B8 263.974-0/2008/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 135/2009, (AsylG 2005) und § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX,
Staatsangehörigkeit: Republik Kosovo, vom 10.09.2005 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.08.2005, Zahl: 04 22.319-BAG, zu
Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen.
II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von XXXX in die Republik Kosovo zulässig ist.
III. Die Ausweisung von XXXX aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ist gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 in Verbindung mit § 10 Absatz 5 AsylG 2005 auf Dauer unzulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer brachte im Zuge der Asylantragstellung vor, den im Spruch genannten Namen zu führen, Staatsangehöriger des ehemaligen Serbien und Montenegro, aus der vormaligen Provinz Kosovo sowie Angehöriger der albanischen Volksgruppe zu sein und am 31.10.2004 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist zu sein. Er stellte am 01.11.2004 in Österreich den, dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zu Grunde liegenden Antrag auf Gewährung von Asyl.
Am 04.11.2004 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesasylamt im Beisein eines geeigneten Dolmetschers der albanischen Sprache niederschriftlich einvernommen. Er gab an, er habe bereits im Jahr 1999 in der Schweiz einen Asylantrag gestellt, welcher negativ entschieden worden sei. Am 15.05.2000 sei der Beschwerdeführer daraufhin freiwillig wieder in seine Heimat zurückgekehrt. Befragt nach den Gründen für das Verlassen seiner Heimat gab der Beschwerdeführer an, er habe während des Krieges Probleme gehabt. Er sei gezwungen gewesen, Waffen aus Albanien in den Kosovo zu schmuggeln. Damals sei er in die Schweiz geflüchtet. Nachdem er dort kein Asyl bekommen habe, habe er sein stark beschädigtes Haus renovieren wollen und sei nach XXXX gefahren, um Baumaterial zu kaufen. Er sei jedoch ohne Vorwarnung vor dem Bauhaus von unbekannten Personen überfallen und geschlagen worden. Er sei bewusstlos gewesen, aber Leute der KFOR hätten ihm geholfen und ihn nachhause gebracht. Zwei Tage nach diesem Überfall habe er ein anonymes Schreiben am Haustor vorgefunden, worauf gestanden sei, dass die ganze Familie erschossen werde, wenn der Beschwerdeführer den Überfall bei der KFOR melden sollte. Der Beschwerdeführer wisse nicht, wer die Drohung geschrieben habe, er vermute aber, dass ihm ehemalige UCK Leute gedroht hätten, da er damals für diese keine Waffen mehr schmuggeln habe wollen. Dies sei der einzige Grund, warum er seine Flucht angetreten habe. Ein Bruder des Beschwerdeführers sei während des Krieges umgebracht worden und im Heimatdorf begraben. Die Oppositionspartei AAK verlange, dass das Grab in einen anderen Ort verlegt werde. Dies mache der Vater jedoch nicht, weshalb die Familie mit dieser Partei Probleme habe.
Im Zuge einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 17.11.2004 wurde der Beschwerdeführer erneut nach seinen Gründen für das Verlassen des Heimatlandes befragt. Der Beschwerdeführer bestätigte die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben im Rahmen der ersten Einvernahme und brachte vor, er wolle keine ergänzenden Angaben machen.
Am 09.08.2005 wurde der Beschwerdeführer neuerlich vor dem Bundesasylamt einvernommen. Er gab an, er habe keine weiteren Beweismittel für sein Vorbringen. Im Heimatland würden noch seine Eltern, zwei Brüder und viele Onkel und Tanten leben. Die Familie habe ein eigenes Haus im Kosovo mit eigener Landwirtschaft und einen Hektar Grund. In Österreich habe der Beschwerdeführer keine Verwandten. Bis zum Tag der Ausreise habe der Beschwerdeführer in der elterlichen Landwirtschaft gearbeitet. Die wirtschaftliche Lage in der Heimat sei gut gewesen, das Geld für seine Flucht habe sein Vater für den Beschwerdeführer besorgt. Erneut nach dem Grund für seine Antragstellung befragt, gab der Beschwerdeführer an, er sei von zivilen Personen gesucht worden. Es seien unbekannte Maskierte gewesen. Nähere Angaben könne er nicht machen. Befragt, warum er von unbekannten Personen gesucht werden sollte, gab er an, sein Bruder sei im Krieg 1999 getötet worden, der Beschwerdeführer sei davon gelaufen und geflüchtet. Die Unbekannten würden nach ihm suchen. Befragt, ob irgendetwas passiert sei, erwiderte der Beschwerdeführer; 2001 sei der Beschwerdeführer von unbekannten Maskierten geschlagen und getreten worden. Mehr wisse er auch nicht. Auch auf mehrmalige konkrete Nachfrage gab er an, sonst wisse er nichts, er könne nicht mehr angeben. Befragt, was im Falle einer Rückkehr drohe, gab er an; er werde wieder von den unbekannten Maskierten gesucht werden. Anzeige bei der Polizei habe er jedoch keine erstattet. Auf Vorhalt, dass eine Anzeigeerstattung aber möglich sei, erwiderte der Beschwerdeführer, sein Vater habe einen Zettel beim Haus gefunden, auf dem geschrieben gewesen sei, dass keine Anzeige erstattet werden dürfe. Dies sei im Jahr 2000 oder 2001 gewesen, das Datum wisse aber nicht. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer erst mehrere Jahre später ohne ersichtlichen Grund seine Heimat verlassen habe, erwiderte der Beschwerdeführer, er wolle in Österreich auch arbeiten. Dem Beschwerdeführer wurden die Feststellungen zur Situation im Kosovo nachweislich zur Kenntnis gebracht und er gab an, die Sicherheitslage sei im Kosovo nicht so, wie man es sich wünsche.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.), weiters festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach "Serbien und Montenegro, Gebiet Kosovo", gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 zulässig sei (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Das Bundesasylamt traf in diesem Bescheid umfassende Feststellungen zur Situation im Kosovo und gelangte zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht werden konnte.
Gegen diesen Bescheid, dem Beschwerdeführer zugestellt am 05.09.2005, wurde mit Schriftsatz vom 10.09.2005 fristgerecht Berufung (in der Folge als Beschwerde bezeichnet; vgl. diesbezüglich § 23 Asylgerichtshofgesetz [Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008]) erhoben und der Bescheid in vollem Umfang angefochten. Ausgeführt wurde darin, der Beschwerdeführer habe nach dem negativen Bescheid der ersten Instanz mit seiner Familie im Kosovo telefoniert. Sein Vater habe ihm gesagt, dass er auf keinen Fall zurückkommen solle, weil das Problem mit der UCK nach wie vor aktuell sei. Es würden von den UCK-Kämpfern, welche nun im Untergrund agierten, nach wie vor "Kriegsverweigerer" misshandelt oder sogar umgebracht und wenn man dies zur Anzeige bringen wolle, werde gedroht, dass man die gesamte Familie töte. Es sei unbestritten, dass es in seinem Heimatort möglich sei zu leben und sich von den angebauten Lebensmitteln zu ernähren. Der Beschwerdeführer sei kein sogenannter Wirtschaftsflüchtling. Der Beschwerdeführer wolle auch anführen, dass er sich mittlerweile in seinem österreichischen Heimatort integrieren habe können und auch die Kultur in Österreich angenommen habe. Er ersuche, seine Berufung positiv zu überprüfen und ihm ein Leben in Frieden und Freiheit zu ermöglichen.
