Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1. I***** AG, 2. I*****gmbH, beide *****, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 1. 1.812,50 EUR sA und 2. 4.612,98 EUR sA sowie Feststellung über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 42.000 EUR), gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. Jänner 2011, GZ 14 R 191/10a-73, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. August 2010, GZ 31 Cg 18/04a-68, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision und die Revisonsbeantwortung werden zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Revision ist entgegen dem nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
2. Die klagenden Parteien machten Amtshaftungsansprüche aus der Verbreitung unrichtiger Tatsachen über ihre Geschäftstätigkeit durch ein Bundesministerium (via „Verbraucherinformation“ und „Presseaussendung“) geltend. Ihr Zahlungsbegehren wurde rechtskräftig abgewiesen, weil noch kein Primärschaden festgestellt werden konnte. Thema des Revisionsverfahrens ist ausschließlich das Vorliegen eines Feststellungsinteresses als Voraussetzung für die Berechtigung der - auch im Amtshaftungsrecht zulässigen (1 Ob 155/97v mwN = SZ 71/5) - Feststellungsklage.
3. Die Judikatur anerkennt ein Feststellungsinteresse, dessen Vorliegen jeweils im Einzelfall zu beurteilen ist (RIS-Justiz RS0039177 [T1]; RS0038949 [T4]), schon dann, wenn die Möglichkeit offen bleibt, dass ein schuldhaftes rechtswidriges Verhalten für einen künftigen Schadenseintritt ursächlich sein könnte (RIS-Justiz RS0038865). Nichts anderes gilt für das Amtshaftungsverfahren (1 Ob 155/97v; iglS 1 Ob 93/10y).
4. Im konkreten Fall wurde festgestellt, dass die klagenden Parteien aufgrund der Verbreitung der Vorwürfe einer (vorsätzlichen) Schädigung zahlreicher Konsumenten in Deutschland, Österreich und der Schweiz gegenüber Geschäftspartnern Erklärungsbedarf sowie bei Verhandlungen mit Banken größere Schwierigkeiten hatten. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das künftige Schäden nicht ausschloss und demnach das Feststellungsinteresse bejahte, ist bei den möglichen Nachwirkungen einer derartig „negativen Presse“, die auch noch Jahre später bei (potentiellen) Geschäftspartnern eine restriktivere Haltung gegenüber Geschäftsbeziehungen mit den klagenden Parteien hervorrufen könnte, vertretbar.
5. Den klagenden Parteien wurde der Freistellungsbeschluss des Berufungsgerichts am 5. 4. 2011 zugestellt. Sie brachten (im ERV) ihre Revisionsbeantwortung am 2. 5. 2011 entgegen § 507a Abs 3 ZPO beim Erstgericht ein. Die Rechtsmittelgegenschrift langte erst am 5. 5. 2011, also nach Ablauf der vierwöchigen Frist des § 507a Abs 1 ZPO beim Berufungsgericht ein. Die Zeit der Übersendung war aufgrund der Einbringung beim unzuständigen Gericht nicht einzurechnen (RIS-Justiz RS0041584 [T3]), weshalb die Revisionsbeantwortung als verspätet zurückzuweisen ist (RIS-Justiz RS0035958 [T2]).
Schlagworte
Gruppe: Amtshaftungsrecht,ZivilverfahrensrechtTextnummer
E97401European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00096.11S.0524.000Im RIS seit
07.06.2011Zuletzt aktualisiert am
07.06.2011