Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vetter als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Christian K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 7. Dezember 2010, GZ 13 Hv 21/10g-73, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil ordnete das Landesgericht Wels die Unterbringung des Christian K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB an, weil er „am 9. Oktober 2009 in Salzburg unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen und seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer paranoiden (wahnhaften) Schizophrenie im Sinne der Geisteskrankheit (Psychose), nachstehende Personen durch die gegenüber Stephan D***** getätigten Äußerungen mit dem Tode gefährlich bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar:
1/ Dr. Helfried R***** durch die Äußerung, 'dass er ihn mit 40 Messerstichen erstechen, ihm die Kehle aufschlitzen, ihn anschließend köpfen und dann seinen Kopf aufspießen werde',
2/ Dr. Hans Ra***** durch die Äußerung, 'von dem wisse er, wo er wohne und er werde ihn ebenfalls mit 40 Messerstichen erstechen',
3/ Dr. Elisabeth S***** durch die Äußerung, 'dass er ihr drei Halswirbel brechen werde'“
und dadurch das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB beging.
Die dagegen vom Betroffenen aus Z 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.
Rechtliche Beurteilung
Mit dem Hinweis (nominell Z 5, 5a und 9 lit a) auf die (im Urteil erörterte; US 7) Verantwortung des Betroffenen (wonach er nicht gewusst habe, ob Stephan D***** die ihm gegenüber getätigten Aussagen weitersagen werde und er darauf „gar nicht gekommen“ wäre), bekämpft die Rüge bloß unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter, die ihre Überzeugung von der entscheidungswesentlichen (RIS-Justiz RS0093126 [T4]) Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) des Betroffenen, dass die von ihm gegenüber seinem Betreuer Stephan D***** geäußerten Drohungen gegen Abwesende an die Bedrohten weitergeleitet werden, im Einklang mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen auf die Tatumstände (dass nämlich Stephan D***** als Sozialbetreuer des Betroffenen aufgrund bestimmter Gegebenheiten zu einer Weiterleitung an die Bedrohten geradezu verpflichtet war und der Betroffene das Gespräch mit diesem nach den Drohungen „einfach“ abgebrochen hat, ohne ihn um Stillschweigen zu bitten; US 7) gegründet haben.
Indem die Beschwerde behauptet, die angefochtene Entscheidung enthalte keine „geeigneten Feststellungen“ zu einer auf die Weitergabe der Drohung gerichteten Absicht, gleichzeitig aber die genau dieses zum Ausdruck bringenden Urteilsannahmen zitiert (US 3), erweist sie sich als unschlüssig.
Zutreffend weist die Sanktionsrüge (Z 11) zunächst auf die vom Gesetz genannten Erkenntnisquellen für die Befürchtung der sogenannten Prognosetat hin, bestreitet aber gar nicht, dass das Erstgericht diesbezüglich neben den Taten auf die Person und den Zustand des Betroffenen, also seine Verfassung im Urteilszeitpunkt, abgestellt hat (US 3 - 5), und macht solcherart eine rechtsfehlerhafte Bewertung der Prognosekriterien und damit Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO (Ratz in WK² § 21 Rz 24 mwN) gar nicht geltend. Der Vorwurf, die Tatrichter hätten das bislang nicht durch „Verurteilungen wegen Delikten gegen Leib und Leben“ getrübte Vorleben des Beschwerdeführers und den Umstand, dass dieser „noch nie - nicht einmal versucht hat - die angedrohten Taten umzusetzen“, „völlig außer Acht gelassen“, stellt bloß eine den Ermessensbereich der Gefährlichkeitsprognose betreffende Kritik, somit ein Berufungsvorbringen dar (für viele: 13 Os 120/08h).
Hohe Wahrscheinlichkeit künftiger Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen mit schweren Folgen (US 8) haben die Tatrichter - der Interpretation der Rüge zuwider - durch die Feststellungen, wonach zufolge aktueller Gefährlichkeit des Betroffenen massive Drohungen gegenüber seinem sozialen Umfeld (US 9), vergleichbar den bisherigen Taten (also - als Prognosetat im Sinn des § 21 StGB geeignete [RIS-Justiz RS0116500] - Drohungen mit dem Tod nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB, die bei den Opfern entsprechende Besorgnis auslösen [US 9]), nahe liegend sind, und wonach damit gerechnet werden muss, dass er die angedrohten Taten auch umsetzen werde (US 5, 8), ausdrücklich bejaht und damit nicht bloß eine hypothetisch-abstrakte Möglichkeit oder bloße Wahrscheinlichkeit neuer Delinquenz angenommen (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 719; ders in WK² Vorbem zu §§ 21-25 Rz 4; RIS-Justiz RS0090401). Indem die Beschwerde diese Konstatierungen ignoriert, nimmt sie nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394).
Aus der Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die (angemeldete; ON 74) Berufung (§ 285i StPO).
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E97443European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0140OS00014.11G.0524.000Im RIS seit
10.06.2011Zuletzt aktualisiert am
10.06.2011