TE OGH 2011/9/1 1Ob165/11p

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Veröffentlicht am 01.09.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 17. November 2003 verstorbenen Alan E*****, infolge des Revisionsrekurses der Witwe Lucy W***** E*****, vertreten durch Mag. Isabel Albrecht, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. Februar 2011, GZ 42 R 448/10h-145, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 14. Februar 2005, GZ 3 A 342/03k-38, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Verlassenschaftsverfahren wurde in Ansehung des in Österreich gelegenen beweglichen und unbeweglichen Nachlasses bei Gericht am 19. 11. 2003 anhängig; gemäß § 205 Satz 2 AußStrG 2003 waren daher auf das Verfahren erster Instanz weiter die Vorschriften des AußStrG 1854 in der zuletzt geltenden Fassung anzuwenden. Die Witwe des Erblassers gab aufgrund des Gesetzes zum ganzen im Inland gelegenen beweglichen und unbeweglichen Nachlass eine bedingte Erbserklärung ab, die mit dem Beschluss des Erstgerichts vom 9. 3. 2004 zu Gericht angenommen wurde. In der Folge gab auch Ulrika T***** eine Erbserklärung ab; sie erklärte, sie sei eine Tochter des Verstorbenen, der in ihrem Heimatland Schweden auch ein Vaterschaftsanerkenntnis abgegeben habe. Die Witwe bestritt sowohl die behauptete Abstammung der Ulrika T***** vom Erblasser als auch die Gültigkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses.

Das Erstgericht sprach mit seinem Beschluss vom 14. 2. 2005 unter anderem aus, dass die Erbserklärung der Ulrika T***** zu Gericht angenommen und der Erbrechtsausweis aufgrund der vorgelegten Dokumente als erbracht anerkannt werde.

Das Rekursgericht bestätigte über den Rekurs der Witwe insoweit die erstgerichtliche Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Die Zuständigkeit der österreichischen Abhandlungsgerichte bestehe mangels Gegenseitigkeit mit Großbritannien nicht nur für den unbeweglichen (§ 22 AußStrG 1854), sondern auch für den beweglichen im Inland befindlichen Nachlass (§ 23 Abs 1 AußStrG 1854). Gemäß § 122 Satz 2 AußStrG 1854 sei jede in der vorgeschriebenen Form ausgestellte Erbserklärung vom Gericht anzunehmen und bei den Abhandlungsakten aufzubewahren. Die Zurückweisung einer der vorgeschriebenen Form entsprechenden Erbserklärung sei nur zulässig, wenn zweifelsfrei feststehe, dass dem Erbansprecher ein Erbrecht nicht zukommt; im Zweifel seien Erbserklärungen immer anzunehmen. Die Annahme einer Erbserklärung dürfe das Abhandlungsgericht nur dann verweigern, wenn der in Anspruch genommene Erbrechtstitel keinesfalls zu einer Einantwortung des Nachlasses an den Erbserklärten führen könne. Solange Derartiges nicht unzweifelhaft feststehe, müsse das Gericht die Erbserklärung annehmen. Das durchgeführte Zwischenverfahren habe ergeben, dass das Vaterschaftsanerkenntnis des Erblassers nach schwedischem Recht und für den schwedischen Rechtsbereich Rechtsgültigkeit erlangt habe. Die in Schweden registrierte Vaterschaftsanerkennung, aufgrund derer der Erblasser als „biologischer“ Vater von Ulrika T***** eingetragen sei, habe auch für den österreichischen Rechtsbereich Rechtsgültigkeit. Es bestünden auch keine Bedenken dagegen, dass der Erblasser, und nicht etwa ein anderer Mann, das Vaterschaftsanerkenntnis abgegeben hat. Die Erbserklärung sei mit dem angefochtenen Beschluss somit zutreffend zu Gericht angenommen worden. Weitere Erhebungen seien nicht notwendig, weil bereits die in diesem Verfahrensstadium erforderliche Sicherheit über die Gültigkeit des Anerkenntnisses und die Identität des „Annehmenden“ (gemeint wohl: des Anerkennenden) bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Witwe ist nicht zulässig, weil keine iSd § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage zu beantworten ist.

Soweit die Revisionsrekurswerberin die Auffassung des Rekursgerichts in Zweifel ziehen will, Ulrika T***** habe ihr Erbrecht zumindest so weit bescheinigt, dass eine Annahme ihrer Erbserklärung zu Recht erfolgt ist, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie diese Frage in ihrem Rekurs gar nicht aufgegriffen hatte. Sie hatte zwar die Aufhebung der gesamten erstgerichtlichen Entscheidung zu Punkt 1 des Beschlusses des Verlassenschaftsgerichts beantragt, in der Sache allerdings nur moniert, dass das Erstgericht zu Unrecht die Annahme der Erbserklärung mit einer bestimmten Quote ausgesprochen hat. Diesem Vorwurf hat das Rekursgericht ohnehin durch eine entsprechende Abänderung entsprochen. Die Annahme der Erbserklärung - und auch der Ausspruch über den Erbrechtsausweis - an sich, war von der nunmehrigen Revisionsrekurswerberin nicht bekämpft worden. Schon deshalb kann sie eine insoweit allenfalls bestehende Fehlerhaftigkeit des erstgerichtlichen Beschlusses im Revisionsrekursverfahren nicht mehr geltend machen.

