Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Mai 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vetter als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann L***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Johann L***** und Peter P***** und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 13. Dezember 2010, GZ 13 Hv 48/10t-71, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Johann L***** und Peter P***** jeweils des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (I) sowie Johann L***** zudem des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach haben - soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant -
(I) Johann L***** und Peter P***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter in S***** vom 31. Mai 2008 bis 2. Dezember 2008 Güter in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert, die ihnen als Verantwortliche der H***** GmbH von Verantwortlichen der Ho***** GmbH zum Zweck der Lagerung und Weiterverarbeitung anvertraut worden waren, sich oder einem Dritten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem sie
1) 717 m3 Schnittholz im Wert von 116.148 Euro und
2) 514,69 m3 Schnittholz im Wert von 73.303,57 Euro,
ohne die Ho***** GmbH davon zu verständigen und die Waren zu bezahlen, vom Lagerbestand entnahmen und auf eigene Rechnung oder auf Rechnung der H***** GmbH verkauften.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen - von den Angeklagten gemeinsam ausgeführten - Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.
Soweit die ohne Einschränkung angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde auch den Johann L***** betreffenden Schuldspruchpunkt II umfasst, blieb sie mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen unausgeführt (§§ 285a Z 2, 285d Abs 1 StPO).
Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Abweisung des in der Hauptverhandlung am 10. Mai 2010 gestellten Antrags auf Beauftragung der Privatbeteiligten zur Vorlage „sämtlicher Soll-Inventurlisten seit Ende März 2007 bis zur Beendigung der Geschäftsbeziehung“ (ON 35 S 47 f) und des in der Hauptverhandlung am 16. Juni 2010 gestellten Antrags auf „Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Holzfache zum Beweis dafür, dass bei der Übertragung der händischen Aufzeichnungen laut Beilagen ./4 und ./5 mengenmäßige als auch rechnerische Übertragungsfehler vorhanden sind, … sowie zum Beweis dafür, dass die händischen Inventuren laut Beilagen ./4 und ./5 auch materiell teilweise nicht nachvollziehbar sind …“ (ON 42 S 15).
Wird eine Hauptverhandlung - wie hier am 23. August 2010 (ON 58 S 2) - gemäß § 276a zweiter Satz StPO wiederholt, so verlieren Anträge, die in der vorangegangenen gestellt wurden, ihre Gültigkeit. Als Hauptverhandlung gilt nämlich nur diejenige, die der Urteilsfällung unmittelbar vorangeht. Formale Voraussetzung zur Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO ist die Antragstellung in der wiederholten Hauptverhandlung (RIS-Justiz RS0099049), was fallaktuell unterblieb. An der demnach fehlenden Berechtigung der Verfahrensrüge ändert auch die Verlesung der Protokolle über die frühere Hauptverhandlung in der wiederholten nichts (ON 70 S 11; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 310, 313).
Der Mängelrüge zuwider haben die Tatrichter den Wert des veruntreuten Gutes festgestellt (Z 5, der Sache nach Z 10; vgl US 7 f) und diesen in Betreff der veruntreuten 514,69 m3 Schnittholz durch den Verweis auf das von ihnen als schlüssig beurteilte Gutachten des Sachverständigen Mag. G***** (US 9 und 12), der unter Berücksichtigung von Ankäufen der H***** GmbH bei der Ho***** GmbH einen Durchschnittswert von 142 Euro pro m3 angesetzt hat (ON 42 S 10 iVm ON 24 S 63, 133), entgegen dem weiteren Einwand (Z 5 vierter Fall) mängelfrei begründet (RIS-Justiz RS0119301 [T1 und T2]). Zufolge bereits damit erfolgter Überschreitung der Wertgrenze des § 133 Abs 2 zweiter Fall StGB kommt dem Wert der zusätzlich veruntreuten 717 m³ Schnittholz keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu (vgl im Übrigen zu den im Urteil durchschnittlich angesetzten 135 Euro zuzüglich 20 % USt pro m3 ON 24 S 221 und ON 35 S 44 iVm ON 20 S 29).
Den behaupteten Widerspruch (Z 5 dritter Fall) bringt die Rüge nicht zur Darstellung.
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung - wie sie die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt - abzielen, werden vom Obersten Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen beantwortet, um über den Umfang der Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Indem die Tatsachenrüge den Sinn des Begriffs „Manipulation“ „in der Holzbranche“ erläutert, zeigt sie solcherart sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die mängelfrei - auch unter Erörterung einer in der Rüge weiters relevierten Faxmitteilung vom 22. September 2010 (US 10) - begründete Feststellung, wonach den Angeklagten seit 3. September 2008 jegliche weitere Holzentnahmen ausdrücklich untersagt waren (US 7), nicht auf.
Das Vorbringen, wonach „zugunsten der Angeklagten weitere 310,317 m3 (gemeint: Schnittholz) noch entlastend zu berücksichtigen sind“, spricht - weil auch bejahendenfalls die Wertqualifikation des § 133 Abs 2 zweiter Satz StGB nicht in Frage steht - erneut keinen entscheidungsrelevanten Bereich an.
Da die Tatrichter „im Zweifel“ ohnedies die für die Angeklagten günstigste Variante (15 % Schwund/Ausschuss) annehmen (US 12), geht die diesbezügliche Kritik am Gutachten des Sachverständigen ebenso ins Leere wie jene zur „Richtigkeit“ der Ist-Inventur per 31. Mai 2008, die im Urteil ausführlich erörtert wurde (US 6 f und 9 f).
Soweit die Tatsachenrüge die Abweisung des Antrags auf „Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Holzfache“ zu den in der Erledigung zur Verfahrensrüge angeführten Beweisthemen kritisiert, macht sie nicht deutlich, wodurch die Angeklagten an der Ausübung ihres Rechts, die Beweisaufnahme in der wiederholten Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert waren (RIS-Justiz RS0115823, RS0114036).
Gegenstand einer Rechtsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechtes einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen mit dem festgestellten Sachverhalt (RIS-Justiz RS0099810). Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, wenn unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, aber indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (Z 9 lit a bis c) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580).
Diese Kriterien missachtet die Rechtsrüge (Z 9 lit a), die ohne Angabe von konkret in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen Feststellungen zu einer Bankgarantie, einem schriftlichen Lohnveredelungsvertrag und einer kompensablen Gegenforderung vermisst.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Schlagworte
StrafrechtTextnummer
E97446European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2011:0140OS00036.11T.0524.000Im RIS seit
10.06.2011Zuletzt aktualisiert am
10.06.2011