E5 313.515-1/2008-21E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Kloibmüller als Vorsitzende und den Richter Mag. HABERSACK als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, StA. Türkei, vertreten durch Dr. KLODNER, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.06.2007, Zl. 05 22.987-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.11.2010 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 AsylG 1997 und § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I.1.Verfahrensgang:
I.1.1. Der Beschwerdeführer gab an, ein Staatsangehöriger der Türkei kurdischer Abstammung zu sein. Nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 20.12.2005 stellte der Beschwerdeführer am 27.12.2005 schriftlich durch seinen Vertreter gegenständlichen Asylantrag. Hiezu wurde er am 26.01.2006 sowie am 27.03.2007 niederschriftlich vor dem Bundesasylamt einvernommen.
Im Wesentlichen brachte der Beschwerdeführer zu den Gründen seiner Ausreise vor, dass er während der Ableistung seines Militärdienstes sehr schlimme Dinge erlebt habe, die ihn sehr stark beeinträchtigt hätten. Nach Beendigung seines Militärdienstes habe er darüber etwa im November 2005 einem lokalen Radiosender in XXXX ein Interview gegeben. Danach sei es zu telefonischen Drohungen und sei er von zivilen Fahrzeugen beobachtet und überwacht worden. Auch sei eines Tage der ehemalige Kommandant des Beschwerdeführers gekommen und habe versucht herauszufinden, welche Beweise der Beschwerdeführer habe bzw habe er versucht, den Beschwerdeführer zur Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst gegen Geld zu überreden. Des Weiteren brachte der Beschwerdeführer Fotos in Vorlage und führte dazu erklärend aus, dass diese während seiner Militärdienstzeit entstanden seien, als es Mitte Juni 2005 einen Einsatz gegen PKK Mitglieder in XXXX gegeben habe.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.06.2007, Zl. 05 22.987-BAL, wurde der Antrag auf Gewährung von Asyl gemäß § 7 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei für zulässig erklärt. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen.
Im Wesentlichen wurde vom Bundesasylamt das Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubwürdig und somit als nicht asylrelevant bewertet.
Dieser Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt, wogegen fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) erhoben und im Wesentlichen das erstinstanzliche Vorbringen des Beschwerdeführers wiederholt wurde.
I.1.2. Am 07.04.2008 führte der Unabhängige Bundesasylsenat in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentlich mündliche Verhandlung durch, welche zur Einholung eines Sachverständigengutachtens vertagt wurde.
I.1.3. Mit Einrichtung des Asylgerichtshofes wurde das Asylverfahren der Abteilung E5 zugeteilt, weshalb eine Neudurchführung des Verfahrens notwendig war.
Aus diesem Grund führte der Asylgerichtshof am 24.11.2010 in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentlich mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde dem Beschwerdeführer einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung in der Türkei anhand vorliegender Länderdokumentationsunterlagen erörtert.
Bis zum Entscheidungszeitpunkt langte beim Asylgerichtshof kein Sachverständigengutachten ein.
I.2. Sachverhalt:
I.2.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe und alevitischen Glaubens. Er wurde im Dorf XXXX, nahe dem Zentrum von XXXX geboren, wo er auch aufwuchs. Der Beschwerdeführer besuchte in der Stadt XXXX die Volks- und Hauptschule sowie das Lyzeum, welches er jedoch aus wirtschaftlichen bzw finanziellen Gründen nicht abschloss. Von 2004 bis XXXX leistete der Beschwerdeführer seinen Militärdienst ab. Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Ausreise mit seinen Eltern und Geschwistern in einer Mietwohnung in der Stadt XXXX und verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Kellner.
In der Türkei sind nach wie vor die Eltern des Beschwerdeführers, welche noch in der Mietwohnung in der Stadt XXXX wohnen, drei Schwestern und ein Bruder aufhältig. Der Vater des Beschwerdeführers bezieht eine Pension und seine Mutter arbeitet als Reinigungskraft. Der Bruder des Beschwerdeführers besucht eine Schule und zwei der drei Schwestern gehen einer Arbeit nach. Der Beschwerdeführer steht zu seiner in der Türkei lebenden Familie in telefonischem Kontakt.
In Österreich lebt ein älterer Bruder des Beschwerdeführers, der mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet ist und der über einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt. Des Weiteren hat der Beschwerdeführer am XXXX eine österreichische Staatsbürgerin, welche türkische Wurzeln besitzt, geheiratet. Der Beschwerdeführer ging bisher insgesamt etwa 10 Monate lang einer Beschäftigung im Bundesgebiet nach, wobei die Zeiten unter anderem durch den Bezug von staatlichen Unterstützungen unterbrochen wurden. Die Ehegattin des Beschwerdeführers arbeitet als Verkäuferin und finanziert unter anderem das Leben der Familie. Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Ehegattin in einer Mietwohnung, wobei die Miete, wenn der Beschwerdeführer keiner Arbeit nachgeht, von der Ehegattin des Beschwerdeführers beglichen wird. In seiner Freizeit besucht der Beschwerdeführer den XXXX, ohne ein Mitglied zu sein, und nimmt an kulturellen und sportlichen Aktivitäten teil. Der Freundeskreis des Beschwerdeführers setzt sich vorwiegend aus Kurden zusammen. Des Weiteren beherrscht der Beschwerdeführer kaum die deutsche Sprache und hat er bisher einen Deutschkurs besucht.
Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des LG XXXX vom XXXX wegen des Vergehens des Raufhandels gemäß § 91 Abs. 1 1. Fall StGB zu einer bedingten Geldstrafe in der Höhe von 280 ¿ verurteilt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in der Türkei eine asylrelevante - oder sonstige - Verfolgung oder Strafe maßgeblicher Intensität oder die Todesstrafe droht oder dem Beschwerdeführer in der Türkei die Existenzgrundlage völlig entzogen wäre. Es ergaben sich auch nach Prüfung gemäß Art. 8 EMRK im vorliegenden Fall keine gegen die vorgesehene Ausweisung bestehenden Hinderungsgründe.
I.2.2. Zur Lage in der Türkei wird festgestellt:
Überblick
Die Republik Türkei ist eine parlamentarische Republik und definiert sich in ihrer Verfassung (Art. 2) als demokratischen, säkularen und sozialen Rechtsstaat auf der Grundlage der Ideen des öffentlichen Friedens, nationaler Solidarität und Gerechtigkeit sowie der Menschenrechte und als besonders verpflichtet den Grundsätzen ihres Gründers Atatürk. Staatsoberhaupt mit weitgehend repräsentativer Funktion ist der Staatspräsident, die politischen Geschäfte führt der Premierminister. Durch Referendum vom 21.10.2007 wurde die Verfassung dahingehend geändert, dass der Staatspräsident künftig nicht mehr vom Parlament, sondern vom Volk gewählt wird. Die rechtliche Entwicklung der vergangenen Jahre ist gekennzeichnet durch einen tiefgreifenden Reformprozess, der wesentliche Teile der Rechtsordnung (besonders im Strafrecht, aber auch im Zivil- oder Verfassungsrecht) erfasst hat und auf große Teile der Gesellschaft ausstrahlt. Die Regierung hat mehrfach, zuletzt während der 8. Beitrittskonferenz in Brüssel am 21. Dezember 2009 ein klares Bekenntnis zum Ziel der EU-Vollmitgliedschaft abgegeben und angekündigt, den Reformprozess zu beschleunigen.
