TE OGH 2011/5/18 7Ob163/10m

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Veröffentlicht am 18.05.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alfred Pressl Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Michael Czinglar, Rechtsanwalt in Wien, wegen 5.274,04 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 23. März 2010, GZ 18 R 16/10x-23, womit das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 9. November 2009, GZ 8 C 48/09z-18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 445,83 EUR (darin 74,31 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, die Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig; diesen Ausspruch änderte es mit Beschluss vom 6. 8. 2010 über Antrag der Klägerin gemäß § 508 ZPO dahin ab, dass es die ordentliche Revision mit folgender Begründung doch für zulässig erklärte:

Nach Ansicht der Antragstellerin habe das Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung vorgenommen, weil eine Aufkündigung als entsprechende Willenserklärung bestimmt sein müsse und bedingungsfeindlich sei. Auch die Frage der Hinterlegung sei einer krassen Fehlbeurteilung unterzogen worden. Der Berufungswerberin sei jedenfalls insoweit zuzustimmen, als einseitige „empfangsbedingte“ Willenserklärungen wie Aufkündigungen generell bedingungsfeindlich seien, weil bei der Kündigung der Erklärungsempfänger an der sofortigen klaren Erkennbarkeit der Rechtslage ein berechtigtes Interesse habe. Die Beisetzung von Bedingungen schade nicht, wenn im konkreten Fall eine Ungewissheit des Gegners nicht herbeigeführt werden könne. Läge der von der Antragstellerin bejahte Verstoß gegen die Bedingungsfeindlichkeit der Aufkündigung vor, wäre die angefochtene Entscheidung schon im Interesse der Gewährleistung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit zu korrigieren.

Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsbeantwortung hält zutreffend fest, dass es auf die Frage, ob das Schreiben der Klägerin vom 10. 11. 2008 tatsächlich eine Kündigung darstellt oder nicht, hier gar nicht ankommt, weshalb sich die dazu im zitierten Beschluss des Berufungsgerichts und die von der Rechtsmittelwerberin aufgeworfenen Fragen gar nicht stellen. Entscheidend ist vielmehr, ob durch die - rechtskräftig angenommene - Hinterlegung schuldbefreiend geleistet wurde und die Klage auf Zahlung sowie die Eventualbegehren (auf Einwilligung in die Auszahlung des erlegten Betrags und auf Feststellung, dass der Betrag von 5.133,08 EUR „geschuldet werde“) daher abzuweisen sind.

Dazu hat bereits das Berufungsgericht zutreffend festgehalten, der gerichtlichen Hinterlegung käme auch dann schuldbefreiende Wirkung zu, wenn man nicht von einer wirksamen Aufkündigung des Vertrags zwischen den Streitparteien ausgehen wollte. Insoweit beruft sich die Revisionswerberin allein auf die Fehlbeurteilung des Vorliegens eines wichtigen Grundes zur Hinterlegung (iSd § 1425 ABGB), „nämlich ob und wie“ mehrere Forderungsprätendenten auftreten müssen und was unter „einer Schuld“ oder „einer abzutragenden Sache“ zu verstehen sei.

Voraussetzung für die Berechtigung des (noch strittigen) Klagebegehrens (von 5.133,08 EUR) ist, dass die von der Beklagten vorgenommene gerichtliche Hinterlegung dieses Betrags, dessen Zahlung (neben weiteren bereits rechtskräftig zuerkannten 140,96 EUR sA) die Klägerin von der Beklagten begehrt, nicht rechtmäßig war und damit keine schuldbefreiende Wirkung hatte. Die behauptete Fehlbeurteilung dieser Frage durch das Berufungsgericht ist jedoch nicht zu erkennen.

