Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Klaus Stühlinger über die Berufung von Frau A P, geb. am, U T, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 20.08.2010, GZ.: BHDL-15.1-2628/2010, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 erster Fall VStG eingestellt.
Auf Grundlage des der gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständigen Berufungsbehörde vorliegenden Verfahrensaktes der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit dem im Spruch dieses Bescheides näher bezeichneten Straferkenntnis vom 22.08.2010 war über Frau A P wegen Übertretung des § 3 b Abs 1 Steiermärkisches Landes-Sicherheitsgesetz 2005 (StLSG) eine Geldstrafe von ? 100,00, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag, verhängt worden, da sie als Halterin einer Golden Retriever-Hündin diese nicht so verwahrt hätte, dass diese am 15.02.2010 um 16.30 Uhr das Grundstück Lannach, Untere-Teiplbergstraße , nicht verlassen konnte, da sich die Hündin zu diesem Zeitpunkt in Lannach im Bereich Hauptplatz aufgehalten hätte, obwohl der Halter eines Tieres dieses in einer Weise zu beaufsichtigen oder zu verwahren hätte, dass dritte Personen weder gefährdet noch unzumutbar belästigt würden.
Dieses Straferkenntnis wird im Wesentlichen damit begründet, die Übertretung sei durch die Anzeige der Polizeiinspektion Lannach erwiesen, auch hätte der als Zeuge einvernommene Meldungsleger angegeben, der Hund, der zutraulich gewesen sein soll, hätte zwar keinen Maulkorb gehabt, sei jedoch ohne Probleme zur Polizeiinspektion Lannach mitgegangen, von wo er von einem Mitglied der Familie P abgeholt worden wäre.
Gegen dieses Straferkenntnis hat Frau A P fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung eingebracht und diese nach entsprechender Aufforderung damit begründet, sie könne sich nicht vorstellen, dass der angetroffene Hund ihrer wäre, es gäbe in Lannach mehrere Hunde der gleichen Rasse.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark ist bei seiner Entscheidung, die gemäß § 51e Abs 2 Z 1 erster Fall VStG auf Grund der Aktenlage ohne Durchführung einer Verhandlung getroffen werden konnte, von folgenden Erwägungen ausgegangen:
Gemäß der Bestimmung des § 66 Abs 4 AVG, welche gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches, als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung.
Gemäß § 51e Abs 2 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben oder der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen, zu welcher die Parteien und eventuell Sachverständige und Zeugen zu laden sind. Die Durchführung der beantragten Berufungsverhandlung konnte entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage festzustellen ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen. Gemäß § 45 Abs 2 AVG hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Weiters sind gemäß § 25 Abs 2 VStG die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.
Der im § 45 Abs 2 AVG genannte Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist in Zusammenhalt mit den bereits erwähnten Grundsätzen der Unmittelbarkeit des Verfahrens und der materiellen Wahrheitsforschung zu sehen. Voraussetzung für eine gesetzmäßige Beweiswürdigung ist ein ausreichend durchgeführtes Ermittlungsverfahren, in welchem die Parteien ihre Rechte geltend machen können. Diese Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörde, den Sachverhalt von sich aus festzustellen, begründet als Folgewirkung die Tatsache, dass ein verwaltungsstrafrechtlicher Schuldspruch nur dann erfolgen kann, wenn der in Frage stehende Sachverhalt als absolut sicher festzustellen ist. Voraussetzung dafür wiederum ist eine entsprechende Beweissicherung bzw. die Möglichkeit, eine solche durchzuführen.
§ 3 b Abs 1 und Abs 3 StLSG:
Die Halterinnen/Halter oder Verwahrerinnen/Verwahrer von Tieren haben diese in einer Weise zu beaufsichtigen oder zu verwahren, dass dritte Personen weder gefährdet noch unzumutbar belästigt werden.
Hunde sind an öffentlich zugänglichen Orten, wie auf öffentlichen Straßen oder Plätzen, Gaststätten, Geschäftslokalen und dergleichen, entweder mit einem um den Fang geschlossenen Maulkorb zu versehen oder so an der Leine zu führen, dass eine jederzeitige Beherrschung des Tieres gewährleistet ist.
Die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ergibt auf Grundlage dieser gesetzlichen Bestimmungen, dass die Berufungswerberin die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat. Aus der Tatsache, dass sich ihre Hündin am 15.02.2010 um 16.30 Uhr im Bereich des Hauptplatzes von Lannach aufgehalten hat, ergibt sich in keiner Weise, dass dadurch dritte Personen gefährdet oder unzumutbar belästigt worden wären. Diesbezügliche Sachverhaltsfeststellungen finden sich im von der Erstinstanz durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht, im Übrigen wäre vielmehr zu überprüfen gewesen, ob eine Übertretung des § 3 b Abs 2 StLSG vorliegt; da eine diesbezügliche Abänderung des Straferkenntnisses durch die Berufungsbehörde jedoch eine unzulässige Auswechslung der Tat wäre (vgl. VwGH 24.04.2008, 2007/07/0124), war im Sinne der angeführten gesetzlichen Bestimmungen spruchgemäß zu entscheiden.