Meinungsfreiheit
Die Meinungsfreiheit wird durch die Anwendung verschiedener Gesetze (insbesondere Strafgesetzbuch, Anti-Terror-Gesetz) eingeschränkt. Schriftliche wie mündliche Aussagen, die die PKK (z.B. Bezeichnung der PKK als "Guerrilla"), den PKK-nahen Fernsehsender ROJ-TV oder den inhaftierten Abdullah Öcalan (z.B. "Verehrter Öcalan") in ein positives Licht stellen, werden strafrechtlich verfolgt. Themen wie Militär, die Armenierfrage und die Kurdenproblematik können inzwischen überwiegend ohne rechtliche Konsequenzen im öffentlichen Raum angesprochen werden. So lehnte es die Staatsanwaltschaft Ankara Anfang 2009 ab, Unterzeichner einer Internetkampagne, die von türkischen Intellektuellen zur Entschuldigung gegenüber den armenischen Opfern von 1915 eingerichtet worden war, strafrechtlich zu verfolgen. Ein Urteil des obersten Zivilgerichts gegen den Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk wegen seiner Äußerung zu Morden an Armeniern und Kurden (Oktober 2009) eröffnet jedoch den zivilrechtlichen Weg des Schadensersatzes bei Aussagen, die Kläger in ihrer Eigenschaft als türkische Staatsangehörige in ihrem Ehrempfinden verletzen. Kritik, Infragestellung oder Ironisierung des Staatsgründers Kemal Atatürk läuft weiterhin Gefahr, zur Anzeige gebracht und von Staatsanwälten auch strafrechtlich verfolgt zu werden.
Insbesondere im Südosten kommt es vor, dass Meinungsäußerungen bzw. die Teilnahmen an einer Demonstration bei öffentlichen Stellen wie der Polizei oder dem Gemeindeamt registriert werden. Dies kann in der Folge zur Diskriminierung bei der Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen führen (z.B. Bezug von Sozialleistungen über die Grüne Karte).
Politische Opposition
Politisch Oppositionelle werden nicht systematisch verfolgt. Die Arbeit der oppositionellen prokurdischen und in Teilen PKK-nahen DTP (Demokratik Toplum Partisi) wurde jedoch seit ihrem Bestehen ebenso wie ihre Vorgängerorganisationen von Seiten der Justiz durch Verfahren behindert, die die Meinungsfreiheit oder die politische Betätigungsfreiheit der DTP-Abgeordneten oder -Mitglieder einschränken. Nach zwei vornehmlich gegen DTP-und DTP-nahe Gewerkschaftsmitglieder gerichteten Verhaftungswellen am 15.und 28.05.2009 folgten im September, Oktober, Dezember 2009 und Januar 2010 weitere Verhaftungen. Dabei wurden über 800 Personen wegen angeblich terroristischer Aktivität im Rahmen der PKK-nahen Organisation (Kurdistan-Parlament, KCK) in Gewahrsam genommen. Das 2007 gegen die Partei eingeleitete Verbotsverfahren wurde am 11.12.2009 abgeschlossen. Die Partei wurde wegen ihrer Verbindungen zur terroristischen PKK verboten, gegen 37 DTP-Mitglieder (Antrag betraf 221 Personen) wurde wegen "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung" ein politisches Betätigungsverbot ausgesprochen. Zwei der betroffenen DTP-Mitglieder sind Abgeordnete im Parlament.
Dem Auswärtige Amt ist kein Fall bekannt geworden, in dem die einfache Mitgliedschaft in der HADEP oder in der DEHAP - ohne besondere, z.B. strafrechtlich relevante Verdachtsmomente - zu Repressalien gegen die Betreffenden geführt hätte.
Exilpolitische Aktivitäten
Nur türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, laufen Gefahr, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Insbesondere Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden, müssen mit strafrechtlicher Verfolgung durch den türkischen Staat rechnen.
Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind nach türkischem Recht nur dann strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen nach dem türkischen Strafgesetzbuch gewertet werden können.
Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis
Die Entwicklung der vergangenen Jahre ist gekennzeichnet durch einen tiefgreifenden Reformprozess, der wesentliche Teile der Rechtsordnung (besonders im Strafrecht, aber auch im Zivil- oder Verfassungsrecht) erfasst hat und auf große Teile der Gesellschaft ausstrahlt. Die türkische Regierung hat zuletzt im Rahmen des 47. Assoziationsrates der EG mit der Türkei in Brüssel am 19. Mai 2009 ein klares Bekenntnis zum Ziel der EU-Vollmitgliedschaft abgegeben und angekündigt, den Reformprozess zu beschleunigen.
Das türkische Recht sichert die grundsätzlichen Verfahrensgarantien im Strafverfahren. Die Unabhängigkeit der Justiz ist in der Verfassung verankert (Art. 138). Für Entscheidungen u. a. über Verwarnungen, Versetzung oder den Verbleib im Beruf ist der Hohe Rat der Richter und Staatsanwälte unter Vorsitz des Justizministeriums zuständig (Verhandlung in geschlossenen Verfahren; ohne gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit). Seit 2008 hat sich die vormals zögerliche Haltung bezüglich der Verfolgung von Soldaten, Gendarmen und Polizeibeamten nachweisbar verbessert. Allerdings kommt es vor allem mangels Kooperation der Behörden bei der Tatsachenfeststellung nur in wenigen Einzelfällen tatsächlich zu Verurteilungen.
Dem Auswärtigen Amt sind in jüngster Zeit keine Gerichtsurteile auf Grundlage von durch die Strafprozessordnung verbotenen, erpressten Geständnissen bekannt geworden. Anwälte berichten, dass Festgenommene in einigen Fällen durch psychischen Druck verleitet werden, Aussagen zu machen. Bekannt ist auch, dass Erkenntnisse aus unzulässigen Telefonüberwachungen in Strafverfahren Eingang finden. Human Rights Watch weist in diesem Zusammenhang auf den nachlässigen Umgang mit Beweismitteln hin. 2008 sei es wiederholt zu Vertuschungsversuchen, Zerstörung und Unterdrückung von Beweisen bzw. Behinderung der staatsanwaltlichen Ermittlungen gekommen. Ähnliche Erkenntnisse ergeben sich aus der Beobachtung von Gerichtsverfahren durch die Botschaft Ankara.
Reformierte Strafrechtsnormen werden von den Gerichten auch in Fällen mit Terrorbezug und Separatismusvorwürfen grundsätzlich rechtsstaatskonform angewandt. Im Mai 2009 wurden vier Anwälte des Menschenrechtsvereins IHD kurzfristig aufgrund von Terrorismusvorwürfen verhaftet. Dabei wurden auch Unterlagen von Klienten beschlagnahmt. Das Recht auf sofortigen Zugang zu einem Rechtsanwalt innerhalb von 24 Stunden ist grundsätzlich gewährleistet. Das Recht auf kostenlose Rechtsberatung bei Schuldvorwürfen mit einem Strafrahmen bis 5 Jahre wurde 2006 (mit Blick auf den Mangel an dafür geeigneten Rechtsberatern) eingeschränkt. Seit Dezember 2006 kann die kostenlose Rechtsberatung nur derjenige in Anspruch nehmen, der einem Tatvorwurf mit Strafandrohung von mindestens fünf Jahren ausgesetzt ist.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) spielt in der Türkei eine wichtige Rolle: Zum einen, weil er als Ersatz für die im türkischen Recht fehlende Verfassungsbeschwerde angesehen und daher in vielen Fällen nach Ausschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges angerufen wird; zum anderen ist die EMRK aufgrund einer entsprechenden Verfassungsbestimmung nationalem Recht vorrangig und direkt anwendbar.
