsträger auf Versehrtenrente (RIS-Justiz RS0031026). Überdies müssen sachlich kongruente Sozialversicherungs- und Schadenersatzansprüche aber noch für denselben Zeitraum zustehen („zeitliche Kongruenz“). Die Versicherungsanstalt der Öffentlich Bediensteten darf sich demnach den Rückersatz der ab 23. 5. 2009 bis 28. 2. 2010 erbrachten Versehrtenrente nicht mittels eines - an sich sachlich kongruenten - aber außerhalb dieses Zeitraums liegenden Verdienstentgangsanspruchs verschaffen (Krejci-Böhler, in Tomandl, SV-System, 17. Erg-Lfg 451). Mit diesen Grundsätzen steht die Entscheidung des Berufungsgerichts in Einklang.
Zur Revision des Klägers:
1.1. Verkehrssicherungspflichten treffen auch denjenigen, in dessen Sphäre gefährliche Zustände bestehen. Hier folgt die Verpflichtung zur Beseitigung aus der Zusammengehörigkeit von Verantwortung und Bestimmungsgewalt. Wer demnach eine Gefahrenquelle schafft oder bestehen lässt, muss die notwendigen und ihm zumutbaren Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung anderer nach Tunlichkeit abzuwenden (4 Ob 280/00f mwN).
1.2. Die Verkehrssicherungspflicht entfällt nicht schon dann, wenn jemand unbefugt in einen fremden Bereich eingedrungen ist. Grundsätzlich wird zwar jemand nicht für schutzwürdig erachtet werden können, der sich unbefugt in den Gefahrenbereich begeben hat, weil er nicht damit rechnen kann, dass Schutzmaßnahmen zugunsten unbefugt Eindringender getroffen werden (Koziol, Haftpflichtrecht II² 63; vgl RIS-Justiz RS0027526). Besteht jedoch die Möglichkeit, dass Personen versehentlich in den Gefahrenbereich gelangen, oder dass Kinder und andere Personen, die nicht die nötige Einsichtsfähigkeit haben, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, gefährdet werden, oder besteht eine ganz unerwartete oder große Gefährdung, so kann eine Interessenabwägung ergeben, dass der Inhaber der Gefahrenquelle dennoch zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung von Schädigungen zu ergreifen hat (4 Ob 280/00f; Koziol aaO 63).
1.3. Jedenfalls verpflichtet die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht aber nur bei Verschulden zum Schadenersatz. Für das Verschulden reicht es aus, dass der Verletzer die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der betreffenden Art im Allgemeinen hätte erkennen müssen. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Schadenseintritt für ihn voraussehbar war (4 Ob 280/00f mwN).
Die Vorinstanzen gingen davon aus, die Möglichkeit der Verletzung von Rechtsgütern Dritter sei für den Zweitbeklagten bei objektiver sachkundiger Betrachtung nicht zu erkennen gewesen, weil er nicht ernsthaft damit rechnen habe müssen, dass erwachsene Personen, die nicht versehentlich auf seine Liegenschaft geraten sind, dort eine nächtliche Verfolgungsjagd beginnen und dabei infolge des plötzlichen Wechsels von Hell zu Dunkel über eine Stützmauer einer baubehördlich genehmigten Lagerhalle stürzen könnten. Die Ansicht steht zudem mit der Rechtsprechung in Einklang, die Sorgfaltspflicht dürfe nicht überspannt werden, weil ansonsten in Wahrheit eine vom Verschulden losgelöste Haftung begründet würde (RIS-Justiz RS0023487 [T11]; s insbesondere die zuletzt ebenfalls zu einem Polizeieinsatz ergangene Entscheidung 9 Ob 40/09m).
Es werden somit in beiden Rechtsmitteln keine erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht. Beide Revisionen waren daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 ZPO. Sowohl der Kläger als auch der Zweitbeklagte haben in ihren Revisionsbeantwortungen jeweils auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979). Die Revision wurde nur vom Erstbeklagten erhoben, sodass auch nur dieser dem Kläger konkret gegenüberstand (RIS-Justiz RS0126310; RS0036033 ua). Ein Erfolg des Erstbeklagten wäre ohne jede Auswirkung auf das Verhältnis zum Zweitbeklagten gewesen. Der Kläger hat daher für seine Revisionsbeantwortung keinen Anspruch auf Streitgenossenzuschlag.
II. Die vom Erstbeklagten zur Revision des Klägers erstattete Revisionsbeantwortung ist zurückzuweisen:
Wie der Erstbeklagte selbst ausführt, ergibt sich sowohl aus der in der Revision des Klägers enthaltenen Anfechtungserklärung als auch aus der Begründung, dass nur die Abweisung des gegen den Zweitbeklagten gerichteten Klagebegehrens bekämpft wird. Der in der Revisionsschrift enthaltene Antrag, dem Klagebegehren „vollinhaltlich“ stattzugeben, ist daher nur so zu verstehen, dass der Oberste Gerichtshof dem gegen den Zweitbeklagten gerichteten Klagebegehren vollinhaltlich stattgeben möge, nicht aber dahin, dass das Berufungsurteil auch im Umfang der Abweisung des gegen den Erstbeklagten gerichteten Mehrbegehrens von 1.319,08 EUR sA angefochten wird. Ist zweifelsfrei zu erkennen, wieweit und aus welchem Grund das Urteil des Berufungsgerichts angefochten wurde, schadet die allenfalls als unpräzise zu bezeichnende Formulierung des Rechtsmittelantrags nicht (RIS-Justiz RS0109220). Liegt keine Revision des Klägers gegen die Abweisung des gegen den Erstbeklagten gerichteten Mehrbegehrens vor, ist die von diesem dennoch erstattete Revisionsbeantwortung unzulässig.
Textnummer
E98363European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0100OB00055.11B.0830.000Im RIS seit
30.09.2011Zuletzt aktualisiert am
05.08.2013