Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Mag. Gerold Dünser über die Berufung von Herrn K. S., geboren am XY, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. C. O., XY-Straße 7, I., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 12.04.2011, Zahl 2-AW75/4-2009, wie folgt:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit den §§ 24, 51, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber spruchgemäß Folgendes zur Last gelegt:
?Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als nach § 9 Abs 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (in der Folge kurz VStG) zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma Autorecycling S. GmbH, XY-Straße 42, Z., vorsätzlich nicht verhindert, dass die vorher genannte Gesellschaft, über einen längeren Zeitraum, jedenfalls jedoch bis zum 26.08.2008 (Zeitpunkt der Feststellung),
1. entgegen Punkt 3.5. der Anlage 1 der Altfahrzeugverordnung (in der Folge kurz AFZ-VO), BGBl II Nr 407/2002, idgF, Altreifen nicht unter Vermeidung zu großer Lagerbestände, sondern in großen Mengen im Freien auf unbefestigtem Boden gelagert hat.
2. entgegen Punkt 4.2. der Anlage 1 der AFZ-VO, eine Entfernung oder Neutralisierung potentiell explosionsfähiger Bauteile nicht vorgenommen hat. Konkret wurden Airbags und Gurtstraffer weder entfernt noch neutralisiert. Bei Unfallfahrzeugen waren die Airbags zumeist schon ausgelöst.
3. entgegen Punkt 4.4. der Anlage 1 der AFZ-VO, fand eine ausdrückliche Entfernung und getrennte Sammlung von quecksilberhaltigen Bauteilen nicht systematisch statt. Eine Entfernung der Bauteile mit Quecksilber fand konkret nur dann statt, wenn die entsprechenden Teile zum Wiederverkauf geeignet erschienen.
4. entgegen Punkt 4.5. der Anlage 1 der AFZ-VO, gemäß der Anlage 2 der AFZ-VO mit x gekennzeichnete Bauteile nicht systematisch ausgebaut hat. Konkret fand eine Entfernung der mit x gekennzeichneten Teile nur dann statt, wenn ein Wiederverkauf der Teile möglich erschien. Ein Ausbau findet jedoch hinsichtlich der Batterien statt.
5. entgegen Punkt 5.2. der Anlage 1 der AFZ-VO, nicht systematisch kupfer- und aluminium- und magnesiumhaltige Bauteile entfernt hat. Konkret wurden insbesondere Alufelgen demontiert und getrennt verwertet. Andere Metallbauteile wurden nur dann ausgebaut, wenn ein Wiederverkauf der Teile möglich erschien.
6. entgegen Punkt 5.3. der Anlage 1 der AFZ-VO, Stoßdämpfer, Armaturenbretter, Flüssigkeitsbehälter und andere größere Kunststoffbauteile nicht systematisch ausgebaut hat. Konkret fand ein Ausbau nur statt, wenn ein Wiederverkauf der Teile möglich erschien.
7. entgegen Punkt 5.4. der Anlage 1 der AFZ-VO, die Entfernung von Glas nicht systematisch durchgeführt hat. Konkret fand die Entfernung von Glas nur statt, wenn ein Wiederverkauf möglich erschien.
Durch die oben genannte Maßnahmen wird Ihnen als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Autorecycling S. GmbH zur Last gelegt, dass Sie es vorsätzlich nicht verhindert haben, dass die oben genannte Firma, es als Altfahrzeugverwerter unterlassen hat, die technischen Mindestanforderungen für die Behandlung von Altfahrzeugen gemäß § 10 Abs 1 Z 4 Anlage 1 AFZ-VO einzuhalten.
Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als nach § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma Autorecycling S. GmbH zu
1. eine Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs 2 Z 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002, BGBl I Nr 102/2002, zuletzt geändert mit BGBl I Nr 9/2011, (in der Folge kurz AWG) iVm § 10 Abs 1 Z 4 Anlage 1 Punkt 3.5 AFZ-VO
2. eine Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs 2 Z 1 AWG iVm § 10 Abs 1 Z 4 Anl 1 Pkt 4.2 AFZ-VO
3. eine Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs 2 Z 1 AWG iVm §10 Abs 1 Z 4 Anl 1 Pkt 4.4 AFZ-VO
4. eine Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs 2 Z 1 AWG iVm § 10 Abs 1 Z 4 Anl 1 Pkt 4.5 AFZ-VO
5. eine Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs 2 Z 1 AWG iVm § 10 Abs 1 Z4 Anl 1 Pkt 5.2 AFZ-VO
6. eine Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs 2 Z 1 AWG iVm § 10 Abs 1 Z 4 Anl 1 Pkt 5.3 AFZ-VO
7. eine Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs 2 Z 1 AWG iVm § 10 Abs 1 Z 4 Anl 1 Pkt 5.4 AFZ-VO
dadurch begangen, indem Sie die jeweilige Tat vorsätzlich nicht verhindert haben.?
Aus diesem Grund wurden über den Berufungswerber auf Grundlage des § 79 Abs 2 AWG zu jedem einzelnen Spruchpunkt eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 1.800,00, Ersatzfreiheitsstrafe je 6 Tage, verhängt. Außerdem wurde er zur Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des Verfahrens vor der Erstbehörde verpflichtet.
Im fristgerecht dagegen erhobenen Rechtsmittel wird zusammenfassend zunächst die Verfolgungsverjährung ins Treffen geführt. Weiters wird ausgeführt, dass das Verfahren in jeder Hinsicht mangelhaft geblieben sei, weil die Behörde im Hinblick auf die Einwendungen in der Rechtfertigung vom 01.09.2009 vollkommen untätig geblieben sei und insbesondere keine Feststellungen darüber getroffen habe,
a)
wie viele Reifen tatsächlich gelagert worden seien, sohin sei nicht nachvollziehbar, ob ein ?zu großer Lagerbestand? vorliege oder nicht;
b)
welche Mengen an Reifen zur Entsorgung und welche Mengen an Reifen zum Wiederverkauf gelagert worden seien;
c)
an welchen Fahrzeugen und wie viel insgesamt Airbags und Gurtenstraffer nicht ausgebaut worden seien, wodurch der Tatvorwurf nicht ausreichend konkretisiert sei. Auch sei zu bemerken, dass eine nachträgliche Konkretisierung wegen Ablauf der Verfolgungsverjährung nicht mehr möglich sei und schon alleine deshalb das Verfahren einzustellen sein werde;
d)
es sei nicht geklärt worden, welche Teile konkret Quecksilber enthalten würden, die die Autorecycling S. GmbH zu entfernen und getrennt zu sammeln gehabt hätte und woher ihr das konkret zumutbarer Weise überhaupt bekannt gewesen sein sollte;
e)
auch zu Spruchpunkt 4. sei nicht konkretisiert, welchen Fahrzeugen welche Bauteile im Sinne der Verordnung entfernt hätten werden müssen. Die Konkretisierung sei zur rechtlichen Beurteilung unabdingbar erforderlich, weil andernfalls nicht beurteilt werden könne, ob eine Übertretung der abfallwirtschaftlichen Bestimmungen überhaupt vorliege, zumal jedes Neu- oder Altfahrzeug aus verschiedenen Materialien bestehe und die Autorecycling S. GmbH nur eine teilweise Bearbeitung des Fahrzeuges insofern vornehme, als sie für den Wiederverkauf geeignete Teile ausbaue und lagere, jene Bauteile ausbaue und entsorge, die unmittelbar eine Umweltgefährdung darstellen könnten, die teilbearbeitenden Fahrzeugwracks dann aber zur Weiterbearbeitung der Firma R. übergebe, die mit ihren technischen Einrichtungen in der Lage sei, die weitere stoffliche Trennung durchzuführen.
Im Sinne des Gesetzes sei daher die gesamte Kette der Abfallbehandler, in diesem Fall die Autorecycling S. GmbH zusammen mit der Firma R. zu betrachten und nicht nur die Autorecycling S. GmbH, die arbeitsteilig lediglich einen Teil der Abfallbehandlung durchführe.
