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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlassfallSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.620,-
bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren
1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wurde der Berufung des nunmehrigen Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. Februar 2010, mit welchem über den Beschwerdeführer gemäß §31 Abs1 Z1, 2, 3 und 4 iVm §120 Abs1 Z2 FPG eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000,- (bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen) verhängt sowie der Ersatz der Kosten des Strafverfahrens und des Strafvollzuges vorgeschrieben wurde, weil er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, keine Folge gegeben und dem Beschwerdeführer gemäß §64 Abs1 und 2 VStG der Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von € 200,- vorgeschrieben.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der u.a. die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich §120 Abs1 Fremdenpolizeigesetz 2005, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.
II. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 9. März 2011, G53/10 ua., ausgesprochen, dass die Wortfolge "von 1 000 Euro" in Abs1 und die Wendung "1," in Abs4 des §120 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, als verfassungswidrig aufgehoben werden.
2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).
3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am 24. Februar 2011. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 10. Dezember 2010 eingelangt, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Wortfolge der Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
III. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen
1. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 220,-
enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlassfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2011:B1694.2010Zuletzt aktualisiert am
21.05.2012