TE AsylGH Erkenntnis 2011/05/23 E2 313489-2/2010

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Veröffentlicht am 23.05.2011
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Spruch

E2 313489-2/2010/5E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. HUBER-HUBER als Vorsitzenden und die Richterin Dr. FAHRNER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.10.2010, Zl. 10 00.465-BAI, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. VERFAHRENSGANG

 

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 17.01.2010 den verfahrensgegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.

 

2. Nach einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes wurde der BF am 08.04.2010 asylbehördlich angehört. Das Bundesasylamt brachte dem BF im Zuge der Anhörung aktuelle Feststellungen zum Herkunftsland Iran zur Kenntnis und räumte ihm die Möglichkeit ein, dazu binnen einer Frist von 2 Wochen schriftlich Stellung zu nehmen. Der BF verzichtete unter Hinweis darauf, dass er sich im Iran auskenne, ausdrücklich auf die Abgabe einer Stellungnahme.

 

3. Die vom BF vorgelegten Dokumente wurden übersetzt und einer kriminaltechnischen Untersuchung auf deren Echtheit unterzogen. Das Untersuchungsergebnis wurde dem BF schriftlich zur Kenntnis gebracht und ihm wiederum Gelegenheit gegeben, dazu binnen einer Frist von 2 Wochen Stellung zu nehmen.

 

4. Mit Schriftsatz vom 10.06.2010 wurde seitens des ausgewiesenen Vertreters des BF die erteilte Vollmacht angezeigt, von diesem eine "Vorweg-Stellungnahme" abgegeben und der Antrag auf Akteneinsicht gestellt, welche ihm via Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg gewährt worden war (nach der Aktenlage jedenfalls zwischen 08.07. und 13.07.2010). Mit Schriftsatz vom 20.07.2010 erstattete der Vertreter des BF eine ergänzende Stellungnahme.

 

5. Das Bundesasylamt hat den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 08.10.2010, Zl. 10 00.465-BAI, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF abgewiesen (Spruchteil I); gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchteil II); sowie den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran ausgewiesen.

 

6. Gegen diesen Bescheid hat der BF durch seinen ausgewiesenen Vertreter rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht und fehlerhafte Beweiswürdigung sowie verfahrensrechtliche Mängel behauptet.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Beweis wurde erhoben durch:

 

Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie in den beim Asylgerichtshof aufliegenden Vorakt, GZ E2 313.489-1/2008.

 

2. Festgestellter Sachverhalt:

 

2.1. Der BF reiste erstmals am 30.11.2006 illegal in das Bundesgebiet von Österreich ein und stellte an diesem Tag den ersten Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesasylamt entschied aufgrund dieses (ersten) Antrages mit abweisendem Bescheid vom 02.07.2007 und erkannte dem BF weder den Status eines Asylberechtigten noch den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu. Mit gleichem Bescheid wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran ausgewiesen.

 

2.2. Gegen diesen Bescheid wurde Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat eingebracht. In diesem Berufungsverfahren wurde der BF schriftlich ersucht, Bescheinigungsmittel, Dokumente und Gegenstände (wie z.B. Identitätsdokumente, Ausweise, Urkunden, Berechtigungen, Ladungen, usw.) vorzulegen. Darauf antwortete der BF schriftlich in Farsi. Aus der Übersetzung ergibt sich, dass er alle seine persönlichen Ausweise einem Parteifreund namens XXXX (?) gegeben habe, da der BF beabsichtigte, illegal aus dem Iran auszureisen und dabei nicht erkannt werden wollte. Seit er sich in Österreich aufhalte, habe er noch keinen Kontakt zu diesem Parteifreund herstellen können, weshalb es ihm auch nicht möglich sei, die angeforderten Dokumente vorzulegen (siehe dazu UBAS-Akt 342.489-1/4-XVIII/58/07, OZ 4).

 

2.3. Am 18.03.2008 wurde der BF bei der Polizeiinspektion XXXX wegen des Verdachtes der Begehung eines Diebstahles einvernommen. Dabei gab er bekannt, dass die von ihm bis dahin verwendete Identität nicht richtig sei und er den nunmehr angegebenen Namen führe. Zum Beweis legte er einen iranischen Militärausweis vor. Außerdem kündigte er an, dass er in seine Heimat zurückkehren wolle.

 

2.4. Am 12.11.2008 (eingelangt beim Asylgerichtshof am 20.11.2008) gab der BF eine Rückkehrerklärung ab (siehe dazu Vorakt beim Asylgerichtshof E2 313.489-1, OZ 13) und mit Ausreisebestätigung von IOM vom 11.12.2008 wurde bestätigt, dass der BF am 04.12.2008 unter Gewährung von Rückkehrhilfe aus dem Bundesgebiet ausgereist ist (Vorakt bei Asylgerichtshof, OZ 15). Folglich wurde das erste Asylverfahren gemäß § 25 AsylG 2005 für gegenstandslos erklärt. Es erfolgte keine inhaltliche Entscheidung des Asylgerichtshofes.

