E6 248.276-2/2008-16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Habersack als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Kloibmüller als Beisitzerin über die Beschwerde des XXX, StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Rosenkranz, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.08.2007, Zl. 03 38.322-BAS, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.09.2010 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 AsylG 1997 und § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I.1.Verfahrensgang:
I.1.1. Der Beschwerdeführer gab an, ein Staatsangehöriger der Türkei kurdischer Abstammung zu sein und beantragte schriftlich am 19.12.2003, nachdem er illegal in das Bundesgebiet eingereist ist, die Gewährung von Asyl. Der Beschwerdeführer wurde hiezu am 11.02.2004 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.03.2004, Zl. 03 38.322-BAS, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei für zulässig erklärt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 22.03.2004 zugestellt. Dagegen wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht mit Schriftsatz vom selben Tag, eingelangt beim Bundesasylamt am 23.03.2004, Berufung erhoben.
In der Berufung wurde u.a. ausführt, der Beschwerdeführer habe vor dem Bundesasylamt präzise und konkret seine Funktion in der XXX beschrieben. Als XXX dieser Partei sei er Übergriffen von Seiten der Konterguerillas bzw. der Jitem besonders ausgeliefert gewesen, zumal er sich für die Verbreitung einer Partei, einer linken Partei, sehr eingesetzt habe. Dieser Umstand sei den Sicherheitsbehörden bekannt, auch seine Teilnahme bei einer Demonstration am Weltfriedenstag am 01.09.2003. Der Beschwerdeführer habe seine Entführung im November 2003 genau geschildert, auch dass ein gewisser "XXX" kurze Zeit zuvor aus ungeklärten Gründen getötet und der Beschwerdeführer selbst auch mit dem Umbringen bedroht worden sei, sollte er eine Zusammenarbeit mit den türkischen Sicherheitsorganen verweigern. Es sei keineswegs unplausibel, dass Informanten zu ihrer Tätigkeit gezwungen würden. Die Angst vor dem Tod oder anderen Übergriffen könne Menschen dazu bringen, Informationsleistungen zu erbringen, zumal der Beschwerdeführer auch aufgefordert worden sei, seine eigenen politischen Aktivitäten einzustellen. In der Türkei gebe es staatliche geheime Sicherheitskräfte, wie etwa Jitem. Mehrere Menschenrechtsorganisationen und Oppositionskreise würden die Jitem für viele Entführungen, unaufgeklärte Morde, das Verschwindenlassen zahlreicher Personen, schwere Folter und viele Vergewaltigungen verantwortlich machen. Demgemäß würden die türkischen Sicherheitsorgane auch über Konterguerillas bzw. über andere unbekannte Organisationen wirken, um ihre Ziele, nämlich die Unterdrückung von Kurden bzw. oppositioneller Tätigkeiten zu erreichen. Im Sprachgebrauch von Kurden seien die Jitem bzw. Konterguerillas dieselben Personen. Da die türkischen Sicherheitsorgane mit Jitem und anderen Organisationen zusammenarbeiten würden, sei es nachvollziehbar, dass die staatlichen Sicherheitsorgane den Beschwerdeführer zu Hause suchen würden. In weiterer Folge wurde in der Berufung u.a. der Antrag gestellt, es möge der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Rechtssache an die Behörde erster Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen werden.
Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 28.03.2007, Zl. 248.276/0/6E-XI/38/04, wurde der Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.03.2004 gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Begründend wurde vor allem ausgeführt, dass Feststellungen zur Existenz bzw. zur politischen Orientierung und Struktur der XXX, deren Mitglied der Beschwerdeführer gewesen sei, im erstinstanzlichen Bescheid nicht getroffen worden seien.
I.1.2. Mit Schriftsatz vom 12.06.2007 teilte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers mit, dass der Beschwerdeführer Kassierstellvertreter im "XXX in XXX" sei und dort an Veranstaltungen teilnehme. Weiters moderiere er eine Rundfunksendung, in welcher kurdische Interessen vertreten werden würden. Vorgelegt wurden ein Zeitungsartikel mit Foto zur Rundfunksendertätigkeit des Beschwerdeführers, ein Vereinsregisterauszug betreffend den genannten Verein und ein Schreiben der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie XXX, wonach der Beschwerdeführer im November 2006 an einer mittelgradigen depressiven Episode gelitten habe.
Am 25.06.2007 wurde der Beschwerdeführer nochmals niederschriftlich vor dem Bundesasylamt einvernommen. Unter einem legte der Beschwerdeführer im Zuge dieser Einvernahme diverse Unterlagen vor.
Mit Schreiben vom 25.06.2007 stellte das einvernehmende Organ des Bundesasylamtes eine Anfrage an die Staatendokumentation. Erläuternd angeführt wurde, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt angegeben habe, dass er gesucht werde, weil er XXX der XXX und aktiv politisch in der Türkei tätig gewesen sei. Außerdem habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er in der Türkei gesucht und bei seiner Familie nach ihm gefragt werde, da er in Österreich beim Radiosender "XXX" öffentlich auftrete.
Auf die konkreten Fragen wurde von der Staatendokumentation mit Anfragebeantwortung vom 20.07.2007 reagiert. Ausgeführt wurde insbesondere, dass (gemäß einem Telefonat mit dem zuständigen Dorfvorsteher und der örtlich zuständigen Jandarma Station am 20.07.2007) nach dem Beschwerdeführer, der an der angegebenen Adresse, wo noch immer sein Vater wohnhaft sei, auch er selbst bekannt sei, nicht gefahndet worden sei. Weiters wurde angegeben, dass eine große Anzahl von DTP-Bürgermeistern gleichzeitig mehrere Verfahren in der Türkei laufen hätten. Als Beispiel wurde der Bürgermeister von XXX genannt, der immer wieder mit Einladungen und Aussendungen in kurdischer Sprache in Erscheinung trete und deshalb angeklagt werde. Auch im Grundsatz zwar mit den Angaben des Beschwerdeführers im Schriftsatz übereinstimmend wurde angeführt, dass tatsächlich einige Bürgermeister im Jahr 2007 im Zusammenhang mit einer Petition für den TV-Sender ROJ-TV angeklagt worden seien, diesbezügliche Verurteilungen seien jedoch nicht bekannt. Überdies wurden die vom Beschwerdeführer genannten Parteien kurz erörtert und festgestellt, dass die
XXX bzw. XXX immer noch existent sei und keine Verfolgung von ehemaligen Mitgliedern dieser Partei festgestellt werden habe können.
Das Ergebnis der Anfragebeantwortung sowie die darüber hinausgehenden ermittelten Länderfeststellungen des Bundesasylamtes wurden dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 23.07.2007 zur Kenntnis gebracht.
Mit Schriftsatz vom 09.08.2007 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers seine Stellungnahme zur Beweisaufnahme des Bundesasylamtes.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.08.2007, Zl. 03 38.322-BAS, wurde der Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 7 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei für zulässig erklärt. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zwar in der Türkei Mitglied der XXX gewesen sei, eine staatliche Verfolgung, insbesondere wegen dieser Mitgliedschaft, jedoch nicht stattgefunden habe.
Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 27.08.2007 ordnungsgemäß persönlich zugestellt, wogegen mit Telefax des rechtsfreundlichen Vertreters des Beschwerdeführers vom 29.08.2007 fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) erhoben wurde.
