TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/27 98/21/0427

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Veröffentlicht am 27.02.2001
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
MRK Art3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/21/0428

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerden des AO in G, geboren am 25. Mai 1970, vertreten durch Dr. Mario Sollhart, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark je vom 17. September 1998, Zl. FR 541/1998, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes und Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 10. November 1997 in einem Lkw versteckt nach Österreich ein und stellte am 11. November 1997 einen Asylantrag. Bei seiner Vernehmung vor dem Bundesasylamt gab er zu den Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an: Er sei Mitglied der "DPN" und der Organisation "Modakeke Development Association" gewesen und es sei zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen den Einwohnern von "IFE" und den Einwohnern von "Modakeke" gekommen, weil der örtliche Regierungssitz von IFE nach Modakeke und wieder nach "IFE" verlegt worden sei. Es seien Häuser zerstört und viele Personen getötet worden. Daraufhin seien Militärangehörige gekommen und hätten viele Personen, so auch den Beschwerdeführer, verhaftet. Nach zehn Tagen Haft sei er entlassen worden und habe am 15. Oktober 1997 über Rundfunk erfahren, dass alle Personen, welche aus der Haft entlassen worden seien, vor Gericht gestellt werden sollten. Über Vorhalt, dass diese Vorgangsweise nicht glaubwürdig sei, gab er an, die staatlichen Organe hätten nachträglich erfahren, dass die Auseinandersetzung kein geringes Ausmaß gehabt habe. Aus diesem Grund sollte er vor Gericht gestellt werden. Über Frage, wann er wieder hätte verhaftet werden sollen: Am 15. Oktober 1997; dies sei über Rundfunk bekannt gegeben worden. Über Vorhalt, dass dies unglaubwürdig sei: Einige Angehörige der Organisation wären in der Regierung tätig gewesen und hätten die geplante Verhaftung dem "König meines Ortes" mitgeteilt. Über Vorhalt, dass die Bekanntgabe dann nicht über Rundfunk erfolgt wäre: Es sei mitgeteilt worden, dass die erwähnte Angelegenheit an das Tribunal weiter geleitet werde. Ausweise habe er nicht bei sich.

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 11. Dezember 1997 wurde sein Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 3 des Asylgesetzes 1991 abgewiesen.

Am 5. März 1998 wurde er von der Bundespolizeidirektion Graz vernommen und stellte dort einen Antrag gemäß § 75 Fremdengesetz 1997. Zur Begründung gab er wieder die Kämpfe zwischen den Stämmen der Modakeke und der IFE sowie seine Festnahme am 28. September 1997 an.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem sein Feststellungsantrag abgewiesen worden war, führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, einem Bericht des U.S. Department of State vom 30. Jänner 1997 und Berichten des UNHCR seien die tatsächlichen Verhältnisse in Nigeria leicht zu entnehmen. Demzufolge hätte sich seit der Machtübernahme von General Sani Abacha im November 1993 die Menschenrechtssituation drastisch verschlechtert. Wegen der schon erwähnten Auseinandersetzung sei er am 28. September 1997 verhaftet worden und habe nach seiner Entlassung über Rundfunk erfahren, dass alle Personen, die aus der Haft entlassen worden seien, vor ein Tribunal gestellt würden. Der Machthaber und der die Macht ausübende Clan seien Moslems und unterdrückten die im Land etablierten Naturreligionen, aber auch die christliche Religion; der Beschwerdeführer sei Angehöriger der römisch-katholischen Konfession.

In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotsbescheid führte der Beschwerdeführer zu seinen persönlichen Verhältnissen aus, er beziehe ein monatliches Taschengeld und sei im Rahmen der Caritas wohnversorgt.

Mit Bescheiden jeweils vom 17. September 1998 erließ die belangte Behörde im Instanzenzug gegen den Beschwerdeführer gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und 2 und Abs. 2 Z. 7 sowie den §§ 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot und stellte gemäß § 75 Abs. 1 FrG fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer in Nigeria gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Den Aufenthaltsverbotsbescheid begründete sie im Wesentlichen wie folgt: Mit seinem Berufungsvorbringen sei es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, den von ihm initiativ zu erbringenden Nachweis für den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt zu führen, weil damit nur der derzeitige tatsächliche Zustand beschrieben werde und eine nicht bloß vorübergehende Sicherung auch des künftigen Unterhalts nicht abgeleitet werden könne. Zudem habe sich der Beschwerdeführer den Zugang zum Bundesgebiet widerrechtlich durch illegale Einreise erzwungen und halte sich trotz negativen Abschlusses des Asylverfahrens nach wie vor im Bundesgebiet auf. Da der Beschwerdeführer ledig sei, im Bundesgebiet keine familiären Bindungen habe und keinem Beruf nachgehe, würde sich eine Prüfung im Sinn des § 37 FrG erübrigen; selbst unter der Annahme eines relevanten Eingriffs in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers könne es keinem Zweifel unterliegen, dass die Maßnahme zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit dringend geboten und zulässig sei. Die belangte Behörde könne nicht im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens vom Aufenthaltsverbot absehen.