Weiters wurde noch in der zitierten Rechtfertigung vom 01.09.2009 ausgeführt, dass es sich bei der Formulierung ?zu große Lagerbestände?, dies betreffend Altreifen, um einen unbestimmten Gesetzesbegriff handle. Zu große Lagerbestände seien jedenfalls nicht vorliegend. In Summe wurde ausgeführt, dass die Autorecycling S. GmbH Altreifen sorgfältig danach trenne, ob diese auf Grund ihrer Profiltiefe und des Zustandes und auch in ihrem eigentlichen Einsatzbereich verwertbar seien, oder aber, ob der Zustand bereits so schlecht sei, dass diese einer Entsorgung zuzuführen sind.
Weiters wurde in dieser Stellungnahme ausgeführt, dass es richtig sei, dass Gurtenstraffer und Airbags über einen gewissen Zeitraum hindurch aus den Autos nicht ausgebaut worden seien. Der Grund dafür liege darin, dass der zuvor hierfür zuständige Mitarbeiter aus dem Betrieb ausgeschieden sei und erst seit 24.05.2009 wieder ein entsprechender Mitarbeiter mit der entsprechenden Sprengmittelbefugnis zur Verfügung stehe. Es sei allerdings zu bemerken, dass alle Airbags und Gurtenstraffer neutralisiert worden seien und nicht explodieren konnten, weil als erste Maßnahme bei der Hereinnahme eines Altfahrzeuges die Bordbatterie entfernt werde. Ohne Spannung von der Bordbatterie sei eine Aktivierung eines Airbags oder Gurtenstraffers nicht möglich, somit seien diese an sich explosionsfähigen Bauteile neutralisiert.
Zu den quecksilberhaltigen Bauteilen wurde ausgeführt, dass als solche der Autorecycling S. GmbH lediglich LED-Tachometer und Xenon-Lampen bekannt seien. Andere Bauteile seien von den Herstellern nicht im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes als quecksilberhaltig bezeichnet worden. Die S. GmbH habe daher alle LED-Tachos, soweit sich solche im angelieferten Fahrzeug befanden, entsorgt und getrennt gesammelt. Fahrzeuge mit Xenon-Leuchten seien, da es sich um verhältnismäßig junge Technik handle, bisher noch nicht angeliefert und weiterverarbeitet worden.
Im übrigen wurde darauf hingewiesen, dass die Autorecycling S. GmbH in einer Kette von Verwertungsunternehmen stehe. So verfüge dieses Unternehmen selbst über keinen Shredder, sondern liefere die Altfahrzeuge nach der teilweisen Bearbeitung im Sinne der Altfahrzeugverordnung und nach Ausbau von wiederverkaufsfähigen Teilen an die R. GmbH in Hall weiter, welche über einen Shredder verfüge, der in der Lage sei, die weitere Trennung der Stoffe zu bewerkstelligen. Stoßdämpfer würden bei der Autorecycling S. GmbH nur dann systematisch ausgebaut und entsorgt, wenn diese leck seien und damit eine Umweltgefährdung darstellen würden. Dichte Stoßdämpfer würden aus den Altfahrzeugen nur entfernt, wenn sie im Ausnahmefall dem Wiederverkauf zugeführt werden könnten, sonst würden sie über den Schredder der Firma R. stofflich getrennt und fachgerecht entsorgt. Dasselbe treffe auf kupfer-, aluminium- und magnesiumhaltige Bauteile, Kunststoffbauteile und Glas zu.
Festgehalten wird, dass die Erstbehörde am 14.07.2009 und sohin grundsätzlich innerhalb der Frist gemäß § 81 Abs 1 VStG eine Aufforderung zur Rechtfertigung wider den Berufungswerber gerichtet hat. Die Tatvorhalte wider den Berufungswerber wurden dabei so formuliert wie im vorliegenden Straferkenntnis. Dort wurden ihm die Übertretungen noch erkennbar in unmittelbarer Tatbegehung als handelsrechtlicher Geschäftsführer zur Last gelegt. Der Bericht über die Überprüfung vom 26.08.2008 wurde ihm nach der Aktenlage allerdings nicht zur Kenntnis gebracht.