Beigelegt wurden ein Gutachten, wonach kritische Äußerungen in Massenmedien strafrechtliche Sanktionen nach sich ziehen könnten und ein Zeitungsartikel, der belegen soll, dass das Verwenden des Wortes "Kurdistan" durchaus strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könne. Im Wesentlichen wurde das bis zu diesem Zeitpunkt angegebene Vorbringen jedoch lediglich wiederholt und zusätzlich ausgeführt, dass der Beschwerdeführer selbst wenn allenfalls jedes einzelne Ereignis für sich genommen nicht eine asylrelevante Intensität aufweise, jedenfalls in einer Gesamtschau aus dem Vorbringen ableitbar sei, dass es sich beim Beschwerdeführer um eine politisch äußerst aktive Person handle, die den Sicherheitsbehörden in der Türkei auch schon aufgefallen sei. Vorgelegt wurden weiters ein Gewerberegisterauszug vom 08.08.2006 sowie ein Bericht von Amnesty International.
Mit Telefax vom 10.09.2007 übermittelte das Bundesasylamt eine durch die Staatendokumentation nachgereichte, von der österreichischen Botschaft in Ankara zum vorliegenden Fall getätigte Erhebung. Gemäß dieser Auskunft existiere in der Türkei keine XXX Partei, sondern sei dies eine Partei in der türkischen Republik Nordzypern, die zum damaligen Zeitpunkt auch aktiv und nicht von einer Schließung bedroht gewesen sei. Weiters wurde im Zusammenhang mit der Aussage des Beschwerdeführers, in der Türkei werde man alleine für das Aussprechen des Namens "Kurdistan" eingesperrt, ausgeführt, jeder könne in der Türkei in der Öffentlichkeit über Kurden sprechen und das Wort Kurdistan aussprechen.
Mit Schreiben vom 23.03.2009 übermittelte das Bundesasylamt einen Bericht zur Beschäftigung des Beschwerdeführers.
I.1.3. Am 23.09.2010 führte der Asylgerichtshof in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentlich mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde dem Beschwerdeführer einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung in der Türkei anhand vorliegender Länderdokumentationsunterlagen erörtert. Vorgelegt wurden vom Beschwerdeführer ein Schreiben der BH XXX vom 11.03.2009, ein Vereinsregisterauszug vom 15.03.2004 betreffend den Verein XXX, ein Teilnahmezertifikat der XXX vom November 2008, eine Kursbestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs für Anfänger vom 14.03.2006, ein Unterstützungsschreiben eines gewissen XXX vom 06.09.2010, eine Liste der Personen des Präsidiums des Wahlrates des Landkreises XXX aus dem Jahr 2003 samt deutscher Übersetzung, ein Gewerberegisterauszug vom 11.03.2009 sowie eine Standortverlegungsbestätigung vom selben Tage, ein Schreiben der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie XXX vom 06.11.2006 und einen Arztbericht der Notaufnahme des Universitätsklinikums XXX vom 22.12.2007.
Am 28.09.2010 langte ein Versicherungsdatenauszug betreffend den Beschwerdeführer mit vom Stand 24.09.2010 beim Asylgerichtshof ein.
Mit Schriftsatz vom 10.11.2010 wurden diverse Unterlagen betreffend den Beschwerdeführer (Heiratsurkunde, Konventionspass der Ehegattin des Beschwerdeführers, Versicherungsdatenauszug mit Stand vom 24.08.2010) vorgelegt. Ausgeführt wurde, dass die Ehegatten beabsichtigten, im Jänner 2010 traditionell zu heiraten und erst dann ein gemeinsamer Wohnsitz begründet werden würde.
Mit Schreiben vom 18.11.2010 teilte die Bezirkshauptmannschaft XXX mit, dass der Beschwerdeführer die syrische Staatsangehörige XXX geheiratet habe und ein Überprüfungsverfahren betreffend einer Scheinehe eingeleitet worden sei.
Mit Schriftsatz vom 07.04.2011 wurden weitere Unterlagen betreffend den Beschwerdeführer (Meldebestätigung für den Beschwerdeführer in Österreich, österreichische Meldebestätigung der Ehegattin des Beschwerdeführers, Saldenliste betreffend das Konto des Beschwerdeführers bezüglich des Transportgeschäftes mit Stand vom 30.11.2010, zwei Lohnzettel der XXX, welche für Jänner 2011 einen Nettobezug des Beschwerdeführers iHv 1244,80 EUR sowie für Februar 2011 iHv 1100,- ausweisen) vorgelegt.
Mit Schreiben vom 25.04.2011 übermittelte das Bezirkspolizeikommando XXX das bisherige Erhebungsergebnis betreffend den Verdacht der Zwangs- oder Scheinehe.
I.2. Sachverhalt:
I.2.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei, kurdischer Abstammung und muslimischen (sunnitisch) Glaubens. Er wurde im Dorf XXX, geboren. In XXX besuchte er fünf Jahre lang die Volksschule, drei Jahre die Hauptschule und drei Jahre ein Fachlyzeum, welches er im Schuljahr 1996/1997 als Schweißer abschloss. Anschließend legte er die Studienberechtigungsprüfung erfolgreich ab und begann an der Universität Dicle in XXX Betriebswissenschaften und Verwaltung zu studieren. Er brach das Studium nach zwei Jahren vorzeitig ab, arbeitete in der elterlichen Landwirtschaft mit und wohnte im Haus seiner Eltern bis zu seiner Ausreise aus der Türkei. Von November 2001 bis April 2003 leistete der Beschwerdeführer seinen Militärdienst in der Türkei ab. Die Landwirtschaft und das Haus befinden sich noch immer im Familienbesitz, wo derzeit der Vater, die Stiefmutter und zwei Brüder des Beschwerdeführers leben. Die Eltern des Beschwerdeführers betreiben nach wie vor die Landwirtschaft. Der Beschwerdeführer hat regelmäßigen telefonischen Kontakt zu seinem Vater und seiner Stiefmutter.
Weiters leben in der Türkei noch eine verheiratete Schwester im Heimatdorf, eine verheiratete Schwester in XXX, eine verheiratete Schwester in Istanbul, eine verheiratete Schwester in XXX und zwei Brüder (Bauarbeiter) ebenfalls in XXX.
Der Beschwerdeführer hat am 06.11.2010 die syrische Staatsangehörige XXX, vor dem Standesamt in XXX geheiratet. Der Ehegattin des Beschwerdeführers wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 13.07.2010 gemäß
§ 3 iVm § 34 AsylG Asyl gewährt. Die Ehegatten leben seit 30.03.2011 in einem gemeinsamen Haushalt.
In Österreich leben keine weiteren Verwandten des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer war seit 01.08.2006 in Österreich als selbstständig Erwerbstätiger gemeldet, wobei er jedenfalls von 01.07.2010 bis 30.09.2010 seine vorgeschriebenen Beiträge nicht einbezahlte. Der Beschwerdeführer betrieb von 2006 bis 2007 ein Kaffeerestaurant und ab 2007 ein Transportunternehmen mit zwei Kleintransportern, wofür er eine Gewerbeberechtigung besitzt und führte Paketzustellungen für XXX durch. Seit Jänner 2011 arbeitet der Beschwerdeführer für die XXX., wobei die Lohnzettel für Jänner 2011 einen Nettobezug des Beschwerdeführers iHv 1244,80 EUR sowie für Februar 2011 iHv 1100,- ausweisen.
