Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §63 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des MG in G, geboren am 1. November 1948, vertreten durch Dr. Ronald Klimscha, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Enge 31, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 2. Oktober 2000, Zl. Fr-4250a-133/96, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen einen Bescheid betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender - unstrittiger - Sachverhalt:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 29. Februar 1996 wurde über den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z 1 in Verbindung mit § 21 Abs. 1 und 2 des Fremdengesetzes 1992, BGBl. Nr. 838, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 2. März 1996 "persönlich" in (der Justizanstalt) Garsten zugestellt. Der diesbezügliche Rückschein befindet sich im Verwaltungsakt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine Berufung, die erst am 26. Juli 2000 zur Post gegeben wurde. Im Hinblick darauf wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde die Möglichkeit eingeräumt, sich binnen zwei Wochen zur offensichtlich verspäteten Einbringung der Berufung zu äußern.
In der (fristgerechten) Stellungnahme brachte der Beschwerdeführer nur vor, seine Integration in Österreich sei groß und eine Rückkehr in die Türkei würde seine Familie in ein Elend stürzen. Weiters führte er aus, sich in gerichtlichen Verfahren nicht auszukennen und ein Recht auf einen "Pflichtverteidiger" zu haben, weshalb die Angelegenheit von der belangten Behörde an die Rechtsanwaltskammer weitergeleitet werden solle. Er verfüge weder über einen Dolmetsch zur Übersetzung in die türkische Sprache, noch über einen Rechtsanwalt. Schließlich beantragte der Beschwerdeführer, die Äußerungsfrist zu verlängern, um die Angelegenheit einem Rechtsanwalt zu übergeben, welcher ordnungsgemäß zur Verhängung des Aufenthaltsverbotes Stellung nehmen könnte.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung als verspätet zurückgewiesen. Nach Darstellung der oben wiedergegebenen Aktenlage führte die belangte Behörde zusammenfassend aus, die Zustellung (des erstinstanzlichen Bescheides) sei "laut den Unterlagen" ordnungsgemäß erfolgt. Da es sich bei den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründen um keine Tatsachen handle, die allenfalls einen Zustellmangel begründen könnten, bzw. er keinen Umstand angeführt habe, aus dem allenfalls die Rechtzeitigkeit der Berufung abzuleiten wäre, sei diese als verspätet zurückzuweisen. In Anbetracht dieses Vorbringens sei die Frist für das Parteiengehör nicht zu verlängern gewesen, zumal im gegenständlichen Verfahren auch kein Anspruch auf Verfahrenshilfe bestehe. Eine Prüfung gemäß § 114 Abs. 3 des Fremdengesetzes 1997 (BGBl. I Nr. 75) habe ergeben, dass das Aufenthaltsverbot auch nach den Bestimmungen des nunmehr geltenden Fremdengesetzes erlassen hätte werden können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Frist zur Erhebung einer Berufung beträgt zwei Wochen, die im vorliegenden Fall mit dem Tag der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, somit am 2. März 1996 begann (§ 63 Abs. 5 AVG). Zu Recht ist die belangte Behörde daher davon ausgegangen, dass die erst am 26. Juli 2000 zur Post gegebene Berufung als verspätet anzusehen ist. Gründe, warum die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den Beschwerdeführer nicht rechtswirksam sein soll, wurden weder im Berufungsverfahren vorgetragen, noch sind sie der Beschwerde zu entnehmen. Vielmehr blieben die diesbezüglichen, auf Grund des Zustellnachweises (Rückscheines) getroffenen Feststellungen unbekämpft.
Die Beschwerde macht als Verfahrensmangel nur geltend, die belangte Behörde habe die gegenüber dem rechtsunkundigen und nicht rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführer bestehende Manuduktionspflicht verletzt. Mangels Gesetzeskenntnis habe der Beschwerdeführer nicht wissen können, dass im gegenständlichen Verfahren kein Anspruch auf Verfahrenshilfe bestehe und seine Angelegenheit daher nicht von Amts wegen an die zuständige Rechtsanwaltskammer übergeben werde, sondern dass er sich selbst einen Anwalt auszuwählen habe. Über diese Umstände wäre der Beschwerdeführer vor der Entscheidung der belangten Behörde zu belehren gewesen. Sein Vorbringen hätte auch eine Verlängerung der - zu knapp bemessenen - zweiwöchigen Frist gerechtfertigt, zumal der Beschwerdeführer nur gebrochen Deutsch spreche und sich die "in Amtsdeutsch" verfassten behördlichen Schriftstücke erst ins Türkische übersetzen habe lassen müssen.
Diese Beschwerdeausführungen sind schon deshalb nicht zielführend, weil ihnen die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht zu entnehmen ist. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, welches entscheidungswesentliche Vorbringen, aus dem sich die Rechtzeitigkeit seiner Berufung ergeben könnte, er erstattet hätte, wenn die Äußerungsfrist verlängert worden wäre und er "die Angelegenheit einem Rechtsanwalt übergeben" hätte. Eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften käme - selbst wenn man den Beschwerdeausführungen dahin folgte, dass eine Verletzung des Parteiengehörs vorliege - aber nur dann in Betracht, wenn die Behörde bei Vermeidung des Verfahrensmangels zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Seiner Pflicht, die Relevanz eines solchen Verfahrensmangels darzutun (siehe dazu etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 536 zu § 45 AVG, zitierten Entscheidungen) hat der Beschwerdeführer aber -
wie erwähnt - in keiner Weise entsprochen.
Wenn in der Beschwerde ein allfälliges Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen angedeutet wird, die von einem Rechtsanwalt hätten vorgebracht werden können, so ist dem zu erwidern, dass diese im Rahmen eines Verfahrens betreffend die Rechtzeitigkeit einer Berufung gar nicht zu prüfen gewesen wären.
Schließlich meint der Beschwerdeführer noch, die belangte Behörde hätte schon im Hinblick auf den Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens prüfen müssen, ob ein Zustellmangel im Sinne des § 7 ZustG vorliege. "Wenn überhaupt, so ist der Bescheid vom 29. Februar 1996 dem Beschwerdeführer nur in deutscher Fassung zugegangen und es könnte sich daraus - ausgehend von Art. 6 Abs. 3 lit. e MRK - ein nicht heilbarer Zustellmangel im Sinn des § 7 ZustG ergeben."
Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde ohnehin eine (amtswegige) Prüfung der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides vorgenommen hat und auf Grund des Inhalts des Rückscheines zu dem unbedenklichen Ergebnis kam, dass die Zustellung an den Beschwerdeführer am 2. März 1996 persönlich, also zu eigenen Handen erfolgte. Warum "ausgehend von Art. 6 Abs. 3 lit. e MRK", der jedem einer strafbaren Handlung Angeklagten das Recht gibt, die unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers zu verlangen, wenn er die Verhandlungssprache des Gerichts nicht versteht oder sich nicht darin ausdrücken kann, eine mangelhafte Zustellung vorliegen soll, ist in keiner Weise nachvollziehbar.
Da sich somit bereits aus dem Inhalt der Beschwerde in Verbindung mit dem vorgelegten Bescheid ergibt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 27. Februar 2001
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000210192.X00Im RIS seit
27.04.2001