Der Berufung kommt aus folgenden Gründen Berechtigung zu:
Eingangs wird festgehalten, dass die Erstbehörde im vorliegenden Fall sowohl gegen die abfallrechtliche Geschäftsführerin, als auch gegen den Berufungswerber, welcher handelsrechtlicher Geschäftsführer der Autorecycling S. GmbH ist, Straferkenntnisse gerichtet hat. Das Berufungsverfahren betreffend den Vorwurf gegen die abfallrechtliche Geschäftsführerin wird beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol zur Zahl 2011/16/1120 geführt. Die nachstehenden Ausführungen beziehen sich sohin ausschließlich auf die Verantwortung des Berufungswerbers handelsrechtlicher Geschäftsführer.
Für das vorliegende Straferkenntnis von Bedeutung ist zunächst, dass es sich bei den Fahrzeugen, welche von der Autorecycling S. GmbH gelagert wurden und werden, um nicht gefährliche Abfälle handelt. So werden diese Fahrzeuge unbestritten bei Annahme und bevor diese auf den Lagerplatz verbracht werden im Sinne der Bestimmungen der Altfahrzeugverordnung trocken gelegt, auch wird deren Batterie entfernt. Damit handelt es sich bei diesen trockengelegten Altfahrzeugen, welchen die Batterie entnommen wurde, nicht um gefährliche Abfälle der Schlüsselnummer 35203, sondern um nicht gefährliche Abfälle der Schlüsselnummer 35204 (vgl zur Abgrenzung diesbezüglich auch VwGH 20.05.2010, 2008/07/0122). Diese Feststellung wurde auch nach telefonischer Nachfrage am 06.05.2011 durch den abfalltechnischen Amtssachverständigen Mag. M. M., Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Umweltschutz, bestätigt.
Wenn die Tätigkeit der Sammlung und Behandlung von gefährlichen Abfällen, ausgenommen Asbestzement, nicht von einer natürlichen Person ausgeübt werden soll oder der Erlaubniswerber die in Bezug auf die auszuübende Tätigkeit erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht selbst nachweist, ist gemäß § 26 Abs 1 AWG 2002 eine hauptberuflich tätige Person als abfallrechtlicher Geschäftsführer zu bestellen. Die Bestellung mehrerer hauptberuflich tätiger Personen als abfallrechtlicher Geschäftsführer mit eindeutig abgegrenzten Tätigkeitsbereichen ist zulässig. Der abfallrechtliche Geschäftsführer ist gemäß Abs 3 leg cit verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 VStG und für die fachlich einwandfreie Ausübung der Tätigkeit gemäß § 26 Abs 1 AWG 2002 und die Einhaltung der diesbezüglichen abfallrechtlichen Vorschriften verantwortlich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bisher erst vereinzelt mit dieser Bestimmung auseinandergesetzt. Dennoch ergibt sich aus der diesbezüglichen Judikatur, dass mit § 26 Abs 3 AWG 2002 noch keine pauschale Haftung der abfallrechtlichen Geschäftsführerin für sämtlich Übertretungen nach dem AWG 2002 konstituiert wird. Vielmehr besteht eine solche lediglich in Bezug auf die Tätigkeiten gemäß § 26 Abs 1 AWG 2002. Dementsprechend hat der VwGH beispielsweise festgehalten, dass Transporteurstätigkeiten im Sinne des § 25 Abs 2 Z 3 AWG 2002 in der Fassung, welche bis zur Novelle BGBl I Nr 9/2011 gegolten hat, nicht zu den Tätigkeiten gemäß § 26 Abs 1 AWG 2002 zählen (vgl VwGH 06.07.2006, 2005/07/0118).