Der Beschwerdeführer ist Mitglied des kurdischen Vereins XXX in XXX und war dort im Jahr 2004 Kassierstellvertreter. Während seiner Zeit im XXX hat er an kulturellen und sportlichen Veranstaltungen des Vereines teilgenommen. Aktuell besucht er den Verein nur mehr zeitweise an den Wochenenden, wenn Veranstaltungen sind.
Der Beschwerdeführer kann sich in der deutschen Sprache ausdrücken, hat in Österreich einen dreimonatigen und einen dreiwöchigen Deutschkurs besucht und sein Freundeskreis besteht vorwiegend aus österreichischen und kurdischen, aber auch aus türkischen Personen.
Der Beschwerdeführer hat beim Radiosender XXX in XXX einige Sendungen moderiert. Der Sender wurde im Jahr 2004 gegründet, sendete einmal in der Woche am Samstag und wurde inzwischen eingestellt. Es wurden in türkischer und kurdischer Sprache Nachrichten - auch über die Kurden in der Türkei - und Musik gesendet. Der Beschwerdeführer selbst wirkte bis Ende 2004 mit, indem er Berichte in kurdischer Sprache erstattet, Nachrichten vorgelesen und Musikwünsche von Anrufern erfüllt hat. Dieser Sender konnte über die XXX in XXX Land gehört werden und wurde über das Internet gesendet. Bei der Eröffnung des Senders im Jahr 2004 wurde darüber in den türkischen Zeitungen XXX berichtet.
Der Beschwerdeführer wurde - nachdem er für die Jugendorganisation der DEHAP tätig war - am XXX für die Provinz XXX am 06.09.2003 in den XXX dieser in der Türkei unter dem Namen XXX bekannten Partei gewählt. Diese Partei hat sich zwischenzeitlich selbst aufgelöst bzw. sind die Mitglieder mehrheitlich vor einigen Jahren zur DTP gewechselt.
Der Beschwerdeführer befand sich vom 25.10.2006 bis 06.11.2006 in stationärer Behandlung in der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie XXX und wurde dort wegen einer damals mittelgradig depressiven Episode mit Medikamenten behandelt. Am 22.12.2007 wurde der Beschwerdeführer wegen Husten und Fieber ambulant behandelt. Derzeit befindet sich der Beschwerdeführer in keiner Behandlung. Es liegt keine aktuell lebensbedrohliche Erkrankung vor.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in der Türkei eine asylrelevante - oder sonstige - Verfolgung oder Strafe maßgeblicher Intensität oder die Todesstrafe droht oder dem Beschwerdeführer in der Türkei die Existenzgrundlage völlig entzogen wäre. Es ergaben sich auch nach Prüfung gemäß Art. 8 EMRK im vorliegenden Fall keine gegen die vorgesehene Ausweisung bestehenden Hinderungsgründe.
I.2.2. Zur Lage in der Türkei wird festgestellt:
Überblick
Die Republik Türkei ist eine parlamentarische Republik und definiert sich in ihrer Verfassung (Art. 2) als demokratischen, säkularen und sozialen Rechtsstaat auf der Grundlage der Ideen des öffentlichen Friedens, nationaler Solidarität und Gerechtigkeit sowie der Menschenrechte und als besonders verpflichtet den Grundsätzen ihres Gründers Atatürk. Staatsoberhaupt mit weitgehend repräsentativer Funktion ist der Staatspräsident, die politischen Geschäfte führt der Premierminister. Durch Referendum vom 21.10.2007 wurde die Verfassung dahingehend geändert, dass der Staatspräsident künftig nicht mehr vom Parlament, sondern vom Volk gewählt wird. Die rechtliche Entwicklung der vergangenen Jahre ist gekennzeichnet durch einen tiefgreifenden Reformprozess, der wesentliche Teile der Rechtsordnung (besonders im Strafrecht, aber auch im Zivil- oder Verfassungsrecht) erfasst hat und auf große Teile der Gesellschaft ausstrahlt. Die Regierung hat mehrfach, zuletzt während der 8. Beitrittskonferenz in Brüssel am 21. Dezember 2009 ein klares Bekenntnis zum Ziel der EU-Vollmitgliedschaft abgegeben und angekündigt, den Reformprozess zu beschleunigen.
Meinungsfreiheit
Die Meinungsfreiheit wird durch die Anwendung verschiedener Gesetze (insbesondere Strafgesetzbuch, Anti-Terror-Gesetz) eingeschränkt. Schriftliche wie mündliche Aussagen, die die PKK (z.B. Bezeichnung der PKK als "Guerrilla"), den PKK-nahen Fernsehsender ROJ-TV oder den inhaftierten Abdullah Öcalan (z.B. "Verehrter Öcalan") in ein positives Licht stellen, werden strafrechtlich verfolgt. Themen wie Militär, die Armenierfrage und die Kurdenproblematik können inzwischen überwiegend ohne rechtliche Konsequenzen im öffentlichen Raum angesprochen werden. So lehnte es die Staatsanwaltschaft Ankara Anfang 2009 ab, Unterzeichner einer Internetkampagne, die von türkischen Intellektuellen zur Entschuldigung gegenüber den armenischen Opfern von 1915 eingerichtet worden war, strafrechtlich zu verfolgen. Ein Urteil des obersten Zivilgerichts gegen den Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk wegen seiner Äußerung zu Morden an Armeniern und Kurden (Oktober 2009) eröffnet jedoch den zivilrechtlichen Weg des Schadensersatzes bei Aussagen, die Kläger in ihrer Eigenschaft als türkische Staatsangehörige in ihrem Ehrempfinden verletzen. Kritik, Infragestellung oder Ironisierung des Staatsgründers Kemal Atatürk läuft weiterhin Gefahr, zur Anzeige gebracht und von Staatsanwälten auch strafrechtlich verfolgt zu werden.
Insbesondere im Südosten kommt es vor, dass Meinungsäußerungen bzw. die Teilnahmen an einer Demonstration bei öffentlichen Stellen wie der Polizei oder dem Gemeindeamt registriert werden. Dies kann in der Folge zur Diskriminierung bei der Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen führen (z.B. Bezug von Sozialleistungen über die Grüne Karte).
Politische Opposition
Politisch Oppositionelle werden nicht systematisch verfolgt. Die Arbeit der oppositionellen prokurdischen und in Teilen PKK-nahen DTP (Demokratik Toplum Partisi) wurde jedoch seit ihrem Bestehen ebenso wie ihre Vorgängerorganisationen von Seiten der Justiz durch Verfahren behindert, die die Meinungsfreiheit oder die politische Betätigungsfreiheit der DTP-Abgeordneten oder -Mitglieder einschränken. Nach zwei vornehmlich gegen DTP-und DTP-nahe Gewerkschaftsmitglieder gerichteten Verhaftungswellen am 15.und 28.05.2009 folgten im September, Oktober, Dezember 2009 und Januar 2010 weitere Verhaftungen. Dabei wurden über 800 Personen wegen angeblich terroristischer Aktivität im Rahmen der PKK-nahen Organisation (Kurdistan-Parlament, KCK) in Gewahrsam genommen. Das 2007 gegen die Partei eingeleitete Verbotsverfahren wurde am 11.12.2009 abgeschlossen. Die Partei wurde wegen ihrer Verbindungen zur terroristischen PKK verboten, gegen 37 DTP-Mitglieder (Antrag betraf 221 Personen) wurde wegen "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung" ein politisches Betätigungsverbot ausgesprochen. Zwei der betroffenen DTP-Mitglieder sind Abgeordnete im Parlament.
