TE Vfgh Erkenntnis 2011/5/3 V120/10 ua

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Veröffentlicht am 03.05.2011
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Index

L3 Finanzrecht
L3730 Aufenthaltsabgabe, Nächtigungstaxe, Ortstaxe

Norm

B-VG Art18 Abs2
Krnt ZweitwohnsitzabgabeG §7 Abs2
ZweitwohnsitzabgabeV der Gemeinde Steindorf am Ossiacher See vom 31.01.06 §7 Abs2
ZweitwohnsitzabgabeV der Marktgemeinde Rennweg am Katschberg vom 31.03.06 §7 Abs2
ZweitwohnsitzabgabeV der Marktgemeinde Paternion vom 21.03.06 §7 Abs2
ZweitwohnsitzabgabeV der Gemeinde Gnesau vom 19.12.05 §7 Abs2
ZweitwohnsitzabgabeV der Stadtgemeinde Wolfsberg vom 18.05.06 §7 Abs2

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer weiteren Zweitwohnsitzabgabeverordnung inKärnten; Hinweis auf die Vorjudikatur

Spruch

I. §7 Abs2 der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wolfsberg vom 18. Mai 2006, Z920-09-4151/06, mit welcher eine Abgabe von Zweitwohnsitzen ausgeschrieben wird, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 30. Mai 2006 bis 13. Juni 2006, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2011 in Kraft.

III. Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss, Vorverfahren

1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu B1485/09 und B1490/09 Beschwerden anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Die Beschwerdeführer sind jeweils Eigentümer einer als Zweitwohnsitz genutzten Liegenschaft im Ortsgebiet der Stadtgemeinde Wolfsberg. Mit Bescheiden der Kärntner Landesregierung wurde jeweils die Vorstellung gegen einen Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Wolfsberg, mit dem den Beschwerdeführern eine Zweitwohnsitzabgabe in bestimmter Höhe vorgeschrieben worden war, als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Bescheide richten sich die auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden, die die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behaupten.

2. Bei der Behandlung dieser Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit des §7 Abs2 der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Wolfsberg vom 18. Mai 2006, Z920-09-4151/06, mit welcher eine Abgabe von Zweitwohnsitzen ausgeschrieben wird (in der Folge: ZweitwohnsitzabgabeV), entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher mit Beschluss vom 20. September 2010 ein Verordnungsprüfungsverfahren hinsichtlich der genannten Bestimmung eingeleitet.

3. Der Verfassungsgerichtshof ist im Prüfungsbeschluss (vorläufig) davon ausgegangen, dass die Kärntner Landesregierung bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Stadtgemeinde Wolfsberg angewendet hat, daher auch der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung bei der Behandlung der vorliegenden Beschwerden anzuwenden hätte und dass auch sonst alle Prozessvoraussetzungen vorliegen.

Die Erwägungen, die den Verfassungsgerichtshof zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens veranlasst hatten, legte er in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"3.1. §7 Abs2 K-ZWAG bestimmt, dass die Höhe der Zweitwohnsitzabgabe durch Verordnung des Gemeinderates festzulegen ist, und setzt in Abhängigkeit von der Nutzfläche der Wohnung Höchstbeträge fest, wobei bei der Festlegung der Höhe der Abgabe die Belastungen der Gemeinde durch Zweitwohnsitze und der Verkehrswert der Zweitwohnsitze als Maßstab heranzuziehen sind.

§7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Stadtgemeinde Wolfsberg übernimmt die in §7 Abs2 K-ZWAG (landes)gesetzlich festgelegten Höchstbeträge ohne weitere Differenzierungen.

3.2. Der Verfassungsgerichtshof leitet aus §7 Abs2 K-ZWAG - wie er in seinem Erkenntnis vom 20. Juni 2009, V11/09, dargelegt hat - ab, dass bei der Erlassung der auf Grundlage dieser Bestimmung ergehenden Gemeindeverordnungen einerseits die Belastungen der Gemeinde durch Zweitwohnsitze im Verhältnis zum Durchschnitt der Kärntner Gemeinden unter Bedachtnahme auf die von den Gemeinden jeweils erhobenen Benützungsgebühren und Fremdenverkehrsabgaben, insbesondere der pauschalierten Ferienwohnungsabgabe, und andererseits der Verkehrswert der Zweitwohnsitze im landesweiten Vergleich zu berücksichtigen sind.

3.3. Davon ausgehend besteht das Bedenken, dass die Stadtgemeinde Wolfsberg als Verordnungsgeber die Abgabenhöhe festgesetzt hat, ohne auf die landesgesetzlich vorgegebenen Kriterien der Steuersatzbestimmung Bedacht zu nehmen.