Mit Schreiben des Asylgerichtshofes vom 05.04.2011 wurden der Beschwerdeführer sowie das Bundesasylamt gemäß § 45 AVG über das Ergebnis der Beweisaufnahme zur aktuellen allgemeinen (politischen, wirtschaftlichen und sozialen) Situation in der Republik Kosovo, zur Frage der (nunmehrigen) Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie zu dessen familiären und persönlichen Bindungen zu Österreich und zum Kosovo in Kenntnis gesetzt. Dem Beschwerdeführer wurden mit diesem Schreiben die Feststellungen zur aktuellen Lage in der Republik Kosovo übermittelt und mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, diese Feststellungen der Entscheidung des erkennenden Gerichtshofes zugrunde zu legen. Dem Beschwerdeführer wurde Gelegenheit gegeben, binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieser Verständigung zu den übermittelten Ergebnissen der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen und entsprechende Unterlagen vorzulegen, und mitgeteilt, dass ansonsten auf Grundlage der bisherigen Ergebnisse der Beweisaufnahme entschieden werde. Dieses Schreiben des erkennenden Gerichtshofes wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 08.04.2011 rechtswirksam zugestellt.
Im Zuge der daraufhin erstatteten anwaltlichen Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 21.04.2011 wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines nunmehr nahezu sieben Jahre dauernden Aufenthaltes in Österreich bestens integriert sei. Er spreche sehr gut Deutsch und werde in Kürze die Deutschprüfung Niveaustufe A2 ablegen. Soweit es ihm beschäftigungsrechtlich möglich gewesen sei, sei der Beschwerdeführer ab 2006 nahezu durchgehend sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen nachgegangen. Auch aktuell sei der Beschwerdeführer seit rund eineinhalb Jahren bei einer namentlich genannten Holzbaufirma beschäftigt und verfüge auch über eine Beschäftigungsbewilligung. Während seines Aufenthaltes in Österreich habe der Beschwerdeführer auch die Ausbildung zum Führen von Dreh- und Auslegekränen, Fahrzeug- und Ladekränen absolviert. Infolge der langen Aufenthaltsdauer in Österreich sei der Beschwerdeführer auch sozial bestens in Österreich integriert und es könne insgesamt von einer gelungenen Integration gesprochen werden. Im Falle einer Rückkehr habe der Beschwerdeführer hingegen keine Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt aus eigenem sicherzustellen. Es sei zwar richtig, dass die Eltern sowie weitere Familienmitglieder sich noch im Kosovo aufhalten würden, diese hätten jedoch keine Möglichkeit ihn finanziell zu unterstützen. Im Gegenteil müsse der Beschwerdeführer selbst immer wieder Geld in den Kosovo schicken. Der Beschwerdeführer sei auch unbescholten. Es wurde weiters ersucht, dem Beschwerdeführer Asyl zu gewähren, jedenfalls aber festzustellen, dass die Ausweisung auf Dauer unzulässig sei. Der Stellungnahme beigelegt wurden ein aktueller Versicherungsdatenauszug, Beschäftigungsbewilligungen, Lohn- und Dienstzettel sowie ein Kranschein.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
II.1. Festgestellt wird:
Auf Grundlage des Antrags auf internationalen Schutz vom 01.11.2004, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch die Behörde erster Instanz, der Beschwerde gegen den angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid vom 10.09.2005, der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Beschwerdeführers, der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Ausländer- und Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorungsinformationssystem sowie des Parteiengehörschreibens vom 05.04.2011 und der diesbezüglichen Stellungnahme vom 21.04.2011 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu
Grunde gelegt:
II.1.1. Zur Situation in der Republik Kosovo wird festgestellt:
Allgemeine politische Lage
Am 24.03.1999 begann die NATO die Luftangriffe gegen die Bundesrepublik Jugoslawien mit dem erklärten Ziel "eine humanitäre Katastrophe zu verhindern (und) das Morden im Kosovo zu beenden". Im Juni 1999 rückten die unter Führung der NATO gebildeten KFOR-Einheiten in den Kosovo ein. Am 10.06.1999 wurde das Gebiet auf der Basis der Sicherheitsrats-Resolution 1244 der vorläufigen zivilen UN-Verwaltung "United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK)" unterstellt. Völkerrechtlich gehörte der Kosovo aber nach wie vor zur Bundesrepublik Jugoslawien. (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seite 2)
Das kosovarische Parlament erklärte am 17. Februar 2008 gegen den Willen Serbiens seine Unabhängigkeit. Die Proklamation enthält neben dem Bekenntnis zur Verwirklichung des Ahtisaari-Plans für eine überwachte Unabhängigkeit eine Einladung an die EU, die Staatswerdung des Kosovo mit einer eigenen Mission zu begleiten, und an die NATO, ihre Schutztruppen im Land aufrechtzuerhalten.
Die einseitige Sezession ist völkerrechtlich und international umstritten. Gleichwohl haben mittlerweile 69 Staaten (Stand: 19. Mai 2010), allen voran die USA und die Mehrzahl der EU-Staaten, den Kosovo förmlich anerkannt. Die Unabhängigkeit von Serbien verstößt nach einer Stellungnahme des Internationalen Gerichtshofs vom Juli 2010 nicht gegen das Völkerrecht. Die Stellungnahme ist rechtlich für keine Seite bindend. (International Court of Justice, 22. July 2010: Accordance with International Law on the Unilateral Declaration of Independence in Respect of Kosovo)
Das politische System hat sich seit der Unabhängigkeitserklärung vom 17. Februar 2008 gefestigt. Kosovo ist eine Republik in Form einer parlamentarischen Demokratie. Die am 15. Juni 2008 in Kraft getretene Verfassung bildet die Grundlage für die - noch für einen unbestimmten Übergangszeitraum "überwachte" - Souveränität der Republik Kosovo. Neben den Grundwerten moderner europäischer Verfassungen und dem Prinzip der Gewaltenteilung sieht die Verfassung umfassenden Schutz für die in Kosovo anerkannten Minderheiten (Serben, Türken, Bosniaken, RAE) und weitgehende Möglichkeiten ihrer politischen Partizipation vor.
Es gibt keine aktuelle Erhebung zur Einwohnerzahl Kosovos. Das Statistische Amt schätzte die Gesamtbevölkerung zum Ende des Jahres 2005 auf insgesamt 2.069.989 Einwohner (ca. 190 Personen pro Quadratkilometer). Nach offiziellen Schätzungen besteht die Bevölkerung zu ca. 91 Prozent aus Albanern, zu ca. 5 Prozent aus Serben und zu ca. 4 Prozent aus Angehörigen anderer ethnischer Gruppen (Türken, Bosniaken, Gorani, RAE).
Bei den von der OSZE unterstützten und demokratischen Parlamentswahlen am 17. November 2007 wurde die "Partia Demokratike e Kosovës" (PDK) des Premierministers Thaci mit 34,3 Prozent stärkste Partei mit 37 der 120 Sitze im Parlament, gefolgt von der "Lidhja Demokratike e Kosovës" (LDK) des Präsidenten Sejdiu mit 22,6 Prozent (25 Sitze). Am 9. Januar 2008 bestätigte das Parlament die ehemalige Koalitionsregierung aus LDK und PDK unter Führung von Premierminister Thaci und wählte Staatspräsident Sejdiu erneut zum Präsidenten.