Dem Auswärtige Amt ist kein Fall bekannt geworden, in dem die einfache Mitgliedschaft in der HADEP oder in der DEHAP - ohne besondere, z.B. strafrechtlich relevante Verdachtsmomente - zu Repressalien gegen die Betreffenden geführt hätte.
Exilpolitische Aktivitäten
Nur türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Insbesondere Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden, müssen mit strafrechtlicher Verfolgung durch den türkischen Staat rechnen.
Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind nach türkischem Recht nur dann strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen nach dem türkischen Strafgesetzbuch gewertet werden können.
Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis
Die Entwicklung der vergangenen Jahre ist gekennzeichnet durch einen tiefgreifenden Reformprozess, der wesentliche Teile der Rechtsordnung (besonders im Strafrecht, aber auch im Zivil- oder Verfassungsrecht) erfasst hat und auf große Teile der Gesellschaft ausstrahlt. Die türkische Regierung hat zuletzt im Rahmen des 47. Assoziationsrates der EG mit der Türkei in Brüssel am 19. Mai 2009 ein klares Bekenntnis zum Ziel der EU-Vollmitgliedschaft abgegeben und angekündigt, den Reformprozess zu beschleunigen.
Das türkische Recht sichert die grundsätzlichen Verfahrensgarantien im Strafverfahren. Die Unabhängigkeit der Justiz ist in der Verfassung verankert (Art. 138). Für Entscheidungen u. a. über Verwarnungen, Versetzung oder den Verbleib im Beruf ist der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte unter Vorsitz des Justizministeriums zuständig (Verhandlung in geschlossenen Verfahren; ohne gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit). Seit 2008 hat sich die vormals zögerliche Haltung bezüglich der Verfolgung von Soldaten, Gendarmen und Polizeibeamten nachweisbar verbessert. Allerdings kommt es vor allem mangels Kooperation der Behörden bei der Tatsachenfeststellung nur in wenigen Einzelfällen tatsächlich zu Verurteilungen.
Dem Auswärtigen Amt sind in jüngster Zeit keine Gerichtsurteile auf Grundlage von durch die Strafprozessordnung verbotenen, erpressten Geständnissen bekannt geworden. Anwälte berichten, dass Festgenommene in einigen Fällen durch psychischen Druck verleitet werden, Aussagen zu machen. Bekannt ist auch, dass Erkenntnisse aus unzulässigen Telefonüberwachungen in Strafverfahren Eingang finden. Human Rights Watch weist in diesem Zusammenhang auf den nachlässigen Umgang mit Beweismitteln hin. 2008 sei es wiederholt zu Vertuschungsversuchen, Zerstörung und Unterdrückung von Beweisen bzw. Behinderung der staatsanwaltlichen Ermittlungen gekommen. Ähnliche Erkenntnisse ergeben sich aus der Beobachtung von Gerichtsverfahren durch die Botschaft Ankara.
Reformierte Strafrechtsnormen werden von den Gerichten auch in Fällen mit Terrorbezug und Separatismusvorwürfen grundsätzlich rechtsstaatskonform angewandt. Im Mai 2009 wurden vier Anwälte des Menschenrechtsvereins IHD kurzfristig aufgrund von Terrorismusvorwürfen verhaftet. Dabei wurden auch Unterlagen von Klienten beschlagnahmt. Das Recht auf sofortigen Zugang zu einem Rechtsanwalt innerhalb von 24 Stunden ist grundsätzlich gewährleistet. Das Recht auf kostenlose Rechtsberatung bei Schuldvorwürfen mit einem Strafrahmen bis 5 Jahre wurde 2006 (mit Blick auf den Mangel an dafür geeigneten Rechtsberatern) eingeschränkt. Seit Dezember 2006 kann die kostenlose Rechtsberatung nur derjenige in Anspruch nehmen, der einem Tatvorwurf mit Strafandrohung von mindestens fünf Jahren ausgesetzt ist.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) spielt in der Türkei eine wichtige Rolle: Zum einen, weil er als Ersatz für die im türkischen Recht fehlende Verfassungsbeschwerde angesehen und daher in vielen Fällen nach Ausschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges angerufen wird; zum anderen ist die EMRK aufgrund einer entsprechenden Verfassungsbestimmung nationalem Recht vorrangig und direkt anwendbar.
Die Zahl der Beschwerden, die im Zusammenhang mit mutmaßlichen Folterfällen stehen, ist nach Angaben von Menschenrechtsverbänden 2009 landesweit zurückgegangen. Aus den vorliegenden Statistiken lassen sich jedoch keine Rückschlüsse ziehen, da längst nicht alle potentiellen Hinweise auf Folter durch die Menschenrechtsorganisationen überprüft und bestätigt werden konnten und die Erfassung in unterschiedlicher, teils sehr stark voneinander abweichender Weise gehandhabt wird. Bei einem statistischen Vergleich muss zudem berücksichtigt werden, dass gerade durch die "Null-Toleranz-Politik" die Sensibilität für das Thema erheblich zugenommen hat. Die aus Sicht des Auswärtigen Amtes verlässlichsten Zahlen stammen von der Menschenrechtsstiftung der Türkei, TIHV. In der Gesamtzahl berichtet TIHV von einer leichten Abnahme der bei ihnen behandelten Fälle von Folter und Misshandlung. Bis Ende November 2009 wurden insgesamt 252 Personen registriert, die im selben Jahr gefoltert oder unmenschlich behandelt wurden (2008: 269, 2007: 320; 2006: 222).
Sippenhaft
In der Türkei gibt es keine "Sippenhaft" in dem Sinne, dass Familienmitglieder für die Handlungen eines Angehörigen strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden. Die nach türkischem Recht aussagepflichtigen Familienangehörigen - etwa von vermeintlichen oder tatsächlichen PKK-Mitgliedern oder Sympathisanten - werden allerdings zu Vernehmungen geladen, z.B. um über den Aufenthalt von Verdächtigen befragt zu werden. Werden Ladungen nicht befolgt, kann es zur zwangsweisen Vorführung kommen.
Dem Auswärtigen Amt liegen keine Anhaltspunkte vor, dass Personen, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben und die zB eine strafrechtliche Verfolgung oder Gefährdung durch "Sippenhaft" in der Türkei behaupten, bei Rückkehr in die Türkei einer Gefährdung durch Folter oder Misshandlungen allein aufgrund der Tatsache droht, dass ein Asylantrag gestellt wurde.
Staatliche Repressionen
Es gibt keine Anhaltspunkte für eine systematische Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, sozialen Gruppe oder allein wegen ihrer politischen Überzeugung. Es kommt jedoch zu staatlichen repressiven Maßnahmen in unterschiedlichen Bereichen.
Repressionen Dritter
In der Türkei gibt es zahlreiche militante religiöse Gruppierungen wie die türkische Hizbullah, die "Front der Vorkämpfer des Großen Ostens" (IBDA-C) und linksradikale, terroristische Gruppierungen wie die DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi - "Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front") bzw. die TKP-ML (Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist) oder die linksterroristische MLKP (Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei). Trotz der andauernden Bedrohung der nationalen Sicherheit durch Teile dieser Gruppierungen kann davon ausgegangen werden, dass sie keine Repressionen gegenüber einer bestimmten Personengruppe wegen ihrer Rasse, Nationalität, Religion oder politischen Überzeugung ausüben.
