TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/27 96/13/0100

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Veröffentlicht am 27.02.2001
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

ABGB §1007;
BAO §81 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 28. Mai 1996, Zl. 16-96/3025/02, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer und der Immobilienverwalter T. in Wien bildeten gemeinsam eine "Mietergemeinschaft" betreffend ein Objekt in Wien.

Am 12. Jänner 1989 erteilte der Beschwerdeführer dem einen der beiden Gesellschafter, dem Immobilienverwalter T., eine Vollmacht,

"mit welcher ich (wir) dem Immobilienverwalter, Herrn T., Wien, die Verwaltung der mir (uns) gehörigen Liegenschaft oder Miteigentumsanteile der Liegenschaft EZ X mit dem Haus in 1030 Wien, Y-Gasse, übertrage(n) und denselben bevollmächtige(n), mich (uns) in allen auf die Verwaltung dieser Liegenschaft bezüglichen Geschäften und Rechtshandlungen auch vor Gerichten und Behörden zu vertreten, insbesondere Wohn- und Geschäftsräume usw. unter Festsetzung des Mietzinses samt Nebengebühren zu vermieten und für die notwendigen Reparaturen Aufträge zu erteilen; Zahlungen zu leisten, Geld oder Geldeswert, Mietzinse samt Nebengebühren sowie mit der verwalteten Liegenschaft in Zusammenhang stehende Steuerguthaben jedweder Art in Empfang zu nehmen und darüber rechtswirksam zu quittieren; gerichtliche Schriftstücke, Baubescheide und andere Zustellungen zu übernehmen und deren Empfang rechtswirksam zu bestätigen; Kündigungen des Hausbesorgers sowie Aufkündigungen von Mietern auszusprechen, entgegenzunehmen und zurückzuziehen sowie Delogierungen und grundbücherliche Eintragungen zu erwirken; alle Maßnahmen zur behördlichen Festsetzung von Nutz- und Mietwerten, zur gerichtlichen Eintreibung von Mietzinsen samt Nebengebühren, zur Erhöhung der Hauptmietzinse, zu Räumungen, zu gerichtlichen Aufkündigungen sowie zur Vertretung in allen jenen Fällen, in welchen ich (wir) Antragsgegner bin (sind), durchzuführen und Vergleiche darüber zu schließen; alle Vertragsverhandlungen zur Wahrung der Interessen von Steuerbehörden zu unternehmen; mich (uns) in sämtlichen baubehördlichen Verfahren zu vertreten, insbesondere in meiner (unserer) Eigenschaft als Anrainer im Bewilligungsverfahren, Instandsetzungsverfahren und im Verfahren betreffend Konsenswidrigkeiten; schließlich alle sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, die zu einer ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft notwendig und zweckmäßig sind. Ich (Wir) räume(n) dem Vollmachtsträger das Recht ein, im Rahmen seines Vollmachtsverhältnisses einen Stellvertreter zu bestellen. Im baubehördlichen Verfahren gilt diese Vollmacht, sofern der bevollmächtigte Verwalter keine physische Person ist, für denjenigen, der zur Vertretung der Verwaltungsgesellschaft nach außen gesetzlich befugt ist."

Der Immobilienverwalter T. reichte die Erklärungen der Einkünfte dieser Personengemeinschaft für 1988 ein, worauf das Finanzamt die von der Personengemeinschaft erzielten Einkünfte gemäß § 188 BAO feststellte und diesen Feststellungsbescheid dem Immobilienverwalter T. zustellte. Auf Grund der Einreichung der Erklärung über die Einkünfte der Personengemeinschaft für 1989 wurde der Immobilienverwalter T. vom Finanzamt mit Schreiben vom 29. Oktober 1990 unter anderem aufgefordert, eine Zustellvollmacht nachzureichen. Mit Schreiben vom 29. November 1990 übermittelte der Immobilienverwalter T. die eingangs beschriebene Vollmacht.

