E5 315.698-1/2008-18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Kloibmüller als Vorsitzende und den Richter Mag. HABERSACK als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. BINDER, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.10.2007, Zl. 05 16.197-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.11.2010 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 AsylG 1997 und § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I.1.Verfahrensgang:
I.1.1. Der Beschwerdeführer gab an, ein Staatsangehöriger der Türkei kurdischer Abstammung zu sein. Nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 30.09.2005 stellte der Beschwerdeführer am 03.10.2005 gegenständlichen Asylantrag. Hiezu wurde er am 21.10.2005, am 31.07.2007 sowie am 01.08.2007 und am 03.10.2007 niederschriftlich vor dem Bundesasylamt einvernommen.
Im Wesentlichen brachte der Beschwerdeführer vor, dass er Ende 2004 mit seinem Cousin in Belgien aufhältig gewesen sei und dort einen Asylantrag gestellt habe, der jedoch negativ entschieden worden sei. Während sein Cousin in die Türkei abgeschoben worden sei, sei der Beschwerdeführer über Holland und Italien nach Österreich gereist. Der abgeschobene Cousin würde sich im Übrigen in der Türkei im Gefängnis befinden.
Zu den Gründen seiner Ausreise führte der der Beschwerdeführer aus, dass er aufgrund der Teilnahme an den Newroz-Ferierlichkeiten, wegen seines Vaters, der sich der PKK angeschlossen habe, und des Fundes der DEHAP Mitgliedskarte, im Jahr 2004 drei Monate lang angehalten und geschlagen worden sei. Aus diesem Grund sei er auch von der Familie verstoßen worden. Des Weiteren sei er von seinem Cousin, der in die Türkei abgeschoben und gegen den ein Verfahren wegen der Unterstützung der PKK eingeleitet worden sei, belastet worden. Bereits im Jahr 1998 habe der Beschwerdeführer Probleme mit den türkischen Sicherheitsbehörden gehabt, indem er anlässlich einer Hausstürmung geschlagen worden sei. Dies sei auch der Grund dafür gewesen, dass er und sein Bruder von der Mutter aus dem Haus geschmissen worden seien. Überdies sei es während der Ableistung des Militärdienstes zu Schwierigkeiten gekommen. Ergänzend führte der Beschwerdeführer noch aus, dass er sich in Österreich politisch engagieren würde und eine türkischstämmige Verlobte habe, die ein Kind von ihm erwarte.
Die ärztliche Untersuchung im Zulassungsverfahren vom 28.10.2005 ergab, dass der Beschwerdeführer an keiner aktuellen krankheitswerten psychischen Störung leiden würde und auch keine Traumatisierung feststellbar sei.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.10.2007, Zl. 05 16.197-BAW, wurde der Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 7 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei für zulässig erklärt. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.
Im Wesentlichen wurde vom Bundesasylamt das Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubwürdig und somit als nicht asylrelevant bewertet.
Dieser Bescheid wurde am 24.10.2007 dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers ordnungsgemäß zugestellt, wogegen mit Schriftsatz des rechtsfreundlichen Vertreters, beim Bundesasylamt am 07.11.2007 eingelangt, fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) erhoben und im Wesentlichen das erstinstanzliche Vorbringen des Beschwerdeführers wiederholt wurde.
I.1.2. Am 26.11.2010 führte der Asylgerichtshof in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentlich mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde dem Beschwerdeführer einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung in der Türkei anhand vorliegender Länderdokumentationsunterlagen erörtert.
I.2. Sachverhalt:
I.2.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe. Er wurde im Dorf XXXX in der Provinz Sanliurfa geboren. Im Jahr 1980 oder 1982 übersiedelte die Familie des Beschwerdeführers in die Kreisstadt XXXX wo er bis zum Jahr 1998 lebte. Im Jahr 1998 übersiedelte der Beschwerdeführer wieder in sein Heimatdorf und war bei seinen dort lebenden Verwandten für ein Jahr aufhältig. Im Anschluss verzog der Beschwerdeführer nach XXXX und Istanbul und kehrte wieder in sein Heimatdorf zurück, von wo er wiederum nach Istanbul ging. Von Istanbul aus verließ der Beschwerdeführer die Türkei. Von 2000 bis 2002 absolvierte der Beschwerdeführer seinen Militärdienst in der Türkei. In der Türkei ging der Beschwerdeführer mehreren Beschäftigungen nach, unter anderem eröffnete er mit einem Freund einen Frisörsalon oder arbeitete in einem Restaurant.
In der Türkei sind nach wie vor die Mutter des Beschwerdeführers, seit 1996 besteht kein Kontakt zum Vater, eine Schwester und fünf Brüder aufhältig. Zur Mutter, der Schwester und einem Bruder steht der Beschwerdeführer in Kontakt. Die Mutter des Beschwerdeführers besitzt ein eigenes Haus in Sanliurfa und lebt mit der Schwester und einem Bruder des Beschwerdeführers in einem gemeinsamen Haushalt. Die Mutter des Beschwerdeführers wird von seinen Brüdern, welche alle einer Arbeit nachgehen, versorgt. Darüber hinaus besitzt die Familie des Beschwerdeführers Pistazienfelder, welche nach wie vor bewirtschaftet werden.
Der Beschwerführer reiste über mehrere europäische Länder nach Belgien, wo er in der Folge am 26.11.2004 einen Asylantrag stellte. Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid der belgischen Behörden vom 15.12.2004 abgelehnt.
In Österreich hat der Beschwerdeführer am XXXX eine türkische Staatsbürgerin, welche über einen Aufenthaltstitel Daueraufenthalt - EG gültig bis XXXX verfügt, geheiratet. Dieser Verbindung entstammt ein am XXXX geborener gemeinsamer Sohn. Der Beschwerdeführer ging bisher insgesamt etwa 22 Monate lang einer Beschäftigung im Bundesgebiet nach, wobei die Zeiten unter anderem durch den Bezug von Arbeitslosengeld unterbrochen wurden. Die Ehegattin des Beschwerdeführers arbeitet als Putzfrau und finanziert das Leben der Familie, wobei der Beschwerdeführer auch von seinen Familienangehörigen aus der Türkei finanziell unterstützt wird. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Ehegattin und dem gemeinsamen Sohn in einer Mietwohnung, wobei die Miete von der Ehegattin des Beschwerdeführers beglichen wird. Der Freundeskreis des Beschwerdeführers setzt sich hauptsächlich aus Kurden zusammen und ist er seit dem Jahr 2005 ein einfaches Mitglied im XXXX und im XXXX. Auch die Ehegattin des Beschwerdeführers ist ein Mitglied des XXXX, wo sie für Frauenfragen zuständig ist. Des Weiteren beherrscht der Beschwerdeführer kaum die deutsche Sprache und hat er bisher aus Zeitmangel noch keinen Deutschkurs besucht.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in der Türkei eine asylrelevante - oder sonstige - Verfolgung oder Strafe maßgeblicher Intensität oder die Todesstrafe droht oder dem Beschwerdeführer in der Türkei die Existenzgrundlage völlig entzogen wäre. Es ergaben sich auch nach Prüfung gemäß Art. 8 EMRK im vorliegenden Fall keine gegen die vorgesehene Ausweisung bestehenden Hinderungsgründe.