Kurden
Neben den offiziell anerkannten religiösen Minderheiten gibt es folgende ethnische Gruppen: Kurden (ca. 13-15 Mio.), Kaukasier (6 Mio, davon 90% Tscherkessen), Roma (ca. 2 Mio.), Lasen (zwischen 750.000 und 1,5 Mio.) und andere Gruppen in kleiner und unbestimmter Anzahl (Araber, Bulgaren, Bosnier, Pomaken und Albaner). Türkische Staatsbürger kurdischer und anderer Volkszugehörigkeit sind aufgrund ihrer Abstammung keinen staatlichen Repressionen unterworfen. Aus den Ausweispapieren, auch aus Vor- oder Nachnamen, geht in der Regel nicht hervor, ob ein türkischer Staatsbürger kurdischer Abstammung ist (Ausnahme: Kleinkindern dürfen seit 2003 kurdische Vornamen gegeben werden). Die meisten Kurden sind in die türkische Gesellschaft integriert, viele auch assimiliert. In Parlament, Regierung und Verwaltung sind Kurden ebenso vertreten wie in Stadtverwaltungen, Gerichten und Sicherheitskräften. Ähnlich sieht es in Industrie, Wissenschaft, Geistesleben und Militär aus.
Der private Gebrauch des Kurdischen, d.h. der beiden in der Türkei vorwiegend gesprochenen kurdischen Sprachen Kurmanci und Zaza, ist in Wort und Schrift keinen Restriktionen ausgesetzt, der amtliche Gebrauch ist allerdings noch eingeschränkt. Kurdischunterricht und Unterricht in kurdischer Sprache an öffentlichen Schulen sind nicht erlaubt. Durch die verfassungsrechtliche Festschreibung von Türkisch als der einzigen Nationalsprache und dem damit einhergehenden Verbot für Behörden und Parteien, eine andere Sprache als Türkisch zu verwenden, wird die politische Betätigung von Kurden, aber auch anderer ethnischer Gruppen, eingeschränkt und ihnen die Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen erschwert. Eine positive Entwicklung ist der neu geschaffene staatliche TV-Sender TRT 6, der seit Anfang 2009 ein 24-Stunden-Programm in kurdischer Sprache sendet. Zudem hob im November die staatliche Fernseh- und Rundfunkanstalt die bisher geltenden Beschränkungen für Privatfernsehen in "Sprachen und Dialekten, die traditionell von türkischen Bürgern im Alltag gesprochen werden" auf. Seit 2004 war es möglich wöchentlich vier Stunden im Privatfernsehen und sechs Stunden im Privatradio zu senden.
An der privaten Istanbuler Bilgi Universität wurde ab dem WS 2009 Kurdischunterricht als Wahlfach eingerichtet. An der Universität in XXX wurde die Einrichtung eines "Instituts für lebende Sprachen" (u.a. für Kurdisch) durch den Hochschulrat beschlossen; für weitere Universitäten (Ankara; Istanbul) wird dies diskutiert.
Kurdische Arbeiterpartei (PKK)
Die Kurdenfrage ist eng verflochten mit dem jahrzehntelangen Kampf der türkischen Staatsgewalt gegen die von Abdullah Öcalan gegründete "Kurdische Arbeiterpartei" (PKK) und ihre terroristischen Aktionen. Das in Deutschland und der EU bestehende Verbot der Terrororganisation PKK erstreckt sich auch auf die Nachfolgeorganisationen unter anderem Namen. Die Stärke der PKK in der Türkei/Nordirak wird aktuell auf noch 5.000 - 5.500 Kämpfer geschätzt, davon ca. zwei Drittel im Nordirak. Von 2002 bis 2004 hatte sich die Terrororganisation PKK mehrfach umbenannt (KADEK/KHK/KONGRA-GEL). Mittlerweile ist sie zu ihrer alten Bezeichnung PKK zurückgekehrt. Für die von ihr selbst als politisch bezeichnete Betätigung im Ausland hat sie jedoch die Bezeichnung KONGRA-GEL beibehalten. Ihr Anführer, der zu lebenslanger Haft verurteilte Abdullah Öcalan, befindet sich seit 1999 im Gefängnis auf der Insel Imrali im Marmara Meer. Kurdischen Quellen zufolge soll sich die PKK wieder verstärkt der Anwerbung "junger Kämpfer" widmen. Nach Berichten PKK nahe stehender Medien sind zahlreiche neue Guerillakämpfer in die Reihen der "Volksverteidigungskräfte" HPG aufgenommen und danach in ihre Einsatzgebiete entsandt worden.
Weiterhin sind Spannungen in den kurdisch geprägten Regionen im Südosten des Landes zu verzeichnen. Die türkischen Militäroperationen gegen PKK-Einrichtungen im Nordirak dauern an; sie stützen sich inzwischen auf eine Kooperation mit den USA und Irak. Türkische Streitkräfte und die Regierung weisen häufiger darauf hin, dass die PKK Rekrutierungsschwierigkeiten habe und den Rückhalt in der Bevölkerung verliere. Beides lässt sich bisher jedoch nicht mit konkreten Zahlen belegen. PKK-interne Opposition (Ungehorsam, Befehlsverweigerung etc.) und Abfall (Desertion) von der PKK werden von dieser konsequent sanktioniert. Es gibt Hinweise auf Zwangsrekrutierungen durch die PKK, die allerdings nicht nachzuweisen sind.
Allerdings sehen Regierung und Militär, dass die Probleme im Südosten nicht allein mit militärischen Mitteln zu überwinden sind. Auf wirtschaftlichem und kulturpolitischem Gebiet hat die Regierung zahlreiche Anstrengungen zur Verbesserung der Lage der Kurden unternommen. Neben der Einführung kurdischsprachiger Sendungen im staatlichen Fernsehen ist die von Staatspräsident Gül und Ministerpräsident Erdogan im Mai 2009 angekündigte "Demokratische Öffnung" (zuvor "Kurdische Öffnung") von besonderer Bedeutung. Diese zielt insbesondere auf eine Lösung der Probleme des Südostens und beinhaltet politische, wirtschaftliche und soziokulturelle Maßnahmen. Die volle Umsetzung der von der Regierung angestrebten Öffnungspolitik gegenüber den Kurden hängt stark davon ab, ob die mächtigen Beharrungskräfte im Oppositionslager sowie in den Bereichen Militär, Justiz und Polizei letztlich mitziehen oder gegensteuern.
Grundversorgung
Die Türkei kennt bisher keine staatliche Sozialhilfe die mit dem EU-Standard vergleichbar ist. Sozialleistungen für Bedürftige werden auf der Grundlage der Gesetze Nr. 3294 über den Förderungsfonds für Sozialhilfe und Solidarität (Sosyal Yardimlasma ve Dayanismayi Tesvik Kanunu) und Nr. 5263, Gesetz über Organisation und Aufgaben der Generaldirektion für Sozialhilfe und Solidarität (Sosyal Yardimlasma ve Dayanisma Genel Müdürlügü Teskilat ve Görevleri Hakkinda Kanun) gewährt. Die Sozialhilfeprogramme werden von den in 81 Provinzen und 850 Kreisstädten vertretenen Stiftungen für Sozialhilfe und Solidarität (Sosyal Yardimlasma ve Dayanisma Vakfi) ausgeführt und sind den Gouverneuren unterstellt.