Die Zahl der Beschwerden, die im Zusammenhang mit mutmaßlichen Folterfällen stehen, ist nach Angaben von Menschenrechtsverbänden 2009 landesweit zurückgegangen. Aus den vorliegenden Statistiken lassen sich jedoch keine Rückschlüsse ziehen, da längst nicht alle potentiellen Hinweise auf Folter durch die Menschenrechtsorganisationen überprüft und bestätigt werden konnten und die Erfassung in unterschiedlicher, teils sehr stark voneinander abweichender Weise gehandhabt wird. Bei einem statistischen Vergleich muss zudem berücksichtigt werden, dass gerade durch die "Null-Toleranz-Politik" die Sensibilität für das Thema erheblich zugenommen hat. Die aus Sicht des Auswärtigen Amtes verlässlichsten Zahlen stammen von der Menschenrechtsstiftung der Türkei, TIHV. In der Gesamtzahl berichtet TIHV von einer leichten Abnahme der bei ihnen behandelten Fälle von Folter und Misshandlung. Bis Ende November 2009 wurden insgesamt 252 Personen registriert, die im selben Jahr gefoltert oder unmenschlich behandelt wurden (2008: 269, 2007: 320; 2006: 222).
Sippenhaft
In der Türkei gibt es keine "Sippenhaft" in dem Sinne, dass Familienmitglieder für die Handlungen eines Angehörigen strafrechtlich verfolgt oder bestraft werden. Die nach türkischem Recht aussagepflichtigen Familienangehörigen - etwa von vermeintlichen oder tatsächlichen PKK-Mitgliedern oder Sympathisanten - werden allerdings zu Vernehmungen geladen, z.B. um über den Aufenthalt von Verdächtigen befragt zu werden. Werden Ladungen nicht befolgt, kann es zur zwangsweisen Vorführung kommen.
Dem Auswärtigen Amt liegen keine Anhaltspunkte vor, dass Personen, die in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben und die zB eine strafrechtliche Verfolgung oder Gefährdung durch "Sippenhaft" in der Türkei behaupten, bei Rückkehr in die Türkei einer Gefährdung durch Folter oder Misshandlungen allein aufgrund der Tatsache droht, dass ein Asylantrag gestellt wurde.
Staatliche Repressionen
Es gibt keine Anhaltspunkte für eine systematische Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, sozialen Gruppe oder allein wegen ihrer politischen Überzeugung. Es kommt jedoch zu staatlichen repressiven Maßnahmen in unterschiedlichen Bereichen.
Repressionen Dritter
In der Türkei gibt es zahlreiche militante religiöse Gruppierungen wie die türkische Hizbullah, die "Front der Vorkämpfer des Großen Ostens" (IBDA-C) und linksradikale, terroristische Gruppierungen wie die DHKP-C (Devrimci Halk Kurtulus Partisi - Cephesi - "Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front") bzw. die TKP-ML (Türkiye Komünist Partisi / Marksist Leninist) oder die linksterroristische MLKP (Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei). Trotz der andauernden Bedrohung der nationalen Sicherheit durch Teile dieser Gruppierungen kann davon ausgegangen werden, dass sie keine Repressionen gegenüber einer bestimmten Personengruppe wegen ihrer Rasse, Nationalität, Religion oder politischen Überzeugung ausüben.
Kurden
Neben den offiziell anerkannten religiösen Minderheiten gibt es folgende ethnische Gruppen: Kurden (ca. 13-15 Mio.), Kaukasier (6 Mio, davon 90% Tscherkessen), Roma (ca. 2 Mio.), Lasen (zwischen 750.000 und 1,5 Mio.) und andere Gruppen in kleiner und unbestimmter Anzahl (Araber, Bulgaren, Bosnier, Pomaken und Albaner). Türkische Staatsbürger kurdischer und anderer Volkszugehörigkeit sind aufgrund ihrer Abstammung keinen staatlichen Repressionen unterworfen. Aus den Ausweispapieren, auch aus Vor- oder Nachnamen, geht in der Regel nicht hervor, ob ein türkischer Staatsbürger kurdischer Abstammung ist (Ausnahme: Kleinkindern dürfen seit 2003 kurdische Vornamen gegeben werden). Die meisten Kurden sind in die türkische Gesellschaft integriert, viele auch assimiliert. In Parlament, Regierung und Verwaltung sind Kurden ebenso vertreten wie in Stadtverwaltungen, Gerichten und Sicherheitskräften. Ähnlich sieht es in Industrie, Wissenschaft, Geistesleben und Militär aus.
Der private Gebrauch des Kurdischen, d.h. der beiden in der Türkei vorwiegend gesprochenen kurdischen Sprachen Kurmanci und Zaza, ist in Wort und Schrift keinen Restriktionen ausgesetzt, der amtliche Gebrauch ist allerdings noch eingeschränkt. Kurdischunterricht und Unterricht in kurdischer Sprache an öffentlichen Schulen sind nicht erlaubt. Durch die verfassungsrechtliche Festschreibung von Türkisch als der einzigen Nationalsprache und dem damit einhergehenden Verbot für Behörden und Parteien, eine andere Sprache als Türkisch zu verwenden, wird die politische Betätigung von Kurden, aber auch anderer ethnischer Gruppen, eingeschränkt und ihnen die Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen erschwert. Eine positive Entwicklung ist der neu geschaffene staatliche TV-Sender TRT 6, der seit Anfang 2009 ein 24-Stunden-Programm in kurdischer Sprache sendet. Zudem hob im November die staatliche Fernseh- und Rundfunkanstalt die bisher geltenden Beschränkungen für Privatfernsehen in "Sprachen und Dialekten, die traditionell von türkischen Bürgern im Alltag gesprochen werden" auf. Seit 2004 war es möglich wöchentlich vier Stunden im Privatfernsehen und sechs Stunden im Privatradio zu senden.
An der privaten Istanbuler Bilgi Universität wurde ab dem WS 2009 Kurdischunterricht als Wahlfach eingerichtet. An der Universität in Mardin wurde die Einrichtung eines "Instituts für lebende Sprachen" (u.a. für Kurdisch) durch den Hochschulrat beschlossen; für weitere Universitäten (Ankara; Istanbul) wird dies diskutiert.
Kurdische Arbeiterpartei (PKK)
Die Kurdenfrage ist eng verflochten mit dem jahrzehntelangen Kampf der türkischen Staatsgewalt gegen die von Abdullah Öcalan gegründete "Kurdische Arbeiterpartei" (PKK) und ihre terroristischen Aktionen. Das in Deutschland und der EU bestehende Verbot der Terrororganisation PKK erstreckt sich auch auf die Nachfolgeorganisationen unter anderem Namen. Die Stärke der PKK in der Türkei/Nordirak wird aktuell auf noch 5.000 - 5.500 Kämpfer geschätzt, davon ca. zwei Drittel im Nordirak. Von 2002 bis 2004 hatte sich die Terrororganisation PKK mehrfach umbenannt (KADEK/KHK/KONGRA-GEL). Mittlerweile ist sie zu ihrer alten Bezeichnung PKK zurückgekehrt. Für die von ihr selbst als politisch bezeichnete Betätigung im Ausland hat sie jedoch die Bezeichnung KONGRA-GEL beibehalten. Ihr Anführer, der zu lebenslanger Haft verurteilte Abdullah Öcalan, befindet sich seit 1999 im Gefängnis auf der Insel Imrali im Marmara Meer. Kurdischen Quellen zufolge soll sich die PKK wieder verstärkt der Anwerbung "junger Kämpfer" widmen. Nach Berichten PKK nahe stehender Medien sind zahlreiche neue Guerillakämpfer in die Reihen der "Volksverteidigungskräfte" HPG aufgenommen und danach in ihre Einsatzgebiete entsandt worden.