I.2.2. Zur Lage in der Türkei wird festgestellt:
Überblick
Die Republik Türkei ist eine parlamentarische Republik und definiert sich in ihrer Verfassung (Art. 2) als demokratischen, säkularen und sozialen Rechtsstaat auf der Grundlage der Ideen des öffentlichen Friedens, nationaler Solidarität und Gerechtigkeit sowie der Menschenrechte und als besonders verpflichtet den Grundsätzen ihres Gründers Atatürk. Staatsoberhaupt mit weitgehend repräsentativer Funktion ist der Staatspräsident, die politischen Geschäfte führt der Premierminister. Durch Referendum vom 21.10.2007 wurde die Verfassung dahingehend geändert, dass der Staatspräsident künftig nicht mehr vom Parlament, sondern vom Volk gewählt wird. Die rechtliche Entwicklung der vergangenen Jahre ist gekennzeichnet durch einen tiefgreifenden Reformprozess, der wesentliche Teile der Rechtsordnung (besonders im Strafrecht, aber auch im Zivil- oder Verfassungsrecht) erfasst hat und auf große Teile der Gesellschaft ausstrahlt. Die Regierung hat mehrfach, zuletzt während der 8. Beitrittskonferenz in Brüssel am 21. Dezember 2009 ein klares Bekenntnis zum Ziel der EU-Vollmitgliedschaft abgegeben und angekündigt, den Reformprozess zu beschleunigen.
Meinungsfreiheit
Die Meinungsfreiheit wird durch die Anwendung verschiedener Gesetze (insbesondere Strafgesetzbuch, Anti-Terror-Gesetz) eingeschränkt. Schriftliche wie mündliche Aussagen, die die PKK (z.B. Bezeichnung der PKK als "Guerrilla"), den PKK-nahen Fernsehsender ROJ-TV oder den inhaftierten Abdullah Öcalan (z.B. "Verehrter Öcalan") in ein positives Licht stellen, werden strafrechtlich verfolgt. Themen wie Militär, die Armenierfrage und die Kurdenproblematik können inzwischen überwiegend ohne rechtliche Konsequenzen im öffentlichen Raum angesprochen werden. So lehnte es die Staatsanwaltschaft Ankara Anfang 2009 ab, Unterzeichner einer Internetkampagne, die von türkischen Intellektuellen zur Entschuldigung gegenüber den armenischen Opfern von 1915 eingerichtet worden war, strafrechtlich zu verfolgen. Ein Urteil des obersten Zivilgerichts gegen den Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk wegen seiner Äußerung zu Morden an Armeniern und Kurden (Oktober 2009) eröffnet jedoch den zivilrechtlichen Weg des Schadensersatzes bei Aussagen, die Kläger in ihrer Eigenschaft als türkische Staatsangehörige in ihrem Ehrempfinden verletzen. Kritik, Infragestellung oder Ironisierung des Staatsgründers Kemal Atatürk läuft weiterhin Gefahr, zur Anzeige gebracht und von Staatsanwälten auch strafrechtlich verfolgt zu werden.
Insbesondere im Südosten kommt es vor, dass Meinungsäußerungen bzw. die Teilnahmen an einer Demonstration bei öffentlichen Stellen wie der Polizei oder dem Gemeindeamt registriert werden. Dies kann in der Folge zur Diskriminierung bei der Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen führen (z.B. Bezug von Sozialleistungen über die Grüne Karte).
Politische Opposition
Politisch Oppositionelle werden nicht systematisch verfolgt. Die Arbeit der oppositionellen prokurdischen und in Teilen PKK-nahen DTP (Demokratik Toplum Partisi) wurde jedoch seit ihrem Bestehen ebenso wie ihre Vorgängerorganisationen von Seiten der Justiz durch Verfahren behindert, die die Meinungsfreiheit oder die politische Betätigungsfreiheit der DTP-Abgeordneten oder -Mitglieder einschränken. Nach zwei vornehmlich gegen DTP-und DTP-nahe Gewerkschaftsmitglieder gerichteten Verhaftungswellen am 15.und 28.05.2009 folgten im September, Oktober, Dezember 2009 und Januar 2010 weitere Verhaftungen. Dabei wurden über 800 Personen wegen angeblich terroristischer Aktivität im Rahmen der PKK-nahen Organisation (Kurdistan-Parlament, KCK) in Gewahrsam genommen. Das 2007 gegen die Partei eingeleitete Verbotsverfahren wurde am 11.12.2009 abgeschlossen. Die Partei wurde wegen ihrer Verbindungen zur terroristischen PKK verboten, gegen 37 DTP-Mitglieder (Antrag betraf 221 Personen) wurde wegen "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung" ein politisches Betätigungsverbot ausgesprochen. Zwei der betroffenen DTP-Mitglieder sind Abgeordnete im Parlament.
Dem Auswärtige Amt ist kein Fall bekannt geworden, in dem die einfache Mitgliedschaft in der HADEP oder in der DEHAP - ohne besondere, z.B. strafrechtlich relevante Verdachtsmomente - zu Repressalien gegen die Betreffenden geführt hätte.
Exilpolitische Aktivitäten
Nur türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Insbesondere Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden, müssen mit strafrechtlicher Verfolgung durch den türkischen Staat rechnen.
Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind nach türkischem Recht nur dann strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen nach dem türkischen Strafgesetzbuch gewertet werden können.
Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis
Die Entwicklung der vergangenen Jahre ist gekennzeichnet durch einen tiefgreifenden Reformprozess, der wesentliche Teile der Rechtsordnung (besonders im Strafrecht, aber auch im Zivil- oder Verfassungsrecht) erfasst hat und auf große Teile der Gesellschaft ausstrahlt. Die türkische Regierung hat zuletzt im Rahmen des 47. Assoziationsrates der EG mit der Türkei in Brüssel am 19. Mai 2009 ein klares Bekenntnis zum Ziel der EU-Vollmitgliedschaft abgegeben und angekündigt, den Reformprozess zu beschleunigen.
Das türkische Recht sichert die grundsätzlichen Verfahrensgarantien im Strafverfahren. Die Unabhängigkeit der Justiz ist in der Verfassung verankert (Art. 138). Für Entscheidungen u. a. über Verwarnungen, Versetzung oder den Verbleib im Beruf ist der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte unter Vorsitz des Justizministeriums zuständig (Verhandlung in geschlossenen Verfahren; ohne gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit). Seit 2008 hat sich die vormals zögerliche Haltung bezüglich der Verfolgung von Soldaten, Gendarmen und Polizeibeamten nachweisbar verbessert. Allerdings kommt es vor allem mangels Kooperation der Behörden bei der Tatsachenfeststellung nur in wenigen Einzelfällen tatsächlich zu Verurteilungen.
Dem Auswärtigen Amt sind in jüngster Zeit keine Gerichtsurteile auf Grundlage von durch die Strafprozessordnung verbotenen, erpressten Geständnissen bekannt geworden. Anwälte berichten, dass Festgenommene in einigen Fällen durch psychischen Druck verleitet werden, Aussagen zu machen. Bekannt ist auch, dass Erkenntnisse aus unzulässigen Telefonüberwachungen in Strafverfahren Eingang finden. Human Rights Watch weist in diesem Zusammenhang auf den nachlässigen Umgang mit Beweismitteln hin. 2008 sei es wiederholt zu Vertuschungsversuchen, Zerstörung und Unterdrückung von Beweisen bzw. Behinderung der staatsanwaltlichen Ermittlungen gekommen. Ähnliche Erkenntnisse ergeben sich aus der Beobachtung von Gerichtsverfahren durch die Botschaft Ankara.
