D1 265900-1/2008/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. STRACKER als Vorsitzenden und den Richter Mag. KANHÄUSER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.03.2006, Zl. 05 15.681-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.05.2011 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass die Ausweisung des XXXX aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 in Verbindung mit Abs. 5 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, auf Dauer unzulässig ist.
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der (nunmehrige) Beschwerdeführer brachte am 25.09.2005 einen Antrag auf Gewährung von Asyl ein, nachdem er am 24.09.2005 unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet gelangt war. Er gab die im Spruch genannten Personalien an und behauptete Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe zu sein.
2. Bezüglich seines Fluchtgrundes gab der Beschwerdeführer anlässlich der niederschriftlichen Ersteinvernahme vor der Grenzbezirksstelle Neusiedl am See am 25.09.2005 an, dass sein Leben in seiner Heimat wegen "Kriegszuständen" in Gefahr sei.
3. Am 30.09. und 04.10.2005 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache jeweils einer niederschriftlichen Einvernahme unterzogen und gab dabei im Wesentlichen an, dass er am 22.12.2004 gemeinsam mit seinen Familienangehörigen seinen Heimatort verlassen habe und mit einem Pkw nach Nazran gefahren sei. Von dort seien sie mit dem Zug bis nach Moskau und dann weiter nach Brest gefahren, wo sie bis zum 20.01.2005 verblieben und danach mit einem Schnellzug nach Terespol gefahren seien. Nach einem (Asyl-)Verfahren in Polen hätten sie eine "Pobyt" erhalten. Am 23.09.2005 verließ er gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter in einem Kleinbus Polen, indem sie von Warschau über die Slowakei gereist und zuletzt nach einem Fußmarsch, bis nach Österreich gelangt seien.
Zum Nachweis seiner Identität legte der Beschwerdeführer einen auf seinen Namen ausgestellten Reisepass der Russischen Föderation im Original vor.
4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.10.2005 wurde der Asylantrag vom 25.09.2005 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Absatz 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 13 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II-VO) Polen zur Prüfung des Antrages zuständig sei. Gemäß § 5a Absatz 1 in Verbindung mit § 5a Abs. 4 AsylG wurde der Beschwerdeführer zugleich aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.
In der Begründung wurde neben einer Darstellung des Verfahrensablaufes und Feststellungen zu Polen im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund eines Eurodac-Treffers und der Zustimmungserklärung Polens eindeutig feststehe, dass der Beschwerdeführer dort einen Asylantrag gestellt habe. Soweit der Beschwerdeführer geltend gemacht habe, in Polen von maskierten Personen beraubt worden zu sein, so würden diese Übergriffe durch Private auch in Polen strafbare Handlungen darstellen.
5. Gegen diesen Bescheid wurde am 11.11.2005 Berufung eingebracht, welcher der Unabhängige Bundesasylsenat mit Bescheid vom 24.11.2005, Zl. 265.900/0-XI/33/05, gemäß § 32a Abs. 1 AsylG 1997 wegen Ablauf der 20-Tagesfrist statt gab, den angefochtenen Bescheid behob und den Antrag zur Durchführung des materiellen Asylverfahrens an das Bundesasylamt zurück verwies.
6. Am 14.03.2006 erfolgte durch das Bundesasylamt eine weitere niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab dieser dabei kurz zusammengefasst an, dass er sich immer, wenn sich die Lage in seinem Heimatort zugespitzt habe, nach Inguschetien begeben habe. Zu einer Ausreise habe er sich bereits 2002 entschlossen, jedoch habe er nicht früher die Möglichkeit dazu gehabt, da er über keinen Auslandsreisepass verfügt habe. Zudem habe sich das System von Tschetschenien allmählich auch nach Inguschetien verlagert, sodass es auch dort zu Säuberungsaktionen gekommen sei. Im Falle einer Rückkehr würde die Gefahr einer Verschleppung bestehen, wobei es sehr unwahrscheinlich sei, eine solche zu überleben.
7. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20.03.2006, Zl. 05 15.681-BAT, wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 25.09.2005 gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl I Nr. 76/1997 (AsylG) idF BGBl I Nr. 101/2003, abgewiesen (Spruchpunkt I.), seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 8 Absatz 1 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 101/2003 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und er gleichzeitig gemäß § 8 Absatz 2 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 101/2003 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde im Wesentlichen angeführt, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen nicht glaubhaft darzustellen vermochte.
8. Gegen diesen, dem Beschwerdeführer am 22.03.2006 zugestellten Bescheid wurde mit dem am 29.03.2006 mittels Telefax übermittelten Schriftsatz vom 27.03.2006 fristgerecht Berufung (nunmehr: Beschwerde) erhoben.
9. Mit 1. Juli 2008 wurde die ursprünglich zuständige Berufungsbehörde, der Unabhängige Bundesasylsenat aufgelöst, an seine Stelle trat der neu eingerichtete Asylgerichtshof. Nach der Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes wurde gegenständliches Beschwerdeverfahren dem nunmehr zuständigen vorsitzenden Richter zugewiesen.
10. Der Asylgerichtshof hat am 03.05.2011 zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt, wobei der Beschwerdeführer in Anwesenheit seiner Vertretung niederschriftlich befragt wurde. Die belangte Behörde wurde ordnungsgemäß geladen. Mit Schreiben vom 24.01.2011 wurde mitgeteilt, dass aus dienstlichen und personellen Gründen kein Vertreter entsandt werde.
Im Rahmen der Verhandlung wurden folgende Unterlagen im Originale vorgelegt, welche dem Asylgerichtshof bereits vor der Verhandlung in Abschrift übermittelt wurden (OZ8).
Bestätigung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde XXXX, wonach der Beschwerdeführer von der Gemeinde beschäftigt wird
Zertifikat hinsichtlich des Beschwerdeführers über die erfolgreiche Teilnahme am Kurs "Deutsch für Anfänger - Teil 3", ausgestellt von der Volkshochschule XXXX am 07.07.2006
Zertifikat hinsichtlich des Beschwerdeführers über die erfolgreiche Teilnahme am Kurs "Deutsch für Asylanten", ausgestellt von der Volkshochschule XXXX am 28.12.2006
Zahlreiche Empfehlungsschreiben hinsichtlich Integration des Beschwerdeführers
Bestätigung des Kommandanten, wonach der Beschwerdeführer aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr XXXX ist
Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof zog der Beschwerdeführer
- nach eingehender Belehrung und Beratung durch seine Vertretung - die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides zurück.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde, der vor dem Asylgerichtshof durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und der im gesamten Verfahren vorgelegten Urkunden bzw. Schriftstücke zur Integration des Beschwerdeführers wird seitens des Asylgerichtshofes Folgendes festgestellt:
Der bislang unbescholtene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und führt den im Spruch angeführten Namen. Er ersuchte - nachdem er illegal in das Bundesgebiet eingereist war - am 25.09.2005 um Gewährung von Asyl. Seit damals hält er sich ununterbrochen in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet, lebt gemeinsam mit seiner Frau und seinen vier Kindern in einer Stadtgemeinde Niederösterreichs und nimmt aktiv am sozialen und kulturellen Leben seiner nunmehrigen Heimatgemeinde teil. Bereits kurz nach seiner Einreise belegte der Beschwerdeführer Deutschkurse, als Zeichen seines Integrationswillens und Bestrebens, mit Einwohnern seiner nunmehrigen Heimatgemeinde in Kontakt zu treten. Die Beschwerdeverhandlung vor dem erkennenden Senat konnte somit auch fast ausschließlich in deutscher Sprache abgehalten werden. Auch vermochte der Beschwerdeführer die ihm in deutscher Sprache diktierten Sätze zwar nicht fehlerlos aber dennoch verständlich niederzuschreiben. Er verfügt über einen großen Freundes- und Bekanntenkreis. Neben seiner sozialen Integration, wobei insbesondere sein Engagement im Bereich der ehrenamtlichen Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr hervorzuheben ist, erachtete der zur Entscheidung berufene Senat vor allem das Bemühen des Beschwerdeführers um Selbsterhaltungsfähigkeit durch seine jahrelange Tätigkeit für seine nunmehrige Heimatgemeinde als nachgewiesen und gegeben.
