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L92056 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Steiermark;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner sowie die Hofräte Dr. Stöberl und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der G A in Graz, vertreten durch die Sachwalterin Dr. Ute Markaritzer, vertreten durch Dr. Marie-Luise Safranek, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Neutorgasse 51/III, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 15. Jänner 2008, Zl. FA11A-32-1269/2007-9, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuzahlung aus Sozialhilfemitteln zu den Kosten ihrer Unterbringung im Pflegeheim ab 8. Juni 2007 abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei vom 6. November 2006 bis 7. Juni 2007 in einem bestimmt bezeichneten Pflegeheim in Graz untergebracht gewesen und sei seit 8. Juni 2007 in einem bestimmt bezeichneten Pflegeheim in Unterpremstätten untergebracht. Die Beschwerdeführerin verfüge über kein Einkommen. Mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. August 2007 sei der Beschwerdeführerin ab 1. November 2006 ein Pflegegeld der Stufe 2 zuerkannt worden.
Als die Beschwerdeführerin im Pflegeheim untergebracht worden sei, habe sie an beiden Armen einen Gipsverband getragen. Am 21. Februar 2007 sei der Gipsverband des rechten Arms abgenommen worden. Die Beschwerdeführerin sei bis Ende März 2007 bei sämtlichen Verrichtungen des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen gewesen. Es sei zwischen zeitlich koordinierbaren und zeitlich nicht koordinierbaren Verrichtungen zu unterscheiden, weil dies wesentlich dafür sei, ob diese Bedürfnisse nur im Rahmen einer stationären Einrichtung oder allenfalls durch mobile Pflege sichergestellt werden könnten. Insbesondere bei der Verrichtung der Notdurft handle es sich um ein Erfordernis, das nicht zeitlich koordinierbar sei und das daher keinesfalls im Rahmen mobiler Pflege sichergestellt werden könne. Während der Einschränkung durch die beiden Gipsverbände und der bis Ende März 2007 andauernden Rekonvaleszenz nach Entfernung des Gipsverbandes des rechten Unterarms habe der Lebensbedarf der Beschwerdeführerin nur durch Unterbringung in einem Pflegeheim sichergestellt werden können.
Unabhängig davon - und somit über die Zeit der Einschränkung durch die Gipsverbände und die bis Ende März 2007 andauernde Rekonvaleszenz hinaus, so auch im verfahrensgegenständlichen Zeitraum - bestehe bei der Beschwerdeführerin Hilfebedarf hinsichtlich der Zubereitung der Mahlzeiten, der Einnahme der Medikamente und der Beschaffung der Güter des täglichen Bedarfes. Weiters bedürfe die Beschwerdeführerin der Motivation zur Bewältigung des Alltags. Diese Bedürfnisse könnten allerdings in zumutbarer Weise im Rahmen mobiler Betreuung sichergestellt werden. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum sei die Unterbringung in einer stationären Einrichtung somit nicht erforderlich, um den Lebensbedarf der Beschwerdeführerin zu decken.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 1 Abs. 1 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz (Stmk SHG), LGBl. Nr. 29/1998 idF LGBl. Nr. 27/2007, soll durch die Sozialhilfe jenen Personen die Führung eines menschenwürdigen Lebens ermöglicht werden, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.
Nach § 1 Abs. 2 lit. a Stmk SHG umfasst die Sozialhilfe auch die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes.
Nach § 4 Abs. 1 Stmk SHG besteht auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes für Personen, die den Lebensbedarf für sich und unterhaltsberechtigte Angehörige nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln und Kräften beschaffen können und ihn noch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhalten, ein Rechtsanspruch.
Gemäß § 5 Abs. 1 Stmk SHG ist Hilfe nur soweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf zu sichern.
Nach § 7 Abs. 1 Stmk SHG gehören zum Lebensbedarf unter anderem der Lebensunterhalt (lit. a) und die erforderliche Pflege (lit. b).
Gemäß § 7 Abs. 2 lit. a Z. 2 Stmk SHG ist der ausreichende Lebensbedarf durch geeignete Maßnahmen zu sichern. Je nach Bedarf und Zweckmäßigkeit werden Geldleistungen zur Kostendeckung einer notwendigen Heim- oder Anstaltsunterbringung gewährt.
