TE UVS Steiermark 2011/03/03 42.10-8/2010

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Veröffentlicht am 03.03.2011
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karin Clement über die Berufung des Herrn A L, geb. am, K, K-G, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom 20.08.2010, GZ: BHVO-11.1-404/2010, wie folgt entschieden:

 

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 35 Abs 1 Führerscheingesetz 1997 (im Folgenden FSG) wird der Berufung Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

Text

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Lenkberechtigung des Berufungswerbers der Klassen A, B, C, E und F mangels Verkehrszuverlässigkeit ab 30.04.2010 (Ende des vorangegangenen Entzuges) bis einschließlich 31.12.2011 gemäß § 24 Abs 1 Z 1 FSG i.V.m. § 7 Abs 2, § 25 Abs 1 und 3 sowie § 35 Abs 1 FSG entzogen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für diese Zeit keine neue Lenkberechtigung erteilt werden darf. Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung wurde ausgeschlossen und darauf hingewiesen, dass bei einem Entzug über 18 Monate die Lenkberechtigung erlischt.

 

Begründend führte die Erstbehörde aus, dass am 05.07.2009, 20.07.2009 und 21.07.2009 der Berufungswerber in einem durch Alkohol beeinflussten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt habe, obwohl die Lenkberechtigung entzogen gewesen wäre und am 19.07.2009 ebenfalls ein PKW gelenkt worden sei, obwohl die Lenkberechtigung entzogen gewesen war. Es sei daher nach wie vor mangelnde Verkehrszuverlässigkeit anzunehmen und eine Verlängerung der laufenden Entzugszeit bis 31.12.2011 im Sinne der öffentlichen Verkehrssicherheit und zum Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer auszusprechen.

 

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, mit welcher ausgeführt wird, dass dem Berufungswerber mit Bescheid vom 24.11.2008 von der belangten Behörde die Lenkberechtigung entzogen worden sei. Am 21.07.2009 sei er in Gaisfeld nach bezirksweiter Fahndung aufgehalten und alkoholisiert festgenommen worden. Er habe 1,13 mg/l Alkoholgehalt gehabt und wegen großer Gichtschmerzen auch starke Schmerztabletten und Psychopharmaka eingenommen. Laut mehreren Gutachten im zweiten Halbjahr 2009 sei er für den Zeitraum Jänner bis Juli 2009 gemäß § 11 StGB für unzurechnungsfähig erklärt worden. Am 19.02.2010 sei er wiederholt durch Univ. Prof. Dr. Manfred Walzl begutachtet worden und für zurechnungsfähig erklärt worden. Ein weiterer Gutachter Prof. Dr. Friedrich Rus bestätigte das Gutachten Prof. Walzl, was zur Enthaftung am 30.03.2010 aus dem LSF geführt habe. In weiterer Folge listet der Berufungswerber chronologisch die Kontakte mit der Erstbehörde auf und zieht daraus den Schluss, dass von zwei Gutachtern und auch von der Amtsärztin der belangten Behörde bestätigt sei, dass die Verkehrsunzuverlässigkeit nicht vorliege. Auch das Oberlandesgericht Graz habe aus den genannten Tatsachen den Berufungswerber freigesprochen. Er habe 4,5 Monate freiwillig im LSF einen Alkoholentzug gemacht und besuche weiterhin freiwillig die BAS Beratungsstelle Voitsberg, einen Antiagressionskurs beim Psychosozialen Zentrum, mache bei der Selbsthilfegruppe in Voitsberg mit und trinke seit 22.07.2009 keinen Alkohol mehr. Er bitte daher um positive Erledigung.

 

Nach Beischaffung des im Akt GZ: 10 Hv 112/09p-1 des Landesgerichts für Strafsachen Graz erstellten Gutachtens Univ. Prof. Dr. Manfred Walzl, Einholung eines ergänzenden Gutachtens desselben Sachverständigen für die Tatzeitpunkte 05.07., 19.07., 20.07. und 21.07.2009 und Vorlage der Verwaltungsstrafakten GZ: 15.1-9232/2009, 15.1-10756/2009, 15.1-10774/2009 und 15.1-10902/2009 kann gemäß § 67d Abs 1 AVG aufgrund der Aktenlage nachfolgender Sachverhalt festgestellt werden:

 

Mit Bescheid vom 24.11.2008, GZ: 11.1/334/2003 wurde dem Berufungswerber die Lenkberechtigung gemäß §§ 24 Abs 1 Z 1, 7 Abs 1 Z 1 und Abs 3 Z 1, 25 Abs 3 und 35 Abs 1 FSG auf die Dauer von 18 Monaten, gerechnet vom 31.10.2008 (= Tag der Abnahme des Führerscheins) bis einschließlich 30.04.2010 für die Klassen A, B, C, E und F entzogen und gleichzeitig ein Lenkverbot für Motorfahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invalidenkraftfahrzeuge gemäß §§ 32 Abs 1 Z 1, 7 Abs 1 und Abs 3 Z 1, 26 Abs 2 ausgesprochen, sowie die Anordnung der Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens und die Absolvierung eines Verhaltens- und Einstellungstrainings für alkoholauffällige Kraftfahrer angeordnet.