Jedenfalls zählen Tätigkeiten im Zusammenhang mit nicht gefährlichen Abfällen nicht zu den in § 26 Abs 1 AWG 2002 erwähnten, erstreckt sich diese Bestimmung doch ausdrücklich lediglich auf gefährliche Abfälle.
Die Erstbehörde wirft dem Berufungswerber vor, dass er als handelsrechtlicher Geschäftsführer vorsätzlich nicht verhindert habe, dass die Autorecycling S. GmbH bis zum 26.08.2008 entgegen bestimmter Bestimmungen der Altfahrzeugverordnung Altfahrzeuge behandelt habe.
Gemäß § 9 Abs 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Entgegen der offenkundigen Auffassung der Erstbehörde sind im Sinne der vorstehenden Überlegungen die inkriminierten Tätigkeiten nicht dem Aufgabengebiet der abfallrechtlichen Geschäftsführerin zuzurechnen, sondern unmittelbar dem Berufungswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als nach außen Vertretungsbefugtem der Autorecycling S GmbH. Der Vorwurf, dass er eine Übertretung der GmbH vorsätzlich nicht verhindert hat, geht aber auch schon alleine deshalb ins Leere, weil die GmbH für sich genommen nicht handlungsfähig ist und nur durch ihre Organe eine Übertretung setzen könnte, für deren Verhalten im Regelfall der handelsrechtliche Geschäftsführer der GmbH verwaltungsstrafrechtlich einzustehen hat. Zumal ihm allerdings zur Last gelegt wird, vorsätzlich eine Handlung der GmbH, nämlich der juristischen Person, nicht verhindert zu haben, entfernt sich die Erstbehörde von einem sanktionsbewehrten Tatvorwurf.
Soweit die Erstbehörde mit der gewählten Spruchformulierung eine Haftung auf Grund des § 9 Abs 6 VStG im Auge hatte so sei sie auf den klaren Wortlaut dieser Bestimmung verwiesen, wonach die zur Vertretung nach außen berufenen Personen trotz Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten unter bestimmten Umständen weiterhin strafrechtlich verantwortlich bleiben, wenn sie die Tat vorsätzlich nicht verhindert haben.
Die Anwendung dieser Bestimmung setzt nach der Judikatur des VwGH (VwGH 19.11.1990, 90/19/0345) den Vorhalt im Spruch voraus, dass ein ?verantwortlicher Beauftragter? bestellt worden sei und dass dieser die Tat begangen habe (vgl auch VwGH 02.07.1990, 90/19/0053). Zumal der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses keinen Hinweis darauf enthält, dass die abfallrechtliche Geschäftsführerin als verantwortliche Beauftragte die Übertretung verwirklicht habe, ist eine Haftung aus diesem Grunde nicht in Frage gekommen.
In Summe sei allerdings unter Hinweis auf die Ausführungen zu § 26 Abs 1 und 3 AWG 2002 nochmals festgehalten, dass die inkriminierten Tätigkeiten nicht der abfallrechtlichen Geschäftsführerin zur Last zu legen gewesen wären, sondern unmittelbar dem Berufungswerber selbst.
Zwar ist es nach der Judikatur des VwGH (vgl etwa VwGH 15.06.2010, 2009/05/0262) nicht rechtswidrig, wenn die Berufungsbehörde die Funktion, in welcher der Berufungswerber zur Verantwortung gezogen wird, konkretisiert, was grundsätzlich auch eine Klarstellung ermöglichen würde, dass er die Tat in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten hat.