Nach ständiger Rechtsprechung bilden sowohl die Unklarheit der Rechtslage als auch das Auftreten von mehreren Forderungsprätendenten einen rechtlichen Grund zum Gerichtserlag im Sinn des § 1425 ABGB (RIS-Justiz RS0033610; RS0033539; 3 Ob 190/03t mwN; 8 Ob 37/09p). Der Gerichtserlag durch den Schuldner ist dann berechtigt, wenn diesem objektiv nach verständigem Ermessen nicht zugemutet werden kann, den in Ansehung seiner Leistung Berechtigten bei sorgfältiger Prüfung - jedoch ohne zeitaufwendiges Studium von Judikatur und Literatur - zu erkennen (8 Ob 53/01d mwN).

Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin wird dem Schuldner von der Rechtsprechung auch in solchen Fällen die Hinterlegung nach § 1425 ABGB zugestanden, in denen er Gefahr läuft, auf Grund verschiedener (angeblicher) Ansprüche mehrerer (potentieller) Gläubiger doppelt beansprucht zu werden (Reischauer in Rummel3 § 1425 ABGB Rz 4; 8 Ob 37/09p mwN).

In Anbetracht der dargestellten Rechtslage kann in der einzelfallbezogenen Beurteilung des Berufungsgerichts, dass auch hier eine unklare Rechtslage vorlag, die für die Beklagte die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme mit sich brachte (weil sie den aus dem Bestandverhältnis Berechtigten nicht erkennen konnte [vgl 8 Ob 53/01d]), keine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung erblickt werden:

Ist doch der vorliegende Fall dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin die Beklagte im Schreiben vom 28. 12. 2009 sogar selbst auf eine Entziehung der Gebrauchserlaubnis durch den - wenn auch bekämpften - Bescheid der Gemeinde vom 23. 12. 2008 hinwies, wobei der Beklagten mit Schreiben der Gemeinde vom 6. 2. 2009 auch von dieser Seite die (weitere) Information erteilt wurde, dass die Klägerin die Lichtmasten seit 1. 1. 2009 titellos benütze und sie aufgefordert wurde, bei sonstiger Ersatzvornahme die Werbetafeln binnen 14 Tagen zu entfernen. Außerdem war der Beklagten von der Stadtgemeinde Wiener Neustadt bereits mit Schreiben vom 17. 12. 2008 mitgeteilt worden, dass die Vereinbarung mit der Klägerin betreffend die Benützung von Lichtmasten auf öffentlichen Verkehrsflächen mit 31. 12. 2008 seitens der Stadt Wiener Neustadt aufgekündigt worden sei und die Stadt Wiener Neustadt „bis auf weiteres die Agenden der H***** [= Klägerin] übernimmt“, Zahlungen für das Jahr 2009 nicht an die Klägerin getätigt werden sollten und sich die MA 13 bezüglich der weiteren finanziellen und technischen Abwicklung mit der Beklagten ins Einvernehmen setzen werde.

Hat die Beklagte aber durch die gerichtliche Hinterlegung schuldbefreiend geleistet (§ 1425 ABGB), ist auch die Abweisung der Eventualbegehren nicht zu beanstanden; dem Feststellungsbegehren fehlte damit nämlich jede Grundlage. Die Beurteilung, dass mangels Rechtsschutzinteresses keiner der Forderungsprätendenten (zu deren Gunsten der Schuldner den Erlag vorgenommen hat) den Erleger (eventualiter) auf Zustimmung zur Ausfolgung des Gerichtserlags klagen kann, entspricht ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0033745; 8 Ob 215/62, SZ 35/84). Wenn der Erlag - wie hier - schuldbefreiende Wirkung hat, ist (auch) diese Klage des Prätendenten gegen den Schuldner abzuweisen (RIS-Justiz RS0033745 [T2]).

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung - entgegen den zunächst erstatteten Ausführungen - (auch) die Unzulässigkeit der Revision aufgezeigt und deren Zurückweisung beantragt.

Textnummer

E97336

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0070OB00163.10M.0518.000

Im RIS seit

27.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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