Anspruchsberechtigt nach Art. 2 des Gesetzes Nr. 3294 sind bedürftige Staatsangehörige, die sich in Armut und Not befinden, nicht gesetzlich sozialversichert sind und von keiner Einrichtung der Sozialsicherheit ein Einkommen oder eine Zuwendung beziehen, sowie Personen, die durch eine kleine Unterstützung oder durch Gewährleistung einer Ausbildungsmöglichkeit gemeinnützig und produktiv werden können.
Die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung werden von Amts wegen geprüft. Leistungen werden gewährt in Form von Unterstützung der Familie (Nahrungsmittel, Heizmaterial, Unterkunft), Hilfen für die Ausbildung (Schülerbedarfsartikel, Unterkunft), Krankenhilfe, Behindertenhilfe sowie besondere Hilfeleistungen wie Katastrophenhilfe oder die Volksküchen. In einem im Jahr 2008 begonnenen Projekt sollen erstmals Bedürftigkeitskriterien für die einzelnen Leistungsarten entwickelt werden. Die Leistungen werden in der Regel als zweckgebundene Geldleistungen für neun bis zwölf Monate gewährt; in Einzelfällen entscheidet der Vorstand der Stiftung. In der Türkei existieren darüber hinaus weitere soziale Einrichtungen, die ihre eigenen Sozialhilfeprogramme haben.
Medizinische Versorgung
In der Türkei gibt es neben dem staatlichen Gesundheitssystem, das eine medizinische Grundversorgung garantiert, mehr und mehr leistungsfähige private Gesundheitseinrichtungen, die in jeglicher Hinsicht EU-Standards entsprechen. Auch das staatliche Gesundheitssystem hat sich in den letzten Jahren strukturell und qualitativ erheblich verbessert. Versorgungsdefizite - vor allem in den ländlichen Provinzen - bestehen aber noch bei der medizinischen Ausstattung, bei Ärzten und Krankenpflegern. In diesen Fällen besteht die Möglichkeit, die Patienten in Behandlungszentren der nächstgelegenen größeren Städte zu überweisen.
Das am 1. Oktober 2008 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Sozialversicherungsreform (Gesetz Nr. 5510) dehnt die gesetzliche Krankenversicherung auf alle Personengruppen, einschließlich der unter 18-Jährigen, aus. Ziel ist die Sicherstellung einer einheitlichen gesundheitlichen Versorgung aller Bürger mit im Wesentlichen gleichen Bezugsvoraussetzungen und Leistungsansprüchen für Angestellte, Rentner und Selbständige. Nach einer Übergangszeit von zwei Jahren (bis 30.09.2010) werden auch bisher unversicherte Mittellose, die die sog. "Grüne Karte" (Yesil Kart) für eine kostenlose medizinische Versorgung im staatlichen Gesundheitssystem nutzen, sowie bisher durch die Maschen des Systems fallende Personen, einbezogen.
Eine medizinische Versorgung sowie die Behandlungsmöglichkeit psychischer Erkrankungen ist grundsätzlich landesweit gegeben. In ländlichen Regionen müssen Patienten unter Umständen in Behandlungszentren größerer Städte überwiesen werden. Das Gesundheitswesen garantiert psychisch kranken Menschen umfassenden Zugang zu Gesundheitsdiensten und Beratungsstellen. Dauereinrichtungen für psychisch Kranke wie offene oder geschlossene Psychiatrien oder betreute Wohnheime gibt es jedoch nur in begrenzter Kapazität für chronische Fälle, in denen familiäre Unterstützung nicht gewährleistet ist oder die eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen. Auch bei der Behandlung psychischer Erkrankungen ist ein ständig steigender Standard festzustellen. Die Behandlung psychischer Erkrankungen einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) ist in allen Krankenhäusern der Türkei möglich, die über eine Abteilung für Psychiatrie verfügen. Für die Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) werden in der Türkei die international anerkannten Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV angewandt. Zu Behandlungskonzepten zählen u.a. Psychotherapie mit Entspannungstraining, Atemtraining, Förderung des positiven Denkens und Selbstgespräche, kognitive Therapie, Spieltherapie sowie Medikationen wie Antidepressiva und Benzodiazepine. Eine Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) ist grundsätzlich auch über die Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV) möglich.
Behandlung von Rückkehrern
Bei der Einreise in die Türkei hat sich jeder einer Personenkontrolle zu unterziehen. Türkische Staatsangehörige, die ein gültiges türkisches, zur Einreise berechtigendes Reisedokument besitzen, können die Grenzkontrolle grundsätzlich ungehindert passieren. In Fällen von Rückführungen gestatten die türkischen Behörden die Einreise nur mit türkischem Reisepass oder Passersatzpapier.
Wenn bei der Einreisekontrolle festgestellt wird, dass für die Person ein Eintrag im Fahndungsregister besteht, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen. Ein Eintrag besteht nicht, wenn zuvor anhängige Ermittlungsverfahren oder eingeleitete Strafverfahren wegen Verjährung oder Amnestiebestimmungen eingestellt wurden oder die Person freigesprochen und ein Fahndungs- bzw. Haftbefehl aufgehoben wurde.
Wenn auf Grund eines Eintrages festgestellt wird, dass ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen. Ein Anwalt wird zur Durchführung des Verhörs, bei welchem der Festgenommene zu den schriftlich vorliegenden Anschuldigungen gehört wird, hinzugezogen. Der Festgenommene wird ärztlich untersucht. Das Verhör wird durch den Staatsanwalt oder durch einen von ihm bestimmten Polizeibeamten im Namen der Staatsanwaltschaft vorgenommen. Der Festgenommene darf zunächst 24 Stunden festgehalten werden. Eine Verlängerung dieser Frist auf 48 Stunden ist möglich. Danach findet erneut eine ärztliche Untersuchung statt. Nach der ärztlichen Untersuchung wird der Festgenommene mit dem Bericht des Arztes dem Staatsanwalt vorgeführt, der nochmals eine Befragung im Beisein eines Anwaltes durchführt. Der Staatsanwalt verfügt entweder die Freilassung oder überstellt den Betroffenen dem zuständigen Richter mit dem Antrag auf Ausstellung eines Haftbefehls. Bei der Befragung durch den Richter ist ebenfalls der Anwalt anwesend. Wenn auf Grund eines Eintrages festgestellt wird, dass ein Strafverfahren anhängig ist, wird die Person bei der Einreise festgenommen und der Staatsanwaltschaft überstellt. Ein Anwalt wird hinzugezogen und eine ärztliche Untersuchung vorgenommen.
Der Staatsanwalt überprüft von Amts wegen, ob der Betroffene von den Amnestiebestimmungen des 1991 in Kraft getretenen Antiterrorgesetzes Nr. 3713 oder des im Dezember 2000 in Kraft getretenen Gesetzes Nr. 4616 (Gesetz über die bedingte Entlassung, Verfahrenseinstellung und Strafaussetzung zur Bewährung bei Straftaten, die vor dem 23. April 1999 begangen worden sind) profitieren kann oder ob gemäß Art. 102 StGB a. F. (jetzt Art. 66 StGB n. F.) Verjährung eingetreten ist. Sollte das Verfahren aufgrund der vorgenannten Bestimmungen ausgesetzt oder eingestellt sein, wird der Festgenommene freigelassen.
Andernfalls fordert der Staatsanwalt von dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, einen Haftbeschluss an. Der Verhaftete wird verhört und mit einem Haftbefehl - der durch den örtlich zuständigen Richter erlassen wird - dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, überstellt. Während der Verhöre - sowohl im Ermittlungs- als auch im Strafverfahren - sind grundsätzlich Kameras eingeschaltet.