In weiterer Folge wurden vom Immobilienverwalter T. die Erklärung der Einkünfte der Personengemeinschaft für 1990 eingereicht und vom Finanzamt die Einkünfte festgestellt. Für die Jahre 1991 und 1992 wurden keine Erklärungen der Einkünfte abgegeben; das Finanzamt setzte die Einkünfte im Schätzungswege fest, für das Jahr 1992 mit Bescheid vom 14. Dezember 1993. Dieser Bescheid wurde dem Immobilienverwalter T. am 17. Dezember 1993 zugestellt.

Ein Wiederaufnahmeantrag des Immobilienverwalters T. vom 27. September 1994 betreffend diesen Bescheid wurde vom Finanzamt abgewiesen.

Mit Schreiben vom 24. Juli 1995 erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes vom 14. Dezember 1993. Das Finanzamt wies die Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 3. September 1995 als verspätet zurück.

Gegen diese Zurückweisung erhob der Beschwerdeführer Berufung, welche er damit begründete, dass nicht der Immobilienverwalter T., sondern der Steuerberater Dr. S. als steuerlicher Vertreter der Personengemeinschaft im Steuerakt ausgewiesen wäre. Deshalb hätte die Zustellung des Bescheides vom 14. Dezember 1993 an Dr. S. erfolgen müssen und wäre seine (des Beschwerdeführers) Berufung vom 24. Juli 1995 rechtzeitig gewesen.

Das Finanzamt wies die Berufung des Beschwerdeführers mit Berufungsvorentscheidung vom 30. Oktober 1995 ab; darauf brachte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ein. Der Beschwerdeführer begründete den Antrag damit, dass der Immobilienverwalter T. keine Vollmacht erhalten hätte.

Im weiteren Verwaltungsverfahren gab der Beschwerdeführer der belangten Behörde gegenüber die Stellungnahme ab, dass in der ihm auf Grund seines Vorlageantrages zur Kenntnis gebrachten Vollmacht vom 12. Jänner 1989 hinsichtlich der Vertretung vor Steuerbehörden der Vollmachtstext laute: "alle Vertragsverhandlungen zur Wahrung der Interessen vor Steuerbehörden zu unternehmen", womit die Vollmacht auf Vertragsverhandlungen eingeschränkt wäre. Da eine Bescheidzustellung keine Vertragsverhandlung darstelle, hätte der Bescheid direkt an den Einschreiter (nunmehr Beschwerdeführer) zugestellt werden müssen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes ab. Die belangte Behörde begründete dies damit, dass nach der vorliegenden Urkunde die Bevollmächtigung alle auf die Verwaltung der Liegenschaft bezüglichen Rechtshandlungen auch vor Behörden umfasse. Hiezu gehöre auch die Vertretung im Feststellungsverfahren (§ 188 BAO) einschließlich der diesbezüglichen Zustellungsbevollmächtigung. Die Bevollmächtigung, mit der verwalteten Liegenschaft in Zusammenhang stehende Steuerguthaben in Empfang zu nehmen, spreche im Übrigen auch dafür, dass die vorliegende Vollmacht sich auf Abgabenangelegenheiten beziehe. Weiters bevollmächtige die Urkunde auch dazu, "Zustellungen zu übernehmen". Sie umfasse daher nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut auch die Zustellvollmacht für Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO. Letztlich gehöre die Vertretung im Feststellungsverfahren einer Hausgemeinschaft auch zu jenen Maßnahmen, die zu einer ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft notwendig seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, welche im Wesentlichen vorbringt, dass der allgemeineren Norm, nämlich der Passage in der Vollmacht "gerichtliche Schriftstücke, Baubescheide und andere Zustellungen zu übernehmen" die ebenfalls in der Vollmacht enthaltene Passage "alle Vertragsverhandlungen zur Wahrung der Interessen vor Steuerbehörden zu unternehmen" als speziellere Norm vorginge. Damit wäre die Vollmacht des Immobilienverwalters T. auf Vertragsverhandlungen zur Wahrung der Interessen vor Steuerbehörden eingeschränkt, während er Bescheide von Steuerbehörden eben nicht rechtswirksam habe entgegennehmen können.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, worin sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 101 Abs. 3 BAO sind schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit oder an eine Personengemeinschaft gerichtet sind (§ 191 Abs. 1 lit. a und c), einer nach § 81 vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.