Reformierte Strafrechtsnormen werden von den Gerichten auch in Fällen mit Terrorbezug und Separatismusvorwürfen grundsätzlich rechtsstaatskonform angewandt. Im Mai 2009 wurden vier Anwälte des Menschenrechtsvereins IHD kurzfristig aufgrund von Terrorismusvorwürfen verhaftet. Dabei wurden auch Unterlagen von Klienten beschlagnahmt. Das Recht auf sofortigen Zugang zu einem Rechtsanwalt innerhalb von 24 Stunden ist grundsätzlich gewährleistet. Das Recht auf kostenlose Rechtsberatung bei Schuldvorwürfen mit einem Strafrahmen bis 5 Jahre wurde 2006 (mit Blick auf den Mangel an dafür geeigneten Rechtsberatern) eingeschränkt. Seit Dezember 2006 kann die kostenlose Rechtsberatung nur derjenige in Anspruch nehmen, der einem Tatvorwurf mit Strafandrohung von mindestens fünf Jahren ausgesetzt ist.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) spielt in der Türkei eine wichtige Rolle: Zum einen, weil er als Ersatz für die im türkischen Recht fehlende Verfassungsbeschwerde angesehen und daher in vielen Fällen nach Ausschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges angerufen wird; zum anderen ist die EMRK aufgrund einer entsprechenden Verfassungsbestimmung nationalem Recht vorrangig und direkt anwendbar.
Die Zahl der Beschwerden, die im Zusammenhang mit mutmaßlichen Folterfällen stehen, ist nach Angaben von Menschenrechtsverbänden 2009 landesweit zurückgegangen. Aus den vorliegenden Statistiken lassen sich jedoch keine Rückschlüsse ziehen, da längst nicht alle potentiellen Hinweise auf Folter durch die Menschenrechtsorganisationen überprüft und bestätigt werden konnten und die Erfassung in unterschiedlicher, teils sehr stark voneinander abweichender Weise gehandhabt wird. Bei einem statistischen Vergleich muss zudem berücksichtigt werden, dass gerade durch die "Null-Toleranz-Politik" die Sensibilität für das Thema erheblich zugenommen hat. Die aus Sicht des Auswärtigen Amtes verlässlichsten Zahlen stammen von der Menschenrechtsstiftung der Türkei, TIHV. In der Gesamtzahl berichtet TIHV von einer leichten Abnahme der bei ihnen behandelten Fälle von Folter und Misshandlung. Bis Ende November 2009 wurden insgesamt 252 Personen registriert, die im selben Jahr gefoltert oder unmenschlich behandelt wurden (2008: 269, 2007: 320; 2006: 222).
Sippenhaft
In der Türkei gibt es keine "Sippenhaft" in dem Sinne, dass Familienmitglieder für die Handlungen eines Angehörigen strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden. Die nach türkischem Recht aussagepflichtigen Familienangehörigen - etwa von vermeintlichen oder tatsächlichen PKK-Mitgliedern oder Sympathisanten - werden allerdings zu Vernehmungen geladen, z.B. um über den Aufenthalt von Verdächtigen befragt zu werden. Werden Ladungen nicht befolgt, kann es zur zwangsweisen Vorführung kommen.
Dem Auswärtigen Amt liegen keine Anhaltspunkte vor, dass Personen, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben und die zB eine strafrechtliche Verfolgung oder Gefährdung durch "Sippenhaft" in der Türkei behaupten, bei Rückkehr in die Türkei einer Gefährdung durch Folter oder Misshandlungen allein aufgrund der Tatsache droht, dass ein Asylantrag gestellt wurde.
Staatliche Repressionen
Es gibt keine Anhaltspunkte für eine systematische Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, sozialen Gruppe oder allein wegen ihrer politischen Überzeugung. Es kommt jedoch zu staatlichen repressiven Maßnahmen in unterschiedlichen Bereichen.
Repressionen Dritter
In der Türkei gibt es zahlreiche militante religiöse Gruppierungen wie die türkische Hizbullah, die "Front der Vorkämpfer des Großen Ostens" (IBDA-C) und linksradikale, terroristische Gruppierungen wie die DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi - "Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front") bzw. die TKP-ML (Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist) oder die linksterroristische MLKP (Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei). Trotz der andauernden Bedrohung der nationalen Sicherheit durch Teile dieser Gruppierungen kann davon ausgegangen werden, dass sie keine Repressionen gegenüber einer bestimmten Personengruppe wegen ihrer Rasse, Nationalität, Religion oder politischen Überzeugung ausüben.
Kurden
Neben den offiziell anerkannten religiösen Minderheiten gibt es folgende ethnische Gruppen: Kurden (ca. 13-15 Mio.), Kaukasier (6 Mio, davon 90% Tscherkessen), Roma (ca. 2 Mio.), Lasen (zwischen 750.000 und 1,5 Mio.) und andere Gruppen in kleiner und unbestimmter Anzahl (Araber, Bulgaren, Bosnier, Pomaken und Albaner). Türkische Staatsbürger kurdischer und anderer Volkszugehörigkeit sind aufgrund ihrer Abstammung keinen staatlichen Repressionen unterworfen. Aus den Ausweispapieren, auch aus Vor- oder Nachnamen, geht in der Regel nicht hervor, ob ein türkischer Staatsbürger kurdischer Abstammung ist (Ausnahme: Kleinkindern dürfen seit 2003 kurdische Vornamen gegeben werden). Die meisten Kurden sind in die türkische Gesellschaft integriert, viele auch assimiliert. In Parlament, Regierung und Verwaltung sind Kurden ebenso vertreten wie in Stadtverwaltungen, Gerichten und Sicherheitskräften. Ähnlich sieht es in Industrie, Wissenschaft, Geistesleben und Militär aus.
Der private Gebrauch des Kurdischen, d.h. der beiden in der Türkei vorwiegend gesprochenen kurdischen Sprachen Kurmanci und Zaza, ist in Wort und Schrift keinen Restriktionen ausgesetzt, der amtliche Gebrauch ist allerdings noch eingeschränkt. Kurdischunterricht und Unterricht in kurdischer Sprache an öffentlichen Schulen sind nicht erlaubt. Durch die verfassungsrechtliche Festschreibung von Türkisch als der einzigen Nationalsprache und dem damit einhergehenden Verbot für Behörden und Parteien, eine andere Sprache als Türkisch zu verwenden, wird die politische Betätigung von Kurden, aber auch anderer ethnischer Gruppen, eingeschränkt und ihnen die Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen erschwert. Eine positive Entwicklung ist der neu geschaffene staatliche TV-Sender TRT 6, der seit Anfang 2009 ein 24-Stunden-Programm in kurdischer Sprache sendet. Zudem hob im November die staatliche Fernseh- und Rundfunkanstalt die bisher geltenden Beschränkungen für Privatfernsehen in "Sprachen und Dialekten, die traditionell von türkischen Bürgern im Alltag gesprochen werden" auf. Seit 2004 war es möglich wöchentlich vier Stunden im Privatfernsehen und sechs Stunden im Privatradio zu senden.