3.3.1. Im Zusammenhang mit den Aufwendungen der Gemeinde für Zweitwohnsitze verweist die Stadtgemeinde Wolfsberg auf Erhebungen, wonach sich die Belastungen der Gemeinde für Zweitwohnsitze - unter Zugrundelegung des Gesamtaufwandes für Blumenschmuck, Straßenbeleuchtung, Schneeräumung und Straßeninstandhaltung - auf € 55.239,-- beliefen. Sie weist zum Vergleich weiters darauf hin, dass im Jahr 2008 € 56.532,-- an Zweitwohnsitzabgabe vorgeschrieben wurden.

Abgesehen davon, dass aus dem Verordnungsakt nicht hervorgeht, dass die genannten Zahlen die Grundlage für die Wahl des höchsten Abgabensatzes dargestellt hätten, dürfte aus ihnen nicht abzuleiten sein, inwieweit in der Stadtgemeinde Wolfsberg - verglichen mit dem Durchschnitt der Kärntner Gemeinden - besondere Belastungen durch Zweitwohnsitze auftreten.

3.3.2. Dem Verfassungsgerichtshof liegt weiters kein Anhaltspunkt dafür vor, dass bei Verordnungserlassung der Umstand, ob und in welcher Höhe für die Zweitwohnsitze bereits eine Ferienwohnungsabgabe (pauschalierte Ortstaxe) erhoben wird, Berücksichtigung gefunden hätte. Er geht daher vorläufig davon aus, dass die Stadtgemeinde Wolfsberg als Verordnungsgeber bei Festsetzung der Höhe der Zweitwohnsitzabgabe nicht auf die Höhe dieser Abgabe Bedacht genommen hat (vgl. dazu erneut VfGH 20.6.2009, V11/09).

3.3.3. Zum Verkehrswert der Zweitwohnsitze führt die Stadtgemeinde Wolfsberg aus, dass sie die drittgrößte Gemeinde Kärntens, als Bezirkshauptstadt wirtschaftlicher und kultureller Mittelpunkt des Bezirkes Wolfsberg und eine Gemeinde mit steigender Bevölkerungszahl sei. Die Zweitwohnsitze befänden sich nahezu ausschließlich in sehr guter Wohnlage in den Randgebieten der Stadtgemeinde Wolfsberg (überwiegend in den Feriengebieten Koralm/Rieding und Saualm/Klippitztörl). Die Grundstückspreise im Gemeindegebiet seien 'im Vergleich zu den Nachbargemeinden generell höher'. Im Feriengebiet seien sie als überdurchschnittlich hoch anzusetzen. Die Stadtgemeinde Wolfsberg stellt in diesem Zusammenhang Vergleiche zwischen normaler, guter und sehr guter Wohnlage im Gemeindegebiet an.

Abgesehen davon, dass keine konkreten Belege vorgelegt werden, liegen aber auch darüber hinaus keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Verkehrswert der Zweitwohnsitze im (gesamten) Gemeindegebiet der Stadtgemeinde Wolfsberg nicht nur eine überdurchschnittliche Höhe, sondern - gemessen an den Verhältnissen in den Kärntner Tourismusgemeinden - Spitzenwerte erreicht. Wenn die Stadtgemeinde Wolfsberg auf die Immobilienpreisunterschiede innerhalb des Gemeindegebietes hinweist und davon ausgeht, dass sich die Zweitwohnsitze größtenteils in bester Wohnlage befinden, so kann daraus noch nicht abgeleitet werden, dass die Verkehrswerte im landesweiten Vergleich bei Verordnungserlassung in der Höhe des Abgabensatzes Berücksichtigung gefunden hätten.

Angesichts dessen geht der Verfassungsgerichtshof vorderhand davon aus, dass §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Stadtgemeinde Wolfsberg durch die Wahl des höchsten Steuersatzes (dies zudem ohne weitere Differenzierung) gegen §7 Abs2 K-ZWAG verstößt, der die Berücksichtung der Verkehrswerte der Zweitwohnsitze zwingend anordnet.

3.3.4. Aus all dem folgt, dass die Stadtgemeinde Wolfsberg als Verordnungsgeber anscheinend nicht auf die vom K-ZWAG in §7 Abs2 zwingend vorgegebenen Kriterien der Steuersatzbestimmung Bedacht genommen hat.

3.4. Damit steht §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Stadtgemeinde Wolfsberg nach der vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes im Widerspruch zu §7 Abs2 K-ZWAG."