Weiterhin sind Spannungen in den kurdisch geprägten Regionen im Südosten des Landes zu verzeichnen. Die türkischen Militäroperationen gegen PKK-Einrichtungen im Nordirak dauern an; sie stützen sich inzwischen auf eine Kooperation mit den USA und Irak. Türkische Streitkräfte und die Regierung weisen häufiger darauf hin, dass die PKK Rekrutierungsschwierigkeiten habe und den Rückhalt in der Bevölkerung verliere. Beides lässt sich bisher jedoch nicht mit konkreten Zahlen belegen. PKK-interne Opposition (Ungehorsam, Befehlsverweigerung etc.) und Abfall (Desertion) von der PKK werden von dieser konsequent sanktioniert. Es gibt Hinweise auf Zwangsrekrutierungen durch die PKK, die allerdings nicht nachzuweisen sind.
Allerdings sehen Regierung und Militär, dass die Probleme im Südosten nicht allein mit militärischen Mitteln zu überwinden sind. Auf wirtschaftlichem und kulturpolitischem Gebiet hat die Regierung zahlreiche Anstrengungen zur Verbesserung der Lage der Kurden unternommen. Neben der Einführung kurdischsprachiger Sendungen im staatlichen Fernsehen ist die von Staatspräsident Gül und Ministerpräsident Erdogan im Mai 2009 angekündigte "Demokratische Öffnung" (zuvor "Kurdische Öffnung") von besonderer Bedeutung. Diese zielt insbesondere auf eine Lösung der Probleme des Südostens und beinhaltet politische, wirtschaftliche und soziokulturelle Maßnahmen. Die volle Umsetzung der von der Regierung angestrebten Öffnungspolitik gegenüber den Kurden hängt stark davon ab, ob die mächtigen Beharrungskräfte im Oppositionslager sowie in den Bereichen Militär, Justiz und Polizei letztlich mitziehen oder gegensteuern.
Aleviten
Mit schätzungsweise 15 Millionen Anhängern bilden die Aleviten nach den Sunniten die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft. Sie werden nicht als separate Konfession bzw. Glaubensgemeinschaft anerkannt, können sich aber als Verein organisieren. 2009 hat die Regierung erstmals eine Serie von Treffen mit Vertretern der alevitischen Gruppen, aber auch Theologen, Nichtregierungsorganisationen, Intellektuellen und Journalisten zu diesem Thema organisiert. Geplant ist, im Februar 2010 dem Ministerrat eine "road map" vorzulegen, welche die Probleme der Aleviten aufgreift. Staatspräsident Gül hat mit seinem Besuch im Cem-Haus (religiöser Treffpunkt der Aleviten) im stark von Aleviten besiedelten Tunceli (Dersim) im November 2009 bereits einen symbolischen Beitrag geleistet. Bereits seit 2008 haben verschiedene Stadtverwaltungen den alevitischen Cem-Häusern die Gleichstellung mit Moscheen (insbesondere verminderte Wasser- und Stromkosten) ermöglicht. Ebenso wie die Religionsbehörde Diyanet erkennen aber nicht alle Stadtverwaltungen die alevitischen Gotteshäuser als religiöse Stätten an.
Auch wenn die Aleviten ihre Religion entsprechend der Gewährleistung in Art. 24 der türkischen Verfassung weit gehend unbehindert ausüben können, sehen sie sich aufgrund des Fehlens einer eigenen Rechtspersönlichkeit doch schwerwiegenden - ihrer Art und Intensität nach aber nicht asylerheblichen - bürokratischen Hemmnissen ausgesetzt. So können sie Grundeigentum, etwa zur Errichtung von Gebetshäusern (Cemevleri, Cem-Häuser), allenfalls über Kulturstiftungen und -vereine erwerben; dies dürfte aufgrund der jüngsten Änderungen des Vereinsrechts einfacher werden. Probleme ergeben sich auch bei der Ausbildung von Geistlichen sowie bei der Erteilung von Unterricht. Der religiöse Pflichtunterricht an den staatlichen Schulen berücksichtigt nichtsunnitische Bekenntnisse nicht. Bemühungen alevitischer Organisationen um Einbeziehung alevitischer Inhalte in die Curricula der staatlichen Schulen sind an dem durch das Erziehungsministerium vertretenen Argument gescheitert, es handle sich dabei um eine Form von religiösem Separatismus. Insoweit ist ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängig.
Die Aleviten selbst unterstützen den von Atatürk begründeten türkischen Laizismus und fordern eine echte Trennung von Staat und Religion; traditionell neigen sie dazu, sich liberalen und links gerichteten politischen Parteien und Strömungen anzuschließen. Auch wegen ihrer politischen Orientierung sehen sich Aleviten deshalb leicht dem Verdacht einer staatsfeindlichen Gesinnung ausgesetzt.
Von radikalen Sunniten werden die Aleviten sogar als Abtrünnige angesehen, und auch die rechtsgerichteten und rechtsradikalen Kräfte in der Türkei begegnen ihnen mit Feindschaft. So ist es in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach zu gewalttätigen Übergriffen auf Aleviten gekommen, ohne dass die Sicherheitskräfte mit dem nötigen Nachdruck eingegriffen hätten, nämlich in den Jahren 1967 und 1993 in Sivas, im Jahr 1978 in Kahramanmaras und Corum und zuletzt im Jahr 1995 in Istanbul. Derartige gewalttätige Ausschreitungen gegenüber Aleviten oder anderen religiösen Minderheiten haben sich in den zurückliegenden Jahren indessen nicht wiederholt.
Grundversorgung
Die Türkei kennt bisher keine staatliche Sozialhilfe die mit dem EU-Standard vergleichbar ist. Sozialleistungen für Bedürftige werden auf der Grundlage der Gesetze Nr. 3294 über den Förderungsfonds für Sozialhilfe und Solidarität (Sosyal Yardimlasma ve Dayanismayi Tesvik Kanunu) und Nr. 5263, Gesetz über Organisation und Aufgaben der Generaldirektion für Sozialhilfe und Solidarität (Sosyal Yardimlasma ve Dayanisma Genel Müdürlügü Teskilat ve Görevleri Hakkinda Kanun) gewährt. Die Sozialhilfeprogramme werden von den in 81 Provinzen und 850 Kreisstädten vertretenen Stiftungen für Sozialhilfe und Solidarität (Sosyal Yardimlasma ve Dayanisma Vakfi) ausgeführt und sind den Gouverneuren unterstellt.
Anspruchsberechtigt nach Art. 2 des Gesetzes Nr. 3294 sind bedürftige Staatsangehörige, die sich in Armut und Not befinden, nicht gesetzlich sozialversichert sind und von keiner Einrichtung der Sozialsicherheit ein Einkommen oder eine Zuwendung beziehen, sowie Personen, die durch eine kleine Unterstützung oder durch Gewährleistung einer Ausbildungsmöglichkeit gemeinnützig und produktiv werden können.