Nachdem das Verfassungsgericht eine Verletzung der Verfassung durch den Umstand festgestellt hatte, dass Sejdiu neben dem Amt des Präsidenten gleichzeitig den Vorsitz der LDK innehatte, ist dieser am 27. September 2010 von seinem Amt als Staatspräsident zurückgetreten. Der darauf folgende Bruch der Regierungskoalition löste vorgezogene parlamentarische Neuwahlen für den 12. Dezember 2010 aus.
Die PDK erreichte bei diesen Wahlen laut vorläufigem Wahlergebnis 33,5 Prozent der Stimmen, bei einer Wahlbeteiligung von knapp unter 48 Prozent. Danach folgten die LDK von Isa Mustafa, (der Bürgermeister von Pristina mit 23,6 Prozent), Vetevendosje von Albin Kurti (12,2 Prozent), die AAK von Ramush Haradinaj (10,8 Prozent) sowie die AKR von Behgjet Pacolli mit 7,1 Prozent. Für die Minderheiten in Kosovo sind im 120 Sitze umfassenden Parlament 20 Sitze reserviert. Die serbische Bevölkerung in den Enklaven südlich des Ibar beteiligte sich in unterschiedlichem Maß am Urnengang (Wahlbeteiligung zwischen 33 Prozent und 50 Prozent), dem gegenüber war die Beteiligung im Norden sehr gering (zwischen 0 und 0,6 Prozent, lediglich Zubin Potok 6,2 Prozent).
In ersten Stellungnahmen durch eine Delegation des Europäischen Parlaments, die internationale Wahlbeobachtungsmission ENEMO sowie den kosovarischen Nichtregierungsorganisationsverbund "Demokratie in Aktion" wurden zwar der ruhige und grds. gut organisierte Ablauf der Wahlen gelobt. Es wurden jedoch auch massive Betrugsversuche festgestellt und technische Missstände aufgedeckt. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 7-8)
Auf Beschluß der Zentrale Wahlkommission wurden am 9. Januar 2011 in allen Wahllokalen von Drenas und Deçan, sowie in je einer Gemeinde in Lipjan und Malisheva neue Wahlen durchgeführt sowie am 16. Januar 2011 die Wahl auch in 24 von 29 Wahlbezirken in Mitrovica wiederholt , da massive Fälschungen durchgeführt wurden.
Ende Februar einigte sich Thaçis PDK mit der AKR von Behgjet Pacolli, der Demokratischen Liga Ibrahim Rugova von Ukë Rugova, der Selbstständigen Liberalen Partei von Slobodan Petrovic sowie mit der Minderheitenkoalition 6plus auf eine Regierungskoalition. Pacolli sollte neuer Staatspräsident werden. Beim dritten Anlauf wurde er schließlich am 22. Februar 2011 mit 61 von 120 möglichen Stimmen gewählt. Am 22. Februar wurde zudem die neue Regierung für die Legislaturperiode 2011-2014 vom Kosovarischen Parlament mit einer Mehrheit gewählt. Hashim Thaçi soll weiterhin Premierminister bleiben. (http://www.orf.at/stories/2035082, http:derstandard.at/1297818695578 jeweils eingesehen am 09.03.2011)
Der kosovarischen Regierung ist es bislang nicht gelungen, effektive Hoheitsgewalt über den serbisch dominierten Norden des Landes zu erlangen.
Durch die allgemeinen Gemeinderatswahlen der Republik Serbien am 11. Mai 2008, die auch in den serbisch dominierten Gemeinden in Kosovo durchgeführt wurden, entstanden von Serbien unterstützte und geförderte lokalpolitische Parallelstrukturen. Diese Wahlen und damit auch die daraus hervorgegangenen Gemeindevertreter sind weder von der kosovarischen Regierung noch der internationalen Gemeinschaft anerkannt worden. Insbesondere im Norden des Landes lassen diese Strukturen eine Umsetzung von Regierungsentscheidungen aus Pristina nicht oder nur eingeschränkt zu.
Die Wirtschaftslage bleibt prekär. Eine strukturelle, nachhaltige Verbesserung der Wirtschaftsentwicklung konnte seit der Unabhängigkeitserklärung nicht erreicht werden. Für das Jahr 2009 wurde vom Internationalen Währungsfonds ein Wirtschaftswachstum von ca. 4,4 Prozent des BIP festgestellt, für 2010 wird ein Wachstum von ca. 4,5 Prozent des BIP vorhergesagt. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik
Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 8-9)
Staatsangehörigkeit:
Das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) der Republik Kosovo trat am 15. Juni 2008 in Kraft.
Nach Art. 155 der Verfassung der Republik Kosovo haben alle rechtmäßigen Bewohner Kosovos einen Anspruch auf die kosovarische Staatsbürgerschaft. Außerdem haben ihn alle Bürger (und deren Abkömmlinge) der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien, die am 01. Jänner 1998 ihren ständigen Wohnsitz in Kosovo, unabhängig vom derzeitigen Wohnort, hatten.
Ein Bürger kann auch Bürger eines oder mehrerer anderer Staaten sein, der Erwerb oder Besitz einer anderen Staatsbürgerschaft bedeutet nicht den Verlust der kosovarischen Staatsangehörigkeit.
Eine erleichterte Einbürgerung ermöglicht Art. 13 StAG den Mitgliedern der Kosovo-Diaspora (Ausreise vor dem 01. Jänner 1998). Als ihr Mitglied gilt, wer seinen Wohnsitz außerhalb Kosovos hat, im Kosovo geboren ist und enge familiäre und wirtschaftliche Beziehungen in Kosovo hat (Abs. 2). Auch Nachkommen der ersten Generation, die familiäre Verbindungen in Kosovo haben, zählen zur Kosovo-Diaspora (Abs. 3). Art. 28 und 29 StAG regeln den Status derjenigen, die als rechtmäßige Bewohner registriert sind (legal residents) und der Bürger des ehemaligen Jugoslawiens, die am 01. Jänner 1998 ihren ständigen Wohnsitz in Kosovo hatten (habitually residing).
Jeder, der die Voraussetzungen erfüllt, gilt automatisch als Staatsbürger der Republik Kosovo. Laut Art. 28 I StAG ist jede Person, die als "habitual resident" gem. UNMIK Regulation No. 2000/13 im Zivilregister registriert wurde, als Staatsbürger Kosovos zu betrachten (shall be considered) und als solcher in einem Staatsbürgerschaftsregister zu erfassen.
Um als rechtmäßiger Bewohner (habitual resident) registriert zu werden, musste nachgewiesen werden:
-
in Kosovo geboren zu sein,
-
oder mindestens einen in Kosovo geborenen Elternteil zu haben,
-
oder mindestens fünf Jahre ununterbrochen in Kosovo gewohnt zu haben
(ausgenommen von dieser Regel sind Personen, die aufgrund ihrer Flucht die minimale Residenzpflicht nicht erfüllen können). Nur wer im Zivilregister eingetragen ist, konnte eine UNMIK-Identity Card (ID) und damit ein UNMIK- Travel-Dokument (TD) beantragen. Der Besitz eines UNMIK-Dokuments spricht demnach dafür, dass der Inhaber Staatsbürger Kosovos ist (Art. 28 StAG).