Dem Auswärtigen Amt ist in den letzten Jahren kein Fall bekannt geworden, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten - dies gilt auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen - gefoltert oder misshandelt worden ist. Auch seitens türkischer Menschenrechtsorganisationen wurde kein Fall genannt, in dem politisch nicht in Erscheinung getretene Rückkehrer oder exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen menschenrechtswidriger Behandlung durch staatliche Stellen ausgesetzt war. Nach Auskunft von EU-Mitgliedstaaten (Dänemark, Schweden, Niederlande, Frankreich, England, auch der Kommission) sowie Norwegen, der Schweiz und den USA ist auch diesen aus jüngerer Zeit kein Fall bekannt, in dem exponierte Mitglieder, führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen sowie als solche eingestufte Rückkehrer menschenrechtswidriger Behandlung ausgesetzt waren.
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt, den bekämpften Bescheid, den Beschwerdeschriftsatz und dessen Ergänzungen und die vorgelegten Unterlagen sowie durch öffentlich mündliche Verhandlung der Beschwerdesache und durch Berücksichtigung nachstehender Länderdokumentationsunterlagen:
Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, 11.04.2010, 29.06.2009 und 11.09.2008
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Glossar Islamische Länder, Band 23, Februar 2009
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Erkenntnisse, Juni 2009
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Türkei, November 2009
EU-Kommission, Türkei Fortschrittsbericht 2009, 14.10.2009
Annual Report of the United States Commission on International Religious Freedom, Mai 2008
Home Office, Country of Origin Information Report, Turkey, 20.10.2009
USDOS: Country Reports on Human Rights Practices 2008: Turkey, 25.02.2009
USDOS: International Religious Freedom Report Turkey, 26.10.2009
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, Verbot der DTP, 14.12.2009
I.3. Beweiswürdigend wird ausgeführt:
I.3.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:
Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität des Beschwerdeführers sowie hinsichtlich seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet und des Datums seiner Asylantragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem bereits erstinstanzlich vorgelegten türkischen Personalausweis, ausgestellt am 10.03.2003 vom Personenstandsamt in XXX.
Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den familiären Verhältnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf dessen in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren sowie auf die vorgelegte Heiratsurkunde vom 06.11.2010, ausgestellt vom Standesamtsverband XXX, den vorgelegten Konventionsflüchtlingspass der Ehegattin des Beschwerdeführers und den bezüglich der Ehegatten vorgelegten Meldebestätigungen.
Die Feststellung zu den Deutschkenntnissen des Beschwerdeführers stützt sich auf die persönlichen Wahrnehmungen des hier entscheidenden Senates des Asylgerichtshofes während der mündlichen Beschwerdeverhandlung und die Kursbestätigung der XXX vom 14.03.2006.
Die Feststellungen zur Mitgliedschaft des Beschwerdeführers und seiner Tätigkeit beim Verein XXX in XXX gründen sich auf den vorgelegten Vereinsregisterauszug vom 15.03.2004.
Die Feststellungen zur Tätigkeit des Beschwerdeführers in einem regionalen Rundfunksender ergeben sich aus dessen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben und dem vorgelegten Zeitungsausschnitt (AS 157).
Die Feststellungen zur Mitgliedschaft des Beschwerdeführers in der XXX in der Türkei ergeben sich aus der vorgelegten Liste der Personen des Präsidiums des Wahlrates des Landkreises XXX aus dem Jahr 2003 samt deutscher Übersetzung sowie dem bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Mitgliedsausweis bei der XXX und dem Bestätigungsschreiben über die Parteimitgliedschaft.
Die Feststellungen zur Beschäftigung des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem vorgelegten Sozialversicherungsdatenauszug mit Stand vom 24.09.2010, dem Bericht der PI XXX vom 11.03.2009, dem vorgelegten Gewerberegisterauszug vom 18.03.2009, dem vorgelegten Gewerberegisterauszug vom 08.08.2006, der Saldenliste betreffend das Konto des Beschwerdeführers bezüglich dem Transportgeschäft mit Stand vom 30.11.2010, den zwei Lohnzettel der XXX, welche für Jänner 2011 einen Nettobezug des Beschwerdeführers iHv 1244,80 EUR sowie für Februar 2011 iHv 1100,-
ausweisen, dem Teilnahmezertifikat der XXX, der Verständigung über die Standortverlegung und den diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gründen sich auf das vorgelegte Schreiben der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie XXX vom 06.11.2006 und das Schreiben der Universitätsklinik, interne Notaufnahme vom 22.12.2004.
I.3.2. Was hingegen die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe betrifft, so ist Folgendes auszuführen:
I.3.2.1. Der Beschwerdeführer brachte durchaus glaubwürdig vor, dass er von 2000 bis November 2001, dem Zeitpunkt als der Beschwerdeführer zum Militär eingerückt sei, als XXX für die HADEP und ab 2003 als Mitglied für die XXX Partei im Gebiet seiner Heimatstadt tätig gewesen sei. Weiters ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen, dass der Beschwerdeführer am 06.09.2003, am ersten ordentlichen Parteitag der freien Volkspartei für die Provinz XXX in den XXX dieser in der Türkei unter dem Namen XXX bekannten Partei gewählt wurde. Überdies kann den Angaben des Beschwerdeführers dahingehend gefolgt werden, dass er jedenfalls seit 2005 bzw. dem Ablauf der Funktionsperiode nicht mehr dem XXX dieser Partei angehören würde, und damit nunmehr aktuell kein Mitglied einer legalen Partei in der Türkei sie, die überdies nicht mehr nach außen hin in Erscheinung trete bzw. als aufgelöst angesehen werden könne und deren ehemalige - auch höherrangigen - Mitglieder vor einigen Jahren zur DTP gewechselt seien.
Der Beschwerdeführer brachte weiters mehr oder weniger konsistent im gesamten Verfahren vor, dass er die Türkei am 14.11.2003 verlassen habe, da er am 11.11.2003 auf dem Nachhauseweg von maskierten Männern überfallen, in einen Olivenhain verschleppt und geschlagen worden sei. Die Männer hätten von ihm verlangt, dass er mit seiner politischen Tätigkeit für die XXX aufhören und Spitzeldienste für sie leisten solle.
Schon am 01.09.2003 sei er am Weltfriedenstag im Zuge einer Demonstration festgenommen und beschimpft worden. Nunmehr würden die Sicherheitskräfte in der Türkei zu seinen Eltern kommen und nach ihm fragen.
Auch in Österreich habe sich der Beschwerdeführer politisch engagiert, insbesondere habe er in einem kurdischen Verein mitgearbeitet und mit einem Freund den Radiosender XXX gegründet und dort auch moderiert.
I.3.2.2. Zu seinen Befürchtungen im Falle einer Rückkehr befragt, führte der Beschwerdeführer im Rahmen der Einvernahme am 11.02.2004 aus, er könnte von den Kontra-Guerillas, das seien spezielle staatliche geheime Sicherheitskräfte, umgebracht werden. Am Weltfriedenstag, dem 01.09.2003 habe er erstmalig Probleme in der Türkei gehabt. So sei er nach einer genehmigten Kundgebung beim Heimfahren in einem Autokonvoi festgenommen, zum Revier gebracht und "schwer beleidigt" worden. Weitere Konsequenzen, insbesondere die Einleitung eines Strafverfahrens oder dergleichen hätte diese - ohne weitere Übergriffe stattgefundene - Maßnahme nicht gehabt.