Die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung werden von Amts wegen geprüft. Leistungen werden gewährt in Form von Unterstützung der Familie (Nahrungsmittel, Heizmaterial, Unterkunft), Hilfen für die Ausbildung (Schülerbedarfsartikel, Unterkunft), Krankenhilfe, Behindertenhilfe sowie besondere Hilfeleistungen wie Katastrophenhilfe oder die Volksküchen. In einem im Jahr 2008 begonnenen Projekt sollen erstmals Bedürftigkeitskriterien für die einzelnen Leistungsarten entwickelt werden. Die Leistungen werden in der Regel als zweckgebundene Geldleistungen für neun bis zwölf Monate gewährt; in Einzelfällen entscheidet der Vorstand der Stiftung. In der Türkei existieren darüber hinaus weitere soziale Einrichtungen, die ihre eigenen Sozialhilfeprogramme haben.
Medizinische Versorgung
In der Türkei gibt es neben dem staatlichen Gesundheitssystem, das eine medizinische Grundversorgung garantiert, mehr und mehr leistungsfähige private Gesundheitseinrichtungen, die in jeglicher Hinsicht EU-Standards entsprechen. Auch das staatliche Gesundheitssystem hat sich in den letzten Jahren strukturell und qualitativ erheblich verbessert. Versorgungsdefizite - vor allem in den ländlichen Provinzen - bestehen aber noch bei der medizinischen Ausstattung, bei Ärzten und Krankenpflegern. In diesen Fällen besteht die Möglichkeit, die Patienten in Behandlungszentren der nächstgelegenen größeren Städte zu überweisen.
Das am 1. Oktober 2008 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Sozialversicherungsreform (Gesetz Nr. 5510) dehnt die gesetzliche Krankenversicherung auf alle Personengruppen, einschließlich der unter 18-Jährigen, aus. Ziel ist die Sicherstellung einer einheitlichen gesundheitlichen Versorgung aller Bürger mit im Wesentlichen gleichen Bezugsvoraussetzungen und Leistungsansprüchen für Angestellte, Rentner und Selbständige. Nach einer Übergangszeit von zwei Jahren (bis 30.09.2010) werden auch bisher unversicherte Mittellose, die die sog. "Grüne Karte" (Yesil Kart) für eine kostenlose medizinische Versorgung im staatlichen Gesundheitssystem nutzen, sowie bisher durch die Maschen des Systems fallende Personen, einbezogen.
Eine medizinische Versorgung sowie die Behandlungsmöglichkeit psychischer Erkrankungen ist grundsätzlich landesweit gegeben. In ländlichen Regionen müssen Patienten unter Umständen in Behandlungszentren größerer Städte überwiesen werden. Das Gesundheitswesen garantiert psychisch kranken Menschen umfassenden Zugang zu Gesundheitsdiensten und Beratungsstellen. Dauereinrichtungen für psychisch Kranke wie offene oder geschlossene Psychiatrien oder betreute Wohnheime gibt es jedoch nur in begrenzter Kapazität für chronische Fälle, in denen familiäre Unterstützung nicht gewährleistet ist oder die eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen. Auch bei der Behandlung psychischer Erkrankungen ist ein ständig steigender Standard festzustellen. Die Behandlung psychischer Erkrankungen einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) ist in allen Krankenhäusern der Türkei möglich, die über eine Abteilung für Psychiatrie verfügen. Für die Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) werden in der Türkei die international anerkannten Klassifikationssysteme ICD-10 und DSM-IV angewandt. Zu Behandlungskonzepten zählen u.a. Psychotherapie mit Entspannungstraining, Atemtraining, Förderung des positiven Denkens und Selbstgespräche, kognitive Therapie, Spieltherapie sowie Medikationen wie Antidepressiva und Benzodiazepine. Eine Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) ist grundsätzlich auch über die Menschenrechtsstiftung der Türkei (TIHV) möglich.
Behandlung von Rückkehrern
Bei der Einreise in die Türkei hat sich jeder einer Personenkontrolle zu unterziehen. Türkische Staatsangehörige, die ein gültiges türkisches, zur Einreise berechtigendes Reisedokument besitzen, können die Grenzkontrolle grundsätzlich ungehindert passieren. In Fällen von Rückführungen gestatten die türkischen Behörden die Einreise nur mit türkischem Reisepass oder Passersatzpapier.
Wenn bei der Einreisekontrolle festgestellt wird, dass für die Person ein Eintrag im Fahndungsregister besteht, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen. Ein Eintrag besteht nicht, wenn zuvor anhängige Ermittlungsverfahren oder eingeleitete Strafverfahren wegen Verjährung oder Amnestiebestimmungen eingestellt wurden oder die Person freigesprochen und ein Fahndungs- bzw. Haftbefehl aufgehoben wurde.
Wenn auf Grund eines Eintrages festgestellt wird, dass ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, wird die Person in Polizeigewahrsam genommen. Ein Anwalt wird zur Durchführung des Verhörs, bei welchem der Festgenommene zu den schriftlich vorliegenden Anschuldigungen gehört wird, hinzugezogen. Der Festgenommene wird ärztlich untersucht. Das Verhör wird durch den Staatsanwalt oder durch einen von ihm bestimmten Polizeibeamten im Namen der Staatsanwaltschaft vorgenommen. Der Festgenommene darf zunächst 24 Stunden festgehalten werden. Eine Verlängerung dieser Frist auf 48 Stunden ist möglich. Danach findet erneut eine ärztliche Untersuchung statt. Nach der ärztlichen Untersuchung wird der Festgenommene mit dem Bericht des Arztes dem Staatsanwalt vorgeführt, der nochmals eine Befragung im Beisein eines Anwaltes durchführt. Der Staatsanwalt verfügt entweder die Freilassung oder überstellt den Betroffenen dem zuständigen Richter mit dem Antrag auf Ausstellung eines Haftbefehls. Bei der Befragung durch den Richter ist ebenfalls der Anwalt anwesend. Wenn auf Grund eines Eintrages festgestellt wird, dass ein Strafverfahren anhängig ist, wird die Person bei der Einreise festgenommen und der Staatsanwaltschaft überstellt. Ein Anwalt wird hinzugezogen und eine ärztliche Untersuchung vorgenommen.
Der Staatsanwalt überprüft von Amts wegen, ob der Betroffene von den Amnestiebestimmungen des 1991 in Kraft getretenen Antiterrorgesetzes Nr. 3713 oder des im Dezember 2000 in Kraft getretenen Gesetzes Nr. 4616 (Gesetz über die bedingte Entlassung, Verfahrenseinstellung und Strafaussetzung zur Bewährung bei Straftaten, die vor dem 23. April 1999 begangen worden sind) profitieren kann oder ob gemäß Art. 102 StGB a. F. (jetzt Art. 66 StGB n. F.) Verjährung eingetreten ist. Sollte das Verfahren aufgrund der vorgenannten Bestimmungen ausgesetzt oder eingestellt sein, wird der Festgenommene freigelassen.
Andernfalls fordert der Staatsanwalt von dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, einen Haftbeschluss an. Der Verhaftete wird verhört und mit einem Haftbefehl - der durch den örtlich zuständigen Richter erlassen wird - dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, überstellt. Während der Verhöre - sowohl im Ermittlungs- als auch im Strafverfahren - sind grundsätzlich Kameras eingeschaltet.