Eine Sonderegelung für Vertriebene und Flüchtlinge des Kosovo-Krieges ist Art. 29 StAG. Danach sind auch alle Personen (und ihre direkten Nachkommen), die am 01. Jänner 1998 Bürger der Bundesrepublik Jugoslawien waren und an diesem Tag ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in Kosovo hatten, Bürger von Kosovo und als solche im Bürgerregister unabhängig von ihrem derzeitigen Wohnort oder ihrer derzeitigen Staatsangehörigkeit zu erfassen. Für die Erfassung im Bürgerregister bedarf es jedoch eines Antrags (Abs. 3) Kriterien zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes in Kosovo am 01. Jänner 1998 sind analog der in der UNMIK-Richtlinie 2000/13 zum zentralen Zivilregister festgelegt (Abs. 5). Auch dieser Personenkreis hat also die Staatsbürgerschaft kraft Gesetzes erworben, so er die Erfassung im Register beantragt. (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 08/2008).
Internationale Präsenz in Kosovo
Die internationale Präsenz in Kosovo hat sich grundlegend gewandelt. Die durch Resolution 1244/99 in Kosovo eingerichtete VN-Mission UNMIK hat ihre Umstrukturierung nunmehr abgeschlossen. Lediglich 10 Prozent (ca. 420 Personen) des vormaligen Personalbestandes von UNMIK sind noch im Einsatz. Ihre wesentlichen früheren Aufgaben im Bereich Polizei, Justiz und Zoll werden jetzt durch kosovarische Regierungsstellen bzw. die europäische Rechtsstaatsmission EULEX ausgeübt.
EULEX hat am 9. Dezember 2008 die operative Arbeit im gesamten Land aufgenommen und am 6. April 2009 volle Einsatzfähigkeit erreicht. Neben Beratungsfunktionen beim Aufbau von Polizei, Justiz, Zoll und Verwaltung haben die Mitarbeiter auch exekutive Funktionen, z.B. bei der Verfolgung organisierter Kriminalität, Korruption, interethnischer Kriminalität, Kriegsverbrechen sowie bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. EULEX hat derzeit 1.642 internationale und 1.165 lokale Beschäftigte. Davon sind ca. 1.200 Vollzugsbeamte der Polizei; etwa 450 Beamte sind in geschlossenen Einheiten ("Formed Police Units" (FPU) eingesetzt, die zur Kontrolle von Menschenansammlungen bzw. in aufruhrähnlichen Situationen oder Unruhen eingesetzt werden können. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 9-10)
Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Kosovo ist weitgehend stabil, in Teilgebieten, insbesondere im Norden und im Brennpunkt Mitrovica, aber weiterhin fragil. Seit den Ausschreitungen im März 2004 gab es keine landesweiten Unruhen mehr.
Es gibt keine konkreten Hinweise auf intendierte staatliche Repressionen aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit. Repressionen Dritter gegenüber ethnischen Minderheiten haben seit 2004 stetig abgenommen. Die subjektiv zum Teil immer noch als unsicher empfundene Sicherheitslage behindert aber v.a. den Rückkehrprozess von Kosovo-Serben.
Das nach Auflösung der kosovo-albanischen Befreiungsarmee UÇK eingerichtete zivile Hilfskorps "Kosovo Protection Corps" (KPC, alb. TMK) wurde am 30. Juni 2009 aufgelöst. Seither bilden multiethnische und zivil kontrollierte leichtbewaffnete Sicherheitskräfte die "Kosovo Security Forces (KSF)", die nicht mehr als 2.500 Mitglieder und maximal 800 Reservisten haben sollen. Derzeit umfasst die KSF etwa 2.000 Kräfte, davon gehören 8 Prozent den Minderheiten an. Die KSF übernimmt derzeit primär zivile Aufgaben wie Krisenreaktion, Sprengmittelbeseitigung und Zivilschutz. Im September 2009 hat die KSF ihre grundsätzliche Einsatzfähigkeit erreicht, die volle Einsatzfähigkeit kann voraussichtlich zwischen Ende 2011 und 2014 erreicht werden.
Die Polizei (Kosovo Police, KP - ehemals Kosovo Police Service, KPS) hat derzeit eine Stärke von ca. 9.000 Personen und ist im ganzen Land vertreten. Der Frauenanteil in der KP beträgt fast 15 Prozent; mehr als 14 Prozent sind Angehörige von Minderheiten. EULEX-Polizisten beraten und unterstützen Polizeidienststellen im gesamten Land. Die kosovo-serbischen Polizeistrukturen im Norden lassen sich schwer in die zentralen Kommandostrukturen der KP integrieren. Derzeit berichten die Polizeistationen im Norden unmittelbar an die Operationszentrale von EULEX, die sodann die KP unterrichtet.
In Nord-Kosovo führen KP, EULEX und KFOR seit Anfang Oktober 2010 verstärkte Personen- und Fahrzeugkontrollen durch, zudem wurden gezielte Ermittlungsmaßnahmen und Zugriffe gegen Personen aus dem Umkreis der Organisierten Kriminalität durchgeführt.
Die innere Sicherheit der Republik Kosovo beruht weiterhin auf drei Komponenten: der KP, den internationalen Polizeikräften (v.a. EULEX) und den KFOR-Truppen. Die KFOR wird nach wie vor von allen Beteiligten anerkannt. KFOR steht als letzte Option bereit, wenn die KP und die internationale Polizei sich nicht durchsetzen können. Die Truppe hat ihren Ruf als Garant der Sicherheit gefestigt durch ihr robustes und entschlossenes Handeln bei den gewalttätigen Ausschreitungen am 17. März 2008 durch Kosovo-Serben in Mitrovica, bei denen der Einsatz von Maschinenpistolen und Handgranaten durch Demonstranten zu über 70 Verletzten führte.
Die nach wie vor verbreitete Gewaltbereitschaft und die große Zahl der frei zirkulierenden Waffen beeinträchtigen die Sicherheitslage. Es gibt praktisch in jedem Haushalt eine oder mehrere (illegale) Schusswaffen.