In diesem Zusammenhang hat der VwGH allerdings auch festgehalten (vgl VwGH 20.06.1990, 89/01/0219): ?Im Beschwerdefall steht nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten fest, dass die belangte Behörde im Gegensatz zur Behörde erster Instanz den Beschwerdeführer nicht als der Übertretung gemäß § 16 Abs 3 lit a Veranstaltungsgesetz für schuldig erachtet, sondern ihm Beihilfe zur Begehung dieser Übertretung durch den Veranstalter zur Last gelegt hat. Damit hat die belangte Behörde als Berufungsbehörde die von der Erstbehörde als erwiesen angenommene Tat ausgewechselt und somit eine ihr nicht zustehende Befugnis in Anspruch genommen. Denn zur Auswechslung der als erwiesen angenommenen Tat ist die Berufungsbehörde gemäß dem auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung findenden § 66 Abs 4 AVG 1950 nicht berechtigt. Sache des Berufungsverfahrens und der Berufungsentscheidung gemäß § 66 Abs 4 AVG 1950 ist immer die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat (vgl hg Erkenntnis vom 20. Oktober 1983, Zlen 83/06/0155, 0156, und die dort angeführte Vorjudikatur). Dadurch, dass die belangte Behörde die Begehung der angeführten Verwaltungsübertretung durch den Beschwerdeführer im Gegensatz zur Strafbehörde erster Instanz nicht mehr als erwiesen angenommen hat, und nunmehr, im übrigen ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers, ihm Beihilfe zur Begehung dieser Übertretung anlastet, ist der Verstoß gegen das aus den angeführten gesetzlichen Vorschriften resultierende Verbot, die als erwiesen angenommene Tat im Berufungsverfahren auszuwechseln, offenkundig.?
Diese Aussagen können auch auf das vorliegende Verfahren angewendet werden. So würde durch eine Verbesserung des Straferkenntnisses in die Richtung, dass dem Berufungswerber die unmittelbare Begehung der Tat zur Last gelegt wird und nicht die vorsätzliche Nichtverhinderung, im Sinne der vorstehenden Ausführungen ein Austausch der Tat erfolgen, wozu der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol in seiner durch § 66 Abs 4 AVG bestimmten Kognitionsbefugnis nicht befugt ist.
Schon alleine aus diesem Grund war das angefochtene Straferkenntnis zu beheben. Eine Einstellung war aus diesem Grund allerdings noch nicht zu verfügen, wurde ihm doch durch die Aufforderung zur Rechtfertigung, welche innerhalb der durch § 81 Abs 1 AWG 2002 auf ein Jahr erstreckten Verfolgungsverjährungsfrist erlassen wurde, noch die unmittelbare Tatbegehung und nicht das ?vorsätzliche Nichtverhindern? zur Last gelegt.
Insofern sei lediglich ergänzend im Hinblick auf das Vorbringen des Berufungswerbers auf folgende Umstände hingewiesen:
Wie der Berufungswerber zutreffend ausführt, beschränkt sich die Erstbehörde bei ihrem Tatvorhalt auf allgemeine Feststellungen, ohne allerdings die konkreten Sachverhaltselemente, durch deren Verwirklichung die jeweilige Übertretung als erwiesen gelten kann, anzuführen. Soweit die Erstbehörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ausführt, dass ?vom branchenüblichen Ausmaß unter Einbeziehung von Sinn und Zweck der Norm auszugehen? sei sowie dass der vom BMFLUW beauftragte Sachverständige ?zweifelsohne über die nötige Expertise? verfüge, um die besagten Feststellungen treffen zu können, so verkennt sie die diesbezüglichen Grundsätze des Verwaltungsstrafverfahrens:
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat ein Straferkenntnis unter anderem die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Dieser Vorschrift ist dann entsprochen (vgl VwGH 03.10.1985, 85/02/0053, Entscheidung in einem VS), wenn
a)
im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und
b)
der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.
Diese Grundsätze wurden im vorliegenden Fall in keinem der Spruchpunkte eingehalten.
Ohne auf die einzelnen Tatvorhalte im Detail einzugehen sei daher nur beispielsweise auf Spruchpunkt 1. verwiesen, in welchem der Vorwurf erhoben wird, dass ?Altreifen nicht unter Vermeidung zu großer Lagerbestände, sondern in großen Mengen im Freien auf unbefestigtem Boden gelagert? wurden.