2. Beweis wurde erhoben durch Einsicht des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und durch Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 03.05.2011 sowie des dabei gewonnenen persönlichen Eindrucks. Dabei wurde Einsichtnahme in die vorgelegten Beweismittel genommen.
Die Feststellungen zur Person (Identität) des Beschwerdeführers und seiner familiären Situation beruhen auf den diesbezüglichen Angaben im Zuge des Asylverfahrens, der Vorlagen eines unbedenklichen Identitätsdokumentes und sind keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass diese als nur vorgetäuscht anzusehen wäre.
Die Feststellungen zum Privatleben und der Integration des Beschwerdeführers ergeben sich aus den im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens vorgelegten Berichten, Schreiben und Dokumenten sowie aufgrund des gewonnenen persönlichen Eindrucks im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Asylgerichtshof.
Die vorgelegten Beweismittel sind in ihrer Gesamtschau schlüssig und nachvollziehbar und waren im konkreten Verfahren als Nachweis für die Integration des Beschwerdeführers anzuerkennen.
Ausdrücklich festzuhalten ist, dass der Beschwerdeführer nach umfassender Belehrung und Information durch seine Vertretung in der Beschwerdeverhandlung vor dem Asylgerichtshof am 03.05.2011 durch mündliche Erklärung die Berufung (nunmehr: Beschwerde) gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 20.03.2006, Zl. 05 15.681-BAT, zurückgezogen hat.
Rechtlich folgt daraus:
3. 1. Gemäß § 28 Abs. 1 Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997 in der Fassung BGBl. I. Nr. 100/2005, außer Kraft.
Gemäß § 22 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, ergehen Entscheidungen des Bundesasylamtes über Anträge auf internationalen Schutz in Bescheidform. Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst ergehen in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.
Der Asylgerichtshof entscheidet gemäß Art. 129c Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008, in Verbindung mit § 61 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 oder 3a leg. cit. vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
2. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 23 Abs. 2 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen.
Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft. Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), BGBl. I Nr. 76, tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft (§ 73 Abs. 2 AsylG 2005).
Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 mit der Maßgabe zu Ende zu führen, dass in Verfahren, die nach dem 31. März 2009 beim Bundesasylamt anhängig sind oder werden, § 10 in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass eine Abweisung des Asylantrages, wenn unter einem festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in seinen Herkunftsstaat zulässig ist, oder eine Zurückweisung des Asylantrages als Entscheidung nach dem Asylgesetz 2005 gilt. § 44 Asylgesetz 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2009 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.
Gemäß § 44 Abs. 2 Asylgesetz 1997, BGBl. Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, werden Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76 in der jeweils geltenden Fassung geführt.
Gegenständlicher Antrag auf die Gewährung von Asyl wurde am 25.09.2005 gestellt, weshalb auf dieses Beschwerdeverfahren grundsätzlich die Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, anzuwenden sind.
Gemäß § 75 Abs. 8 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, ist § 10 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2009 auf alle am oder nach dem 1. Jänner 2010 anhängigen Verfahren nach dem Asylgesetz 1997 mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Ausweisungsentscheidung nach dem Asylgesetz 1997, die vor dem 1. Jänner 2010 erlassen wurde, als eine Ausweisungsentscheidung nach § 10, die Zurückweisung eines Asylantrages nach dem Asylgesetz 1997 als Zurückweisung nach § 10 Abs. 1 Z 1 und die Abweisung eines Asylantrages nach dem Asylgesetz 1997, mit der festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, als Abweisung nach § 10 Abs. 1 Z 2 gilt.
Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist daher in Bezug auf Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides § 10 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, anzuwenden.