4. Die Kärntner Landesregierung hat von der Erstattung einer Stellungnahme abgesehen. Die Stadtgemeinde Wolfsberg verweist in ihrer Äußerung lediglich auf ihre Stellungnahme zu den dem Verordnungsprüfungsverfahren zugrunde liegenden Beschwerden.

II. Rechtslage

1. Das Kärntner Zweitwohnsitzabgabegesetz (in der Folge: K-ZWAG), LGBl. 84/2005, bestimmt (auszugsweise) wie folgt:

"§1

Ermächtigung zur Ausschreibung der Abgaben

Die Gemeinden des Landes Kärnten werden ermächtigt, durch Verordnung des Gemeinderates eine Abgabe von Zweitwohnsitzen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes auszuschreiben.

...

§7

Bemessungsgrundlage und Höhe der Abgabe

(1) Die Abgabe ist nach der Nutzfläche der Wohnung zu bemessen. Als Nutzfläche gilt die gesamte Bodenfläche einer Wohnung gemäß §2 Z5 Kärntner Wohnbauförderungsgesetz 1997 - K-WBFG 1997, in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Die Höhe der Abgabe ist durch Verordnung des Gemeinderates festzulegen; dabei sind die Belastungen der Gemeinde durch Zweitwohnsitze und der Verkehrswert der Zweitwohnsitze als Maßstab heranzuziehen. Die Gemeinde darf die Höhe der Abgabe nach Gebietsteilen staffeln, wenn der Maßstab für die Höhe der Abgabe innerhalb des Gemeindegebietes erheblich differiert. Die Höhe der Abgabe darf pro Monat

a) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche bis 30 m²   10 Euro,

b) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche von mehr

   als 30 m² bis 60 m²                            20 Euro,

c) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche von mehr

   als 60 m² bis 90 m²                            35 Euro und

d) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche von mehr

   als 90 m²                                      55 Euro

nicht überschreiten.

..."

2. Der in Prüfung gezogene §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Stadtgemeinde Wolfsberg hat folgenden Wortlaut:

"Die Höhe der Abgabe beträgt pro Monat:

a) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche bis 30 m²   € 10,--,

b) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche von mehr

   als 30 m² bis 60 m²                            € 20,--,

c) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche von mehr

   als 60 m² bis 90 m²                            € 35,-- und

d) bei Wohnungen mit einer Nutzfläche von mehr

   als 90 m²                                      € 55,--."

III. Erwägungen

1. Das Verordnungsprüfungsverfahren hat nicht ergeben, dass die vorläufige Annahme des Verfassungsgerichtshofes, er habe die in Prüfung gezogene Bestimmung anzuwenden, unzutreffend wäre. Da auch sonst keine Zweifel am Vorliegen der Prozessvoraussetzungen entstanden sind, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes ob der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung konnten im Verordnungsprüfungsverfahren nicht entkräftet werden:

3. Weder die Stadtgemeinde Wolfsberg noch die Kärntner Landesregierung sind im Verordnungsprüfungsverfahren den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes entgegengetreten.

4. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner im Prüfungsbeschluss vertretenen Auffassung, dass §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV der Stadtgemeinde Wolfsberg die in §7 Abs2 K-ZWAG (landes)gesetzlich festgelegten Höchstbeträge übernommen hat, ohne auf die in dieser Bestimmung vorgesehenen Kriterien der Steuersatzbestimmung (einerseits die Belastungen der Gemeinde durch Zweitwohnsitze im Verhältnis zum Durchschnitt der Kärntner Gemeinden unter Bedachtnahme auf die von den Gemeinden jeweils erhobenen Benützungsgebühren und Fremdenverkehrsabgaben, insbesondere der pauschalierten Ferienwohnungsabgabe, und andererseits der Verkehrswert der Zweitwohnsitze im landesweiten Vergleich; vgl. dazu VfSlg. 18.792/2009) Bedacht genommen zu haben.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. §7 Abs2 ZweitwohnsitzabgabeV steht sohin im Widerspruch zu §7 Abs2 K-ZWAG und war folglich als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Bestimmung einer Frist für das Außer-Kraft-Treten der aufgehobenen Verordnungsstelle gründet sich auf Art139 Abs5 letzter Satz B-VG. Mit der Setzung der Frist soll vermieden werden, dass die Aufhebung der - monatsweise abgerechneten - Abgabe während eines laufenden Monats in Kraft tritt.

3. Die Verpflichtung der Kärntner Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und des damit in Zusammenhang stehenden Ausspruchs erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §60 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z6a K-KMG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Fremdenverkehr, Abgaben, Wohnsitz Zweit-

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2011:V120.2010

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2012
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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