Nach einer belastbaren Studie des "United Nations Office on Drugs and Crime" (UNODC) ist die Kriminalität, mit Ausnahme der Organisierten Kriminalität und der Korruption, rückläufig und niedriger als im gesamteuropäischen Vergleich. Dies gilt besonders für Eigentums-, Körperverletzungs- und Tötungsdelikte. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 10-11)
Laut Kriminalitätsstatistik ist die Anzahl der gemeldeten Straftaten im Jahresvergleich rückläufig. 2009 wurden 7 Prozent weniger Straftaten gemeldet als 2008. (Kriminalstatistik 2009, übermittelt vom Verbindungsbeamten des BMI am 19. März 2010)
Dem Auswärtigen Amt liegen keine Berichte über gezielte Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung der Republik Kosovo oder durch Personal von UNMIK, EULEX, OSZE, ICO vor. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite
11)
Politische Opposition
Die politische Opposition wird in ihrer Betätigung nicht eingeschränkt. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 12-16)
Religionsfreiheit
Die Religionsfreiheit ist nach Art. 38 der kosovarischen Verfassung garantiert. Einschränkungen der Religionsfreiheit sind nicht bekannt. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 16)
Selbst Personen, welche eine fundamentalistische Form des Islams sowohl im Erscheinungsbild (Vollbart, Pluderhose, Schleier) als auch in der strengen Anwendung des Islams (strikte Einhaltung der Gebote) praktizieren, sind im öffentlichen Leben akzeptiert, auch wenn sie von der Bevölkerung mit Argwohn betrachtet werden. (Kosovo-Bericht 29. September 2008 des Verbindungsbeamten des BMI, Seite 7 und 9)
Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis
Im gesamten Justizwesen sind Richter und Staatsanwälte aus allen relevanten ethnischen Gruppen tätig. Nach Angaben von EULEX-Richtern gibt es zum Teil noch erhebliche Ausbildungsdefizite bei den lokalen Richtern und Staatsanwälten. EULEX hat seit dem 9. Dezember 2008 justizielle Funktionen im Bereich der Strafjustiz, der Zivilgerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaft übernommen, die zuvor von internationalen UNMIK-Richtern/- Staatsanwälten ausgeübt wurden. Dabei handelt es sich inbesondere um Fälle von Kriegsverbrechen, schwere organisierte Kriminalität und ungelöste Eigentumsfragen im Nachgang zu den kriegerischen Auseinandersetzungen bis 1999.
Insgesamt ist der Zugang zum Gerichtswesen nicht landesweit einheitlich gewährleistet. Das Gericht in Nord-Mitrovica ist z.B. nach wie vor nur sehr eingeschränkt funktionstüchtig. Es gibt inzwischen zehn u.a. von UNDP und Legal Aid Commission betriebene Regionalbüros für Rechtsfragen, die Personen mit geringem Einkommen kostenlose Rechtshilfe anbieten, um ihre Rechtsansprüche durchzusetzen, darunter auch zahlreiche Minderheitenangehörige (Serben, RAE, Bosniaken und Türken). Es ist jedoch davon auszugehen, dass es Unterschiede beim Zugang zum Gerichtswesen gibt, gerade auch für Minderheitenangehörige in jeweiligen Mehrheitsgebieten (z.B. Kosovo-Albaner in Nord-Kosovo oder Kosovo-Serben in Westkosovo). (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 17-18)
Repressionen Dritter
Die Akzeptanz der verschiedenen ethnischen Gruppen untereinander hat zugenommen. Bei Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen verschiedener ethnischer Gruppen handelt es sich häufig nicht um ethnisch motivierte Streitigkeiten, sondern um Streitigkeiten zwischen Nachbarn oder Verletzungen des persönlichen Ehrgefühls.
Interethnische Zwischenfälle finden fast ausschließlich vor dem Hintergrund des angespannten Verhältnisses zwischen Kosovo-Serben und Kosovo-Albanern statt. Sie ereignen sich in aller Regel - lokal eingegrenzt - in bestimmten Gebieten des unmittelbarräumlichen Aufeinandertreffens/Zusammenlebens beider Bevölkerungsgruppen. Zumeist ergeben sich problematische Situationen wie z.B. handgreifliche Auseinandersetzungen bzw. Proteste, wenn das Betreten eines von der anderen Ethnie dominierten Gebietes als Provokation ausgelegt wird. Insbesondere in den Gebieten nördlich des Flusses Ibar werden staatliche Maßnahmen als Eingriff in die serbischen Parallelstrukturen angesehen und sind Ursache häufiger Spannungen und Auseinandersetzungen.
Die Anzahl interethnischer Vorfälle gegen Angehörige der Minderheitengemeinschaften der ethnischen Roma, Askhali und Ägypter geht weiter zurück. Auch in Kosovo tätige internationale Flüchtlingshilfeorganisationen berichten in diesem Zusammenhang lediglich von einigen wenigen konkreten Vorfällen. Ethnisch motivierte Verfolgungshandlungen durch nicht-staatliche Akteure können weiterhin nicht ausgeschlossen werden; konkrete Vorfälle sind in den letzten Monaten allerdings nicht bekannt geworden. Bei den (u.a. von UNMIK, vom UNHCR und Amnesty International berichteten) Vorfällen, die sich Ende Juli/Anfang August 2009 in dem von Angehörigen der Roma bewohnten Wohngebiet Abdullah Presheva in der Stadt Gjilan/Gnjilane ereigneten, handelte es sich im Wesentlichen um Auseinandersetzungen zwischen dort lebenden Roma und einigen beteiligten Auslandsalbanern, die zu diesem Zeitpunkt ihren Urlaub bei Verwandten in diesem Wohngebiet verbrachten. Die tätlichen Angriffe wurden zur Anzeige gebracht. Die Vorfälle wurden von EULEX als nicht ethnisch motivierte Verfolgungshandlungen qualifiziert.
Bei vielen Minderheitenangehörigen, insbesondere den RAE, besteht trotz der insgesamt positiven Entwicklung weiterhin ein Unsicherheitsgefühl gegenüber staatlichen Sicherheitskräften. Ursächlich hierfür sind maßgeblich die in den Jahren 1999 und 2004 gegen RAE-Angehörige verübten Gewalttaten. Inzwischen verfügt jede regionale Dienststelle der KP über Polizeibeamte, die ausschließlich für die Belange aller Minderheitengemeinschaften zuständig sind. Zumeist sind solche Beamte selbst Angehörige verschiedener Minderheiten. Nach den vorliegenden Erkenntnissen unterhalten diese Beamten
ständige Kontakte zu den in ihrem Zuständigkeitsbereich lebenden Minderheitengemeinschaften. Regelmäßig findet ein Austausch mit den jeweiligen Führern der örtlichen Minderheitengemeinschaften statt. Auch hierdurch soll gewährleistet werden, dass Minderheitenangehörigen die Möglichkeit geboten wird, u.a. gegen sie gerichtete Straftaten anzuzeigen und verfolgen zu lassen. NGOs weisen in diesen Zusammenhang darauf
hin, dass insbesondere bei Roma davon ausgegangen werden kann, dass viele Ereignisse nicht
zur Anzeige gebracht werden. Die EULEX-Polizei in Kosovo übt u.a. Monitoring- Funktionen über die Kosovo Polizei aus und informiert berechtigte Stellen u.a. die Deutsche Botschaft Pristina in sog. Security Situation Reports täglich über polizeiliche Vorfälle. Der EULEX-Polizei liegen keine Erkenntnisse vor, dass Anzeigen insbesondere von RAE-Minderheiten nicht angenommen bzw. nicht bearbeitet werden. Ferner weist EULEX-Polizei darauf hin, dass entsprechende Anzeigen von Angehörigen der RAE auch bei der EULEX-Polizei gestellt werden können.
Es ist nicht auszuschließen, dass es noch Personengruppen gibt, die weiterhin einer Gefährdung ausgesetzt sind (so z.B. Personen in Mischehen und Personen gemischtethnischer Herkunft sowie Personen, die der Zusammenarbeit mit den serbischen Behörden in der Zeit von 1990 bis 1999 verdächtigt werden). Kosovo-Albaner christlichen Glaubens sind keinen Diskriminierungen durch die muslimische Mehrheitsbevölkerung ausgesetzt.