Der Lebensunterhalt umfasst nach § 8 Abs. 1 Stmk SHG den Aufwand für die regelmäßig gegebenen Bedürfnisse zur Führung eines menschenwürdigen Lebens, insbesondere für Nahrung, Unterkunft, Hausrat, Beheizung, Bekleidung und andere persönliche Bedürfnisse, zu denen auch eine angemessene Pflege der Beziehungen zur Umwelt und Teilnahme am kulturellen Leben gehören.
Gemäß § 9 Abs. 1 Stmk SHG gehört zum Lebensbedarf jene Pflege, die erforderlich wird, wenn auf Grund des körperlichen, geistigen oder psychischen Zustandes die Fähigkeit fehlt, die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe zu besorgen.
Die erforderliche Pflege umfasst auch die Pflege in geeigneten stationären Einrichtungen (§ 9 Abs. 2 lit. b Stmk SHG).
Gemäß § 13 Abs. 1 Stmk SHG haben Anspruch auf Übernahme der Kosten oder Restkosten der Unterbringung in einer stationären Einrichtung jene Personen, die ihren Lebensbedarf auf Grund ihrer Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit sonst nicht in zumutbarer Weise ausreichend decken können. Der Hilfeempfänger ist berechtigt, unter den für seine Bedürfnisse in Frage kommenden Einrichtungen zu wählen; die Übernahme der Kosten erfolgt aber nur im Rahmen der festgelegten Obergrenzen.
Im angefochtenen Bescheid vertritt die belangte Behörde den Standpunkt, ab 8. Juni 2007 seien von den Sozialhilfebehörden keine Kosten für die Unterbringung der Beschwerdeführerin im Pflegeheim zu übernehmen, weil die erforderliche Hilfe im Rahmen mobiler Betreuung sichergestellt werden könne.
Die Beschwerde hält dagegen, der Beschwerdeführerin sei Pflegegeld der Stufe 2 unbefristet zuerkannt worden. Das zu Grunde liegende Gerichtsverfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz sei selbstverständlich nicht ausschließlich Basis für das vorliegende Verwaltungsverfahren. Die Behörde hätte jedoch die Verfahrensergebnisse entsprechend berücksichtigen und die entsprechenden Gutachten einholen müssen. Allein der Umstand, dass die Sachwalterin unmissverständlich angegeben habe, dass eine andere Versorgung der Beschwerdeführerin nicht möglich sei, hätte im Zusammenhang mit den Verfahrensergebnissen, den Erfahrungen des täglichen Lebens und den Ergebnissen des Verfahrens vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zu dem Ergebnis führen müssen, dass die Zuzahlung im begehrten Betrag gewährt werde, zumal jede andere Unterbringung existenzgefährdend bzw. lebensgefährdend für die Beschwerdeführerin sei. Dazu habe die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage keine Feststellungen getroffen. Die belangte Behörde habe nicht alle Fakten ausreichend erhoben und - wie es erforderlich gewesen wäre - auch kein Gutachten eines Sachverständigen aus dem Fache der Psychiatrie und Neurologie eingeholt. Ein solches wäre zur gründlichen Beurteilung der Sachlage ebenso wie ein Gutachten eines Facharztes für interne Medizin notwendig gewesen. Aus diesen Gutachten hätte sich ergeben, dass die Beschwerdeführerin auf Grund der Tatsache, dass sie stark dem Alkohol zuspreche, nicht in der Lage sei, sich selbst zu versorgen.
Mit diesem Vorbringen wird im Ergebnis eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dargetan.
Die von der belangten Behörde zu lösende Frage, ob die Beschwerdeführerin im Sinne des § 13 Abs. 1 Stmk SHG ihren Lebensbedarf auf Grund ihrer Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit in zumutbarer Weise nur in einer stationären Einrichtung oder - wie die belangte Behörde meint - durch Heranziehung mobiler Dienste decken kann, bildet eine Tatfrage, die nur auf Grund besonderer Fachkenntnisse und Erfahrungen gelöst werden kann, sodass die Einholung eines Sachverständigengutachtens hiezu erforderlich gewesen wäre (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 52 Rz 9). Da ein derartiges Gutachten - die im Verwaltungsakt erliegenden Gutachten wurden im Verfahren über die Bestellung eines Sachwalters und über die Gewährung von Pflegegeld eingeholt und befassen sich nicht mit der hier entscheidenden Frage - dem angefochtenen Bescheid nicht zu Grunde liegt, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am 13. Mai 2011
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung VerfahrensmangelSachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietBesondere RechtsgebieteSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2011:2008100025.X00Im RIS seit
14.06.2011Zuletzt aktualisiert am
07.09.2011