 

2.5. Am 17.01.2010 erschien der BF bei der Polizeiinspektion Salzburg Hauptbahnhof und stellte dort neuerlich einen (den verfahrensgegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz. Als Grund für die Antragstellung machte er geltend, er sei im November 2008 freiwillig per Direktflug von Wien-Schwechat nach Teheran in den Iran zurückgekehrt. Bei der Ankunft am Flughafen sei er festgenommen und befragt worden. Anschließend sei er über ein Jahr in Haft gewesen und man habe ihm vorgeworfen, das Land illegal verlassen und die nationale Sicherheit gefährdet zu haben. Durch Hinterlegung einer Kaution habe er die Gewährung eines Hafturlaubes von 15 Tagen erreicht. Er habe sich allerdings nach Ablauf dieser Frist nicht mehr im Gefängnis gemeldet, sondern sich bei Freunden versteckt und 2 Monate lang seine Ausreise organisiert. Am 03.01.2010 sei er gemeinsam mit seinem Schlepper in einem Reisebus nach Istanbul gefahren, wo er sich ein Woche aufgehalten hätte. Danach sei er im Laderaum eines LKW versteckt bis nach Österreich gelangt. Über die Reiseroute Türkei - Österreich könne er nichts angeben, da er nichts gesehen hätte.

 

Früher habe er Flugblätter gegen das (iranische) Regime verteilt.

 

3. Rechtlich ist auszuführen:

 

3.1. Gemäß § 23 Absatz 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idF BGBL. I Nr. 147/2008, sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Im vorliegenden Fall ist das Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100 in geltender Fassung anzuwenden.

 

3.2. Gemäß § 18 AsylG 2005 haben die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm stellt eine Konkretisierung der aus § 37 AVG i.V.m. § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung einer Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, dar.

 

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen. Den Parteien ist das Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme in förmlicher Weise zur Kenntnis zu bringen und ausdrücklich unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zu geben, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen (VwGH 05.09.1995, Zl. 95/08/0002). Gegenstand des Parteiengehörs sind sämtliche Ergebnisse der Beweisaufnahme. Auch soweit die Behörde bestimmte Tatsachen als offenkundig behandelt, ist dies der Partei bekannt zu geben (VwGH 17.10.1995, Zl. 94/08/0269). Gemäß der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.02.2003, Zl. 2000/18/0040) ist die Verletzung des Parteiengehörs zwar saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung dagegen Stellung zu nehmen - Voraussetzung einer solchen Sanierung ist aber, dass in der erstinstanzlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten der Asylgerichtshof das Parteiengehör einräumen müsste (VwGH 25.03.2004, Zl. 2003/07/0062).

 

3.3. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde (kraft oben zitierter Bestimmung auch der Asylgerichtshof, es bestehen diesbezüglich keine materiellrechtlichen Sondernormen), so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß Absatz 3 dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnissen vom 21. November 2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten Erkenntnis insbesondere ausgeführt:

 

"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen."

 

In Erkenntnis vom 17.10.2006 (Zl 2005/20/0459) hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Abs 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

 

3.4. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Im vorliegenden Fall ist dies in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:

 

Der BF hat bei der asylbehördlichen Anhörung am 08.04.2010 eine umfangreiche und detaillierte Schilderung seiner familiären Umstände und Lebensumstände vor seiner ersten Ausreise aus dem Iran und des Geschehens nach seiner Rückkehr dorthin abgegeben. Zum Beweis der Richtigkeit seiner Identität hat der BF einen iranischen Personalausweis, einen iranischen Militärausweis und eine Ladung (Verwarnung) der Sicherheitskräfte in K. A. zum dortigen Revolutionsgericht vorgelegt. Das Bundesasylamt ließ diese Dokumente auf ihre Echtheit überprüfen, wobei sich die letztgenannte Ladung laut dem Untersuchungsbericht der Kriminalpolizeilichen Untersuchungsstelle beim Landeskriminalamt XXXX (KPU) als Totalfälschung erwiesen habe. Dies wurde dem BF und dessen ausgewiesenem Vertreter zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen. In schriftlichen Stellungnahmen - sowohl des Vertreters als auch des BF - wurde das Untersuchungsergebnis der KPU XXXX bestritten. Daraufhin traf das Bundesasylamt die Entscheidung und wies den Antrag auf internationalen Schutz ab, erkannte weder den Status des Asylberechtigten noch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und wies den BF aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran aus. Das Bundesasylamt begründete die Entscheidung ausschließlich damit, dass der BF unglaubwürdig wäre, da er schon in seinem ersten Asylverfahren unwahre Angaben gemacht und nun eine gefälschte Ladung zum Revolutionsgericht vorgelegt habe - ohne aber auf das Vorbringen des BF an sich einzugehen. Insofern erweist sich das Ermittlungsverfahren jedoch als mangelhaft, da das Bundesasylamt nicht in Erwägung gezogen hat, dass das erste Asylverfahren als gegenstandlos abgelegt wurde, was nicht mit der Rechtskraft einer asylbehördlichen Entscheidung gleichzusetzen ist, zumal sich das Asylverfahren im Stande der Beschwerde befand und eine abschließende, der Rechtskraft fähige, inhaltliche Überprüfung des Begehrens gar nicht stattgefunden hat. Die Ablegung des Antrags als gegenstandslos stellt keine materielle Entscheidung dar, die in der Asylsache Bindungswirkung entfalten könnte. Da sie diesbezüglich auch nicht zu einer "entschiedenen Sache" ("res iudicata") führt, steht sie einer materiellen Asylentscheidung nicht entgegen (vergl. dazu Putzer/Rohrböck, Leitfaden Asylrecht 2007 [Rz 397] und 686 BlgNR 20. GP, 28 zu § 31 Abs. 3 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003). Das bedeutet für den gegenständlichen Fall, das Bundesasylamt hätte sich somit in der Begründung auch mit dem ursprünglichen Vorbringen des BF in seinem ersten Asylverfahren in einer nachvollziehbaren Weise auseinandersetzen müssen, zumal der BF ausdrücklich erklärte, dass die seinerzeit vorgebrachten Gründe aufrechterhalten werden und ausschlaggebend für die weitere Vorgangsweise gegen ihn gewesen seien. Der Beschwerde kommt somit schon insofern Berechtigung zu. Die bloße Feststellung, dass schon das seinerzeitige Vorbringen nicht glaubwürdig war, ist in diesem Fall nicht ausreichend.