Die kosovo-albanische Tradition der Blutrache ist kaum mehr anzutreffen. Allerdings sind insbesondere außerhalb der größeren Städte nicht selten Racheakte aus verschiedenen Gründen zu beobachten. Diese werden landläufig als Blutrache bezeichnet und ohne Beachtung der einschränkenden Regeln des Kanun (der Eröffnung, Ablauf und Beendigung regelt) beharrlich betrieben, zum Teil mit blutigen bzw. tödlichen Folgen. Bei diesen Racheakten ist die Hemmschwelle, eine Schusswaffe zu benutzen, oft sehr niedrig. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011,
Stand: Dezember 2010, Seite 20-22)
Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden:
Kosovo Police (KP), ehemals Kosovo Police Service KPS/ShPK:
Die OSCE leitete in VUSHTRRI eine zentrale Aus - und Fortbildungsstätte für KPS. Seit 1999 werden die verschiedenen Lehrgänge - bisher immerhin über 8.000 Polizisten - durch internationale Trainer aus verschiedenen Staaten ausgebildet.
Inzwischen wird das Institut durch einen lokalen Direktor geleitet und auch seit 2006 aus dem Kosovo Budget finanziert. Die OSCE ist mit einem kleinen Stab an Mitarbeitern (12 und 2 sonstige) direkt vor Ort bzw. als Unterstützung auch im Hauptquartier vertreten.
Neben der Ausbildung besteht ein Hauptaugenmerk auf Fortbildung. Immer wieder werden bei Kursen auch externe Experten eingeflogen, welche dann in ihrem Spezialgebiet die Kenntnisse weitergeben.
Durch entsprechende gesetzliche Regelungen wurde die Aus- und Fortbildung von Polizei, Zoll, Feuerwehr und Justiz (Justizwache) an dieser Fortbildungsstätte zusammengefasst. Das Kosovo Centre for Public Safety Education and Development - KCPSED - ist im Ministerium für Inneres angesiedelt und hat 2008 ein Budget von 2,7 Millionen Euro bei einem Personalstand von 177 ständigen Mitarbeitern.
Nach der Ausbildung erfolgt die Aufteilung in die verschiedenen Regionen des Kosovo. Von diesen waren bis auf die Region Mitrovica alle bereits von UNMIK Police an KPS übergeben worden. UNMIK Police übte eine beobachtende Rolle aus, unterstützt und evaluierte die Arbeit von KPS. (Kosovo-Bericht 29. September 2008 des Verbindungsbeamten des BMI, Seite 41-42)
KPS geht Anzeigen professionell nach. Beschwerden und Anzeigen gegen Angehörige von KPS werden sehr genau auch im Zuge von Disziplinarverfahren untersucht, Konsequenzen wie Suspendierungen, etc. werden nach den bisherigen Erfahrungswerten fast rascher ausgesprochen als in Österreich. (Auskunft des Verbindungsbeamten des BMI 05. Mai 2007, Zahl 154/07 an das BAE)
KPS erfüllt seine Aufgaben generell professionell und kompetent. (Commission of the European Communities: Kosovo Under UNSCR 1244 2007 Progress Report, COM (2007) 663 final, 06. November 2007, Seite
46)
Es besteht eine beratende und überwachende Tätigkeit von EULEX Polizei bezüglich Kosovo Police auch im Falle, wenn Anzeigen nicht entgegengenommen werden. (Auskunft des Verbindungsbeamten des BMI, 15. Jänner 2009, Zahl 10/09 an den Asylgerichtshof)
Wenden sich Personen an KFOR, versuchen diese, die Anzeige an eine dafür zuständige Stelle weiterzuleiten. KFOR hat keine Exekutivgewalt im Kosovo.
Als weitere Möglichkeit bietet sich eine direkte Anzeige bei der Justiz (Staatsanwalt) an, wo dann über die weitere Vorgangsweise entschieden wird.
Die Beamten von KPS tragen deutlich sichtbar ihre jeweilige Dienstnummer, wodurch eine Zuordnung ohne Probleme möglich ist. Die Tätigkeit ist in den Dienstberichten dokumentiert und transparent nachvollziehbar.
Das Einbringen von Beschwerden ist jederzeit möglich, aufgrund der Sensibilisierung werden Beschwerden auch rasch behandelt und führen - wenn berechtigt - zu den entsprechenden Konsequenzen für den betroffenen Funktionsträger.
Missstände in der Verwaltung können auch beim Ombudsmann angezeigt werden. Es besteht die Möglichkeit einer Beschwerde an den Ombudsmann und damit eine Garantie für eine Weiterbehandlung.
Dieser strich bei einem persönlichen Gespräch hervor, dass Beschwerden gegen KPS von dieser Institution unverzüglich und effizient bearbeitet werden. (Kosovo-Bericht 31. März 2007 des Verbindungsbeamten des BMI, Seite 9-10; Auskunft des Verbindungsbeamten des BMI, 26. Mai 2009, Zahl 132/09 an den Asylgerichtshof)
Zudem wird die Tätigkeit jeder Polizeidienststelle von der OSZE (Security Issues Officer) überwacht. Täglich werden Polizeiberichte verfasst, welche auch der OSZE übermittelt werden. Gegebenenfalls kann sich eine Person auch an die OSZE wenden, sollte ein KPS Mitarbeiter seine Kompetenzen überschritten bzw. nicht erfüllt haben. [XXXX: Gutachten zu Aktivitäten der AKSh. 07. Mai 2007, Seite 11].
Es besteht also auch hier die Möglichkeit einer Beschwerde bzw. Anfrage um Unterstützung im Anlassfall. (Auskunft des Verbindungsbeamten des BMI, 26. Mai 2009, Zahl 132/09 an den Asylgerichtshof)
UNMIK Police/EULEX Police
Seit August 1999 war UNMIK Police im Kosovo präsent. Konkrete operative Aufgaben bestanden in der Region Mitrovica, in der Abteilung für Organisierte Kriminalität, im Interpol - Büro, bei Kriegsverbrechen und im Ordnungsdienst (Demonstrationen, etc.). Sonderfälle waren die Einheiten für Zeugenschutz, Transport von Häftlingen und Personenschutz. Sonst hatte UNMIK POLICE eine beobachtende Funktion von KPS eingenommen.
Nunmehr hat EULEX Police die Rolle von UNMIK Police übernommen. Der Aufgabenbereich liegt in Überwachung und Beratung der lokalen Polizei, Justiz, Justizwache und des Zolls. Operative Aufgaben im Polizeibereich sind: Finanzverbrechen, Kriegsverbrechen, Organisierte Kriminalität, Wirtschaftsverbrechen, Terrorismus, Zeugenschutz, Personenschutz (Auskunft des Verbindungsbeamten des BMI, 15. Jänner 2009, Zahl 10/09 an den Asylgerichtshof; Kosovo-Bericht 31. März 2010, Verbindungsbeamter des BMI, Seite 39)
Generell ist für alle ethnischen Albaner, auch solchen in Gebieten, wo sie eine Minderheit bilden, hinlänglicher Schutz durch UNMIK/KPS verfügbar.