 

Am 05.07.2009, 19.07.2009, 20.07.2009 und 21.07.2009 wurde der Berufungswerber jeweils beim Lenken von Kraftfahrzeugen, obwohl die Lenkberechtigung entzogen war, von der Polizei betreten, wobei der Berufungswerber überdies am 20.07., 21.07. und 05.07.2009 alkoholisiert war. Die bezughabenden Verwaltungsstrafverfahren sind alle vier gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG unter Hinweis auf § 3 Abs 1 VStG eingestellt worden, da im Gerichtsverfahren des LG Graz, 10 Hv 112/09p-1 ein die Zurechnungsfähigkeit ausschließender Zustand beim Beschuldigten im Zeitraum Jänner bis Juli 2009 festgestellt worden sei. Der Berufungswerber war angeklagt, weil er im Zeitraum Jänner bis Juli 2009 wiederholt seine ehemalige Lebensgefährtin bedroht und am 07.07.2009 einem Gastwirt angekündigt hatte, er werde ihm die Augen ausstechen. Aus dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 11.12.2009 ergibt sich, dass der Berufungswerber gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden war. Der Berufung gegen dieses Urteil wurde vom Oberlandesgericht Graz zu 9 BS 171/10f Folge gegeben, da eine dauerhafte Alkoholabstinenz erreicht werden konnte und ein Rückfall nicht zu erwarten sei, somit die Gefährlichkeit, gegen die sich die Maßnahme richtete, nicht mehr weiter bestehe.

 

Um die Unzurechnungsfähigkeit des Beschuldigten für die verfahrensgegenständlichen Tattage zu konkretisieren wurde ein ergänzendes Gutachten im Verwaltungsstrafverfahren von Univ. Prof. Walzl eingeholt. Dieser führte in seinem Gutachten vom 07.01.2001 aus, dass sich eindeutig ergebe, dass beim Berufungswerber am 05.07., 19.07., 20.07. und 21.07.2009 eine anhaltende und klinischerseits gut dokumentierte paranoide Psychose, die sich unter chronischem Alkoholeinfluss verstärkt, vorgelegen hat. Es sei davon auszugehen, dass daher zu den genannten Zeitpunkten dieses Erkrankungsbild vorgelegen hat, da der Berufungswerber praktisch täglich betrunken gewesen sei. Es habe generell Zurechnungsunfähigkeit bestanden. Dies sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen.

 

Am 05., 19., 20. und 21.07.2009 war der Berufungswerber nicht zurechnungsfähig. Demgemäß wurden auch die Verwaltungsstrafverfahren wegen der an diesen Tagen begangenen Verwaltungsübertretungen gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

 

Das Gutachten wurde den Parteien zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit im Rahmen des Parteiengehörs zur Stellungnahme gegeben. Stellungnahmen langten bis dato nicht ein.

 

In rechtlicher Beurteilung dieses Sachverhaltes ergibt sich, dass gemäß § 3 Abs 1 FSG eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden darf, die verkehrszuverlässig sind (§ 7). Nach § 7 Abs 1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs 3) und ihre Wertung angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

 

1.

die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

2.

sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs 1 hat gemäß § 7 Abs 3 Z 1 zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen hat und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991 zu beurteilen ist. Gemäß § 83 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand eine Tat begeht, die ihm außer diesem Zustand als Verwaltungsübertretung zugerechnet würde. Gemäß § 3 Abs 1 VStG ist nicht strafbar, wer zur Zeit der Tat wegen Bewusstseinsstörung ... unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen, oder dieser Einsicht gemäß zu handeln. § 83 SPG begründet daher für diese Fälle einen besonderen Verwaltungsstraftatbestand bei dem dem Täter zur Last gelegt wird, sich schuldhaft in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt zu haben. Aus den beigezogenen und eingesehenen Sachverständigengutachten ergibt sich jedoch schlüssig und nachvollziehbar, dass der Berufungswerber von Jänner bis Juli 2009 für unzurechnungsfähig erklärt worden ist. Er war also bereits an den zitierten Tatzeitpunkten, als er begonnen hatte Alkohol zu konsumieren und in weiterer Folge ohne im Besitz einer Lenkberechtigung zu sein ein Fahrzeug zu lenken, unzurechnungsfähig.

 

Die Erstbehörde hat zwar bestimmte Tatsachen gemäß § 7 Abs 3 in ihrem Bescheid aufgezählt, jedoch nicht dargelegt, auf welche dieser Tatsachen sie ihren Bescheid stützt. Sie zählte dann weiters die Vorfälle im Juli 2009 auf, wobei diesbezüglich die Verfahren von ihr eingestellt worden sind. An diesen Tagen hatte der Berufungswerber trotz entzogener Lenkberechtigung ein Kraftfahrzeug gelenkt. Da sich jedoch herausgestellt hat, dass er zu jenen Zeitpunkten nicht zurechnungsfähig war, konnten ihm diese Tatvorwürfe nicht zur Last gelegt werden (vgl. VwGH 13.12.2005, 2005/11/0185). Auf diese Tatsachen kann sich daher die Wiederaufnahme des Führerscheinentzugsverfahrens nicht stützen, sodass ein weiterer Entzug über den mit Bescheid vom 24.11.2008 verhängten Entzug bis 30.04.2010 diesbezüglich nicht möglich ist und spruchgemäß zu entscheiden war.

 

-SW

Lenkberechtigung; Verkehrszuverlässigkeit; bestimmte 'Tatsache; Entziehung; Zurechnungsfähigkeit; Zeitpunkt; Psychose

Zuletzt aktualisiert am
10.06.2011
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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