An der privaten Istanbuler Bilgi Universität wurde ab dem WS 2009 Kurdischunterricht als Wahlfach eingerichtet. An der Universität in Mardin wurde die Einrichtung eines "Instituts für lebende Sprachen" (u.a. für Kurdisch) durch den Hochschulrat beschlossen; für weitere Universitäten (Ankara; Istanbul) wird dies diskutiert.
Kurdische Arbeiterpartei (PKK)
Die Kurdenfrage ist eng verflochten mit dem jahrzehntelangen Kampf der türkischen Staatsgewalt gegen die von Abdullah Öcalan gegründete "Kurdische Arbeiterpartei" (PKK) und ihre terroristischen Aktionen. Das in Deutschland und der EU bestehende Verbot der Terrororganisation PKK erstreckt sich auch auf die Nachfolgeorganisationen unter anderem Namen. Die Stärke der PKK in der Türkei/Nordirak wird aktuell auf noch 5.000 - 5.500 Kämpfer geschätzt, davon ca. zwei Drittel im Nordirak. Von 2002 bis 2004 hatte sich die Terrororganisation PKK mehrfach umbenannt (KADEK/KHK/KONGRA-GEL). Mittlerweile ist sie zu ihrer alten Bezeichnung PKK zurückgekehrt. Für die von ihr selbst als politisch bezeichnete Betätigung im Ausland hat sie jedoch die Bezeichnung KONGRA-GEL beibehalten. Ihr Anführer, der zu lebenslanger Haft verurteilte Abdullah Öcalan, befindet sich seit 1999 im Gefängnis auf der Insel Imrali im Marmara Meer. Kurdischen Quellen zufolge soll sich die PKK wieder verstärkt der Anwerbung "junger Kämpfer" widmen. Nach Berichten PKK nahe stehender Medien sind zahlreiche neue Guerillakämpfer in die Reihen der "Volksverteidigungskräfte" HPG aufgenommen und danach in ihre Einsatzgebiete entsandt worden.
Weiterhin sind Spannungen in den kurdisch geprägten Regionen im Südosten des Landes zu verzeichnen. Die türkischen Militäroperationen gegen PKK-Einrichtungen im Nordirak dauern an; sie stützen sich inzwischen auf eine Kooperation mit den USA und Irak. Türkische Streitkräfte und die Regierung weisen häufiger darauf hin, dass die PKK Rekrutierungsschwierigkeiten habe und den Rückhalt in der Bevölkerung verliere. Beides lässt sich bisher jedoch nicht mit konkreten Zahlen belegen. PKK-interne Opposition (Ungehorsam, Befehlsverweigerung etc.) und Abfall (Desertion) von der PKK werden von dieser konsequent sanktioniert. Es gibt Hinweise auf Zwangsrekrutierungen durch die PKK, die allerdings nicht nachzuweisen sind.
Allerdings sehen Regierung und Militär, dass die Probleme im Südosten nicht allein mit militärischen Mitteln zu überwinden sind. Auf wirtschaftlichem und kulturpolitischem Gebiet hat die Regierung zahlreiche Anstrengungen zur Verbesserung der Lage der Kurden unternommen. Neben der Einführung kurdischsprachiger Sendungen im staatlichen Fernsehen ist die von Staatspräsident Gül und Ministerpräsident Erdogan im Mai 2009 angekündigte "Demokratische Öffnung" (zuvor "Kurdische Öffnung") von besonderer Bedeutung. Diese zielt insbesondere auf eine Lösung der Probleme des Südostens und beinhaltet politische, wirtschaftliche und soziokulturelle Maßnahmen. Die volle Umsetzung der von der Regierung angestrebten Öffnungspolitik gegenüber den Kurden hängt stark davon ab, ob die mächtigen Beharrungskräfte im Oppositionslager sowie in den Bereichen Militär, Justiz und Polizei letztlich mitziehen oder gegensteuern.
Aleviten
Mit schätzungsweise 15 Millionen Anhängern bilden die Aleviten nach den Sunniten die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft. Sie werden nicht als separate Konfession bzw. Glaubensgemeinschaft anerkannt, können sich aber als Verein organisieren. 2009 hat die Regierung erstmals eine Serie von Treffen mit Vertretern der alevitischen Gruppen, aber auch Theologen, Nichtregierungsorganisationen, Intellektuellen und Journalisten zu diesem Thema organisiert. Geplant ist, im Februar 2010 dem Ministerrat eine "road map" vorzulegen, welche die Probleme der Aleviten aufgreift. Staatspräsident Gül hat mit seinem Besuch im Cem-Haus (religiöser Treffpunkt der Aleviten) im stark von Aleviten besiedelten Tunceli (Dersim) im November 2009 bereits einen symbolischen Beitrag geleistet. Bereits seit 2008 haben verschiedene Stadtverwaltungen den alevitischen Cem-Häusern die Gleichstellung mit Moscheen (insbesondere verminderte Wasser- und Stromkosten) ermöglicht. Ebenso wie die Religionsbehörde Diyanet erkennen aber nicht alle Stadtverwaltungen die alevitischen Gotteshäuser als religiöse Stätten an.
Auch wenn die Aleviten ihre Religion entsprechend der Gewährleistung in Art. 24 der türkischen Verfassung weit gehend unbehindert ausüben können, sehen sie sich aufgrund des Fehlens einer eigenen Rechtspersönlichkeit doch schwerwiegenden - ihrer Art und Intensität nach aber nicht asylerheblichen - bürokratischen Hemmnissen ausgesetzt. So können sie Grundeigentum, etwa zur Errichtung von Gebetshäusern (Cemevleri, Cem-Häuser), allenfalls über Kulturstiftungen und -vereine erwerben; dies dürfte aufgrund der jüngsten Änderungen des Vereinsrechts einfacher werden. Probleme ergeben sich auch bei der Ausbildung von Geistlichen sowie bei der Erteilung von Unterricht. Der religiöse Pflichtunterricht an den staatlichen Schulen berücksichtigt nichtsunnitische Bekenntnisse nicht. Bemühungen alevitischer Organisationen um Einbeziehung alevitischer Inhalte in die Curricula der staatlichen Schulen sind an dem durch das Erziehungsministerium vertretenen Argument gescheitert, es handle sich dabei um eine Form von religiösem Separatismus. Insoweit ist ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig.
Die Aleviten selbst unterstützen den von Atatürk begründeten türkischen Laizismus und fordern eine echte Trennung von Staat und Religion; traditionell neigen sie dazu, sich liberalen und links gerichteten politischen Parteien und Strömungen anzuschließen. Auch wegen ihrer politischen Orientierung sehen sich Aleviten deshalb leicht dem Verdacht einer staatsfeindlichen Gesinnung ausgesetzt.
Von radikalen Sunniten werden die Aleviten sogar als Abtrünnige angesehen, und auch die rechtsgerichteten und rechtsradikalen Kräfte in der Türkei begegnen ihnen mit Feindschaft. So ist es in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach zu gewalttätigen Übergriffen auf Aleviten gekommen, ohne dass die Sicherheitskräfte mit dem nötigen Nachdruck eingegriffen hätten, nämlich in den Jahren 1967 und 1993 in Sivas, im Jahr 1978 in Kahramanmaras und Corum und zuletzt im Jahr 1995 in Istanbul. Derartige gewalttätige Ausschreitungen gegenüber Aleviten oder anderen religiösen Minderheiten haben sich in den zurückliegenden Jahren indessen nicht wiederholt.