UNMIK/KPS sind willens und auch in der Lage, denjenigen, die Verfolgung befürchten, Schutz zu gewähren und stellen einen rechtlichen Mechanismus zur Ermittlung, Strafverfolgung und Bestrafung von Verfolgungsmaßnahmen sicher. (Home Office, Operational Guidance Note Kosovo, 22. July 2008, Seite 4 und 5)
Die Aufklärungsquote liegt bei Eigentumsdelikten bei 45 Prozent, bei Straftaten gegen Personen bei 71 Prozent. Schwerere Verbrechen haben eine höhere Aufklärungsrate als weniger schwere Verbrechen aufgrund der Ressourcen, die zu deren Ermittlung bereitgestellt werden. (UN Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo. S/2008/211, 28. März 2008, Seite 11)
Municipal Community Safety Council:
In allen Gemeinden des Kosovo besteht darüber hinaus ein "Municipal Community Safety Council" (MCSC, Rat zum Schutz der Volksgruppen). Dem Rat gehören neben KFOR, UNMIK Polizei, KPS auch Vertreter der verschiedenen Glaubensgemeinschaften (orthodoxe, katholische, islamische Gemeinschaft) wie auch alle Dorfvorsitzenden der Gemeinde an. Zweck des Rates, welcher vom Gemeindepräsidenten einberufen wird, ist es, einmal pro Monat über die Sicherheitslage im Allgemeinen und eventuelle Bedenken bzw. Bedürfnisse der einzelnen ethnischen bzw. religiösen Minderheiten zu beraten und wenn erforderlich korrigierende Maßnahmen zu ergreifen. Personen, die sich unsicher fühlen, können sich an diesen Rat wenden bzw. über ihre Dorfräte ihre Sicherheitsbedenken den zuständigen Behörden bekannt machen. So klagte beispielsweise der Dorfrat eines Dorfes im albanischen Grenzgebiet in der Gemeinde Gjakove/Djakovica (der MCSC wurde in dieser Gemeinde im August 2006 eingerichtet) über Raubüberfälle (vorwiegend Viehraub) durch maskierte Banden. Zur Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung dieser Gegend verstärkte die KFOR ihre Truppen in der Region und auch die Polizei führt seither mehr Patrouillen in der Region durch. (XXXX: Gutachten zu Aktivitäten der AKSh. 07. Mai 2007 , Seite 11-12)
Kosovo-Albaner
Der UNHCR wies bereits im Januar 2003 darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der Kosovo-Albaner, die während der Kosovo-Krise geflohen waren, nach Hause zurückgekehrt ist.
Die Sicherheitslage hat sich im Allgemeinen für Angehörige der albanischen Mehrheitsbevölkerung in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Nicht zuletzt die größere Effizienz der lokalen Polizei "KPS" und eine Verbesserung des lokalen Gerichtswesens haben dazu beigetragen, die Situation (für ethnische Albaner) zu verbessern. Zudem haben aber auch das - für Nachkriegssituationen typische - allgemeine Chaos und die relative Normenungebundenheit, die in der Gesellschaft vorherrschte, nachgelassen und ein mehr geregeltes gesellschaftliches Leben ist an deren Stelle getreten. Gegenwärtig gibt die allgemeine Sicherheitslage für ethnische Albaner, d.h. Angehörige des nunmehrigen Mehrheitsvolkes in Kosovo, bis auf genau definierte Ausnahmen zu Besorgnissen keinen Anlass mehr. (XXXX: Allgemeines Gutachten zur Situation im Kosovo, 15. Februar 2007, Seite 4-5)
Im Positionspapier des UNHCR vom 09. November 2009 wird aber darauf hingewiesen, dass es immer noch einige Kategorien von Kosovo-Albanern (so z.B. aus Gebieten in denen sie eine ethnische Minderheit bilden oder Kosovo-Albaner in Mischehen und Personen gemischt-ethnischer Herkunft, Kosovo-Albaner, die der Mitarbeit mit dem serbischen Regime nach 1990 verdächtigt werden, Opfer von Menschenhandel, Opfer von häuslicher Gewalt sowie Personen, deren Anträge auf sexueller Orientierung basieren) gibt, die mit ernsten Problemen konfrontiert werden könnten, wenn sie derzeit nach Hause zurückkehren würden. (UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Individuals from Kosovo)
Katholische Albaner sind im politischen wie wirtschaftlichen Leben voll integriert und sind keinerlei Benachteiligungen durch die mehrheitlich moslemischen Albaner ausgesetzt.
Es kann festgehalten werden, dass es für eine Diskriminierung bzw. Verfolgung der katholischen Albaner im Kosovo durch die mehrheitlich moslemische Bevölkerung keine Anhaltspunkte gibt. Auch sind keine Einzelfälle von Übergriffen bekannt geworden. Katholische Albaner sind keiner Verfolgung bzw. besonderen Gefährdung aufgrund ihrer religiösen Überzeugung ausgesetzt. (XXXX: Katholische Albaner im Kosovo. Gutachten erstellt im Juli 2006, Seite 13-15)
Ausweichmöglichkeiten
Eine Übersiedlung in andere Teile des Landes unterliegt keinen rechtlichen Einschränkungen. Alle Ethnien können sich in Kosovo grundsätzlich frei bewegen. Die Freizügigkeit von Personen ist nach Einschätzung der Europäischen Kommission allerdings nicht im gesamten Land gewährleistet. Die Sicherheitskräfte bemühen sich zwar um einen verstärkten Schutz für Minderheitengebiete und Enklaven, Angehörige von Minderheiten verlassen diese Gebiete - oftmals aufgrund eines subjektiv empfundenen Unsicherheitsgefühls und auch sprachlicher Barrieren - nur selten.
Von der Freizügigkeit wird zum Teil von Kosovo-Serben und Kosovo-Albanern v.a. dort aus einem subjektiv empfundenem Unsicherheitsgefühl heraus kein Gebrauch gemacht, wo sich diese Gruppen in der Minderheit befinden. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 23)
Schutz der Menschenrechte
Seit November 2000 gibt es die Einrichtung einer Ombudsperson, die für alle Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen oder Amtsmissbrauch durch die zivilen Behörden in Kosovo zuständig ist. Die institutionelle Garantie des Amtes sowie die mit dem Amt verbundenen Rechte und Pflichten der Ombudsperson sind in der Verfassung festgeschrieben (Art. 132 bis Art. 135). Die Ombudsperson geht Hinweisen auf Menschenrechtsverletzungen nach und gibt in einem Jahresbericht an das Parlament Empfehlungen für deren Behebung.
Gezielte Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Stellen sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt. Es kommt immer wieder zu einzelnen Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen, denen in der Regel durch NGOs, die Ombudsperson aber auch die genannten staatlichen Stellen nachgegangen wird. Allerdings münden diese Nachforschungen aufgrund der bereits erwähnten Engpässe und des Verbesserungsbedarfs im Justizwesen nicht immer in ein rechtliches Verfahren mit einem abschließenden Urteil.
Das Verbot der Folter sowie der unmenschlichen Behandlung ist in der Verfassung verankert. Es sind keine Fälle von Folter durch die lokale Polizei (KP) oder andere staatliche Stellen bekannt geworden. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 24-25)
Grundversorgung
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die Bevölkerung Kosovos ist bis auf wenige Ausnahmen (z.B. die sozial schwachen Bewohner der Enklaven) nicht mehr auf die Lebensmittelversorgung durch internationale Hilfsorganisationen angewiesen.