Dem (unberechtigten) Vorwurf der Revisionsrekurswerberin, das Erstgericht habe es unterlassen, die strittige Frage der Abstammung auf den Rechtsweg zu verweisen, weshalb der Nichtigkeitsgrund des § 56 AußStrG 2003 vorliege, liegt offenbar eine Fehleinschätzung der verfahrensrechtlichen Reichweite der Entscheidung der Vorinstanzen über die Annahme der Erbserklärung der Ulrika T***** und den Ausspruch über den Erbrechtsausweis zugrunde. Sie vertritt nämlich - ohne nähere Auseinandersetzung mit den Regeln des Verlassenschaftsverfahrens nach altem Recht - die Ansicht, ein Nichtigkeitsgrund iSd § 68 Abs 1 Z 1 AußStrG liege vor, weil der angefochtene Beschluss gemäß § 56 AußStrG über eine Sache gefällt worden sei, die nicht auf den außerstreitigen Rechtsweg gehört. Dem ist nicht zu folgen.

§ 122 AußStrG 1854 regelt in erster Linie die Annahme der Erbserklärung durch das Gericht und erwähnt weiters auch den „Beweis des Erbrechtstitels“ des jeweiligen Erbansprechers, wobei sich aus der Systematik des Gesetzes klar ergibt, dass diese Angelegenheiten in den Wirkungsbereich des Abhandlungsgerichts (als Außerstreitgericht) fallen. Erklärt das Verlassenschaftsgericht, den Erbrechtsausweis (§ 799 ABGB) als erbracht anzusehen, trifft es damit regelmäßig eine Entscheidung, die im Streitfall keine über das Verlassenschaftsverfahren hinausreichenden Wirkungen hat und insbesondere eine Entscheidung in einem späteren Erbrechtsprozess nicht präjudiziert. So wird etwa nach § 123 AußStrG 1854 die Frage, ob der Erbrechtsausweis als erbracht anzusehen ist, aufgrund der Aktenlage im Verlassenschaftsverfahren beurteilt (vgl etwa RIS-Justiz RS0008152) bzw angenommen, dass ein hinreichender Erbrechtsausweis bereits mittels einer formgültigen letztwilligen Verfügung erbracht ist (1 Ob 209/98m = RIS-Justiz RS0008167 [T3]). Die Anerkennung des Erbrechts durch das Verlassenschaftsgericht ist bei widersprechenden Erbserklärungen für den Erbrechtsstreit bedeutungslos (2 Ob 97/27 = NZ 1927, 35; RIS-Justiz RS0007972; 3 Ob 490/29 = SZ 11/129). Die gerichtliche Erklärung darüber, dass das Erbrecht ausgewiesen ist, gilt nur solange, als nicht ein besseres Erbrecht ausgewiesen wird (6 Ob 40/66; RIS-Justiz RS0007965). Somit besteht keine Bindung des Prozessgerichts an die Anerkennung des Erbrechtsausweises durch das Abhandlungsgericht (5 Ob 595/87 = RIS-Justiz RS0007972 [T1] mwN).

Vor diesem Hintergrund ist die Annahme der Revisionsrekurswerberin, die Vorinstanzen hätten unter Verletzung des Gebots, die erbserklärten Erben gemäß § 125 AußStrG 1854 unter Zuteilung der Klägerrolle auf den Rechtsweg zu verweisen, anstelle des Streitgerichts eine endgültige Entscheidung über das Erbrecht der Ulrika T***** fällen wollen, unberechtigt. Dass lediglich eine  - insoweit vorläufige - Entscheidung im Verlassenschaftsverfahren selbst getroffen werden sollte, ergibt sich unmissverständlich auch aus dem Hinweis des Rekursgerichts über die „in diesem Verfahrensstadium erforderliche Sicherheit“, woraus erkennbar ist, dass einer endgültigen Entscheidung unter Anwendung allgemeiner Beweismaßregeln in einem späteren Erbrechtsprozess nicht vorgegriffen werden sollte. Mit dem angefochtenen Teil des erstgerichtlichen Beschlusses wurde daher keineswegs über eine Sache - nach Ansicht der Revisionsrekurswerberin das Erbrecht - abgesprochen, die auf den streitigen Rechtsweg gehörte. Dass das Verlassenschaftsgericht bisher noch keinen Beschluss nach § 125 AußStrG 1854 gefällt hat, steht dem keinesfalls entgegen, weil es vielfach zweckmäßig sein wird, vorerst abzuwarten, ob der Beschluss über die Annahme der Erbserklärung eines Erbansprechers überhaupt in Rechtskraft erwächst (vgl auch RIS-Justiz RS0007277). Erst wenn dies der Fall ist, besteht die Notwendigkeit, bei widersprechenden Erbserklärungen eine beschlussmäßige Verweisung auf den Rechtsweg vorzunehmen, was nun zu geschehen haben wird.

Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG).

Textnummer

E98384

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00165.11P.0901.000

Im RIS seit

04.10.2011

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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