Dem Auswärtigen Amt ist in den letzten Jahren kein Fall bekannt geworden, in dem ein aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei zurückgekehrter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten - dies gilt auch für exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen - gefoltert oder misshandelt worden ist. Auch seitens türkischer Menschenrechtsorganisationen wurde kein Fall genannt, in dem politisch nicht in Erscheinung getretene Rückkehrer oder exponierte Mitglieder und führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen menschenrechtswidriger Behandlung durch staatliche Stellen ausgesetzt war. Nach Auskunft von EU-Mitgliedstaaten (Dänemark, Schweden, Niederlande, Frankreich, England, auch der Kommission) sowie Norwegen, der Schweiz und den USA ist auch diesen aus jüngerer Zeit kein Fall bekannt, in dem exponierte Mitglieder, führende Persönlichkeiten terroristischer Organisationen sowie als solche eingestufte Rückkehrer menschenrechtswidriger Behandlung ausgesetzt waren.
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde, den bekämpften Bescheid, den Beschwerdeschriftsatz, die vorgelegten Dokumente sowie durch öffentlich mündliche Verhandlung der Beschwerdesache vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat und dem Asylgerichtshof und durch Berücksichtigung nachstehender Länderdokumentationsunterlagen:
Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei, 11.04.2010, 29.06.2009 und 11.09.2008
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Glossar Islamische Länder, Band 23, Februar 2009
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Erkenntnisse, Juni 2009
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Türkei, November 2009
EU-Kommission, Türkei Fortschrittsbericht 2009, 14.10.2009
Annual Report of the United States Commission on International Religious Freedom, Mai 2008
Home Office, Country of Origin Information Report, Turkey, 20.10.2009
USDOS: Country Reports on Human Rights Practices 2008: Turkey, 25.02.2009
USDOS: International Religious Freedom Report Turkey, 26.10.2009
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Notes, Verbot der DTP, 14.12.2009
I.3. Beweiswürdigend wird ausgeführt:
I.3.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:
Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, der Identität des Beschwerdeführers sowie hinsichtlich seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet und des Datums seiner Asylantragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem bereits beim Bundesasylamt vorgelegten türkischen Personalausweis, ausgestellt am XXXX durch das Personenstandsamt der Stadt XXXX.
Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den familiären und privaten Verhältnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf dessen in diesen Punkten glaubwürdigen Angaben im Asylverfahren und den diesbezüglich in Vorlage gebrachten Unterlagen.
Die festgestellten Deutschkenntnisse des Beschwerdeführers gründen sich auf die Wahrnehmungen des entscheidenden Senates in der Beschwerdeverhandlung.
Die Feststellung zur Beschäftigung des Beschwerdeführers ergibt sich aus Sozialversicherungsdatenauszug mit Stand 25.11.2010.
I.3.2. Was hingegen die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe betrifft, so ist Folgendes auszuführen:
Zusammengefasst gab der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung als Grund für das Verlassen der Türkei an, dass er nach dem Ableisten seines Militärdienstes, etwa im Oktober oder November 2005, an einer Radiosendung in XXXX teilgenommen habe. Dort habe er über seine Erlebnisse während des Militärdienstes im Südosten der Türkei berichtet. Nach dieser Sendung sei er telefonisch und auf der Straße von Zivilisten bedroht worden. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer im November 2005, etwa ein bis zwei Wochen nach der Radiosendung, von Personen in Zivil in einem Auto, als er auf dem Nachhauseweg gewesen sei, mitgenommen und bedroht worden. Bei diesen Personen habe es sich um Beauftrage des Militärs gehandelt und sei auch der ehemalige Kommandant des Beschwerdeführers dabei gewesen. Im Zuge dieser Mitnahme sei er aufgefordert worden, sich für das Militär zu engagieren und die Fotos, welche er im Südosten der Türkei gemacht habe, herauszugeben.
Diesem Vorbringen vermochte der Asylgerichtshof, wie schon das Bundesasylamt davor, keine Glaubwürdigkeit zuzuerkennen, zumal der Beschwerdeführer wesentliche Widersprüchlichkeiten und Unplausibilitäten nicht auszuräumen vermochte.
Als Hauptgrund führte der Beschwerdeführer die Teilnahme an einer Radiosendung an, anlässlich der er seine Erlebnisse während seiner Militärzeit im Südosten der Türkei geschildert habe. Der Beschwerdeführer vermochte schon in diesem Zusammenhang das behauptete Radiointerview nicht plausibel darzulegen. Wenn man den Ausführungen des Beschwerdeführers folgen würde, so könnte man in der Stadt XXXX zu diesem Radiosender nach Gutdünken gehen und sich an etwaigen Sendungen beteiligen. Im Hinblick auf die Brisanz des Themas, nämlich dem Wehrdienst und Vorfälle, die in diesem Zusammenhang im Südosten der Türkei vorgefallen sein sollen, ist es nicht plausibel, dass gerade der Beschwerdeführer, der lediglich ein einfacher Soldat war, mir nichts dir nichts im Radio darüber berichten könnte. Überdies ist es wenig Wahrscheinlich, dass es einem Radiosender ohne weiters möglich ist, gerade über so ein heikles Thema, wie den Wehrdienst und den Einsatz gegen die PKK, zu berichten. Darüber hinaus ist auch davon auszugehen, dass, wenn so ein Interview ausgestrahlt wird, der Radiosender seitens des Militärs mit erheblichen Problemen rechnen müsste, was jedoch vom Beschwerdeführer mit keinem Wort behauptet wurde.
Des Weiteren ist es für den Asylgerichtshof nicht nachvollziehbar, woher die Zivilbevölkerung, den Angaben des Beschwerdeführers folgend habe ihn diese telefonisch und auf der Straße bedroht, wissen sollte, dass es sich um den Beschwerdeführer handelt, der im Radio gesprochen habe. Auch wenn man als Wahr unterstellt, dass zu Beginn der Sendung sein Name genannt worden sei - was gelinde gesagt sehr dumm wäre - so müsste dieser Radiosender eine sehr große Reichweite haben und der Beschwerdeführer weiters eine bekannte Persönlichkeit in der Stadt XXXX sein, es handelt sich dabei um eine Stadt mit rund 86.000 Einwohnern, um von der Zivilbevölkerung überhaupt erkannt zu werden. Darüber hinaus muss noch festgehalten werden, dass es sich um eine Radio- und um keine Fernsehsendung gehandelt habe. Die Rechtfertigung des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang vermag den Asylgerichtshof von der Glaubwürdigkeit des Vorbringens jedoch nicht zu überzeugen, zumal Folgendes ausgeführt wurde: "In Österreich wird es dies vielleicht nicht geben, in der Türkei hat man besonderes Augenmerk auf gewisse Radio- und Fernsehsendungen, die andere Ansichten haben und man wird ständig beobachtet und es wird überwacht.".