Grundversorgung
Die Türkei kennt bisher keine staatliche Sozialhilfe die mit dem EU-Standard vergleichbar ist. Sozialleistungen für Bedürftige werden auf der Grundlage der Gesetze Nr. 3294 über den Förderungsfonds für Sozialhilfe und Solidarität (Sosyal Yardimlasma ve Dayanismayi Tesvik Kanunu) und Nr. 5263, Gesetz über Organisation und Aufgaben der Generaldirektion für Sozialhilfe und Solidarität (Sosyal Yardimlasma ve Dayanisma Genel Müdürlügü Teskilat ve Görevleri Hakkinda Kanun) gewährt. Die Sozialhilfeprogramme werden von den in 81 Provinzen und 850 Kreisstädten vertretenen Stiftungen für Sozialhilfe und Solidarität (Sosyal Yardimlasma ve Dayanisma Vakfi) ausgeführt und sind den Gouverneuren unterstellt.
Anspruchsberechtigt nach Art. 2 des Gesetzes Nr. 3294 sind bedürftige Staatsangehörige, die sich in Armut und Not befinden, nicht gesetzlich sozialversichert sind und von keiner Einrichtung der Sozialsicherheit ein Einkommen oder eine Zuwendung beziehen, sowie Personen, die durch eine kleine Unterstützung oder durch Gewährleistung einer Ausbildungsmöglichkeit gemeinnützig und produktiv werden können.
Die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung werden von Amts wegen geprüft. Leistungen werden gewährt in Form von Unterstützung der Familie (Nahrungsmittel, Heizmaterial, Unterkunft), Hilfen für die Ausbildung (Schülerbedarfsartikel, Unterkunft), Krankenhilfe, Behindertenhilfe sowie besondere Hilfeleistungen wie Katastrophenhilfe oder die Volksküchen. In einem im Jahr 2008 begonnenen Projekt sollen erstmals Bedürftigkeitskriterien für die einzelnen Leistungsarten entwickelt werden. Die Leistungen werden in der Regel als zweckgebundene Geldleistungen für neun bis zwölf Monate gewährt; in Einzelfällen entscheidet der Vorstand der Stiftung. In der Türkei existieren darüber hinaus weitere soziale Einrichtungen, die ihre eigenen Sozialhilfeprogramme haben.
Medizinische Versorgung
In der Türkei gibt es neben dem staatlichen Gesundheitssystem, das eine medizinische Grundversorgung garantiert, mehr und mehr leistungsfähige private Gesundheitseinrichtungen, die in jeglicher Hinsicht EU-Standards entsprechen. Auch das staatliche Gesundheitssystem hat sich in den letzten Jahren strukturell und qualitativ erheblich verbessert. Versorgungsdefizite - vor allem in den ländlichen Provinzen - bestehen aber noch bei der medizinischen Ausstattung, bei Ärzten und Krankenpflegern. In diesen Fällen besteht die Möglichkeit, die Patienten in Behandlungszentren der nächstgelegenen größeren Städte zu überweisen.
Das am 1. Oktober 2008 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Sozialversicherungsreform (Gesetz Nr. 5510) dehnt die gesetzliche Krankenversicherung auf alle Personengruppen, einschließlich der unter 18-Jährigen, aus. Ziel ist die Sicherstellung einer einheitlichen gesundheitlichen Versorgung aller Bürger mit im Wesentlichen gleichen Bezugsvoraussetzungen und Leistungsansprüchen für Angestellte, Rentner und Selbständige. Nach einer Übergangszeit von zwei Jahren (bis 30.09.2010) werden auch bisher unversicherte Mittellose, die die sog. "Grüne Karte" (Yesil Kart) für eine kostenlose medizinische Versorgung im staatlichen Gesundheitssystem nutzen, sowie bisher durch die Maschen des Systems fallende Personen, einbezogen.
Eine medizinische Versorgung sowie die Behandlungsmöglichkeit psychischer Erkrankungen ist grundsätzlich landesweit gegeben. In ländlichen Regionen müssen Patienten unter Umständen in Behandlungszentren größerer Städte überwiesen werden. Das Gesundheitswesen garantiert psychisch kranken Menschen umfassenden Zugang zu Gesundheitsdiensten und Beratungsstellen. Dauereinrichtungen für psychisch Kranke wie offene oder geschlossene Psychiatrien oder betreute Wohnheime gibt es jedoch nur in begrenzter Kapazität für chronische Fälle, in denen familiäre Unterstützung nicht gewährleistet ist oder die eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen. Auch bei der Behandlung psychischer Erkrankungen ist ein ständig steigender Standard festzustellen. Die Behandlung psychischer Erkrankungen einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) ist in allen Krankenhäusern der Türkei möglich, die über eine Abteilung für Psychiatrie verfügen. Für die Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) werden in der Türkei die international anerkannten Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV angewandt. Zu Behandlungskonzepten zählen u.a. Psychotherapie mit Entspannungstraining, Atemtraining, Förderung des positiven Denkens und Selbstgespräche, kognitive Therapie, Spieltherapie sowie Medikationen wie Antidepressiva und Benzodiazepine. Eine Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) ist grundsätzlich auch über die Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV) möglich.
Behandlung von Rückkehrern
Bei der Einreise in die Türkei hat sich jeder einer Personenkontrolle zu unterziehen. Türkische Staatsangehörige, die ein gültiges türkisches, zur Einreise berechtigendes Reisedokument besitzen, können die Grenzkontrolle grundsätzlich ungehindert passieren. In Fällen von Rückführungen gestatten die türkischen Behörden die Einreise nur mit türkischem Reisepass oder Passersatzpapier.
Wenn bei der Einreisekontrolle festgestellt wird, dass für die Person ein Eintrag im Fahndungsregister besteht, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen. Ein Eintrag besteht nicht, wenn zuvor anhängige Ermittlungsverfahren oder eingeleitete Strafverfahren wegen Verjährung oder Amnestiebestimmungen eingestellt wurden oder die Person freigesprochen und ein Fahndungs- bzw. Haftbefehl aufgehoben wurde.
Wenn auf Grund eines Eintrages festgestellt wird, dass ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen. Ein Anwalt wird zur Durchführung des Verhörs, bei welchem der Festgenommene zu den schriftlich vorliegenden Anschuldigungen gehört wird, hinzugezogen. Der Festgenommene wird ärztlich untersucht. Das Verhör wird durch den Staatsanwalt oder durch einen von ihm bestimmten Polizeibeamten im Namen der Staatsanwaltschaft vorgenommen. Der Festgenommene darf zunächst 24 Stunden festgehalten werden. Eine Verlängerung dieser Frist auf 48 Stunden ist möglich. Danach findet erneut eine ärztliche Untersuchung statt. Nach der ärztlichen Untersuchung wird der Festgenommene mit dem Bericht des Arztes dem Staatsanwalt vorgeführt, der nochmals eine Befragung im Beisein eines Anwaltes durchführt. Der Staatsanwalt verfügt entweder die Freilassung oder überstellt den Betroffenen dem zuständigen Richter mit dem Antrag auf Ausstellung eines Haftbefehls. Bei der Befragung durch den Richter ist ebenfalls der Anwalt anwesend. Wenn auf Grund eines Eintrages festgestellt wird, dass ein Strafverfahren anhängig ist, wird die Person bei der Einreise festgenommen und der Staatsanwaltschaft überstellt. Ein Anwalt wird hinzugezogen und eine ärztliche Untersuchung vorgenommen.