3. 2. Gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG, BGBl. Nr. 51, hat die Berufungsbehörde außer in dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Die Zurückziehung einer Berufung ist ebenso wie ein Rechtsmittelverzicht eine unwiderrufliche Prozesserklärung, die mit dem Einlangen der betreffenden Erklärung bei der Behörde rechtsverbindlich und damit wirksam wird, und zwar ohne dass es einer formellen Annahmeerklärung der Behörde bedürfte. Ob die Partei im Zeitpunkt, da sie die Zurückziehung der Berufung erklärte, anwaltlich vertreten war oder nicht, spielt für die Wirksamkeit der Prozesserklärung im Hinblick auf § 10 Abs. 6 Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, keine Rolle (vgl. VwGH 13. 8. 2003, 2001/11/0202; VwGH 18. 11. 2008, 2006/11/0150).
3. 3. Mit Zurückziehung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 20.03.2006, Zl. 05 15.681-BAT, (Abweisung des Antrags auf die Gewährung von Asyl) erwuchs dieser in Rechtskraft.
3. 4. Ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (vormals § 57 FrG, nunmehr § 50 FPG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.
Durch die betreffende Erklärung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 03.05.2011 wurde auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 20.03.2006, Zl. 05 15.681-BAT, (Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation) zurückgezogen und erwuchs auch dieser Spruchpunkt damit in Rechtskraft.
4. Der Beschwerdeführer zog die gegenständliche Beschwerde in Bezug auf die Spruchpunkte I. und II. zurück, wodurch diese in Rechtskraft erwuchsen. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. (Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation) wurde aufrecht gehalten.
Gemäß § 10 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;
2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des/der Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des/der subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;
3. einem/einer Fremden der Status des/der Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des/der subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. einem/einer Fremden der Status des/der subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn
1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder
2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:
die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;
das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
der Grad der Integration
die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;
die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.
Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des/der Asylwerbers/Asylwerberin liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben (§ 10 Abs. 3 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 75/2007). Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der/die Fremde unverzüglich auszureisen (§ 10 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100).
Gemäß § 10 Absatz 5 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet abzusprechen, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 auf Dauer unzulässig ist. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches oder unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Eine Ausweisung hat somit zu unterbleiben, wenn dadurch in die grundrechtliche Position des/der Asylwerbers/Asylwerberin eingegriffen wird (vgl. VwGH 26. 6. 2007, 2007/01/0479).
Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundene Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR 27. 10. 1994, Kroon u.a. gg. die Niederlande, ÖJZ 1995, 296; siehe auch VfGH 28. 6. 2003, G 78/00).
Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen mit ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR 23. 4. 1997, X, Y und Z gg. das Vereinigte Königreich, ÖJZ 1998, 271).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschrechte (EGMR) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben einer/eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn eine/ein Fremde/Fremder den größten Teil ihres/seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 8. 4. 2008, Nnyanzi gg. das Vereinigte Königreich, Appl. 21.878/06; 4. 10. 2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9. 10. 2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16. 6. 2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).
Im vorliegenden Fall ist schon allein aufgrund der bisherigen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet jedenfalls von einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen, wodurch eine Interessenabwägung erforderlich ist.
Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen ist insbesondere das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. 3. 2005, G 78/04, zu erwähnen. Demnach ist das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den privaten Interessen bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern/ Asylwerberinnen, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen.
Beim Topos des Privatlebens spielt die zeitliche Komponente eine zentrale Rolle, da - abseits familiärer Umstände - erst nach einigen Jahren eine Integration im Aufenthaltsstaat anzunehmen sein wird, die von Art. 8 EMRK geschützt ist (Vgl. Thym, EuGRZ, 2006, 541 ff).
Wie schon erwähnt, mindert die Tatsache, dass der Aufenthalt nur aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung rechtmäßig ist, das Gewicht der privaten Interessen, die aus einer in dieser Zeit vollzogenen Integration resultieren. Mit Zunahme der Aufenthaltsdauer tritt aber auch der Aspekt des aufenthaltsrechtlichen Status zunehmend in den Hintergrund, sodass in diesem Zeitraum entstandene persönliche oder gar familiäre Bindungen sich auf die Interessenabwägung mitunter entscheidend zugunsten einer Abstandnahme von der Ausweisung auswirken können. Dies setzt naturgemäß voraus, dass keine besonderen Umstände zulasten des/der Asylwerbers/Asylwerberin hinzukommen, wie z.B. strafgerichtliche Verurteilungen.