Staatliche Sozialleistungen sind bei der jeweiligen Gemeindeverwaltung zu beantragen und werden für die Dauer von bis zu 6 Monaten bewilligt. Bedürftige Personen erhalten Unterstützung in Form von Sozialhilfe nach dem Gesetz No. 2003/15. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes ist ein neuer Antrag zu stellen. Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen wird durch Mitarbeiter des Sozialministeriums (Ministry of Social Welfare) überprüft. Jede Gemeinde verfügt über ein Zentrum für Sozialarbeit. Angehörige der Minderheiten werden zusätzlich von den in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Minderheitenangelegenheiten betreut.
Die Sozialhilfe bewegt sich auf niedrigem Niveau. Seit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2003 gab es keine Anpassungen. Sie beträgt für Einzelpersonen 40 Euro monatlich und für Familien (abhängig von der Zahl der Personen) bis zu 80 Euro monatlich. Zusätzlich hierzu sind Empfänger von Sozialhilfeleistungen von den Zuzahlungsbeträgen im öffentlichen Gesundheitssystem befreit. Ferner ist die Stromzufuhr für Familien, die Sozialhilfeleistungen beziehen, bis zu 500 kW pro Monat kostenlos. Voraussetzung hierfür ist ein registrierter Stromzähler. Im Dezember 2009 erhielten 35.654 Familien bzw. 152.508 Personen Sozialhilfe, bezogen auf die Familien eine Steigerung um 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 26-27)
Die Kriterien für die Sozialhilfe sind entsprechend geregelt und auch im Verwaltungsweg durchsetzbar.
Kategorie I:
Alle Familienmitglieder sind Abhängige (eingestuft als nicht arbeitsfähig oder für Arbeit nicht verfügbar und tatsächlich nicht arbeitstätig):
1. Personen über 18 Jahre mit dauernder oder schwerer Behinderung und damit verbundener Arbeitsunfähigkeit;
2. Personen mit 65 Jahren oder älter;
3. Personen mit Behinderung, mit 65 Jahren oder älter oder Kinder unter 5 Jahren, welche eine Vollaufsicht benötigen;
4. Kinder bis zu 14 Jahren;
5. Personen zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr (inklusive), welche eine höhere Schule besuchen;
6. Elternteile mit Kindern unter 15 Jahren;
Kategorie II:
Zumindest ein Familienmitglied ist arbeitsfähig und beim Arbeitsamt ("Entin e Punsimit") als "arbeitslos" gemeldet und die restlichen Familienmitglieder sind "Abhängige" (siehe Kategorie I) oder auch als arbeitslos gemeldet.
a) zumindest ein Kind unter 5 Jahren od.
b) ein Vollwaisenkind unter 15 Jahren mit Vollaufsicht
c) Grundbesitz nicht über 50 Ar (1/2 Hektar)
Es gibt die Möglichkeit einer Berufung, wenn Sozialhilfe nicht gewährt wird. Zusätzlich wurde die Möglichkeit geschaffen, für Familien welche Sozialunterstützung erhalten oder unter das Kriegsopfergesetz fallen Strom bis zu 500 kw/h pro Monat kostenlos zu beziehen (Voraussetzung ist ein registrierter Stromzähler und ein Vertrag mit dem Energieversorgungsunternehmen KEK).
Die Sozialleistungen reichen alleine oft nicht zur Abdeckung der Grundbedürfnisse
Der Zusammenhalt der Familien besonders im ländlichen aber auch im städtischen Bereich sichert das wirtschaftliche Überleben, verbunden mit Unterstützungszahlungen von Verwandten aus dem Ausland. Zusätzliche Einnahmequellen bestehen in der Landwirtschaft bzw. durch die Erledigung von Gelegenheitsarbeiten vor allem in der Baubranche.
Unterstandslosigkeit ist im Kosovo im Gegensatz zu westlichen EU-Staaten äußerst selten auftauchendes Problem. So ist die Zahl der tatsächlich unterstandslosen Personen in Pristina - immerhin geschätzte 600.000 Einwohner verschwindend gering (geschätzte 20 Personen!), im ländlichen Bereich gar nicht vorhanden. (Kosovo-Bericht 27. September 2009 des Verbindungsbeamten des BMI, Seite 12; Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo, Stand Dezember 2010, 06. Jänner 2011, Seite 27; XXXX: Gutachten vom 10. April 2009 zu GZ B12 233056- 0/2008/5Z, B12 244057-0/2008/5Z, B12 402256-1/2008/5Z, B12 402477-1/2008/5Z vom 10. April 2009; Kosovo-Bericht 27. September 2009 des Verbindungsbeamten des BMI, Seite 13-15)
Selbst wenn keine eigene Unterkunft zur Verfügung steht, so funktioniert im Kosovo das "Auffangbecken" Familie trotz aller widrigen, vor allem schweren wirtschaftlichen, Umstände nach wie vor. Soll heißen, dass durch diese Familienbande kein derartiger Kosovare einem Leben auf der Straße ausgesetzt wäre. Es finden sich allein schon aufgrund der im Kosovo vorherrschenden "zahlreichen" Verwandtschaftsverhältnisse immer noch irgendwelche Möglichkeiten der Unterbringung und Unterstützung solcher Personen.
Sollte die für einen AW extreme Situation der "Nichtunterstützung" seitens seiner Familie auftreten, welche allerdings sehr unwahrscheinlich ist, so finden sich im Kosovo nach wie vor einzelne internationale und nationale humanitäre Organisationen ("Mutter Teresa", das "Rote Kreuz", die "Caritas"...), die humanitäre Hilfe ermöglichen.
Weiters sind zahlreiche NGOs im Kosovo tätig, die eine zusätzliche Möglichkeit darstellen, bei auftretenden Problemen welcher Art auch immer entsprechende Unterstützung zu erhalten. Der Zugang zu deren Büros oder eine direkte Kontaktaufnahme ist für alle Personen im Kosovo möglich. (Auskunft des XXXX,12. November 2007, Zahl 536/07 an das BAE)
Im Allgemeinen ist festzuhalten, dass ethnische Albaner im Kosovo nicht Gefahr laufen zu verhungern oder in ihrer Existenz gefährdet zu sein. Die Solidarität in der Großfamilie in Zusammenspiel mit Schwarz- oder Gelegenheitsarbeiten, möglicher Sozialhilfe und humanitärer Hilfe verhindern im Allgemeinen ein vollkommenes Abgleiten kosovo-albanischer Familien. (XXXX: Gutachten vom 10. April 2009 zu GZ B12 233056- 0/2008/5Z, B12 244057-0/2008/5Z, B12 402256-1/2008/5Z, B12 402477-1/2008/5Z, Seite 8-9)
Es sind in den erörterten Berichten keine Fälle dokumentiert, dass aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage Personen tatsächlich lebensgefährdend in ihrer Existenz bedroht waren oder aktuell sind.
Medizinische Versorgung
Durch die Ereignisse der neunziger Jahre wurde der Gesundheitssektor sehr in Mitleidenschaft gezogen. Die Wiederherstellung einer umfassenden medizi