Der Staatsanwalt überprüft von Amts wegen, ob der Betroffene von den Amnestiebestimmungen des 1991 in Kraft getretenen Antiterrorgesetzes Nr. 3713 oder des im Dezember 2000 in Kraft getretenen Gesetzes Nr. 4616 (Gesetz über die bedingte Entlassung, Verfahrenseinstellung und Strafaussetzung zur Bewährung bei Straftaten, die vor dem 23. April 1999 begangen worden sind) profitieren kann oder ob gemäß Art. 102 StGB a. F. (jetzt Art. 66 StGB n. F.) Verjährung eingetreten ist. Sollte das Verfahren aufgrund der vorgenannten Bestimmungen ausgesetzt oder eingestellt sein, wird der Festgenommene freigelassen.
Andernfalls fordert der Staatsanwalt von dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, einen Haftbeschluss an. Der Verhaftete wird verhört und mit einem Haftbefehl - der durch den örtlich zuständigen Richter erlassen wird - dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, überstellt. Während der Verhöre - sowohl im Ermittlungs- als auch im Strafverfahren - sind grundsätzlich Kameras eingeschaltet.
Dem Auswärtigen Amt ist in den letzten Jahren kein Fall bekannt geworden, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten - dies gilt auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen - gefoltert oder misshandelt worden ist. Auch seitens türkischer Menschenrechtsorganisationen wurde kein Fall genannt, in dem politisch nicht in Erscheinung getretene Rückkehrer oder exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen menschenrechtswidriger Behandlung durch staatliche Stellen ausgesetzt war. Nach Auskunft von EU-Mitgliedstaaten (Dänemark, Schweden, Niederlande, Frankreich, England, auch der Kommission) sowie Norwegen, der Schweiz und den USA ist auch diesen aus jüngerer Zeit kein Fall bekannt, in dem exponierte Mitglieder, führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen sowie als solche eingestufte Rückkehrer menschenrechtswidriger Behandlung ausgesetzt waren.
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde, den bekämpften Bescheid, den Beschwerdeschriftsatz, die vorgelegten Dokumente, die Asylunterlagen betreffend das Asylverfahren in Belgien sowie durch öffentlich mündliche Verhandlung der Beschwerdesache und durch Berücksichtigung nachstehender Länderdokumentationsunterlagen:
Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, 11.04.2010, 29.06.2009 und 11.09.2008
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Glossar Islamische Länder, Band 23, Februar 2009
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Erkenntnisse, Juni 2009
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Türkei, November 2009
EU-Kommission, Türkei Fortschrittsbericht 2009, 14.10.2009
Annual Report of the United States Commission on International Religious Freedom, Mai 2008
Home Office, Country of Origin Information Report, Turkey, 20.10.2009
USDOS: Country Reports on Human Rights Practices 2008: Turkey, 25.02.2009
USDOS: International Religious Freedom Report Turkey, 26.10.2009
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, Verbot der DTP, 14.12.2009
I.3. Beweiswürdigend wird ausgeführt:
I.3.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:
Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität des Beschwerdeführers sowie hinsichtlich seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet und des Datums seiner Asylantragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Volksgruppenzugehörigkeit sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf dessen in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren und den diesbezüglich in Vorlage gebrachten Unterlagen.
Hinsichtlich der Religionszugehörigkeit war es nicht möglich, Feststellungen zu treffen, zumal der Beschwerdeführer selbst ausführte, dass er Sunnite sei, wenn man jedoch genauer nachprüfen würde, sei er ein Alevite. Für das Asylverfahren konnte es jedoch dahingestellt beleiben, zumal der Beschwerdeführer selbst ausführte, dass er aufgrund seines Religionsbekenntnisses keinerlei Probleme in der Türkei gehabt habe.
Die festgestellten Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers gründen sich auf die Wahrnehmungen des entscheidenden Senates in der Beschwerdeverhandlung.
Das Asylverfahren in Belgien ergibt sich aus den diesbezüglich von den belgischen Behörden übermittelten Unterlagen.
Die Feststellung zur Beschäftigung des Beschwerdeführers ergibt sich aus Sozialversicherungsdatenauszug mit Stand 06.12.2010.
I.3.2. Was hingegen die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe betrifft, so ist Folgendes auszuführen:
Es muss eingangs festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer kurz vor der mündlichen Beschwerdeverhandlung die Beigebung eines kurdischsprachigen Dolmetschers schriftlich beantragte. Diesen Antrag zog er jedoch zu Beginn der mündlichen Beschwerdeverhandlung wieder zurück, weshalb darauf nicht näher einzugehen war.
Der Beschwerdeführer gab vor dem Bundesasylamt und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung als Hauptausreisegrund an, dass er anlässlich der Teilnahme an den Newroz-Feierlichkeiten im Jahr 2004 gemeinsam mit seinem Cousin von der türkischen Polizei mitgenommen, wochenlang angehalten und misshandelt worden sei.
Diesem Vorbringen vermochte der Asylgerichtshof keine Glaubwürdigkeit zuzuerkennen, zumal der Beschwerdeführer wesentliche Widersprüchlichkeiten und Unplausibilitäten nicht auszuräumen vermochte. So gab er beispielsweise an, dass ihm wochenlang die Arme am Rücken gefesselt worden sein sollen. Abgesehen davon, dass in so einem Falle erhebliche körperliche Beeinträchtigungen beim Beschwerdeführer entstanden sein müssten, vermochte der Beschwerdeführer nicht plausibel darzulegen, wie er vernünftigermaßen eine Hygiene betrieben oder den Gang zur Toilette bewerkstelligt habe, zumal ihm auch bis am letzten Tag die Augen verbunden gewesen seien. Überhaupt legte er die behauptete mehrwöchige Anhaltung mehr als oberflächlich dar und bediente sich den immergleichen Phrasen. Festgehalten muss in diesem Zusammenhang werden, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung nicht mehr in der Lage war, die genaue Dauer seiner behaupteten Anhaltung - vor dem Bundesasylamt gab er noch an, dass diese drei Monate gedauert habe, in der Beschwerdeverhandlung war die Rede von 20 bis 30 Tagen - anzugeben. Begründend führte er diesbezüglich aus, dass er sich nicht mehr erinnern könne, was jedoch den Asylgerichtshof nicht zu überzeugen vermag. Auch ist es nicht nachvollziehbar, dass ausgerechnet der Beschwerdeführer nach einer behauptetermaßen illegalen Veranstaltung, welche von mehr als 1.000 Personen besucht worden sei und wären Polizisten in Zivil anwesend gewesen, ohne besonderen Grund nach der Veranstaltung angehalten und mitgenommen worden sei. Auch die dafür gelieferte Begründung, dass bei ihm ein Ausweis der DEHAP gefunden worden sei, vermag nicht zu überzeugen, zumal es durchaus nicht üblich war, das kurdische Parteien Ausweise ausstellten und es in diesem Zusammenhang keinen Sinn macht, dass der Beschwerdeführer, obwohl im bewusst gewesen sei, dass er zu einer illegalen Veranstaltung gehen würde, wo die Gefahr einer polizeilichen Auflösung erheblich sei, solch einen Ausweise mitnimmt. Abgesehen vom fehlenden polizeilichen Interesse an seiner Person vermochte der Beschwerdeführer die lang andauernde Anhaltung nicht plausibel darzulegen. Auch die Behauptung, dass er etwas unterschreiben hätte sollen und er sich geweigert habe, vermag eine mehr als 20tägige polizeiliche Anhaltung, ohne dass er jemals einem Richter oder Gericht vorgeführt worden sei, nicht plausibel zu machen.