Private Interessen am Verbleib im Bundesgebiet können facettenreich sein. Tendenziell ist eine (regelmäßige) Erwerbstätigkeit und vor allem die damit verbundene Selbsterhaltungsfähigkeit ein wichtiger Aspekt. Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. 4. 2006, 2005/18/0560, dürfte mitentscheidend gewesen sein, dass der Beschwerdeführer seit fast fünf Jahren ununterbrochen, noch dazu beim selben Dienstgeber, legal beschäftigt war. Für die wirtschaftliche Integration ist nicht maßgeblich, ob es sich um eine qualifizierte Tätigkeit handelt. Hingegen erachtet der Verwaltungsgerichtshof die Integration als stark gemindert, wenn Unterstützungszahlungen karitativer Einrichtungen oder bloße Gelegenheitsarbeiten den Unterhalt gewährleisten oder erst gegen Ende des mehrjährigen Aufenthalts die Tätigkeit als landwirtschaftlicher Hilfsarbeiter ins Treffen geführt werden kann und bis dahin Sozialhilfe bezogen wurde (vgl. VwGH 11. 10. 2005, 2002/21/0124; VwGH 22. 6. 2006, 2006/21/0109; VwGH 5. 7. 2005, 2004/21/0124 u.a.).
Als eine berufliche und soziale Verfestigung, die eine "gelungene Integration" erkennen lässt, wertete der Verwaltungsgerichtshof den Fall eines als Fliesenleger tätigen (ehemaligen) Asylwerbers, der über gute Deutsch-Kenntnisse, einen großen Freundes- und Kollegenkreis verfügte und mit einer Österreicherin im gemeinsamen Haushalt wohnte, wobei auch seine Schwester, eine österreichische Staatsbürgerin, mit ihrer Familie im Bundesgebiet lebte. Aspekte zugunsten des/der Fremden können daher neben Verwandten und Freunden im Inland auch Sprachkenntnisse, ausreichender Wohnraum und die Teilnahme am sozialen Leben sein. In Anbetracht der meistens nicht sehr langen Aufenthaltsdauer und des "abgeschwächten" Aufenthaltsrechts werden strafgerichtliche Verurteilungen die Interessenabwägung erheblich zuungunsten der privaten Interessen verschieben. Weitgehende Unbescholtenheit gilt hingegen als wichtiges Element für die Annahme sozialer Integration (vgl. VwGH 5. 7. 2005, 2004/21/0124 u.a.; sowie Marx, Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen Verwurzelung, ZAR, 2006, 261 ff).
Der Aspekt der Bindungen zum Heimatstaat steht in direkter Beziehung zur Integration im Bundesgebiet: Je länger der Aufenthalt im Gastland, desto stärker wird der Verlust an Bindungen zum Heimatland sein. Mit der Abnahme von Bindungen zum Herkunftsstaat wird in der Regel auch der Integrationsgrad im Bundesgebiet zunehmen. Das Fehlen jeglicher Verwandter und sonstiger Bezugspersonen im Heimatland wird ebenso wie der zwischenzeitlich eingetretene Verlust der Sprache des Heimatlandes für die Frage der Zumutbarkeit einer Reintegration maßgebliche Bedeutung erlangen (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 858 f.).
Der Beschwerdeführer ist seit der Einreise im September 2005 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig und fällt die schon dadurch gebotene Interessenabwägung nach Ansicht des Asylgerichtshofes aufgrund des Vorliegens außergewöhnlicher, exzeptioneller Umstände zu seinen Gunsten aus. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, konnte der Beschwerdeführer ein spezielles Naheverhältnis zu Österreich sowie seine gelungene Integration nachweisen, welche im konkreten Einzelfall auch höher zu bewerten ist als die entgegenstehenden öffentlichen Interessen und wäre eine Ausweisung angesichts der vorliegenden Integration somit unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK.
Wie dargestellt, beruhen die drohenden Verletzungen des Privatlebens des sehr gut integrierten Beschwerdeführers auch auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Somit war der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und festzustellen, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 und Abs. 5 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, nicht nur vorübergehend sondern auf Dauer unzulässig ist.