Der Beschwerdeführer führte weiters aus, dass er etwa ein bis zwei Wochen nach dieser Radiosendung von Angehörigen des Militärs, unter anderem sei auch sein ehemaliger Kommandant dabei gewesen, am Nachhauseweg in einem Auto mitgenommen und bedroht worden sei. Unter anderem habe man gewollt, dass er für das Militär, mal führte der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang aus, es habe sich dabei um den Geheimdienst mal um das ÖZEL TIM gehandelt, arbeiten sollte. Dazu ist festzuhalten, dass, wenn das türkische Militär tatsächlich im Zusammenhang mit einem Radiointerview auf den Beschwerdeführer aufmerksam geworden sei, es nicht ein bis zwei Wochen zugewartet hätte. Überdies macht die Aufforderung, für das Militär, in welcher Form auch immer, zu arbeiten, um dann leichter umgebracht zu werden, keinen Sinn. Das könnte man auch ohne solch einen Aufwand leicht erledigen. Diesbezüglich vermag auch die Ausführung des Beschwerdeführers, dass es so jedoch weniger Aufsehen erregen würde, wenn er beispielsweise im Gefecht umkommen würde, an dieser Einschätzung nichts zu ändern. Darüber hinaus ist es für den Asylgerichtshof nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war, ein konkretes Datum hinsichtlich dieses Vorfalles zu benennen. Schließlich war dieses Ereignis für den Beschwerdeführer - seinen Angaben folgend - ausschlaggebend, dass er die Türkei verlassen habe. Auch die genauen Umstände dieser Bedrohungssituation vermochte der Beschwerdeführer lediglich vage und oberflächlich darzulegen. Darüber hinaus ist es nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer ohne weitere Konsequenzen, nachdem er eine Zusammenarbeit und die Herausgabe der Bilder verweigert habe, wieder freigelassen worden wäre. Auch macht es keinen Sinn, dass der Beschwerdeführer dazu aufgefordert werden sollte, in eine Spezialeinheit einzutreten und dabei auch noch Geld zu verdienen, wenn er letztendlich doch nur umgebracht werden sollte.
Ein weiterer Aspekt, der für die Bewertung der Angaben des Beschwerdeführers als unglaubwürdig maßgeblich ist, ist das Vorbringen hinsichtlich der in Vorlage gebrachten Fotos. Der Beschwerdeführer behauptete in diesem Zusammenhang, dass er die Fotos, auf welchen getötete Personen zu sehen seien, im Zuge eines Militäreinsatzes im Südosten der Türkei gemacht habe und sein ehemaliger Kommandant diese Fotos zurückgewollt habe. Dieses Vorbringen ist aus mehreren Gründen völlig unplausibel. Der Beschwerdeführer gab an, dass er während bzw nach diesem Einsatz die Fotos unbemerkt von seinem Kommandanten gemacht habe. Auf die Frage, woher der Kommandant denn dann von deren Existenz wisse, meinte der Beschwerdeführer spekulativ lapidar, dass er möglicherweise von seinen Kameraden verraten worden sei. Des Weitern vermochte der Beschwerdeführer nicht darzulegen, weshalb ausgerechnet sein Kommandant an diesen Fotos interessiert sein sollte, in concreto geht es um zwei Bilder, auf einem ist ein toter Mann neben Waffen abgebildet und auf dem Zweiten zwei tote Personen, wobei dieses Foto aus einiger Entfernung aufgenommen wurde. Darüber hinaus vermochte der Beschwerdeführer weitere in diesem Zusammenhang aufgetauchte Ungereimtheiten nicht aufzuklären. So gab er an, dass die Bilder arrangiert worden seien. Gleichzeitig führte er jedoch aus, dass Fotoapparate verboten gewesen seien. So stellt sich jedoch die Frage, für wen die Situation arrangiert worden sei. Darauf vermochte der Beschwerdeführer keine befriedigende Antwort zu liefern. Weiters ist auch der Grund für das Machen der Bilder für den Asylgerichtshof nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer gab in diesem Zusammenhang an, dass er sich mit diesen Bildern an Menschenrechtsvereine wenden wollte, um das Massaker im Südosten darzustellen. Letztlich hat er sich damit jedoch offensichtlich nicht an irgendwelche Menschenrechtsvereine gewendet, weshalb auch diese Erklärung nicht zu überzeugen vermag. Offen blieb auch die Frage, weshalb der Beschwerdeführer die Bilder mit unterschiedlichen Kameras gemacht habe. Vier der fünf in Vorlage gebrachten Bilder, bei den anderen handelt es sich um Erinnerungsfotos, wurden offensichtlich mit einer Digitalkamera und das fünfte mit einer normalen Kamera mit Film gemacht. Abgesehen davon, dass es mehr als ungewöhnlich ist, dass der Beschwerdeführer zwei Kameras bei einem behaupteten Kampfeinsatz mitgehabt haben soll, vermag auch der Erklärungsansatz, weshalb zwei Kameras verwendet worden seien, nicht zu überzeugen. Der Beschwerdeführer gab nämlich an, dass bei der einen Kamera der Film ausgegangen sei und er aus diesem Grund mit der Digitalkamera weiter fotografiert habe. Dies ist jedoch insofern nicht möglich, da der Beschwerdeführer auch angab, dass die abgebildeten Toten in ein und derselben Kampfhandlung getötet worden seien. Wenn dies nämlich stimmen würde, so müsste eigentlich eine Landschaftsaufnahme als letztes Bild mit der Kamera mit Film gemacht worden sein, zumal ja aus dem Grund des ausgegangenen Filmes mit der Digitalkamera weiter fotografiert worden sein soll. Tatsächlich ist es jedoch so, dass als letztes Bild mit der Kamera mit Film die beiden toten Personen fotografiert wurden. Als erstes Bild der Digitalkamera, die Nummerierung ergibt sich aus der auf der Rückseite gedruckten JPG Zahl, das vorgelegt wurde, ist jedoch eine Landschaftsaufnahme zu sehen und erst das letzte in Vorlage gebrachte Foto zeigt die getötete Einzelperson mit Waffen. Dies in der Beschwerdeverhandlung vorgehalten, meinte der Beschwerdeführer wie Folgt: "Ich hatte eine Digitalkamera und eine normale Kamera. In der Digitalkamera befand sich ein Chip. Es waren über 100 Fotos. Das BAA hat gemeint, weil es sich um eine Digitalkamera handelt, nicht andere Fotos beischaffen kann. Ich habe aufgrund dessen, diese Landschaftsfotos beigebracht, um dies zu beweisen.". Nach wiederholtem Vorhalt gab er an, dass es sein könne, dass es sich bei den Landschaftsfotos um einen anderen Tag gehandelt habe; die drei toten Personen seien jedenfalls zum selben Zeitpunkt fotografiert worden. Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen ist das jedoch unmöglich.
In einer Gesamtschau vermochte der Beschwerdeführer eine etwaige staatliche Verfolgung durch sein Vorbringen nicht glaubhaft darzulegen. Der Vollständigkeit halber muss noch festgehalten werden, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt noch ausführte, dass er mit seinem Kommandanten schon während der Ableistung seines Militärdienstes Schwierigkeiten gehabt habe. Dieser Umstand wurde in der Beschwerdeverhandlung jedoch nicht mehr erwähnt. Abgesehen davon stehen diese behaupteten Schwierigkeiten offensichtlich auch in keinem ursächlichen Zusammenhang zur Ausreise des Beschwerdeführers, zumal er sich demnach nach dem Abrüsten nicht gezwungen gesehen habe, die Türkei zu verlassen. Schließlich sind auch Umstände, denen es an einem entsprechenden zeitlichen Konnex zur Ausreise mangelt, nicht zur Glaubhaftmachung eines Fluchtgrundes geeignet; die wohlbegründete Furcht müsste vielmehr bis zur Ausreise andauern (VwGH 23.01.1997, 95/20/0221). Die behaupteten Vorfälle anlässlich des Militärdienstes, der Beschwerdeführer habe im März 2005 abgerüstet, sind - unabhängig von der Glaubwürdigkeit - per se nicht geeignet, einen zeitlichen Konnex zur Ausreise Ende November 2005 herzustellen. Diese Vorfälle haben damit nicht dazu geführt, dass der Beschwerdeführer so große Angst vor weiteren Übergriffen auf sich selbst gehabt hätte, die einer begründeten Furcht entsprechen und es dem Beschwerdeführer unerträglich gemacht hätten, in seinem Heimatstaat zu bleiben. Vor diesem Hintergrund war aus diesem Grund auch nicht weiter auf das diesbezügliche Vorbringen einzugehen. Auch wurden keine weiteren Probleme mit den türkischen Sicherheitsbehörden oder Gerichtet behauptet. Auch hinsichtlich seines behaupteten politischen Engagements in der Türkei sei es zu keinerlei Schwierigkeiten gekommen.
