TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/27 98/21/0266

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Veröffentlicht am 27.02.2001
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §13a;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
MRK Art3;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/21/0363 E 16. Juni 2000

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des BD in G, geboren am 7. August 1972, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 1. April 1998, Zl. FR 397/1997, betreffend Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer in Liberia gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Diesem Bescheid legte sie folgende Aussage des Beschwerdeführers zu Grunde: Als im April 1996 in Liberia wieder Krieg ausgebrochen sei, habe eine Gruppe namens ULIMO versucht, Leute zu rekrutieren. Der Beschwerdeführer und sein Vater hätten sich im Busch versteckt. Später seien der Beschwerdeführer und sein Vater anlässlich einer Lkw-Fahrt von der ULIMO festgenommen und in ein Camp gebracht worden. Dort hätten Leute der ULIMO seinen Vater aufgefordert, für sie zu kämpfen und hätten ihn in den Kampf mitgenommen. Nach Rückkehr hätten sie mitgeteilt, dass sein Vater getötet worden sei. Gemeinsam mit einem festgenommenen Soldaten der ECOMOG habe der Beschwerdeführer aus dem Camp flüchten können. Seinen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung habe der Beschwerdeführer damit begründet, er könne nicht nach Liberia zurückkehren, weil er um sein Leben fürchten müsste.

Dieses Vorbringen wertete die belangte Behörde als nicht geeignet, um damit eine aktuelle, subjektiv gegen den Beschwerdeführer gerichtete, von den Behörden seines Heimatstaates zumindest gebilligte Verfolgungsgefahr konkret nachvollziehbar glaubhaft zu machen. Vom Beschwerdeführer sei nie behauptet worden, dass er jemals in seinem Heimatstaat misshandelt oder gar gefoltert worden sei. Weiters seien in Liberia im August 1996 ein Waffenstillstand und eine neue Friedensvereinbarung geschlossen worden. Bei den Ende Mai/Anfang Juni 1997 stattgefundenen Wahlen sei Charles Taylor zum Staatspräsidenten gewählt worden. Die Wahlen seien fair abgehalten worden. Es gebe seither in Liberia eine weitestgehend funktionierende Staatsgewalt, die durch die Überwachungsgruppe der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOMOG-Truppe) unterstützt werde. Diese Truppen kontrollierten sowohl die Hauptstadt Monrovia als auch die wichtigsten öffentlichen Einrichtungen und hätten die Demobilisierung und Entwaffnung der seinerzeitigen bewaffneten Bürgerkriegsparteien in die Wege geleitet und vorangetrieben. Ende September 1996 bekannt gewordene Übergriffe seien von den staatlichen Behörden Liberias rigoros geahndet und bestraft worden. Dies zeige, dass die staatlichen Stellen durchaus in der Lage und auch gewillt seien, Übergriffe von Seiten bewaffneter Rebellengruppen bzw. seinerzeitiger Bürgerkriegsparteien mit rigorosen Strafen zu ahnden. Im Übrigen habe der Bundesminister für Inneres rechtskräftig festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 Abs. 1 FrG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG im Verfahren gemäß § 75 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 7. April 2000, Zl. 99/21/0001).

Entgegen der Beschwerdeansicht können dem angefochtenen Bescheid die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen und die rechtlichen Erwägungen in nachvollziehbarer Weise entnommen werden; der behauptete Begründungsmangel liegt somit nicht vor.

Die Beschwerde zeigt zutreffend auf, dass eine drohende Verfolgung auch dann im Sinn des § 57 FrG relevant sein kann, wenn sie nicht von staatlichen Behörden ausgeht und - wie eingangs dargelegt - von diesen nicht abgewendet werden kann. Diese Ausführungen vermögen die Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg zu führen. Soweit nämlich die politische und menschenrechtliche Situation in Liberia angesprochen wird, verweist sie auf Berichte aus dem Jahr 1993. Diesen Angaben mangelt somit die für die Glaubhaftmachung einer im Fall der Abschiebung bevorstehenden Gefährdung oder Bedrohung erforderliche Aktualität (vgl. zur insoweit unverändert gebliebenen Rechtslage das zum Fremdengesetz 1992 ergangene hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2000, Zl. 97/21/0428). Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde nicht, Bedenken gegen die Richtigkeit der von der belangten Behörde unter Quellenangabe getroffenen Feststellungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Bürgerkriegs im Heimatland des Beschwerdeführers aufzuzeigen. Wie eingangs erwähnt hat ein Fremder im Verfahren gemäß § 75 Abs. 1 FrG das Bestehen einer aktuellen in dem im Antrag genannten Staat drohenden Verfolgung glaubhaft zu machen. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. auch dazu das genannte Erkenntnis Zl. 99/21/0001).

Unverständlich ist das Beschwerdevorbringen insofern, als es der belangten Behörde vorwirft, sie hätte nach Durchführung amtswegiger Ermittlungen über die Situation in Liberia Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers ziehen müssen. Die belangte Behörde hat nämlich ohnehin die Angaben des Beschwerdeführers ihrer rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt.

Soweit die Beschwerde der belangten Behörde vorwirft, sie hätte den Beschwerdeführer gemäß § 13a AVG anleiten und ergänzend vernehmen sowie ihm die Unterlagen zur allgemeinen Situation in Liberia zukommen lassen müssen, geht diese Mängelrüge schon deswegen fehl, weil der Beschwerdeführer (abgesehen von den nicht entscheidungswesentlichen Berichten aus dem Jahr 1993) nicht darlegt, welches Vorbringen zu erstatten ihm verwehrt worden sei; die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wird somit nicht dargetan.

Ausgehend von den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen über die Beendigung des Bürgerkriegs im Heimatland des Beschwerdeführers kann die Ansicht der belangten Behörde, es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft zu machen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Liberia im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG gefährdet oder bedroht wäre, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. Februar 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1998210266.X00

Im RIS seit

07.12.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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