Im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im vorzierten Erkenntnis wäre es daher erforderlich gewesen darzulegen, was unter zu großen Lagerbeständen zu verstehen ist und weshalb gegen diese Bestimmung verstoßen wurde. Dazu sei weiters auf die ständige Rechtsprechung des VwGH verwiesen, wonach für eine Bezeichnung der Tat auch erforderlich ist, das Geschehen, also jenes eine Vorschrift übertretende Verhalten des Beschuldigten, hinreichend genau nach Zeit und Ort, zu umschreiben, das die Behörde für erwiesen hält und einer rechtlichen Würdigung unterzieht (vgl dazu Rascher/Wessely, Verwaltungsstrafgesetz, S 588 samt der dort zitierten Judikatur). Dies bedeutet, dass sich der Strafvorwurf im Zusammenhang mit den vorliegenden Delikten nicht auf eine Widergabe des Gesetzestextes beschränken kann sondern konkret darzulegen ist, durch welches konkrete Verhalten gegen die jeweiligen Bestimmungen verstoßen wurde.
In Spruchpunkt 3. wird weiters etwa nicht konkretisiert, welche quecksilberhaltigen Bauteile aus den Fahrzeugen nicht entnommen worden seien. Unter Hinweis auf das diesbezügliche Vorbringen in der Rechtfertigung vom 01.09.2009 zeigt sich, dass eine derartige Konkretisierung jedenfalls erforderlich ist. Im Übrigen sei dazu auf Punkt 6.4.4. im Prüfbericht verwiesen, wonach sich diese Verpflichtung ausdrücklich auf die in der Anlage 2 der Altfahrzeugverordnung angeführten Bauteile mit Quecksilber bezieht, sohin auf Entladungslampen für Scheinwerfer sowie auf Leuchtstoffröhren in Instrumententafelanzeigen. Zur Wahrung der angeführten Kriterien wäre dem Berufungswerber daher zur Last zu legen gewesen, dass diese Bauteile bei konkret bezeichneten Fahrzeugen nicht entnommen wurden. Auch hier zeigt das Vorbringen des Berufungswerbers die Ergänzungsbedürftigkeit des Tatvorhalts im Sinne der Ausführungen des VwGH vom 03.10.1985.
Zu den Übertretungen wie in Spruchpunkten 5. und 6. angeführt sei darauf hingewiesen, dass in der Anlage 1 zur Altfahrzeugverordnung dazu jeweils ausdrücklich ausgeführt wird, dass diese Verpflichtungen nur dann bestehen, wenn die entsprechenden Materialien nicht beim Shreddern oder in nachgeschalteten Separationsverfahren getrennt werden. Diese Verpflichtungen bestehen für den Berufungswerber daher nur dann, wenn ein derartiger weiterer Behandlungsschritt nicht erfolgt. Zumal der Berufungswerber schon in der Rechtfertigung vom 01.09.2009 ausgeführt hat, dass die Autowracks anschließend bei der Firma R. geshreddert werden, bestanden die diesbezüglichen Verpflichtungen für den Berufungswerber nicht. Der Tatvorhalt dazu geht insofern ins Leere.
Zusammenfassend sei allerdings nochmals darauf hingewiesen, dass die Erstbehörde offensichtlich davon ausgeht, dass unmittelbarer Täter im vorliegenden Fall die juristische Person selbst ist und der Berufungswerber lediglich im Wege des § 9 Abs 6 VStG zur Haftung zu ziehen ist, da er die Übertretung vorsätzlich nicht verhindert habe. Da dies aus den angeführten Gründen nicht zutreffend ist und dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol eine Umstellung des Tatvorwurfs demnach, dass der Berufungswerber selbst und nicht die GmbH für die Einhaltung der Vorschriften Sorge zu tragen hatte sowie dass ihm nicht das vorsätzliche nicht verhindern der Überwachung der GmbH, sondern sein eigenes Handeln zur Last zu legen ist, auf Grund der dadurch vorgenommenen Auswechslung der Tat im Sinne des § 66 Abs 4 AVG verwehrt war, war das angefochtene Straferkenntnis zu beheben.
Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.