Bezüglich der Anhaltung am Weltfriedenstag steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen im Zuge der zweiten Einvernahme dahingehend, dass er erstmalig angab, das ÖZEL TIM habe ihn angehalten und sei er darüber hinaus nicht nur angehalten, sondern auch geschlagen worden. Abgesehen davon, dass auch der Verwaltungsgerichtshof davon ausgeht, dass ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann, zumal ein Asylwerber keine sich bietende Gelegenheit ungenützt vorübergehen lassen würde, ein zentrales entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten (vgl. VwGH, 07.06.2000, 2000/01/0250), wurde in der Beschwerde selbst ausgeführt, dass dieser Vorfall nur angeführt worden sei, um die Einschränkungen in der Türkei aufzuzeigen, und nicht Anlass für die Flucht des Beschwerdeführers gewesen sei.
Dazu ist grundsätzlich auszuführen, dass solche Befragungen auch von ihrer Intensität her noch nicht als asylrelevant anzusehen sind, da allgemein kurzfristige Anhaltungen, Verhöre und Hausdurchsuchungen für sich allein nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die asylrechtliche Relevanz aufweisen - nicht geeignet sind, die Flüchtlingseigenschaft zu indizieren (VwGH vom 05.06.1996, 96/20/0323, VwGH vom 18.12.1996, 95/20/0651, VwGH vom 11.12.1997, 95/20/0610). Konsequenzen wie etwa einen Haftbefehl oder eine Anzeige hätten diese Vorfälle nach Angaben des Beschwerdeführers keine gehabt.
I.3.2.3. Im Zuge der Einvernahme am 11.02.2004 gab der Beschwerdeführer auch an, dass es auch noch zu einem zweiten Vorfall am 11.11.2003 gekommen sei. An diesem Tag sei der Beschwerdeführer nach einer Diskussion über die Gemeindewahlen auf dem Heimweg von drei maskierten Männern überfallen, in einen Olivenhain verschleppt und bedroht worden. Man habe von ihm verlangt, dass er Informationen über die XXX Partei sammeln und - auch gegen Bezahlung - weitergeben solle. Daraufhin habe er wenige Tage später die Türkei verlassen.
Bei der zweiten Einvernahme am 25.06.2007 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, nochmals im Detail den Vorfall vom 11.11.2003 zu schildern. Wiederum schilderte der Beschwerdeführer den Vorfall grundsätzlich gleichlautend und führte aus, dass er vermute, die ihn angreifenden Personen seien von der Jitem gewesen. Weiters benannte er nach Befragung namentlich mehrere weitere XXX der in der Türkei legalen XXX, wobei sich unter diesen genannten Personen ein Rechtsanwalt und ein Bürgermeister, welche nach wie vor in der Türkei leben würden, befunden hätten. Auch werde beim Bürgermeister seines Heimatortes und bei den Eltern des Beschwerdeführers nach wie vor nach ihm gefragt. Die Frage, warum er annehme, dass andere Mitglieder seiner Partei in der Türkei normal und ungestört leben und sogar hohe Ämter bekleiden könnten, während der Beschwerdeführer selbst umgebracht werden hätte sollen, beantwortete der Beschwerdeführer mit der Aussage: "Sie stellen die Frage, warum gerade ich und nicht die Anderen umgebracht werden. Aber auch sie werden bedroht. Es gibt Beispiele dafür. Zum Beispiel der Vorsitzende der Provinz XXX, XXX, wurde ermordet.". Er glaube, dass sich dieser Vorfall im Jahr 1992 ereignet habe. Aktuell würden Strafverfahren gegen türkische Bürgermeister laufen, welche sich gegen die Schließung des Senders Roj-TV ausgesprochen hätten. Im Zuge dieser Einvernahme führte der Beschwerdeführer auch erstmalig an, dass sein älterer Bruder ebenfalls Mitglied der XXX in der Türkei sei. Dieser Bruder sei zwar nicht im XXX, könne aber genauso wenig ungestört - wie alle anderen Menschen - in der Türkei leben, wobei der Meinung des Beschwerdeführers folgend in der Türkei kein Mensch ungestört leben könne. Jedenfalls könne der Bruder einer Erwerbstätigkeit nachgehen.
Generell führte der Beschwerdeführer im Zuge dieser zweiten Einvernahme schließlich aus, dass ein Schließungs- bzw. Verbotsverfahren gegen die XXX eingeleitet worden sei, weshalb alle Mitglieder zur Demokratik Toplum Partisi (DTP) gewechselt seien und die XXX nunmehr nach außen hin nicht mehr auftrete. Er selbst sei nicht zur DTP gewechselt, und wisse er auch nicht, ob gegen ihn im Zusammenhang mit der XXX ein offizielles Strafverfahren eingeleitet worden sei bzw. sei er letztlich - nachdem seine XXX geendet habe - nur mehr einfaches Mitglied der Partei.
In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Asylgerichtshof stellte sich schließlich heraus, dass die XXX lediglich ungefähr ein Jahr lang bis Ende 2004 öffentlich als Partei in der Türkei agiert hat. Dies offenbar vor allem aus dem Grund, da die XXX vorwiegend als Nachfolgepartei der HADEP gegründet wurde, sich letztlich jedoch die DTP als Nachfolgepartei durchgesetzt hat und letzten Endes die Funktionäre der XXX Partei für die DTP bei den Wahlen kandidiert haben.
Der Beschwerdeführer gab somit im Wesentlichen als Hauptgrund für das Verlassen der Türkei einen Vorfall vom 11.11.2003 in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für eine Partei, die nunmehr seit sieben Jahren quasi nicht mehr existent bzw. jedenfalls nicht mehr aktiv sei, an. Die behauptete Entführung, welche an sich gewaltlos durchgeführt worden sei und deren Zweck sich auf eine Nötigung zur Tätigkeit als bezahlter Informant beschränkt habe, wurde vom Beschwerdeführer zwar der Jitem zugeordnet, woher er aber dieses Wissen über die Zugehörigkeit der maskierten und ihm unbekannten Angreifer habe, blieb im Verborgenen.
Abgesehen von der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers ist dazu auch unter dem Aspekt, dass Voraussetzung für die Anerkennung eines Asylwerbers als Flüchtling ein Eingriff ist, der eine solche Intensität erreicht, dass es dem Beschwerdeführer unzumutbar ist, weiter im Heimatstaat zu verbleiben, festzuhalten, dass gerade in Anbetracht einer einzigen behaupteten Anhaltungen bzw. Entführung durch unbekannte Personen im Jahr 2003 die Verfolgung zu verneinen ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Beschwerdeführers zu verstehen. Je schwerer der drohende Eingriff, desto geringer ist die erforderliche Gefahrenneigung. Bei schwersten Eingriffen, etwa bei drohenden Eingriffen in Leben, Gesundheit oder Freiheit, ist darauf abzustellen, ob die Verfolgungsgefahr mit erforderlicher Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Der angegebene Eingriff in die Sphäre des Beschwerdeführers war nicht von besonderer Intensität. Eine Befragung, Anhaltung und insbesondere auch eine Morddrohung mag wohl eine nicht unwesentliche psychische Beeinträchtigung sein, ist aber ein Vorgehen, das vor dem Hintergrund der Länd