Obwohl das Vorbringen hinsichtlich der Mitnahme und Anhaltung nach den Newroz-Feierlichkeiten im Wesentlichen gleichlautend wiederholt wurde, vermocht der Beschwerdeführer eine Glaubwürdigkeit seiner Angaben nicht darzulegen, gerade weil er sein Vorbringen fast ident, nämlich auch in der Wortwahl, wiederholte und somit der Eindruck entstanden ist, dass eine Geschichte bloß auswendig gelernt, jedoch nicht selbst erlebt wurde.
In diesem Zusammenhang ist auch festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bereits in Belgien einen Asylantrag gestellt hat. In seiner Befragung machte der Beschwerdeführer wiederum die gleichen Angaben wie vor dem Bundesasylamt und in der Beschwerdeverhandlung. Darüber hinaus berichtete er jedoch auch über eine nachfolgende Anhaltung und einer Verfolgung durch die Polizei bzw ein Verstecken im Geburtsort Öcalans. Auch die belgischen Behörden kamen zum Schluss, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers aufgrund von Widersprüchlichkeiten nicht glaubwürdig sei und lehnten in der Folge den Asylantrag ab.
Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, dass der Beschwerdeführer angab, dass er mit seinem Cousin anlässlich der Newroz-Feierlichkeiten mitgenommen und mehrere Wochen lang von der Polizei angehalten worden sei. Deshalb seien sie auch gemeinsam ausgereist und hätten in Belgien einen Asylantrag gestellt. Aus den belgischen Asylunterlagen geht hervor, dass dieser Cousin XXXX heißt. Vor dem Bundesasylamt legte der Beschwerdeführer wiederum eine türkischsprachige Anklageschrift seinen Cousin XXXX betreffend vor. Dieser sei jener Cousin, der mit ihm auf dem Newroz-Fest im Jahre 2004 und in Belgien gewesen sei. Abgesehen von den unterschiedlichen Namen ergibt sich aus der Anklageschrift, dass sich der Cousin namens XXXX bis etwa XXXX in einem Lager im Nordirak befunden habe, somit gar nicht am Newroz-Fest habe teilnehmen können. Auch vor diesem Hintergrund erscheinen die Ausführungen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig.
Der Beschwerdeführer gab in diesem Zusammenhang vor dem Bundesasylamt auch an, dass er von seinem Cousin XXXX, der mit ihm nach Belgien gereist und in die Türkei abgeschoben worden sei, bei den türkischen Behörden angeschwärzt worden sei. Abgesehen von dieser bloßen Behauptung und der oben zitierten Anklageschrift, in der der Name des Beschwerdeführers nicht genannt wird, vermochte der Beschwerdeführer diesbezüglich keinerlei Unterlagen in Vorlage zu bringen, weshalb von einer irrelevanten Schutzbehauptung auszugehen ist. Diesbezüglich ist noch festzuhalten, dass unabhängig davon darüber hinaus für den Beschwerdeführer aus diesem Vorbringen auch nichts zu gewinnen war, zumal es in der Türkei, entsprechend der diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Länderberichten, keine "Sippenhaft" in dem Sinne, dass Familienmitglieder für die Handlungen eines Angehörigen strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden, gibt. Die nach türkischem Recht aussagepflichtigen Familienangehörigen - etwa von vermeintlichen oder tatsächlichen PKK-Mitgliedern oder Sympathisanten - werden allerdings zu Vernehmungen geladen, z.B. um über den Aufenthalt von Verdächtigen befragt zu werden. Werden Ladungen nicht befolgt, kann es zur zwangsweisen Vorführung kommen. Dem deutschen Auswärtigen Amt liegen keine Anhaltspunkte vor, dass Personen, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben und die zB eine strafrechtliche Verfolgung oder Gefährdung durch "Sippenhaft" in der Türkei behaupten, bei Rückkehr in die Türkei einer Gefährdung durch Folter oder Misshandlungen allein aufgrund der Tatsache droht, dass ein Asylantrag gestellt wurde.
Dieser Umstand gilt auch für den Vater, den Bruder und den Onkel des Beschwerdeführers, welche seinen Angaben folgend bei geheimen Versammlungen teilgenommen hätten. Im Übrigen lebt der Bruder des Beschwerdeführers offensichtlich ohne Probleme - auch wenn er nicht offiziell gemeldet sei - nach wie vor in der Türkei. Auch ist es nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer, nachdem sein Vater im Jahr 1996 verschwunden sei, nach wie vor nach diesem befragt werden sollte. Dies wurde dem Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auch vorgehalten, woraufhin er auch ausweichend folgendes ansführt: "Wenn es in der Türkei keine ungerechten Verfahren gäbe....an bestimmten Zeiten hat man diese Ungerechtigkeiten, diese Behandlungen, gehabt. Das kann man den Zeitungen entnehmen. Im Heimatland, wenn es dort eine Demokratie gebe, würde ich am Liebsten dort weiterleben.". Somit fand auch der Beschwerdeführer für solch eine von ihm behauptetes Vorgehen der türkischen Sicherheitsbehörden keine nachvollziehbare Erklärung.
Letztendlich wurde vom Beschwerdeführer auch ausgeführt, dass die mehrwöchige Anhaltung keinerlei Konsequenzen nach sich gezogen habe und ihm auch nicht bekannt sei, ob gegen ihn ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden sei.
Der Beschwerdeführer wurde weiters in der Beschwerdeverhandlung befragt, ob es weitere Anhaltungen, als die behauptete vom 21.03.2004 gegeben habe. Zu Anfang verneinte er weitere Anhaltungen mit der Begründung, dass er sich nicht ständig an einem Ort aufgehalten habe. Im Laufe der mündlichen Beschwerdeverhandlung änderte der Beschwerdeführer seine Angaben dahingehend, indem er ausführte, dass er mehr als 20 Mal mitgenommen worden und es mehr als 100 Mal zu Hausdurchsuchungen gekommen sei. Diese Anhaltungen hätten keinerlei Konsequenzen für den Beschwerdeführer gehabt. Auf Vorhalt, weshalb er diese Anhaltungen und Hausdurchsuchungen nicht bereits vor dem Bundesasylamt oder in der Beschwerde erwähnt habe, führte er aus, dass er diesbezüglich nicht befragt worden sei und er sich kurz fassen wollte. Dies vermag insofern nicht zu überzeugen, als er auch anlässlich seines Asylverfahrens in Belgien darüber keine Wort verloren hat und es sich somit um eine irrelevante Steigerung des Vorbringens des Beschwerdeführers handelt, um seinem Vorbringen insgesamt mehr Gewicht zu verleihen. Aus diesem Grund erübrigt es sich, auf die Anhaltungen und behaupteten körperlichen Übergriffe näher einzugehen.