Gemäß § 81 Abs. 1 BAO sind abgabenrechtliche Pflichten einer Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit von den zur Führung der Geschäfte bestellten Personen und, wenn solche nicht vorhanden sind, von den Gesellschaftern (Mitgliedern) zu erfüllen. Kommen zur Erfüllung der umschriebenen Pflichten mehrere Personen in Betracht, so haben nach § 81 Abs. 2 BAO diese hiefür eine Person aus ihrer Mitte oder einen gemeinsamen Bevollmächtigten der Abgabenbehörde gegenüber als vertretungsbefugte Person namhaft zu machen; diese Person gilt solange als zur Empfangnahme von Schriftstücken der Abgabenbehörde ermächtigt, als nicht eine andere Person als Zustellungsbevollmächtigter namhaft gemacht wird.

Mit der in der dem Finanzamt vorgelegten Vollmacht enthaltenen Befugnis, der Immobilienverwalter T. könne den Beschwerdeführer "in allen auf die Verwaltung dieser Liegenschaft bezüglichen Geschäften und Rechtshandlungen auch vor Gerichten und Behörden vertreten, insbesondere ... mit der verwalteten Liegenschaft in Zusammenhang stehende Steuerguthaben jedweder Art in Empfang nehmen und darüber rechtswirksam quittieren; gerichtliche Schriftstücke, Baubescheide und andere Zustellungen übernehmen und deren Empfang rechtswirksam bestätigen" ist - da die Miteigentümergemeinschaft nur aus dem Beschwerdeführer und dem Immobilienverwalter T. bestanden hat - der Abgabenbehörde gegenüber jedenfalls eine vertretungsbefugte Person im Sinne des § 81 Abs. 2 BAO namhaft gemacht worden. Die in der erwähnten - überdies ausdrücklich auch zur Frage der Zustellbevollmächtigung vorgelegten - Vollmacht weiter unten aufscheinende Wendung "alle Vertragsverhandlungen zur Wahrung der Interessen von Steuerbehörden zu unternehmen" vermag daran nichts zu ändern.

Weder Vertragsverhandlungen zur Wahrung der Interessen von Steuerbehörden (wie es dem Wortlaut der Vollmacht entspräche) noch Vertragsverhandlungen zur Wahrung der Interessen (wessen Interessen?) vor Steuerbehörden, wie es der Beschwerdeführer offensichtlich im Auge hat, vermögen die abgabenrechtliche Vertretungsbefugnis im Sinn des § 81 Abs. 2 BAO einzuschränken. Vertragsverhandlungen als Tätigkeiten des Zivilrechts können nicht als speziellere "Norm" gegenüber einer abgabenrechtlichen Befugnis angesehen werden. Im Übrigen fehlt es der Aneinanderreihung der einzelnen Befugnisse in der Vollmacht an einem Kennzeichen, dass die Befugnis zu diesen Vertragsverhandlungen andere (allgemeine) Befugnisse einschränken würde, wie es etwa durch die Worte "vor Steuerbehörden jedoch nur Vertragsverhandlungen" veranschaulicht wäre. Schließlich gäbe eine solche Einschränkung deshalb keinen Sinn, weil die Befugnis, Steuerguthaben jedweder Art in Empfang zu nehmen und darüber rechtswirksam zu quittieren, sonst sinnentleert wäre.

Da der Beschwerdeführer sohin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen vermochte, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Februar 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1996130100.X00

Im RIS seit

12.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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