In der Begründung des Bescheides nach § 75 Abs. 1 FrG verwies die belangte Behörde auf die Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren und wertete diese Angaben als unglaubwürdig. Es sei logisch nicht nachvollziehbar, dass über Rundfunk bekannt gegeben worden wäre, dass die entlassenen Häftlinge wieder verhaftet werden sollten. Da die staatlichen Organe in die tätliche Auseinandersetzung eingegriffen hätten, sei es nicht nachvollziehbar, dass nach Behauptung des Beschwerdeführers erst später das Ausmaß des Schadens festgestellt worden wäre. Mit seiner weiteren Angabe, über Rundfunk sei mitgeteilt worden, dass die Angelegenheit einem Tribunal weitergeleitet worden sei, habe der Beschwerdeführer seine widersprüchlichen Angaben nicht entkräften können. Überdies seien seine Angaben hinsichtlich seiner Herkunft und Identität durch keinerlei Dokumente belegt. Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer problemlos aus der Haft entlassen worden sei und unbehelligt mit einem Schiff habe ausreisen können, sei zu schließen, dass ihm keine aktuelle Verfolgung drohe. Der Hinweis auf Berichte des U.S. Department of State reiche nicht aus, um damit das Bestehen einer aktuellen, individuell gegen seine Person gerichteten, von staatlichen Stellen zumindest gebilligten Bedrohung glaubhaft zu machen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide gerichteten und wegen des persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden nach

Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

I. Zum Aufenthaltsverbot:

Das Beschwerdevorbringen, dem Beschwerdeführer sei es gelungen, eine Arbeit als Prospektverteiler zu erhalten und er verdiene S 2.000,-- bis S 2.500,-- im Monat, stellt eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG). Ausgehend vom Vorbringen im Verwaltungsverfahren, er beziehe Taschengeld und sei von der Caritas wohnversorgt, kann die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Gemäß § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG hat als bestimme Tatsache im Sinn des Abs. 1 (des § 36 leg. cit.) insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass er nicht nur über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern auch entsprechend zu belegen, dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint. Die Unterstützung durch die Caritas reicht in Ermangelung eines Rechtsanspruchs auf diese Unterstützungsleistungen zum genannten Nachweis nicht aus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. März 2000, Zl. 99/18/0426). Im Hinblick auf die aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultierende Gefahr strafbarer Handlungen und einer finanziellen Belastung der Republik Österreich (vgl. auch dazu das Erkenntnis Zl. 99/18/0426) ist es nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme für gerechtfertigt erachtet hat, zumal sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich aufhält.

Wegen der Kürze des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide von weniger als einem Jahr und des Fehlens familiärer Beziehungen im Inland ist ein im Sinn des § 37 FrG relevanter Eingriff in sein Privat- oder Familienleben nicht zu erkennen, weshalb sich eine Beurteilung, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei, ebenso erübrigt wie eine Abwägung der persönlichen mit den öffentlichen Interessen.

Weiters ist entgegen dem Beschwerdevorbringen kein Umstand ersichtlich, der dafür spräche, dass die belangte Behörde in Anwendung des ihr eingeräumten Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes hätte absehen müssen.

II. Zur Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 FrG:

Im Verfahren gemäß § 75 Abs. 1 FrG ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Antragsteller mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den im Antrag genannten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 und 2 FrG im Verfahren gemäß § 75 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 7. April 2000, Zl. 99/21/0001.)

Die belangte Behörde versagte - wie dargelegt - dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit. Der Gerichtshof vermag im Rahmen der ihm zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) diese Beweiswürdigung nicht als unschlüssig zu erkennen. Wenn auch - wie die Beschwerde vorbringt - vom Beschwerdeführer kein Dokument im Sinn einer polizeilichen Verfolgungsbestätigung verlangt werden kann, obliegt es einem Fremden doch, eine behauptete Verfolgung glaubwürdig und in sich stimmig zu schildern. Die Beschwerde wendet sich lediglich mit allgemeinen Argumenten gegen diese Beweiswürdigung, enthält jedoch keine fallbezogenen konkreten Ausführungen.

Der Hinweis auf eine drastische Verschlechterung der Menschenrechtssituation in Nigeria und auf eine Unterdrückung der christlichen Religion reicht nicht aus, um eine relevante Gefährdung oder Bedrohung darzutun. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nämlich nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete (stichhaltige) Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt wäre (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 99/21/0001).

Letztlich wirft die Beschwerde der belangten Behörde zu Unrecht Begründungsmängel vor; dem - wenn auch nicht sehr übersichtlich aufgebauten - angefochtenen Bescheid können die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen und ihre rechtlichen Erwägungen nachvollziehbar entnommen werden.

Zusammenfassend kann somit die Ansicht der belangten Behörde, es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft zu machen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Nigeria im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG gefährdet oder bedroht sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden. III. Beide Beschwerden waren demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Februar 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998210427.X00

Im RIS seit

27.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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