Was die behaupteten Schwierigkeiten mit einem Kommandanten anlässlich der Ableistung seines Militärdienstes anbelangt, so ist dazu festzuhalten, dass es diesem Vorbringen an einem zeitlichen Zusammenhanges zwischen dem behaupteten Vorfall und der Ausreise mangelt. Schließlich sind Umstände, denen es an einem entsprechenden zeitlichen Konnex zur Ausreise mangelt, nicht zur Glaubhaftmachung eines Fluchtgrundes geeignet; die wohlbegründete Furcht müsste vielmehr bis zur Ausreise andauern (VwGH 23.01.1997, 95/20/0221). Die oben angeführten behaupteten Vorfälle zwischen den Jahren 2000 und 2002 sind - unabhängig von der Glaubwürdigkeit - per se nicht geeignet, einen zeitlichen Konnex zur Ausreise im Jahr 2004 herzustellen. Diese Vorfälle haben damit nicht dazu geführt, dass der Beschwerdeführer so große Angst vor weiteren Übergriffen auf sich selbst gehabt hätte, die einer begründeten Furcht entsprechen und es dem Beschwerdeführer unerträglich gemacht hätten, in seinem Heimatstaat zu bleiben. Aufgrund eines mangelnden zeitlichen Zusammenhangs zur Ausreise des Beschwerdeführers war es erlässlich, näher auf die behaupteten Diskriminierungen einzugehen.
Soweit der Beschwerdeführer nun seinen Ausreisegrund auf seine kurdische Abstammung und die daraus resultierenden Schwierigkeiten in der Gesellschaft stützt, ist auszuführen, dass die schwierige allgemeine Lage einer ethnischen Minderheit oder der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft für sich allein nicht geeignet ist, die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Bescheinigung einer konkret gegen den Asylwerber gerichteten drohenden Verfolgungshandlung darzutun. Die bloße Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden bildet daher noch keinen ausreichenden Grund für die Asylgewährung (vgl. VwGH vom 31.01.2002, 2000/20/0358).
Hinsichtlich der kurdischen Abstammung des Beschwerdeführers ist weiters auszuführen, er sei von den Behörden schlechter behandelt worden, dass sich entsprechend der Länderberichte die Situation für Kurden derart gestaltet, dass momentan keine aktuellen Berichte über die Lage der Kurden in der Türkei und damit keine von Amts wegen aufzugreifenden Anhaltspunkte dafür existieren, dass gegenwärtig Personen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit einer asylrelevanten - sohin auch einer maßgeblichen Intensität erreichenden - Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen sein würden. Gründe, warum die türkischen Behörden ein nachhaltiges Interesse gerade an der Person des Beschwerdeführers haben sollten, wurden von diesem nicht bzw nicht glaubwürdig vorgebracht.
Hinsichtlich der behaupteten Mitgliedschaft in der HADEP bzw DEHAP ist noch festzuhalten, dass dem deutschen Auswärtige Amt kein Fall bekannt geworden ist, in dem die einfache Mitgliedschaft in der HADEP oder in der DEHAP - ohne besondere, z.B. strafrechtlich relevante Verdachtsmomente - zu Repressalien gegen die Betreffenden geführt hätte. Dass er in einer der beiden kurdischen Parteien eine besondere Stellung, abgesehen vom Verteilen von Büchern, innegehabt habe, wurde vom Beschwerdeführer nicht dargetan.
Hinsichtlich der schulischen Ausbildung des Beschwerdeführers muss festgehalten werden, dass dieser ausführte, dass er nur vielleicht drei Jahre Volksschule besucht habe und aufgrund der Unterdrückung im Heimatdorf seine Schulausbildung abbrechen habe müssen. Dies ist jedoch insofern nicht plausibel, zumal der Beschwerdeführer selbst ausführte, dass er nach der Übersiedelung der Familie im Jahr 1980 oder 1982 bis 1998 bei seinen Eltern bzw bei seiner Mutter in der Kreisstadt XXXX gelebt und er mit 18 Jahren das Elternhaus verlassen habe. Auf diese Unplausibilität in der Beschwerdeverhandlung angesprochen meinte der Beschwerdeführer lapidar, dass er sich an seine Schulzeit nicht mehr erinnern könne. Dies vermag den Asylgerichtshof nicht zu überzeugen, weshalb jedenfalls nicht davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer lediglich über eine dreijährige Schulbildung verfügt.
Der VwGH hat in ständiger Judikatur erkannt, dass für die Glaubhaftmachung der Angaben des Fremden es erforderlich ist, dass er die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, 95/21/0294, 95/18/1291) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH05.04.1995, 93/18/0289), wobei zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des "Glaubhaft-Seins" der Aussage des Asylwerbers selbst wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 23.01.1997, 95/20/0303,0304).
Damit ist die Pflicht des Antragstellers verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der Voraussetzungen für eine Asylgewährung spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Insoweit trifft den Antragsteller eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 11.11.1991, 91/19/0143, 13.04.1988, 86/01/0268).
Der Antragsteller hat daher das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH26.06.1997, 95/18/1291 uva). Gerade dies ist dem Beschwerdeführer aber definitiv nicht gelungen. Was das Schreiben, welches vom Beschwerdeführer bereits vor dem Bundesasylamt in Vorlage gebracht wurde und aus dem hervorgeht, dass gegen unbekannte Täter ermittelt werde, die Molotowcocktails auf die Straße geschossen hätten, anbelangt, so ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass sich daraus nicht ableiten lässt, dass sich die Ermittlungen gegen den Beschwerdeführer richten würden.
Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in der Türkei keiner Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt war.
Der Beschwerdeführer führte im Rahmen der Beschwerdeverhandlung weiters aus, dass er ein einfaches Mitglied des XXXX und des XXXX sei und an Demonstrationen teilnehmen würde. Überdies sei er dabei einmal von einem türkischen Journalisten gemeinsam mit anderen Personen fotografiert worden und sei dieses Bild in der Zeitung XXXX im Jahr 2007 erschienen. Aus diesem Grund führte er eine Rückkehr in die Türkei. Darüber hinaus legte er auch noch zahlreiche andere Bilder, die den Beschwerdeführer als Teilnehmer von Demonstrationen zeigen, vor.
Dazu ist grundsätzlich auszuführen, dass nur türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, Gefahr laufen, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Es ist davon auszugehen, dass sich eine mögliche strafrechtliche Verfolgung durch den türkischen Staat insbesondere auf Personen bezieht, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden. Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind nach türkischem Recht nur dann strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen gemäß der gültigen Fassung des türkischen Strafgesetzbuches gewertet werden können. Nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts haben die türkischen Strafverfolgungsbehörden in der Regel nur ein Interesse an der Verfolgung im Ausland begangener Gewalttaten bzw. ihrer konkreten Unterstützung.
Bei den in Vorlage gebrachten Bildern, auf welchen der Beschwerdeführer als Teilnehmer von Demonstrationen zu sehen ist, handelt es sich offensichtlich um Privatfotos, die zu Erinnerungszwecken (oder für die Vorlage in einer Beschwerdeverhandlung) aufgenommen wurden. Aus diesen Bildern lässt sich auch keine iSd obigen Ausführungen exponierte Stellung des Beschwerdeführers innerhalb der jeweiligen Demonstrationen erkennen. Auch aus den Angaben des Beschwerdeführers selbst vermag der Asylgerichtshof keine hervorgehoben Stellung innerhalb der beiden kurdischen Vereine erkennen, die den Beschwerdeführer für die türkischen Sicherheitsbehörden interessant machen könnte. Ebenso verhält es sich mit dem in der Zeitung XXXX aus dem