Soweit der Beschwerdeführer nun seinen Ausreisegrund auf seine kurdische Abstammung und die daraus resultierenden Schwierigkeiten in der Gesellschaft stützt, ist auszuführen, dass die schwierige allgemeine Lage einer ethnischen Minderheit oder der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft für sich allein nicht geeignet ist, die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Bescheinigung einer konkret gegen den Asylwerber gerichteten drohenden Verfolgungshandlung darzutun. Die bloße Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden bildet daher noch keinen ausreichenden Grund für die Asylgewährung (vgl. VwGH vom 31.01.2002, 2000/20/0358).
Hinsichtlich der kurdischen Abstammung des Beschwerdeführers ist weiters auszuführen, dass sich entsprechend der Länderberichte die Situation für Kurden derart gestaltet, dass momentan keine aktuellen Berichte über die Lage der Kurden in der Türkei und damit keine von Amts wegen aufzugreifenden Anhaltspunkte dafür existieren, dass gegenwärtig Personen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit einer asylrelevanten - sohin auch einer maßgeblichen Intensität erreichenden - Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen sein würden. Gründe, warum die türkischen Behörden ein nachhaltiges Interesse gerade an der Person des Beschwerdeführers haben sollten, wurden von diesem nicht bzw nicht glaubwürdig vorgebracht.
Der Beschwerdeführer ist weiters Alevite, konkrete Übergriffe, wurden vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang jedoch nicht behauptet. Aus den herangezogenen Länderberichten ergibt sich überdies, dass die vorgefallenen Übergriffe auf Aleviten zu keiner Zeit ein solches Ausmaß angenommen und - auch unter Berücksichtigung anderer weniger gravierender Ausschreitungen - eine solche Häufigkeit aufgewiesen haben, dass angesichts der Größe der betroffenen Bevölkerungsgruppe davon auszugehen wäre, Aleviten müssten in der Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen staatlicher Organe oder ihnen zuzurechnender Übergriffe anderer Bevölkerungsgruppen rechnen.
Am Ende der Beschwerdeverhandlung führte der Beschwerdeführer noch aus, dass er bei einer etwaigen Rückkehr in die Türkei verhaftet werden würde und sein Leben in Gefahr sei. Seine Schwester sei nämlich im Jahr 2009 in der Türkei auf Urlaub gewesen. Als sie die Eltern in XXXX besucht habe, sei sie von der Polizei mitgenommen und nach dem Aufenthaltsort des Beschwerdeführers befragt worden. Ihr sei von der Polizei mitgeteilt worden, dass nach dem Beschwerdeführer aufgrund der in Österreich begangenen Köperverletzung wegen politischer Angelegenheiten international gefahndet werde. Dies macht aus zwei Gründen keinen Sinn. Zum einen gab der Beschwerdeführer selbst an, dass er in Österreich beim türkischen Konsulat in XXXX vorstellig geworden sei, die Behörden somit wissen, wo er sich aufhalte, und zum andern der Beschwerdeführer aufgrund eines Körperverletzungsdeliktes mit Urteil des LG XXXX vom XXXX verurteilt wurde. Weshalb aus diesem Grund international in der Türkei nach dem Beschwerdeführer gefahndet werden sollte, erhellt sich für den Asylgerichtshof nicht. Vor allem ist nicht nachvollziehbar, woher die türkische Polizei Kenntnis vom in Österreich begangenen Körperverletzungsdelikt haben sollte. Die Begründung, dass im Bundesgebiet lebende Türken dies in der Türkei erzählen würden, vermag nicht zu überzeugen. Dieses Vorbringen ist als Steigerung bzw bloße Schutzbehauptung zu beurteilen, um dem Vorbringen des Beschwerdeführers mehr Gewicht und vor allem Aktualität zu verleihen. Aus diesen Gründen war darauf nicht näher einzugehen.
Der Beschwerdeführer führte im Rahmen der Beschwerdeverhandlung weiters aus, dass er den XXXX besuchen würde, ohne ein Mitglied zu sein, kulturelle und sportliche Aktivitäten des Vereines in Anspruch nehmen und an Demonstrationen teilnehmen würde.
Dazu ist grundsätzlich auszuführen, dass nur türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, Gefahr laufen, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Es ist davon auszugehen, dass sich eine mögliche strafrechtliche Verfolgung durch den türkischen Staat insbesondere auf Personen bezieht, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten und als Anstifter oder Aufwiegler angesehen werden. Öffentliche Äußerungen, auch in Zeitungsannoncen oder -artikeln, sowie Beteiligung an Demonstrationen, Kongressen, Konzerten etc. im Ausland zur Unterstützung kurdischer Belange sind nach türkischem Recht nur dann strafbar, wenn sie als Anstiftung zu konkret separatistischen und terroristischen Aktionen in der Türkei oder als Unterstützung illegaler Organisationen gemäß der gültigen Fassung des türkischen Strafgesetzbuches gewertet werden können. Nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts haben die türkischen Strafverfolgungsbehörden in der Regel nur ein Interesse an der Verfolgung im Ausland begangener Gewalttaten bzw. ihrer konkreten Unterstützung.
Aus den Angaben des Beschwerdeführers vermag der Asylgerichtshof keine hervorgehoben Stellung innerhalb des kurdischen Vereines erkennen, die den Beschwerdeführer für die türkischen Sicherheitsbehörden interessant machen könnte. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen vermag der Asylgerichtshof im Engagement des Beschwerdeführers in Österreich keine asylrelevante exilpolitische Tätigkeit zu sehen.
Der VwGH hat in ständiger Judikatur erkannt, dass für die Glaubhaftmachung der Angaben des Fremden es erforderlich ist, dass er die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, 95/21/0294, 95/18/1291) und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH05.04.1995, 93/18/0289), wobei zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des "Glaubhaft-Seins" der Aussage des Asylwerbers selbst wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 23.01.1997, 95/20/0303,0304).
Damit ist die Pflicht des Antragstellers verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der Voraussetzungen für eine Asylgewährung spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Insoweit trifft den Antragsteller eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 11.11.1991, 91/19/0143, 13.04.1988, 86/01/0268).
Der Antragsteller hat daher das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH26.06.1997, 95/18/1291 uva). Gerade dies ist dem Beschwerdeführer aber definitiv nicht gelungen. Was das Schreiben, welches vom Beschwerdeführer bereits vor dem Bundesasylamt in Vorlage gebracht wurde und aus dem hervorgeht, dass gegen unbekannte Täter ermittelt werde, die Molotowcocktails auf die Straße geschossen hätten, anbelangt, so ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass sich daraus nicht ableiten lässt, dass sich die Ermittlungen gegen den Beschwerdeführer richten würden.
Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in der Türkei keiner Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt war.
Hinsichtlich der Wiedereinreise in die Türkei ist auszuführen, dass, wenn der türkischen Gren