 

Berechtigung kommt der Beschwerde aber auch dahingehend zu, als sie aufzeigt, dass das Bundesasylamt ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt hat - dies zwar nicht aus den in der Beschwerde angeführten Gründen, jedoch insofern, als das BF unterlassen hat, die Umstände der freiwilligen Ausreise zu erheben. Der BF ist immerhin mit Rückkehrhilfe ausgereist und es wurden keinerlei Fragen dahingehend gestellt, auf welche Weise Rückkehrhilfe geleistet wurde, ob diese eine Kontaktaufnahme und/oder Absprache durch IOM mit iranischen Institutionen, Behörden etc. im Falle der Ankunft im Heimatstaat bzw. die Zeit danach zum Inhalt hatte und ob der BF finanzielle Mittel für die Rückreise erhalten hat - und wenn ja, wofür er diese verwendet hat. Jedenfalls könnten sich daraus zusätzlich Aufschlüsse über die Glaubhaftigkeit des neuerlichen Vorbringens ergeben. Es erhebt sich auch die Frage, ob der BF nach Inanspruchnahme der Rückkehrhilfe überhaupt in den Iran oder möglicherweise sogar in einen anderen Staat ausgereist ist. Das Bundesasylamt darf sich nicht mit der Würdigung des ihr bereits vorliegenden Beweisergebnisses begnügen, wenn weitere Beweisergebnisse zur Erhellung des Sachverhaltes erwartet werden können. Der Asylgerichtshof verkennt nicht, das die Vorlage einer gefälschten Ladung gegen die Glaubwürdigkeit des Antragstellers spricht. Die Schlussfolgerung, dass das gesamte Vorbringen nicht glaubhaft sei, jedoch aus einem einzigen Umstand zu ziehen, der für die Unglaubwürdigkeit des Antragstellers spricht (wie bereit oben ausgeführt, ist der bloße Verweis auf das Ergebnis des nicht mit Rechtskraftwirkung erledigten Vor-Verfahrens ohne nähere Prüfung unzulässig) - auch wenn dies nachvollziehbar dargelegt sein mag - entspricht nicht der bei der Erhebung des Sachverhaltes und der Beweiswürdigung gebotenen Sorgfalt und dem Erfordernis der Abwägung sämtlicher, für und gegen das Vorbringen sprechenden Umstände. Somit erweist sich im gegenständlichen Fall die Ermittlung des Sachverhaltes als ergänzungsbedürftig und die Beweiswürdigung als fehlerhaft.

 

5. Wie oben dargestellt, kann es nicht Sache der Beschwerdeinstanz sein, die im gegenständlichen Fall dazu erforderlichen - jedoch im Verfahren vor dem Bundesasylamt wesentlich mangelhaft gebliebenen - Ermittlungen nachzuholen, um dadurch erst zu den erforderlichen Entscheidungsgrundlagen zu gelangen und würde es darüber hinaus, sofern der Asylgerichtshof diese Vorgangsweise wählen würde, (mindestens) einer mündlichen Verhandlung nur zur Erörterung der Ermittlungsergebnisse bedürfen. Dem Bundesasylamt obliegt es letztlich in einem neuerlich zu erlassenden Bescheid auch, auf die jüngste Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (vergl. U 1863/09-12 vom 20.09.2010 mit Verweis auf EGMR, Fall R. C. v. Sweden vom 09.03.2010, Appl. 41.827/07) zur Rückverbringung von iranischen Staatangehörigen in ihr Heimatland Bedacht zu nehmen

 

Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall das dem Asylgerichtshof gem. § 66 Abs. 2 und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Beschwerdeführers gegen eine Kassation des Bescheides des Bundesasylamtes sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

 

6. Die Rechtssache war daher spruchgemäß an das Bundesasylamt zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das Bundesasylamt wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten Mängel zu verbessern haben.

Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Urkundenfälschung
Zuletzt aktualisiert am
10.06.2011
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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